Bankrecht

Haftung der Anlagevermittler im P&R-Skandal

Aktenzeichen  8 U 2845/21

Datum:
1.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 6225
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
§ 522 II ZPO

 

Leitsatz

1. Bei Kenntnis des Anlagevermittlers vom Vorhandensein nur eingeschränkter Bestätigungsvermerke in Jahresabschlüssen kann eine entsprechende Aufklärungspflicht gegenüber dem Anleger bestehen.
2. Bei fehlender Kenntnis vom Vorhandensein eingeschränkter Bestätigungsvermerke ist ein freier Anlagevermittler grundsätzlich nicht verpflichtet, im Rahmen der Plausibilitätsprüfung weitere Nachforschungen anzustellen und sich Kenntnis von den Jahresabschlüssen und den eingeschränkten Bestätigungsvermerken zu verschaffen, um dies dem Anleger vor Vertragsschluss mitzuteilen. Lediglich bei Vorliegen zusätzlicher Anhaltspunkte kann dieser ausnahmsweise zu weitergehenden Nachforschungen verpflichtet sein. Bei einem seit Jahrzehnten eingeführten erfolgreichen Anlagemodell, bei dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses keinerlei Ausfälle bekannt wurden und keine negative Berichterstattung der Wirtschaftspresse vorlag, liegen derartige Anhaltspunkte nicht vor.
3. Trifft der Senat in seinen allgemeinen Verfahrenshinweisen, die jede Berufungspartei bereits mit dem Aktenzeichen des Berufungsverfahrens übermittelt bekommt, eigene Anordnungen zu den Anforderungen an den Vortrag im Berufungsverfahren vor dem Senat, so sind auf diese Anforderungen gemäß § 139 Abs. 1 Satz 3 ZPO n.F. nach dem Willen des Gesetzgebers die allgemeinen Präklusionsvorschriften anzuwenden (BT-Drs. 19/13828 S. 31), sodass die Präklusionsvorschriften der §§ 530, 296 ZPO hier jedenfalls über § 139 ZPO gelten.

