Bankrecht

Besonderer Gerichtsstand der Mitgliedschaft bei Treuhandverträgen

Aktenzeichen  213 C 31693/15

Datum:
28.4.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2016, 18264
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 12, § 13, § 22, § 29

 

Leitsatz

1. Der Gerichtsstand des § 22 ZPO ist bei Klagen einer Gesellschaft gegen Treugeber auf Zahlung rückständiger Einlagen jedenfalls dann nicht eröffnet, wenn sich die Zahlungspflicht nur aus dem Treuhandvertrag ergibt, der zwischen dem Treugeber und einem Treuhandkommanditisten geschlossen wurde und die Gesellschaft daher aus abgetretenem Recht vorgeht. (amtlicher Leitsatz)
2. Ergibt sich die Zahlungspflicht des an der Gesellschaft als Treugeber Beteiligten zuvorderst anhand der Regelungen des Treuhandvertrages, ist auch für eine analoge Anwendbarkeit von § 22 ZPO kein Raum. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird auf 1.200,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klage ist mangels örtlicher Zuständigkeit des Amtsgerichts München unzulässig. Der Beklagte hat seinen allgemeinen Gerichtsstand gem. §§ 12, 13 ZPO in D. inne. Die Klägerin hat trotz Hinweises des Gerichts auf die fehlende örtliche Zuständigkeit keinen Verweisungsantrag gestellt, so dass trotz Säumnis des Klägers die Klage abzuweisen war; das Amtsgericht München ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt örtlich zuständig.
1. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich die örtliche Zuständigkeit nicht aus (der direkten Anwendung des) § 22 ZPO. Nach dieser Vorschrift ist das Gericht, bei der u. a. Gesellschaften ihren Sitz haben, für Klagen zuständig, die von der Gesellschaft gegen „Mitglieder als solche“ erhoben werden.
Der Beklagte ist jedoch kein Mitglied der Klägerin. Er ist Treugeber und somit nicht (unmittelbar) an der Gesellschaft beteiligt. Er ist deshalb auch nicht Gesellschafter; dies ist im vorliegenden Fall vielmehr ausschließlich die Treuhandkommanditistin.
Eine andere Würdigung ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin herangezogenen Entscheidung des Kammergerichts vom 29.05.2008 (Az. 2 AR 25/08). Das Kammergericht geht davon aus, dass die dortigen Beklagten – aus welchem Grund auch immer – Gesellschafter sind. Sollte dem dort entschiedenen Fall – wie die Klägerin vorträgt – tatsächlich eine vergleichbare Konstellation zugrunde gelegen haben, ist diese Einordnung nicht nachvollziehbar. Ein Treugeber-Kommanditist ist gesellschaftsrechtlich nicht an der Gesellschaft beteiligt. Seine Rechtsbeziehung besteht allein zum Treuhänder. Er hat seine Mitgliedschaft voll auf diesen übertragen (Gieseke, DB 1984, 970 m. w. N.). Allenfalls könnte aufgrund der gesellschafterähnlichen Stellung eine analoge Anwendung des § 22 ZPO in Betracht kommen, auch dazu findet sich in der Entscheidung jedoch keine tragfähige Begründung.
Im Übrigen besteht vorliegend die Besonderheit, dass die Klägerin abgetretene Zahlungsansprüche der Treuhandkommanditistin aus dem Treuhandvertrag geltend macht. Dies ist jedenfalls keine Forderung gegen Mitglieder „als solche“ i. S. d. § 22 ZPO, da kein Rechtsverhältnis der Mitgliedschaft an sich betroffen ist. Die Zahlungsverpflichtung ist ausschließlich und abschließend im Treuhandvertrag geregelt. Der Gesellschaftsvertrag – sollte er überhaupt unmittelbare Geltung zwischen den Parteien erlangt haben – regelt allenfalls Sekundärverpflichtungen wie eine Verzinsungspflicht. § 22 ZPO regelt die Konzentration der Rechtsstreitigkeiten, die die inneren Rechtsbeziehungen der Personenvereinigung betreffen (Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl, 2016, § 22, Rn. 1). Dies ist vorliegend nicht der Fall, weil nur ein schuldrechtlicher Anspruch aus einer treuhänderischen mittelbaren Beteiligung geltend gemacht wird (AG München, Urteil vom 08.04.2016, Az. 251 C 31730/15 m. w. N.).
2. Ebenso scheidet eine analoge Anwendung des § 22 ZPO aus.
Zwar ist anerkannt, dass in bestimmten Konstellationen eine analoge Anwendung der Vorschrift in Betracht kommt. Eine Analogie ist jedoch nur zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält. Die Lücke muss sich also aus dem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem dem konkreten Gesetzgebungsverfahren zugrunde liegenden Regelungsplan ergeben. Darüber hinaus muss der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem vom Gesetzgeber geregelten Tatbestand vergleichbar sein, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie beim Erlass der herangezogenen Norm, zum gleichen Abwägungsergebnis gekommen (BGH, Urteil vom 04. Dezember 2014 – III ZR 61/14 -, Rn. 9, juris).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die insoweit darlegungspflichtige Klägerin hat lediglich vorgetragen, dass die hier geltend gemachten Ansprüche „die inneren Rechtsbeziehungen der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter“ beträfen. Dies wäre – wie oben ausgeführt – allenfalls dann zutreffend, wenn die Klägerin ihre Treuhandkommanditistin in Anspruch nähme. Auch durch eine innergesellschaftliche Gleichstellung der Treugeber mit Gesellschaftern ergibt sich nichts anderes: Letztenendes bleibt es dabei, dass die Klägerin einen fremden Anspruch geltend macht. Weshalb in einem solchen Fall eine planwidrige Regelungslücke und ein dem originären Anwendungsfall des § 22 ZPO vergleichbarer Sachverhalt vorliegen soll, erschließt sich nicht. Letztlich wird in materieller Hinsicht die Zahlungspflicht des Beklagten zuvorderst anhand der Regelungen des Treuhandvertrags zu prüfen sein. Weshalb diesbezüglich eine Konzentration der Zuständigkeiten am Sitz der Klägerin erforderlich sein sollte, ist nicht ersichtlich. Auch die Zedentin hätte ihre Forderung am allgemeinen Gerichtsstand geltend machen müssen, es gibt keinen Grund, dass sich hieran allein durch die Abtretung an die Klägerin etwas ändern sollte.
3. Letztlich kommt auch eine Zuständigkeitsbegründung gem. § 29 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht, ein (gemeinsamer) Erfüllungsort für die Zahlungsverpflichtung aus dem Treuhandvertrag am Sitz der Treuhänderin oder gar der Klägerin ist nicht begründet.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708, 711 ZPO.
Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 3 ZPO, 63 Abs. 2 S. 1 GKG.


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