Bankrecht

AGB, Berufung, Streitwert, Vollstreckung, Zahlung, Streitwertfestsetzung, Gutachten, Verwirkung, Zinsen, Vertrag, Ausschluss, Anlage, Sicherheitsleistung, betrug, Kosten des Rechtsstreits, Rechtsprechung des BGH, zur Unzeit

Aktenzeichen  18 C 815/20

Datum:
25.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 26200
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Sparkonto der Klagepartei mit der Nr. … zum Wertstellungsdatum 15.07.2019 den Betrag von 201,25 € gutzuschreiben.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 83 % und die Beklagte 17 % zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet. 
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.209,15 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
I.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das für den Feststellungsantrag erforderliche Feststellungsinteresse klägerseits gegeben. Die Klagepartei hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, ob der zwischen den Parteien geschlossene Prämiensparvertrag fortbesteht oder aber durch die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung beendet wurde.
II.
1. Kündigung
Der Feststellungantrag ist unbegründet. Der streitgegenständliche Prämiensparvertrag ist durch die Kündigung der Beklagten zum 15.11.2019 beendet.
Der Prämiensparvertrag ist als unregelmäßige Verwahrung gemäß §§ 700, 696 Abs. 1 BGB zu qualifizieren.
Nach der Rechtsprechung des BGH erfolgt die Abgrenzung danach, ob die vereinbarte monatliche Sparrate als vertragliche Zahlungspflicht oder nicht ausgestaltet war, ob also ein klagbarer Anspruch auf Zahlung der Sparrate seitens der Sparkasse gegen den Sparer bestand, vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2019, Az.: XI ZR 345/18, Rn. 26.
Im Sparvertrag ist zwar unter Nr. 1 geregelt, dass der Sparer bis zum 1./15. eines Monats die Sparrate „einzahlen wird“. Allerdings ist dort auch vereinbart, dass eine Herabsetzung der Sparrate möglich ist und damit der Sparer die Entscheidungsbefugnis hat, in welcher Höhe er Sparraten erbringen will oder nicht. Bei Nichtzahlung der Sparraten ergeben sich aus Nr. 4.3 die vertraglichen Konsequenzen. Zum einen können die Sparraten innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit nachgezahlt werden. Zum anderen führt die Nichtnachzahlung zur sofortigen Beendigung des Vertrages. Nach dem Parteiwillen, der nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen ist, §§ 133, 157 BGB, soll also keine Pflicht zur Einzahlung begründet werden. Bei Nichtzahlung soll unter bestimmten Voraussetzungen der Vertrag beendet sein, weswegen auch die Beklagte kein Interesse an ggf. nachträglicher Zahlung hat. Sie will sich dann genauso vom Vertrag lösen wie es der Sparer auch will, weil er offenbar die Raten nicht mehr zahlen will oder kann (vgl. dazu ausführlich BGH, aaO, Rn. 27-31).
Zwischen den Parteien wurde unstreitig die Einbeziehung der AGBSp vereinbart. Die Einbeziehung der AGB ist ausdrücklich in Nr. 5.2 des Prämiensparvertrages vorgesehen. Nach § 305 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB werden AGB Vertragsbestandteil, wenn auf ihre Gültigkeit hingewiesen wird, der Kunde die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat und mit ihrer Einbeziehung einverstanden ist.
Aus Nr. 26 Abs. 1 AGB ergibt sich ein ordentliches Kündigungsrecht, welches auch hier Anwendung findet (vgl. BGH, aaO, Rn. 33ff).
Das ordentliche Kündigungsrecht nach Nr. 26 Abs. 1 AGB ist nur bis zum Erreichen der höchsten Prämiensparrate konkludent ausgeschlossen (BGH, aaO., Rn. 38ff).
Nach der vertraglichen Vereinbarung war der Prämienzins gestaffelt und erhöhte sich ab dem dritten bis zum 20. Jahr auf 100% der Jahressparleistung. Abgedruckt war im Anschluss an das 20.Jahr zwar auch „FJ“, wobei hier ebenfalls ein Prämienzins von 100% ausgewiesen war. Entgegen der Auffassung der Klägerseite lässt sich daraus aber kein weitergehender Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts rechtfertigen. Die Bestimmung des Rechtsbindungswillens erfolgt gemäß §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont. Entgegen der Auffassung der Klägerseite ergibt sich aus dem Abdruck ein solcher Wille nicht. Denn der BGH stellt in seiner Entscheidung maßgeblich auf das Kriterium des Erreichens des höchsten Prämiensparzinses ab. Ab dem 21. Jahr erfolgte hier der Abdruck nur noch als „FJ“, was für „Folgejahr“ stehen sollte. Es macht aber keinen signifikanten Unterschied, ob die „Folgejahre“ nur als solche oder konkret mit Zahlen bezeichnet werden. Denn der Ausschluss des Kündigungsrechts knüpft nicht an die aufgelisteten Jahreszahlen, sondern ausschließlich an das Erreichen des höchsten Prämienzinssatzes an.
Diese Rechtsansicht vertritt offensichtlich auch das Bayerische Oberste Landesgericht, weil es in seinem Hinweis vom 27.01.2021 im Rahmen des Musterfeststellungsverfahrens, Az. 101 MK 1/20, unter II .1 als den S-Prämiensparvertrag, bei dem im 15. Jahr die Prämienhöchststufe erreicht wurde, kennzeichnendes Merkmal aufführt, dass auch die Beklagte ab dem Ende des 15. Sparjahres zur ordentlichen Kündigung des Sparvertrages mit einer Kündigungsfrist von 3 Monaten bei Vorliegen eines Sachgrundes berechtigt sei.
Die Fortschreibung der Prämienstaffel durch den Abdruck „FJ“ bringt gerade zum Ausdruck, dass die Parteien hier einen unbefristeten Vertrag abgeschlossen haben, der durch die Beklagte (nach Erreichen der höchsten Prämienstufe) ordentlich kündbar war.
Die von der Klagepartei angeführte Vertragsklausel in Ziffer 4.1 des Prämiensparvertrages steht einer Kündigung durch die Beklagte nicht entgegen. Die Klausel enthält eine Fortführungsfiktion des Vertrages für den Fall, dass der Sparer nicht binnen eines Monats nach Ablauf der Kündigungsfrist über das Sparguthaben verfügt. Diese Fortführungsfiktion macht bei einer Kündigung durch die Beklagte keinen Sinn, weil der Sparer durch Nichtverfügung über das Sparguthaben die Kündigung durch die Beklagte schlichtweg aushebeln könnte. Vom Sinn und Zweck her betrifft die Regelung in Ziffer 4.1 des Vertrages daher ausschließlich eine durch den Sparer erfolgte Kündigung. Auch der BGH sah in seinem Hinweisbeschluss vom 12.11.2019, Az. XI ZR 94/18, unter Nr. 1c) bezüglich der Fortführungsfiktionsklausel keine Auswirkungen auf die von der Beklagten erklärte Kündigung.
Auch die weiteren Kündigungsvoraussetzungen liegen vor. Der nach Nr. 26 Abs. 1 AGB erforderliche sachliche Grund liegt vor.
Ein solcher Grund ist gegeben, wenn die Umstände, die die Sparkasse zur Kündigung veranlassen, derart beschaffen und zu bewerten sind, dass ein unvoreingenommener, vernünftiger Beobachter das Verhalten der Sparkasse für eine nachvollziehbare und der Sachlage nach angemessene Reaktion halten muss. Ein solcher Umstand ist in dem veränderten Zinsumfeld zu sehen, das sich zwar nicht wegen des variablen Zinssatzes negativ auf das Vertragsverhältnis auswirkt, es aber der Beklagten erschwert, die Erträge zu erwirtschaften, die sie benötigt, um die jährlichen Prämienzahlungen aufzubringen, so BGH, aaO, Rn. 45 – 46.
