Bankrecht

Bankenhaftung: Zurechenbarkeit des als Mitglied des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft erlangten Wissens des Prokuristen einer Bank; Entbindung des Aufsichtsratsmitglieds von der Schweigepflicht; Befugnis der Hauptversammlung zur Entscheidung über die Offenbarung vertraulicher Angaben und Geheimnisse

Aktenzeichen  XI ZR 108/15

Datum:
26.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2016:260416UXIZR108.15.0
Normen:
§ 166 BGB
§ 241 Abs 2 BGB
§ 280 Abs 1 BGB
§ 93 Abs 1 S 3 AktG
§ 116 S 1 AktG
Spruchkörper:
11. Zivilsenat

Leitsatz

1. Einer Bank kann das Wissen ihres Prokuristen, das dieser als Mitglied des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft erlangt hat und das dessen Verschwiegenheitspflicht gemäß § 116 Satz 1 i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG unterliegt, nicht zugerechnet werden.
2. Ein Mitglied eines Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft kann nicht im Vorhinein für einen bestimmten Themenbereich generell von der Schweigepflicht entbunden werden.
3. Die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft ist nicht befugt, über die Offenbarung vertraulicher Angaben und Geheimnisse zu befinden.

Verfahrensgang

vorgehend OLG München, 24. Februar 2015, Az: 5 U 119/14vorgehend LG München I, 4. Dezember 2013, Az: 32 O 5014/13

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 24. Februar 2015 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Die Berufung der Kläger gegen das Teilurteil der 32. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 4. Dezember 2013 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 6. Februar 2014 wird, soweit sie nicht zurückgenommen worden ist, insgesamt zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits jeweils zur Hälfte.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Die Kläger begehren von der Beklagten Schadensersatz wegen behaupteter fehlerhafter Anlageberatung durch Mitarbeiter der inzwischen insolventen A      AG.
2
Die Kläger beantragten am 2. August 2006 über das Wertpapierhandelshaus D             AG, der Rechtsvorgängerin der A      AG (nachfolgend einheitlich: A AG), bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, einer Direktbank (nachfolgend: Beklagte), die während des Revisionsverfahrens auf die Beklagte verschmolzen worden ist, die Eröffnung eines “Depotkontos unter Einschluss eines Finanzdienstleisters” (sog. Zins-Plus-Konto). Am selben Tag unterzeichneten die Kläger eine Transaktionsvollmacht zugunsten der A AG. Bei dem Zins-Plus-Konto handelte es sich um ein Tagesgeldkonto mit einer jährlichen Verzinsung der Einlage von 4,5%, das zwingend mit einem Depotvertrag zur etwaigen Einbuchung von Wertpapieren verbunden war. Der Vertragszins von 4,5% lag über dem Marktzins. Zwischen der A AG und der Beklagten war vereinbart, dass in ihrem Verhältnis die Beklagte lediglich den Marktzins zu zahlen hatte und die A AG die Differenz zu den an die Kunden zu zahlenden 4,5% an die Beklagte zahlen musste. Im Kontoeröffnungsantrag vom 2. August 2006 heißt es auszugsweise:
“V. Ausschluß der Anlageberatung
Die …   bank    erfüllt lediglich ihre gesetzlichen Aufklärungs- und Erkundigungspflichten und führt Aufträge aus. Die …  bank   spricht weder Empfehlungen für den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren aus noch bietet die Bank Beratungsleistungen.”
3
In der der A AG eingeräumten Transaktionsvollmacht vom gleichen Tag heißt es weiter:
“1. Ausschluss der Anlageberatung durch die …  bank; keine Prüfung von Transaktionen des/der Bevollmächtigten
Im Rahmen dieser Geschäftsbeziehung erfüllt die …  bank   lediglich ihre gesetzlichen Aufklärungs- und Erkundigungspflichten und führt Aufträge aus. Die …   bank    gibt weder Empfehlungen für den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren noch bietet sie Beratungsleistungen. Auf Beratungsleistungen und Anlageentscheidungen des/der Bevollmächtigte/n hat die …   bank keinen Einfluss; die im Rahmen der Rechtsbeziehung Kunde-Bevollmächtigte/r gemachten Angaben und Vorgaben kennt die …   regelmässig nicht. Die …    bank kontrolliert daher nicht die Einhaltung von Anlagevorgaben des/der Kunden gegenüber dem/der Bevollmächtigten. Die …  bank    ist an Anlageentscheidungen und Vermögensdispositionen nicht beteiligt; sie kann die Einhaltung von Vereinbarungen zur Art und Weise der Vermögensanlage nicht überprüfen.

3. Rechtsstellung des/der Bevollmächtigten
Der/die Bevollmächtigte ist nicht zur Abgabe von Erklärungen im Namen der …  bank berechtigt, er/sie wird nicht im Auftrag der …  bank tätig.”
4
Am 2. August 2006 schlossen die Kläger mit der A AG einen Vermögensverwaltungsvertrag, den sie am 7. April 2008 wieder kündigten. Vor Abschluss des Vertrages wurden die Kläger durch einen Mitarbeiter der A AG beraten.
5
In der Zeit vom 16. August 2006 bis zum 16. Januar 2009 kaufte die A AG für die Kläger Wertpapiere für insgesamt 34.752,64 €, u.a. die folgenden:
– Inhaber-Teilschuldverschreibungen der H                       im Nennwert von 4.000 € am 7. April 2008 zu 3.911,15 €
– Inhaber-Teilschuldverschreibungen der Ko         AG im Nennwert von 4.000 € am 7. April 2008 zu 4.027,87 €
– Inhaber-Genusscheine der D             AG im Nennwert von 4.200 € am 7. April 2008 zu 4.496,60 €
6
Nach zwischenzeitlichem Verkauf eines Teils der Wertpapiere für 16.151,26 € verlangen die Kläger unter Anrechnung von Ausschüttungen in Höhe von 849,83 € im Wege des Schadensersatzes zuletzt noch Zahlung von 17.751,55 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der dazugehörigen Wertpapiere, die Zahlung entgangener Anlagezinsen in Höhe von 3.339,85 € nebst Zinsen sowie die Feststellung des Annahmeverzugs. Hierbei berufen sie sich auf Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzungen der A AG, für die die Beklagte ihrer Ansicht nach aus verschiedenen Rechtsgründen einzustehen habe.
7
Das Landgericht hat die ursprünglich umfangreichere Klage insoweit durch Teilurteil abgewiesen. Im Berufungsverfahren haben die Kläger die vom Landgericht nicht beschiedenen Anträge und einen Teil der Berufung zurückgenommen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 11.855,69 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückübertragung der betroffenen Wertpapiere verurteilt, den diesbezüglichen Annahmeverzug der Beklagten festgestellt und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen.
8
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.


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