Arbeitsrecht

Zustellung einer Klage

Aktenzeichen  5 HK O 1428/17

Datum:
15.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 56460
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1, § 138 Abs. 3, § 167
BGB § 181, § 242, § 280 Abs. 1, § 281, § 362 Abs. 1, § 614
GKG § 45 Abs. 1 S. 3

 

Leitsatz

Vom Kläger kann nicht verlangt werden, er müsse von sich aus den Gerichtskostenvorschuss einbezahlen, es sei denn die Aufforderung des Gerichts zur Einzahlung des Gerichtkostenvorschusses geht nicht innerhalb von drei Wochen ein, so muss er nachfragen oder den Gerichtskostenvorschuss von sich aus einbezahlen.  (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
IV. Der Streitwert wird auf € 120.000,– festgesetzt.

Gründe

I. Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet, weil dem Kläger gegen die Beklagte keine Vergütungsansprüche mehr zustehen.
1. Die Ansprüche auf Festvergütung für die Monate Mai bis Juli 2016 in Höhe von jeweils € 15.000,- brutto sind erloschen.
a. Dies gilt zunächst für den Monat Mai aufgrund von Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift erlischt das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Nach dem vom Kläger nicht bestrittenen und damit gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden geltenden Vortrag der Beklagten hat diese das Gehalt für den Monat Mai 2016 im August 2016 überwiesen und folglich die vertraglich geschuldete Leistung für diesen Monat – wenn auch verspätet – erbracht, weshalb insoweit Erfüllung eingetreten ist.
b. Bezüglich der Monate Juni und Juli 2016 ist der jeweilige Anspruch aus Ziffer 3.1 des Vorstandsdienstvertrags erloschen, weil die Ausschlussfristen aus Ziffer 11.1 dieses Vertrages vom Kläger nicht eingehalten wurden.
(1) An der Wirksamkeit dieser Klausel mit der zweistufigen Ausschlussfrist bestehen allerdings keine Bedenken. Die Vereinbarung von Ausschlussfristen ist zwar grundsätzlich zulässig, wobei dies sowohl für Individualvereinbarungen als auch für eine Regelung in vorformulierten Verträgen gilt. Sie ist gedeckt vom Prinzip der Vertragsfreiheit. Dabei muss vorliegend beachtet werden, dass diese Klausel für Ansprüche beider Vertragsteile gilt, weshalb weder gegen den Grundsatz von Treu und Glauben des § 242 BGB noch gegen § 307 Abs. 1 BGB verstoßen wird, sofern es sich bei dem Vorstandsdienstvertrag um eine vorformulierte Reglung für eine Vielzahl von Fällen handeln sollte (vgl. BAG NZA 2004, 852, 857).
(2) Die Voraussetzungen für das Eingreifen der Ausschlussfrist sind sowohl für die Vergütungen des Monats Juni 2016 wie auch für Juli 2016 erfüllt. Die Vergütungen waren fällig jeweils am letzten Tag eines Monats, mithin am 30.6. bzw. 31.7.2016 wie eine Auslegung von Ziffer 3.1 des Vorstandsdienstvertrages ergibt. Die Formulierung über die Auszahlung der zwölf monatlichen Teilbeträge „zum Monatsultimo“ ist gemäß §§ 133, 157 so zu verstehen, dass die monatliche Vergütung jeweils zum Letzten eines Monats ausbezahlt wird. Diese Regelung muss als Fälligkeitsvereinbarung verstanden werden. Es entspricht gerade nicht der Lebenswirklichkeit anzunehmen, es gehe ausschließlich um die Zusicherung einer Teilzahlung ohne Regelung einer Fälligkeit. Wenn in einem Vertrag ein bestimmtes Datum genannt wird, bedeutet dies in aller Regel auch die Fälligkeit der Leistung, die zu diesem Datum erfolgen soll. Zudem entspricht diese Vereinbarung im Wesentlichen der gesetzlichen Vorgabe aus § 614 BGB, wonach bei einer Bemessung der Vergütung nach Zeitabschnitten diese nach dem Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte zu leisten ist – der einzige Unterschied besteht darin, dass nach der vertraglichen Regelung die Fälligkeit um einen Tag vorverlagert wird. Allein der Umstand, dass das Wort „fällig“ nicht in der vertraglichen Vereinbarung enthalten ist, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Die Auslegung eines Vertrages ist gerade nicht am Wortlaut verhaftet. Entscheidend ist der Zweck der Vereinbarung – wenn eine Vergütung zu einem bestimmten oder zumindest bestimmbaren Zeitpunkt geschuldet ist, so muss dies als Fälligkeitsbestimmung angesehen werden.
(a) Angesichts dessen hätte der Kläger die Vergütung für den Monat Juni spätestens zum 30.9.2016 geltend machen müssen, was allerdings nicht geschah. Das Schreiben vom 10.10.2018 war folglich verspätet. Etwas anderes ergibt sich namentlich nicht aus der Erwägung heraus, die Beklagte habe den Anspruch durch die Entgeltabrechnungen anerkannt. Die Abrechnung hat nicht den Zweck, streitig gewordene Ansprüche endgültig festzulegen; ihr kann regelmäßig nicht entnommen werden, der Dienstverpflichtete wolle den in der Abrechnung genannten Betrag auch dann gewähren, wenn dieser nach dem Dienstvertrag nicht geschuldet sein sollte. Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis kann der Abrechnung folglich nicht entnommen werden (vgl. BAG NZA 1987, 557, 558 = DB 1987, 1694, 1695 = BB 1987, 1814 = MDR 1987, 873).
(b) Im Ergebnis nichts anderes kann für den Vergütungsanspruch für den Monat Juli 2016 gelten. Hier war zwar die Geltendmachung mit dem Anwaltsschreiben vom 10.10.2016 noch rechtzeitig erfolgt; doch versäumte der Kläger dann die Ausschlussfrist auf der zweiten Stufe für die gerichtliche Geltendmachung, auch wenn die Klageschrift mit ihrem bezifferten Antrag am 27.1.2017 beim Landgericht München I einging. Die Zustellung erfolgte indes erst am 5.4.2018, nachdem der Kläger den Gerichtskostenvorschuss erst am 22.3.2017 und damit fast zwei Monate nach Eingang der Klage bei Gericht einbezahlte. Dann aber kann nicht mehr von einer demnächst erfolgten Zustellung ausgegangen werden, wie dies von § 167 ZPO verlangt wird, damit auf den Eingang bei Gericht abgestellt werden kann.
(aa) Die Vorschrift des § 167 ZPO muss in dieser Konstellation analog angewandt werden, wenn die gerichtliche Geltendmachung in einem Vertrag innerhalb einer bestimmten Frist verlangt wird. Die Voraussetzungen einer analogen Anwendung müssen vorliegend bejaht werden. Eine Analogie ist zulässig und geboten, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (vgl. BGH NJW 2007, 3124, 3125; NZM 2016, 890, 891). Der Normzweck des § 167 ZPO erfasst auch diesen Fall. Diese Vorschrift versucht, die Interessen des Zustellungsbetreibers mit denen des Zustellungsadressaten zu vereinbaren, indem sie die durch die Zustellung herbeizuführende Rechtswirkung zwar auf den Zeitpunkt des Eingangs des zuzustellenden Schriftstücks bei Gericht zurückbezieht, zugleich aber die Rückwirkung begrenzt durch das Erfordernis der „demnächst“ zu erfolgenden Zustellung. Daher wendet der BGH die Vorschrift des § 167 ZPO auch auf solche Fälle an, bei denen eine außergerichtliche Geltendmachung genügt – wer mit der Klage die stärkste Form der Geltendmachung von Ansprüchen wählt, muss sich darauf verlassen können, dass die Einreichung der Klageschrift die Frist wahrt, wenn die Zustellung „demnächst“ erfolgt (vgl. BGHZ 177, 319,.. Tz 23 bis 25 = NJW 2009, 765, 767 = GRUR 2008, 989, 991 = ZUM 2008, 773, 776; ebenso Zöller-Greger, ZPO, 32. Aufl., § 167 Rdn. 1 und 3 a). Dann müssen aber diese Erwägungen erst Recht gelten, wenn auf der zweiten Stufe die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs verlangt wird.