Als Kündigungsgrund nennt die Beklagte in ihrem Kündigungsschreiben vom 24.06.2019, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahren grundlegend geändert hätten. Ein Ende der langanhaltenden Niedrigzinsphase sei nicht in Sicht.
Der Einwand, die Beklagte habe nicht alle Maßnahmen ergriffen, um die niedrigen Zinsen zu kompensieren, z.B. nicht in Bund-Futures und Zins-Floors investiert, steht der Kündigung nicht entgegen. Es wird klägerseits nicht nachvollziehbar dargelegt wie durch die genannten Instrumente die Beklagte die hochverzinslichen Prämiensparverträge tatsächlich hätte ohne weiteres refinanzieren können. Auch ist hier die ex ante-Betrachtung heranzuziehen. In den 1990er Jahren, als die Prämiensparverträge von der Beklagten aufgelegt wurden, war eine derart lange anhaltenden Niedrigzinsphase nicht ersichtlich.
Zudem sind an den sachlichen Grund keine strengen Anforderungen zu stellen, da dieses Erfordernis nur dem Umstand Rechnung trägt, dass die Beklagte als Anstalt des öffentlichen Rechts einer Grundrechtsbindung unterliegt. Über ein Willkürverbot geht der Begriff des sachlichen Grundes aber nicht hinaus, vgl. Dr. R., JuS 2020, 1001, 1006.
Die Beklagte, die ihre Geschäfte nach kaufmännischen Grundsätzen zu führen hat, bewegt sich gerichtsbekannt wie alle anderen Finanzteilnehmer seit Jahren in einem Niedrig- und sogar Negativ-Zinsumfeld. Unter diesen Bedingungen kann es der Beklagten nicht verwehrt sein, unter Berufung auf die wirtschaftlichen Verhältnisse den Prämiensparvertrag nach Erreichen der Höchstprämie zu kündigen.
Die Kündigungsfrist von 3 Monaten nach Nr. 4 S. 1 der Bedingungen für Sparverträge ist eingehalten.
Die Kündigungserklärung ist unstreitig der Klagepartei auch zugegangen.
Das Kündigungsrecht der Beklagten ist auch nicht verwirkt. Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf eingerichtet hat und sich auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht mehr geltend machen wird, BGH, NJW 2010 3714ff., Rn. 23.
Vorliegend war eine Kündigung durch die Beklagte frühestens nach Erreichung der höchsten Prämienstufe möglich. Die höchste Prämienstufe wurde vorliegend nach 20 Jahren zum 15.08.2019 erreicht. Unter Berücksichtigung einer dreimonatigen Kündigungsfrist konnte die Beklage frühestens zum 15.11.2019 kündigen. Die Beklagte hat somit zum frühestmöglichen Zeitpunkt gekündigt. Eine Verwirkung ist daher keinesfalls gegeben. Es fehlt bereits an dem erforderlichen Zeitmoment.
Die Kündigung erfolgte daher auch nicht zur Unzeit im Sinne der Nr. 26 Abs. 1 S. 2 AGB . Die Kündigung erfolgte unter Einhaltung der 3-monatigen Kündigungsfrist. Die Klagepartei hatte somit drei Monate Zeit, um ggfs. mithilfe der Beklagten nach alternativen Anlageprodukten zu suchen. Umstände, die für eine Kündigung zur Unzeit sprechen könnten, sind klägerseits ohnehin nicht vorgetragen.
Damit war die Klage im Hinblick auf den Klageantrag zu 1. abzuweisen.
