Arbeitsrecht

Zweckbefristung des Arbeitsverhältnisses entgegen § 1 Abs. 2 HS 2 ÄArbVtrG

Aktenzeichen  4 Sa 179/19

Datum:
18.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 1941
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
ÄArbVtrG § 1
BGB § 134

 

Leitsatz

Vereinbaren die Vertragsparteien im Rahmen des § 1 ÄArbVtrG entgegen der Regelung in § 1 Abs. 2 HS 2 ÄArbVtrG keine kalendermäßige Befristung, sondern eine vom Bestehen der Facharztprüfung abhängige Zweckbefristung, wird ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet. (Rn. 40 – 41)

Verfahrensgang

10 Ca 1344/18 2019-05-07 Endurteil ARBGWUERZBURG ArbG Würzburg

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg – Kammer Aschaffenburg – vom 07.05.2019,
Az.: 10 Ca 1344/18, abgeändert.
2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht infolge wirksamer Befristung zum 13.12.2018 beendet worden ist.
3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Berufung ist zulässig.
Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, Abs. 2 c ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.
II.
Die Berufung ist sachlich begründet.
Das Ersturteil ist abzuändern und der Klage ist stattzugeben, denn das Arbeitsverhältnis der Klägerin hat nicht infolge wirksamer Befristung zum 13.12.2018 geendet.
Die Befristungsabrede der Parteien entspricht nicht der gesetzlichen Vorgabe des § 1 Abs. 2 Halbsatz 2 ÄArbVtrG.
1. Bei dem Feststellungsantrag der Klägerin handelt es sich um eine Entfristungsklage nach § 17 S. 1 TzBfG, denn die Klägerin macht den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses geltend, weil dieses nicht rechtswirksam befristet worden sei.
Über die Frage einer Anschlussbeschäftigung auf Basis der Zusatzvereinbarung vom 29.11.2017 wäre nur dann zu befinden, wenn das bisherige Arbeitsvertragsverhältnis zuvor rechtswirksam geendet hätte. Dies war hier nicht der Fall.
Die nach Schließung der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz erklärte vorsorgliche ordentliche Kündigung vom 02.12.2019 zum 31.01.2020 berührt den Streitgegenstand des vorliegenden Befristungsrechtsstreits nicht. Es bedurfte deshalb keiner Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht auf Grund wirksamer Befristung zum 13.12.2018 geendet, denn die im Arbeitsvertrag vom 16.04.2018 von den Parteien vereinbarte Zweckbefristung verstößt gegen § 1 Abs. 2 Halbsatz 2 ÄArbVtrG.
Der Verstoß gegen § 1 Abs. 2 Halbsatz 2 ÄArbVtrG führt zur Unwirksamkeit der Befristungsabrede gem. § 134 BGB und zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis über den 13.12.2018 hinaus, § 16 S. 1 TzBfG.
Eine Zweckbefristung ist mit § 1 Abs. 2 Halbsatz 2 ÄArbVtrG nicht vereinbar. Nach § 1 Abs. 2 Halbsatz 2 ÄArbVtrG muss die Dauer einer auf Grund dieses Gesetzes vereinbarten Befristung des Arbeitsvertrags kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar sein. Dies setzt voraus, dass das Beendigungsdatum im Arbeitsvertrag ausdrücklich bezeichnet wird oder sich auf Grund der bei Abschluss des Arbeitsvertrags vorliegenden Angaben anhand eines Kalenders zweifelsfrei feststellen lässt. Dies ist bei einer Zweckbefristung nicht der Fall (vgl. BAG v. 14.08.2002 – 7 AZR 266/01 – AP Nr. 1 zu § 1 ÄArbVtrG; v. 09.11.1994 – 7 AZR 243/94 – BAGE 78, 239 ff.).
Die Unvereinbarkeit einer Zweckbefristung mit § 1 Abs. 2 Halbsatz 2 ÄArbVtrG folgt bereits aus dem unmissverständlichen Wortlaut der Vorschrift. Denn für eine Zweckbefristung ist gerade kennzeichnend, dass die Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht kalendermäßig bestimmt ist, das Arbeitsverhältnis vielmehr mit Eintritt eines von den Parteien als gewiss, der Zeit nach aber als ungewiss angesehenen Ereignisses enden soll. Der als ungewiss erachtete Zeitpunkt des das Arbeitsverhältnis beendigenden Ereignisses ist somit bei Abschluss des Vertrags nicht anhand eines Kalenders feststellbar (BAG v. 14.08.2002, aaO; v. 26.03.1986 – 7 AZR 599/84 – BAGE 51, 319 ff.).
Die Unzulässigkeit von Zweckbefristungen, die auf Grund des ÄArbVtrG vereinbart werden, entspricht auch dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Durch das Erfordernis einer kalendermäßig bestimmten oder zumindest bestimmbaren Befristung wird gewährleistet, dass sich die Parteien bereits bei Vertragsschluss über den genauen Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verständigen. Es wird vor allem auch verhindert, dass die zeitlichen Höchstgrenzen des § 1 Abs. 3 ÄArbVtrG überschritten werden.
Nur bei einer Zeitbefristung lässt sich nämlich die Einhaltung der dort bestimmten Höchstgrenzen bereits bei Vertragsschluss feststellen (so BAG v. 14.08.2002, aaO).
Indem der Gesetzgeber in § 1 Abs. 2 Halbsatz 2 ÄArbVtrG zwingend vorschreibt, die Dauer der Befristung des Arbeitsvertrags müsse kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar sein, untersagt er Befristungsabreden, bei denen dies nicht der Fall ist. Dies hat die Unwirksamkeit derartiger Befristungen zur Folge (§ 134 BGB). Im Anwendungsbereich des § 1 ÄArbVtrG sind daher Zweckbefristungen unwirksam. An die Stelle des unwirksam befristeten Arbeitsverhältnisses tritt im Regelfall ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Dies entspricht den Grundsätzen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle und ist nun auch in § 16 Satz 1 Halbsatz 1 TzBfG ausdrücklich normiert (so BAG v. 14.08.2002, aaO.).
Die Parteien haben in § 1 Abs. 1 und § 11 Abs. 2 des Vertrages vom 16.04.2018 keine kalendermäßig bestimmbare Zeitbefristung i.S.d. § 15 Abs. 1 TzBfG vereinbart, sondern eine zeitlich nicht exakt bestimmbare Zweckbefristung gem. § 15 Abs. 2 TzBfG. Die Dauer des Arbeitsverhältnisses sollte sich nämlich an der Dauer der Weiterqualifizierung zur Fachärztin orientieren und vom Bestehen der abzulegenden Prüfung abhängen.
III.
1. Die Kosten des Rechtsstreits hat gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO der unterlegene Beklagte zu tragen.
2. Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass, § 72 Abs. 1 und 2 ArbGG.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben