Bankrecht

Aufklärungspflicht des Auftraggebers über Urheberrechte bei Übergabe von Informationsmaterial

Aktenzeichen  44 O 5896/21

Datum:
24.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZUM-RD – 2022, 113
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 242
UrhG § 97 Abs. 1

 

Leitsatz

Verpflichtet ein Auftraggeber einen Immoblienmakler, nur von ihm zur Verfügung gestelltes Informationsmaterial zu verwenden, steht – wenn das Material Urheberrechte Dritter verletzt – einem Schadensersatzanspruch aus abgetreteben Recht des Urhebers § 242 BGB entgegen. (Rn. 18 – 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 15.981,87 nebst Zinsen aus EUR 10.000,00 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31.3.2021 und aus EUR 5.981,87 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 5.7.2021 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf EUR 15.981,87 festgesetzt.

Gründe

A.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von EUR 15.981,87 nebst Zinsen aus EUR 10.000,00 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31.03.2021 und aus EUR 5.981,87 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 5.7.2021.
I. Der Anspruch auf Zahlung von EUR 15.981,87 ergibt sich aus dem zwischen dem Kläger und der Beklagten am 17.12.2020 geschlossenen Vergleich. Ein Vergleich setzt das gegenseitige Nachgeben zur Beilegung eines Streits oder einer Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis voraus. Der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis steht die Unsicherheit über die Verwirklichung des Anspruchs gleich. In der Vereinbarung vom 17.12.2020, mit welcher der Kläger sich mit einer Zahlung der Maklerforderung durch die Beklagte in Raten einverstanden erklärte und die Beklagte im Gegenzug eine pauschalierte Zahlung von EUR 500 zur Abgeltung des Zins- und Kostenaufwands des Klägers vereinbarte, sollte die Ungewissheit über die Verwirklichung des Makleranspruchs beseitigt werden.
II. Der Anspruch ist nicht durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung erloschen. Es ist bereits zweifelhaft, ob und in welcher Höhe, die von der Beklagten geltend gemachten Gegenforderungen bestehen. Auch wenn man unterstellt, dass der Beklagten Ansprüche aus der Verletzung von Urheber- oder Lichtbildrechten nach einer Abtretung von der A. GmbH zustehen, steht einer Aufrechnung mit den unterstellten Gegenforderungen durch die Beklagte der Einwand unzulässiger Rechtsausübung gem. § 242 BGB entgegen.
1. Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verbietet rechtsmissbräuchliches Verhalten wie die Geltendmachung von Ansprüchen, deren tatbestandliche Voraussetzungen der Anspruchsinhaber selbst in unredlicher Weise herbeigeführt hat (arg. § 162 Abs. 2 BGB, BeckOK BGB/Sutschet, 59. Ed. 1.8.2021, Rn. 63).
2. So liegt der Fall hier: Die Beklagte hat den Kläger mit der Vertriebsvereinbarung zur Verwendung urheberrechtlich geschützten Materials verpflichtet, ohne ihn zugleich darauf hinzuweisen, dass an den Materialien Schutzrechte der A. GmbH bestehen, sie selbst keine Nutzungsrechte erteilen könne und der Kläger daher eine (kostenpflichtige) Lizenz bei der A. GmbH einholen müsse. Damit hat sie das Verhalten des Klägers, das der Schadensersatzforderung gem. § 97 Abs. 1 UrhG zugrunde liegt, bewusst provoziert.
a) Mit § 2.6. der Vertriebsvereinbarung verpflichtete die Beklagte den Kläger, das Immobilienobjekt ausschließlich mit Unterlagen zu bewerben, an denen aus ihrer Sicht Urheberrechte oder Lichtbildrechte der A. GmbH bestanden. Sie verpflichtete also den Kläger zu einem Eingriff in ihr bekannte Schutzrechte Dritter.
Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es dabei nicht darauf an, ob die vertragliche Verpflichtung dahin geht, dass der Kläger lediglich die vollständigen Prospekte, nicht hingegen Teile hiervon verwenden durfte. Denn auch wenn der Kläger sich so verhalten hätte, wie die Beklagte § 2.6. der Vertriebsvereinbarung verstanden wissen möchte und die vollständigen Prospekte auf seiner Webseite veröffentlicht hätte, hätte er in gleicher Weise in die von der Beklagten behaupteten Schutzrechte der A. GmbH rechtswidrig eingegriffen, weil die streitgegenständlichen Bilder, Texte und Grafiken Teile der vollständigen Verkaufsprospekte waren und er für diese Nutzung kein Nutzungsrecht von der A. GmbH (oder der Beklagten) eingeräumt bekommen hatte.
Ob der Kläger die Werbemaßnahme gem. § 2.5 der Vertriebsvereinbarung von der Beklagten hätte genehmigen lassen müssen und ob er das getan hat, kann ebenfalls dahinstehen. Die Beklagte hat nicht dargetan, dass sie die Genehmigung versagt hätte und in Folge dessen ein Eingriff in Urheber- oder verwandte Schutzrechte unterblieben wäre.
b) Die Beklagte hat dem Kläger verschwiegen, dass an den streitgegenständlichen Unterlagen Rechte der A. GmbH bestanden und der Kläger eine Lizenz bei dieser hätte einholen müsste. Hierdurch verhinderte sie, dass der Kläger sich Nutzungsrechte von der A. GmbH erteilen ließ.