2. Zinsnachzahlungsanspruch
Der Klagepartei steht ein Anspruch auf Gutschrift weiterer Zinsen auf das Sparkonto in Höhe von 201,25 € zu.
a) unwirksame Zinsanpassungsklausel
Die Parteien haben keine wirksame Regelung zu den Modalitäten der Anpassung des Zinssatzes getroffen. Die Klausel im Sparvertrag „Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, z.Z.t. 1,750% …“ ist unstrittig unwirksam gemäß § 308 Nr. 4 BGB. Mit dieser Klausel wird der Beklagten ein einseitiges Bestimmungsrecht über die Höhe des vereinbarten variablen Zinssatzes eingeräumt. Dies ist bei in den Vertrag einbezogenen allgemeinen Geschäftsbedingungen unzulässig, BGH, Urteil vom 17.02.2004, Az. XI ZR 140/03, BGH, Urteil vom 14.03.2017, Az. XI ZR 508/15.
b) ergänzende Vertragsauslegung
Da die Zinsanpassungsklausel, nicht aber die Vereinbarung über den variablen Zins, unwirksam ist und dispositives Recht insoweit fehlt, ist diese Lücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen, vgl. BGH, Urteil vom 14.03.2017, Az. XI ZR 508/15. Diese Auslegung hat sich daran zu orientieren, welche Regelung die Parteien in Kenntnis der Unwirksamkeit der vereinbarten Zinsanpassungsklausel nach dem Vertragszweck in angemessener Abwägung der beiderseitigen Interessen als redliche Vertragspartner nach Treu und Glauben getroffen hätten.
Als wichtigster Parameter ist der Referenzzins zu bestimmen, dessen Veränderung Auslöser für die Zinsänderung ist. Es muss sich hierbei um einen in öffentlich zugänglichen Medien abgebildeten Referenzzins handeln, der von unabhängigen Stellen nach einem genau festgelegten Verfahren ermittelt wird und keine Partei einseitig begünstigt. Dabei ist unter den Bezugsgrößen des Kapitalmarktes diejenige oder eine Kombination derjenigen auszuwählen, die dem konkreten Geschäft möglichst nahe kommen, vgl. BGH, Urteil vom 13.04.2010, Az. XI ZR 197/09, Rn. 21.
Vorliegend waren die folgenden Vertragsmerkmale zu berücksichtigen:
Die Klagepartei hat einen Prämiensparvertrag mit einer monatlichen Zahlung von 50 DM abgeschlossen. Die Spareinlage wird somit durch laufende monatliche Einzahlungen über die gesamte Laufzeit aufgebaut, mithin nicht in einem Betrag bei Abschluss des Sparvertrages eingezahlt. Eine Pflicht des Sparers zur Einzahlung des monatlichen Sparbetrages besteht nicht. Der anfängliche Zins betrug 1,750%. Am Ende des dritten vollen Kalenderjahrs wurde erstmals eine Prämie in Höhe von 4% auf die geleisteten Sparbeiträge des abgelaufenen Kalenderjahres gutgeschrieben. Diese Prämie erhöhte sich danach sukzessive und erreichte nach 20 Jahren ihren Höchststand von 100%. Sie würde auch für die folgenden Jahre in gleicher Höhe ausbezahlt.
Die Klagepartei verfügt über ein jederzeitiges Kündigungsrecht mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist. Durch die Kündigung erfolgt kein Verlust bereits ersparter Prämien. Zudem hat die Klagepartei die Möglichkeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist nach Ziffer 4 Satz 2 der Bedingungen für den Sparverkehr ohne Kündigung in Höhe von bis zu 3.000 DM monatlich über die Spareinlage zu verfügen.
Auf Seiten der Beklagten besteht ein Kündigungsausschluss bis zum Erreichen der Höchstprämie, hier mit dem Erreichen des 20. Sparjahres. Nach Erreichen der Höchstprämie ist der Vertrag durch die Beklagte mit sachlichem Grund kündbar.
Die Anlage ist in die niedrigste Risikoklasse einzustufen, denn es besteht bis zur Höhe der Einlagensicherung praktisch kein Ausfallrisiko.
Nach diesem Konzept des Sparvertrages ist es interessengerecht, eine Kombination aus einem kurz- und einem langfristigen Zins heranzuziehen. Die ausschließliche Anwendung eines Zinses, der für langfristige Anlagen gilt, würde die Tatsache, dass der Vertrag für den Sparer ohne weiteres mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist jederzeit kündbar ist, völlig übergehen. Das Gericht folgt insoweit den Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen in seinem Gutachten vom 18.10.2020. Der Prämiensparvertrag stellt eine Kombination einer kurzfristigen Geldmarktanlage mit einer langfristigen Rentenanlage dar.
Aufgrund der jederzeitigen Kündigungsmöglichkeit der Anlage durch die Klagepartei mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist und der jederzeitigen Verfügbarkeit von 3.000 DM aus der Anlage war hier als ein Teil des Referenzzinses ein entsprechender Zins für kurzzeitige Anlagen heranzuziehen, denn hierin besteht das kurzfristige Element des Vertrages. Würde der Sparer sein Geld in dreimonatige Festgelder anlegen, könnte er ebenso wie beim Prämiensparvertrag jederzeit innerhalb von 3 Monaten seine Ersparnisse auflösen. Es kann daher auf den 3-Monats-EURIBOR zurückgegriffen werden.
Man könnte hier erwägen, aufgrund der Möglichkeit des Sparers über einen Betrag von 3.000 DM im Monat zu verfügen, als Referenzzinssatz zusätzlich den 1-Monatszins heranzuziehen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen im Termin vom 30.04.2021 unterscheidet sich der 1-Monatszins jedoch nur geringfügig vom 3-Monatszins. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Verfügbarkeit sich nur auf einen Teilbetrag des gesamten Sparvolumens bezieht, sodass die Heranziehung des 3-Monatszins aus Vereinfachungsgründen (noch) interessengerecht erscheint und auch davon auszugehen ist, dass die beteiligten Parteien aus Vereinfachungsgründen aufgrund der geringen Differenz auf eine weitere Aufspaltung verzichtet hätten.
Hinzu kommt ein langfristiges Element, da die Bank Prämienzahlungen ab dem 3. Sparjahr zusichert. Es ist daher auch ein langfristiger Zins anzuwenden, da dieser die Laufzeit der Prämienzahlungen repräsentiert. Die Prämienstaffel bietet einen wirtschaftlichen Halteanreiz für den Verbraucher. Der langfristige Zins wird dem Vertragskonzept gerecht, das auf ein langfristiges Sparen bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe angelegt ist. Zur Ermittlung des langfristigen Zinses, der die Laufzeit der Prämienzahlungen repräsentiert, war zu berücksichtigen, dass sich die Prämienzahlungen in aufsteigender Höhe vom 3. Sparjahr bis in das 20. Sparjahr erstrecken und der Sparbetrag nicht bei Abschluss des Vertrages in einem Betrag, sondern in laufenden monatlichen Raten einbezahlt wurde. Nicht der komplette Sparbetrag hat somit eine Mindestlaufzeit von 20 Jahren. Sparraten, die z.B. erst im 20. Sparjahr einbezahlt werden, haben bei Kündigung durch die Beklagte nur eine einjährige Laufzeit. Der Sachverständige hat daher zutreffend eine mittlere Restlaufzeit der Prämienzahlungen von 6,98 Jahren ermittelt. Insoweit wird auf die Ausführung des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 18.10.2020 sowie im Termin vom 30.04.2021 Bezug genommen. Heranzuziehen waren als Referenzsatz die Renditen von Bundesanleihen mit 7-jähriger Restlaufzeit wie sie von der Bundesbank in der Zeitreihe BBSIS.M.I.ZST.ZI.EUR.S1311.B.A.604.R07XX.R.A.A._Z._Z.A angegeben werden.
Es stellt sich die Frage, wie insbesondere die Vertragsmerkmale schnelle Verfügbarkeit des Geldes für den Kunden einerseits und starker Halteanreiz aufgrund der Prämienstaffel andererseits zu gewichten sind. Um sowohl dem kurzfristigen als auch dem langfristigen Charakter des Prämien-Sparvertrages gerecht zu werden, ist eine Mischung von beiden Zinssätzen 50 zu 50 vorzunehmen. Der Sparer dürfte sich für die langfristige Anlage auch deshalb entscheiden, weil er zwar langfristig sparen kann, aber auch jederzeit aussteigen kann. Insoweit erscheint eine gleichwertige Gewichtung der Referenzzinssätze interessengerecht. Soweit der BGH in seiner Entscheidung vom 13.04.2010, Az. XI ZR 197/09, Rn. 22, die Ansicht vertreten hat, dass die Heranziehung eines Referenzzinses für kurzfristige Sparanlagen auch mit einem Anteil von nur 20% nicht dem im Vertrag zum Ausdruck kommenden Interesse der Parteien entspricht, kann diese Ansicht vorliegend beim hiesigen Prämiensparvertrag nicht herangezogen werden. Im vom BGH entschiedenen Fall war es so, dass die Prämie erst am Ende der Gesamtdauer des Vertrages gezahlt wurde. Eine Prämie wurde erst bei der Vertragsdauer von mindestens 8 Jahren ausbezahlt und fiel nur an, wenn der Sparvertrag über die volle Laufzeit durchgehalten wurde und keine vorzeitige Verfügung über das Guthaben erfolgte. Bei einer vorherigen Kündigung des Vertrages erhielt der Sparer keine Prämie. Dieser Fall ist somit nicht vergleichbar, da ein wesentlich höherer Halteanreiz gegeben war als im vorliegenden Vertrag, in dem die Klagepartei prämienunschädlich kündigen kann.
Entscheidend ist, welche Regelung die Parteien in Kenntnis der Unwirksamkeit der vereinbarten Zinsanpassungsklausel nach dem Vertragszweck in angemessener Abwägung der beiderseitigen Interessen als redliche Vertragspartner nach Treu und Glauben getroffen hätten. Der Sparer hat ein Interesse an einem an längerfristige Anlagen orientierten Zinssatz, da dieser idR höher ist als bei kurzfristigen Anlagen. Die Bank hat hingegen u.a. aus Refinanzierungsgründen ein Interesse an einem niedrigeren Zinssatz, der bei kurzfristigen Anlagen zu finden ist. Der angemessenen Abwägung dieser beiderseitigen Interessen wird daher eine Mischung des Referenzzinses aus kurz- und langfristigen Anlagen am besten gerecht und es ist davon auszugehen, dass die Parteien sich im gegenseitigen Entgegenkommen so vereinbart hätten.
Der von der Klagepartei genannte Zins kann als Referenzzins nicht angewendet werden. Die Klagepartei hat eine Zinsberechnung der Verbraucherzentrale vorgelegt (Anlage K5), in welcher als Referenzzins die Umlaufrenditen von Hypothekenpfandbriefen mit einer Restlaufzeit von 9-10 Jahren (Zeitreihe BBK01. WX4260) verwendet wird. Bei der Berechnung wird ein zehnjähriger gleitender Durchschnitt verwendet. Dies führt zu einem verzögerten Anpassungsmechanismus und bei sinkenden Zinsen zu einem Vorteil und bei steigenden Zinsen zu einem Nachteil für den Verbraucher, weil der Nominalzins des Vertrages dadurch nicht schnell genug an die Entwicklung des Marktzinsniveaus angepasst wird. Der BGH sah einen gleitenden Durchschnitt von fünf Jahren als nicht interessengerecht an, vgl. BGH, Urteil vom 21.12.2020, Az. XI ZR 52/08, Rn. 24. Dies gilt erst recht für einen zehnjährigen Durchschnitt. Nach den Ausführungen des Sachverständigen im Termin vom 30.04.2021 sind solche langfristigen gleitenden Durchschnitte auch nicht praxisüblich. Es kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien dies vereinbart hätten. Es wird klägerseits auch nicht die Fristigkeitsstruktur der Prämienzahlungen berücksichtigt. Für die gewählte Zeitreihe ist keine mittlere Restlaufzeit veröffentlicht. Insoweit kann kein Vergleich der mittleren Restlaufzeit der gewählten Zeitreihe mit der mittleren Restlaufzeit der hiesigen Prämienzahlungen erfolgen. Auch wird die alleinige Orientierung an einem langfristigen Zins der hiesigen Vertragsstruktur mit langfristigen und kurzfristigen Elementen nicht gerecht. Im Übrigen wird auf die Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 18.10.2020 ab Seite 15 Bezug genommen, die für das Gericht schlüssig und nachvollziehbar sind und denen sich das Gericht anschließt.