(bb) Die Zustellung erfolgte vorliegend indes nicht mehr demnächst im Sinne des § 167 ZPO weil der Kläger angesichts der Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses erst am 22.3.2017 nicht alles ihm Zumutbare unternommen hat, um eine Zustellung zu ermöglichen; die Einzahlung erfolgte nicht innerhalb einer Frist, die noch als unschädlich angesehen werden kann. Zwar kann vom Kläger nicht verlangt werden, er müsse von sich aus den Gerichtskostenvorschuss einbezahlen; vielmehr darf er eine Aufforderung durch das Gericht abwarten. Wenn diese innerhalb von drei Wochen allerdings nicht beim Kläger eingeht, muss er nachfragen oder den Gerichtskostenvorschuss von sich aus einbezahlen. Vor diesem Zeitraum von drei Wochen ab Eingang der Klage bei Gericht kann in einer Situation wie hier, in der die gerichtliche Geltendmachung wesentlich für das Einhalten einer Frist ist, kann daher eine dem Kläger zuzurechnende Verzögerung nicht angenommen werden (vgl. BGH NJW 2016, 568, 569 = NZM 2016, 53, 54 = WuM 2016, 58, 59 = ZMR 2016, 245, … Tz 11 bis 13 = AnwBl 2016, 172; Zöller-Greger, ZPO, a.a.O., § 167 Rdn. 15). Ab diesem Zeitpunkt hat der Kläger eine Frist von zwei Wochen, um die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses zu erbringen. Vorliegend erfolgte die Einzahlung indes erst am 22.3.2017, also nochmals nahezu fünf Wochen später. Angesichts dessen ist die Zustellung nicht mehr als demnächst zu bezeichnen.
2. a. Dem Kläger steht aus Ziffer 3.2 des Vorstandsdienstvertrages kein Zahlungsanspruch in Höhe von € 75.000,- brutto zu. Zwar genehmigte der Aufsichtsrat eine erfolgsabhängige Vergütung für den Kläger in dieser Höhe in seinem Beschluss vom 17.4.2015 in dieser Höhe. Selbst wenn die Voraussetzungen für einen auf Geld gerichteten Zahlungsanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 281 BGB wegen einer Pflichtverletzung der Beklagten erfüllt sein sollten, weil die Voraussetzungen für eine Auszahlung in Aktien seitens der Beklagten nicht geschaffen worden sein sollten, steht dem Anspruch die Ausschlussklausel aus Ziffer 11.1 des Vorstandsdienstvertrages entgegen. Der Kläger hat diesen Anspruch nicht rechtzeitig gerichtlich geltend gemacht. Die oben unter I. 2. b. dargestellten Erwägungen greifen auch hier ein, weshalb zur Vermeidung von Wiederholungen in vollem Umfang darauf Bezug genommen werden kann.
b. Der Hilfsantrag auf Übertragung von Inhaberaktien ist zulässig, jedoch nicht begründet, weil dem Kläger kein entsprechender Anspruch aus Ziffer 3.2 des Vorstandsdienstvertrages (mehr) zusteht. Zum einen ist nach dem Vortrag der Parteien nicht erkennbar, inwieweit die aktienrechtliche Grundlage für die Übertragung von Inhaberaktien der Beklagten auf den Kläger im Wert von € 75.000,- brutto bereits erfüllt worden sind. Zum anderen aber greift auch hier die Ausschlussfrist aus den soeben dargelegten Gründen auf der zweiten Stufe ein. Wegen des Nichtbestehens eines Zahlungsanspruchs kann der Kläger auch keine Zinszahlung verlangen.
Angesichts dessen konnte die Klage keinen Erfolg haben Ebenso wenig kommt es entscheidungserheblich darauf an, ob Vergütungsansprüche möglicherweise gestundet wurden und ob die Stundung in der Folgezeit widerrufen wurde oder nicht.
II. 1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO; als Unterlegener hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
3. Der Streitwert ergibt sich aus der Addition der bezifferten Anträge. Der vom Kläger gestellte Hilfsantrag ist wirtschaftlich mit dem Hauptantrag identisch, so dass auch daher eine Erhöhung des Streitwertes aufgrund von § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG unterbleibt.


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