aa) Zwar besteht bei Vertragsverhandlungen keine allgemeine Rechtspflicht, den anderen Teil über alle Einzelheiten und Umstände aufzuklären, die dessen Willensentschließung beeinflussen könnten (BGH NJW 2010, 3362 Rn. 21 m.w.N.; BGH NJW 1983, 2493, 2494; BGH NJW 2001, 3331, 3332). Vielmehr ist grundsätzlich jeder Verhandlungspartner für sein rechtsgeschäftliches Handeln selbst verantwortlich und muss sich deshalb die für die eigene Willensentscheidung notwendigen Informationen auf eigene Kosten und eigenes Risiko selbst beschaffen (BGH NJW 1989, 763, 764 m.w.N., BGH NJW 2010, 3362 Rn. 21).
Allerdings besteht nach der Rechtsprechung eine Rechtspflicht zur Aufklärung bei Vertragsverhandlungen auch ohne Nachfrage dann, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise die Mitteilung von Tatsachen erwarten darf, die für seine Willensbildung offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind (vgl. BGH NJW 2000, 1714, 1718; BGH NJW 2004, 2674; BGH NJW 2006, 2618, 2619; BGH NJW-RR 2007, 298; BGH NJW 2001, 3331; BGH NJW-RR 2008, 258). Davon ist insbesondere bei solchen Tatsachen auszugehen, die den Vertragszweck des anderen vereiteln oder erheblich gefährden können (BGH NJW-RR 1991, 439; BGH NJW 1990, 975). Eine Tatsache von ausschlaggebender Bedeutung kann auch dann vorliegen, wenn sie geeignet ist, dem Vertragspartner erheblichen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen (BGH NJW 2010, 3362 Rn. 22).
Die Aufklärung über eine solche Tatsache kann der Vertragspartner redlicherweise jedoch nur verlangen, wenn er im Rahmen seiner Eigenverantwortung nicht gehalten ist, sich selbst über diese Tatsache zu informieren (BGH NJW 2010, 3362 Rn. 23 m.w.N.)
bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist eine Aufklärungspflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin zu bejahen. Die Tatsache, dass die von der Beklagten überlassenen Unterlagen urheberrechtlich geschützt sind und der Vertriebspartner sich von der A. GmbH Nutzungsrechte hätte einholen müssen, ist für den Vertriebspartner von ausschlaggebender Bedeutung, weil sie geeignet ist, ihm wirtschaftlichen Schaden zuzufügen.
Der Kläger war auch nicht gehalten, sich selbst über bestehende Schutzrechte an den von der Klägerin überlassenen Unterlagen zu informieren. Abweichend vom Regelfall, bei dem der Makler die Verkaufsunterlagen selbst erstellt, stellte die Beklagte dem Kläger eigene Unterlagen – gemäß § 2.6. der Vertriebsvereinbarung – „kostenlos“ zur Verfügung und verpflichtete ihn sogar, ausschließlich diese Unterlagen zu verwenden. Der Kläger hatte daher keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass er die Unterlagen verwenden durfte, ohne sich Schadensersatzansprüchen Dritter auszusetzen. Mit der unredlichen Absicht der Beklagten, die Provisionszahlungen durch abgetretene Schadensersatzansprüche zu kürzen, musste er nicht rechnen.
Hieran ändert es auch nichts, dass der Kläger die Möglichkeit gehabt hätte, über den Verweis auf den Herausgeber auf der letzten Seite der Verkaufsprospekte festzustellen, dass Inhaber möglicher Schutzrechte eine andere Person als die Beklagte war. Denn nach den Regelungen der Vertriebsvereinbarung hatte er keinen Grund daran zu zweifeln, dass die Beklagte ihm zumindest konkludent Nutzungsrechte an den Unterlagen erteilt hatte und dazu auch berechtigt war.
cc) Die Beklagte hat nach allem eine ihr obliegende Aufklärungspflicht verletzt und so vereitelt, dass der Kläger die A. GmbH um Nutzungsrechte ersuchte. Auf diese Weise hat sie die nunmehr von der Beklagten behauptete Rechtswidrigkeit des Eingriffs in die behaupteten Urheber- bzw. Lichtbildrechte selbst provoziert und kann deshalb hieraus keinen Aufrechnungseinwand gegen die Forderung der Klägerin ableiten.
III. Der geltend gemachte Zinsanspruch beruht auf §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 BGB i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB analog. Hinsichtlich der bereits im Mahnbescheid des Amtsgerichts Euskirchen vom 31.3.2021 geltend gemachten Forderung in Höhe von EUR 10.000 gilt die Streitsache mit Zustellung des Mahnbescheids am 31.3.2021 als rechtshängig geworden, da sie alsbald nach der Erhebung des Widerspruchs abgegeben wurde, § 696 Abs. 3 ZPO. Hinsichtlich der mit der Klageschrift im Wege der Klageerweiterung geltend gemachten Forderung in Höhe von EUR 5.981,87 kommt es auf die Zustellung der Klageschrift am 31.5.2021 an, § 261 Abs. 1 ZPO.
B.
Über den hilfsweise gestellten Antrag war nicht mehr zu entscheiden. Dieser ist lediglich bedingt für den Fall gestellt, dass die Klageforderung durch die Aufrechnung erloschen ist. Mangels einer zulässigen und wirksamen Erklärung der Aufrechnung seitens der Beklagten ist diese Bedingung nicht eingetreten.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, diejenige der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO.


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