Auch auf den von der Beklagten herangezogenen Mittelwert der Umlaufrenditen von Bundesanleihen mit Restlaufzeiten von bis zu einem Jahr (BBK01.WZ3400) und zwischen 9 und 10 Jahren (BBK01.WZ3409) kann nicht abgestellt werden. Auch hier wird die mittlere Restlaufzeit der Prämienzahlungen nicht berücksichtigt. Die Verwendung einjähriger Bundesanleihen als Untergrenze steht im Widerspruch zur dreimonatigen Kündigungsfrist des Prämiensparvertrages. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen des Sachverständigen im Gutachten (ab Seite 16) Bezug genommen.
Bei der konkreten Zinsberechnung war entsprechend der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 13.04.2010, Az. XI ZR 197/09) von einer monatlichen Anpassung ohne Schwellenwerte und einem relativen Zinsabstand auszugehen. Im einzelnen ist hierzu folgendes auszuführen:
Auch diesbezüglich kommt es im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung darauf an, was die Parteien in Kenntnis der Vertragslücken vereinbart hätten. Hierzu ist in erster Linie auf die vertraglichen Abreden abzustellen, soweit sich ihnen ein Hinweis auf den Parteiwillen entnehmen lässt. Die unwirksame Zinsanpassungsklausel sieht keinen Schwellenwert vor, sodass davon auszugehen ist, dass jede Veränderung zu einer Anpassung des Vertragszinses führen sollte. Bei der üblichen Zinsberechnung mittels elektronischer Datenverarbeitung ist dies auch ohne weiteres möglich. Es ist daher interessengerecht, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung davon auszugehen, dass jede Veränderung des Referenzzinses ohne Erreichen einer bestimmten Anpassungschwelle zu einer Veränderung des Vertragszinses führt. Da der dem Monatsbericht der Deutschen Bundesbank zu entnehmende Referenzzins monatlich veröffentlicht wird, ist es sachgerecht die Vereinbarung monatlicher Anpassungen anzunehmen, vergleiche BGH. a.a.O., Rn. 25.
Die Frage, ob die Parteien einen relativen oder einen absoluten Zinsabstand vereinbart hätten, war ein erheblicher Streitpunkt zwischen den Parteien. Die Argumente, die die Beklagte für einen absoluten Zinsabstand vorgebracht hat, überzeugen das Gericht nicht. Der BGH, a.a.O., Rn. 27 hat einen gleich bleibenden Abstand des Vertragszinses zum Referenzzins, also einen absoluten Zinsabstand als nicht interessengerecht angesehen. Der BGH führt dazu aus, dass der immer gleich bleibenden Abstand zum Referenzzins zu einer Sicherung der anfänglichen Marge der Bank in absoluten Prozentpunkt über die gesamte Vertragslaufzeit führe und wenn der Referenzzins stark falle, im Extremfall dazu führen könne, dass der Vertragszins unter 0 falle, also theoretisch eine Zinszahlungspflicht des Kunden an die Bank entstünde. Eine absolute Margensicherung oder das Entfallen eines Zinsanspruchs bzw. die Umkehr eines Zahlungsanspruchs in eine Zahlungspflicht sei nicht interessengerecht. Vorliegend sieht der Prämiensparvertrag den „jeweils gültigen Zinssatz“ vor, was gegen eine derartige statische Margensicherung oder das Absinken des Zinsanspruchs ins Negative spricht. Zwar kann auch bei einem relativen Zinsabstand der Vertragszins ins Negative fallen. Dies jedoch erst, wenn der Referenzzins selbst negativ wird. Bei einem absoluten Zinsabstand ist dies weit früher der Fall. Es ist daher mit dem BGH im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung davon auszugehen, dass auch hier die Parteien die Beibehaltung des anfänglichen relativen Abstands des Vertragszinses zum Referenzzins über die gesamte Vertragslaufzeit vereinbart hätten.
Es ergibt sich der vom Sachverständigen errechnete Vertragssaldo von 8.790,65 €. Dabei hat der Sachverständige die zutreffenden Daten aus dem tatsächlichen Verlauf des Sparkontos für die Sparratenzahlung und die KESt- und Soli-Belastung angesetzt. Die Differenz zu dem von der Beklagten angenommenen Saldo von 8.589,40 € beträgt 201,25 €.
c) keine Verjährung
Der klägerische Anspruch ist nicht betreffend die Jahre 1998-2016 verjährt.
Die Zinsansprüche entstehen erst mit der Beendigung des jeweiligen Vertrages gemeinsam mit der Begründung der Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs im Hinblick auf das Kapital. Bei einer ordnungsgemäßen Kontoführung war die Beklagte verpflichtet, die Zinsen unabhängig von der Vorlage des jeweiligen Sparbuchs dem Kapital der Klagepartei mit der Folge zuzuschlagen, dass sich die Hauptforderung erhöht. Nach der Rechtsprechung des BGH unterliegen die Sparzinsen der gleichen Verjährung wie das angesparte Kapital. Maßgebend ist dabei nicht die tatsächliche Gutschrift zum Ende eines Kalender-/Sparjahres, sondern das Datum der Wertstellung. Eine jährliche Auszahlung der Zinsen war vorliegend nicht vereinbart, sondern lediglich eine Auszahlungsoption innerhalb von zwei Monaten nach Gutschrift. Nach Ziffer 3.3. der Bedingungen für den Sparverkehr erfolgte eine Gutschrift auf das Sparkonto unter Hinzurechnung zum Kapital. Die im Sparguthaben enthaltenen Zinsen unterliegen deshalb derselben Verjährung wie das übrige Kapital. Bei dem Zinsanspruch aus dem Sparvertrag handelt sich um einen verhaltenen Anspruch. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, dass der Schuldner die Leistung nicht erbringen darf, bevor der Gläubiger sie verlangt. Für derartige Ansprüche kommt die für die Leihe, Hinterlegung und die Verwahrung geltenden besonderen Verjährungsregelung des § 604 Abs. 5, § 695 Satz 2, § 696 Satz 3 BGB zur Anwendung. Damit beginnt die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB erst mit ihrer Geltendmachung durch den Gläubiger, vgl. OLG Dresden, Urteil vom 22.04.2020, Az. 5 MK 1/19, Rn. 87ff.
Die Zinsen waren damit frühestens ab dem Zeitpunkt der wirksamen Beendigung des Sparvertrages infolge der Kündigung durch die Klagepartei im Jahr 2019 fällig. Da die Klage im Jahr 2020 eingegangen und der Beklagten zugestellt wurde, kann eine Verjährung nicht eingetreten sein.
3. Nebenforderung
Eine Verzinsung der Zinsen kam nicht Betracht. Die Klagepartei verlangt ausdrücklich keine Auszahlung, sondern Gutschrift auf dem von der Kündigung der Beklagten nicht erfassten Sparkonto. Ein Zahlungsverzug bzgl. eines fälligen Auszahlungsanspruchs besteht daher nicht. Im übrigen gilt das Zinseszinsverbot, § 289 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung erging nach § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
Bei der Streitwertfestsetzung wurden für den Klageantrag zu 1. 80% der 3,5-fachen Jahresprämie, insgesamt 772,80 € und für den Klageantrag zu 2. der beantragte Gutschriftbetrag von 436,35 € angesetzt.


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