Verfahrensgang

40 O 14356/20 2021-04-27 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

Die Berufung der Klagepartei gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 27.04.2021, Az. 40 O 14356/20, wird zurückgewiesen.
Die Klagepartei trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 35.000.- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Berufung der Klagepartei ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlussweg als unbegründet zurückzuweisen, da der Senat einstimmig davon überzeugt ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Der Senat hält das Urteil des Landgerichts zumindest im Ergebnis für offensichtlich zutreffend. Er nimmt Bezug auf dieses Urteil. Bezug genommen wird ferner auf die Hinweise des Senats vom 20.12.2021, wonach er die Berufung i.S.v. § 522 Abs. 2 ZPO für unbegründet hält.
Der weitere Schriftsatz der Klagepartei vom 09.02.2022 ergab keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung. Soweit die Klagepartei in diesem Schriftsatz nunmehr im Berufungsverfahren noch umfangreich neu vorträgt, ist vorauszuschicken, dass die der Klagepartei eingeräumte Frist zur Stellungnahme gemäß § 522 II 2 ZPO nicht etwa eine Art „zweite Berufungsbegründung“ ermöglicht. Soweit in dem weiteren Schriftsatz im Berufungsverfahren neue Angriffs- und Verteidigungsmittel enthalten sind, sind diese deshalb gemäß §§ 530, 296 I ZPO zwingend zurückzuweisen (vgl. z.B. Thomas/Putzo, ZPO, 36. Aufl. 2015, § 530 Rnr. 4; Rimmelspacher in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2012, § 522 Rnr. 28). Darauf hatte der Senat als nobile officium auch bereits in seinen Allgemeinen Verfahrenshinweisen ausdrücklich aufmerksam gemacht. Auch das verspätete Vorbringen hätte aber keine andere Entscheidung gerechtfertigt:
Soweit der Kläger weitere Ausführungen dazu macht, dass eine Aufklärungspflichtverletzung hinsichtlich der eingeschränkten Bestätigungsvermerke vorliege, ergibt sich hieraus nichts anderes.
Der Senat bleibt bei seiner Auffassung, dass vorliegend keine Nachforschungspflicht des Anlagevermittlers bestand.
Auch wenn es zu dieser Zeit noch keinen Emissionsprospekt gab, sondern benannte Informationsbroschüre, gehört das Abrufen und Lesen der Jahresabschlüsse samt Prüfvermerke ohne zusätzliche Anhaltspunkte nicht zum Pflichtprüfprogramm des Anlagevermittlers im Rahmen der Plausibilitätsprüfung. Derartige zusätzliche Anhaltspunkte waren aber angesichts des langjährigen Bestehens des Anlageobjektes ohne -nach außen erkennbare – Schwierigkeiten oder Probleme sowie des sehr einfachen Anlagekonzepts nicht ersichtlich. Das Insolvenzrisiko des Vertragspartners ist bei jeder Anlage ein den Anleger treffendes, allgemeines Risiko; dieses ist bei der streitgegenständlichen Anlage aufgrund der – jedenfalls vertraglich vorgesehenen – Eigentumserlangung an den Containern zumindest nicht höher als bei anderen Anlagen. Die Frage der Nachforschungspflicht ist auch nicht nur für den hier vorliegenden Einzelfall zu bestimmen, sondern würde bei einer Bejahung sämtliche Fälle der Anlagevermittlung betreffen und dazu führen, dass ein Vermittler hinsichtlich jeder Anlage zunächst die Jahresabschlüsse und Prüfvermerke des Vertragspartners – anlasslos – beschaffen und studieren müsste. Dass dies zu weit geht ist dabei ganz unabhängig davon, ob der Zugriff auf diese „einfach“ im Internet erfolgen könnte, sondern ergibt sich daraus, dass dies nicht der von Gesetzgeber und Rechtsprechung definierten Stellung des Anlagevermittlers entspricht.
Auch aus dem Urteil 3 U 564/21 ergibt sich nichts anderes. Der 3. Senat hat eine Aufklärungspflicht bejaht für der Fall der Kenntnis des Beraters vom Vorhandensein eines nur eingeschränkten Bestätigungsvermerks. Auch der hiesige Senat hält dies, wie in seinem Hinweis (S. 12/13) ersichtlich, für möglich; dies entspricht aber eben nicht der hier vorliegenden Problematik, nämlich der Frage, ob den Vermittler insoweit bei fehlender Kenntnis eine Nachforschungspflicht trifft.
Daran ändern auch die vorgebrachte Schiffskrise und Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008 nichts. Zum einen ist bereits nicht ersichtlich, wie dies ein deutlicher Anhaltspunkt für den Anlagevermittler im Jahre 2016 gewesen sein sollte. Im Gegenteil sprach dies sogar – aus damaliger Sicht des Vermittlers – vielmehr dafür, dass sich die Krise wohl nicht auf die streitgegenständliche Anlage ausgewirkt hatte, wenn bis dahin nichts Negatives bekannt geworden war. Dass sich dies aus heutiger Sicht anders darstellt, kann einem Vermittler ohne weitere Erkenntnisse zum damaligen Zeitpunkt nicht vorgeworfen werden. Jedenfalls bei einem – insoweit unstreitig – seit über 30 Jahren bestehenden Anlagemodell waren zusätzliche Nachforschungen hinsichtlich der Jahresabschlüsse und Prüfvermerke nicht angezeigt. Dass dies nicht von der allgemeinen Plausibilitätsprüfung etwa des Prospekts befreit, versteht sich von selbst. Ob weitere Nachforschungen bei einer erst kürzer bestehenden Anlage vorzunehmen gewesen wären, steht hier nicht inmitten.
Der Vortrag zur Kenntnis in der Berufungsbegründung war gemäß § 331 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückzuweisen, vgl. Hinweis.
Zunächst verkennt der Kläger offenbar den Unterschied zwischen einer Aufklärungspflicht und einer Nachforschungspflicht. Eine Aufklärungspflicht setzt grds. kraft Natur der Sache die Kenntnis von bestimmten, aufklärungspflichtigen Umständen voraus; aufklären kann man nur über Umstände, von denen man Kenntnis hat. Daher beschränkt sich die Aufklärungspflicht grundsätzlich auf das präsente Wissen (vgl. MüKo/ Emmerich, BGB, § 311 Rn. 70). Demgegenüber geht es bei der Frage der Nachforschungspflicht gerade darum, ob eine Verpflichtung besteht, sich von bestimmten Umständen, die nicht bekannt sind, Kenntnis zu verschaffen (um dann über diese aufzuklären). Nachforschungs- und Untersuchungspflichten können nur in deutlich engeren Grenzen als einfache Aufklärungspflichten (über schon bekannte Umstände) anerkannt werden (MüKo, a.a.O.). Eine derartige Kenntnis von den beschränkten Bestätigungsvermerken, hat die Beklagte im erstinstanzlichen Vortrag verneint. Dies blieb unwidersprochen.
Es handelt sich insoweit daher nicht um ein „neues Konstrukt“ des Senates, zu dem daher noch neu vorgetragen werden dürfte, sondern um die Anwendung allgemeiner rechtlicher Grundsätze.
Das Landgericht hätte auch nicht gemäß § 139 ZPO den Kläger auf den fehlenden Vortrag zur subjektiven Kenntnis hinweisen müssen, wie die Berufung meint.
So argumentierte, wie im Hinweisbeschluss bereits dargelegt (dort S. 12), die Klägerin in der Klage lediglich damit, dass die eingeschränkten Bestätigungsvermerke von der Beklagten und Herrn H. unschwer zu ermitteln gewesen wären (Klage, S. 24), ging also offenbar selbst von einer fehlenden Kenntnis aus. In der Klageerwiderung trug die Beklagte sodann ausdrücklich vor, dass diese die eingeschränkten Wirtschaftsprüfertestate nicht gekannt hatte (Bl. 95), ihr lediglich die WP-Berichte über die regelmäßigen Zahlungen der Mieten an Investoren weitergeleitet worden seien. Dem ist die Klägerin erstinstanzlich dann nicht weiter entgegengetreten.
Entgegen der Ansicht der Berufung liegt kein Verstoß des Landgerichts gegen § 139 ZPO vor. Bei der materiellen Prozessleitung nach § 139 ZPO hat das Gericht das Verfügungsrecht der Parteien über das Streitverhältnis und deren alleinige Befugnis zur Beibringung des Prozessstoffs zu beachten. § 139 I ZPO verlangt nicht, dass das Gericht eine Partei, die ihren geltend gemachten Anspruch auf einen bestimmten Lebenssachverhalt stützt, darauf hinweist, ein anderer, noch vorzutragender Sachverhalt könne die begehrte Rechtsfolge rechtfertigen (BAG NZA 2006, 750). Nachdem der Kläger selbst nur vorgetragen hat, dass die Beklagte die Bestätigungsvermerke hätte unschwer hätte ermitteln können und die Beklagte ausdrücklich vortrug, die Beklagte habe diese Testate nicht gekannt, war das Landgericht nicht gehalten, auf einen entgegengesetzten Vortrag der Klageseite hinzuwirken. Insoweit ist es nicht Aufgabe des Gerichts, der Klagepartei mitzuteilen mit welchem Vortrag sie möglicherweise Erfolg haben könnte.
Zudem ist ein gerichtlicher Hinweis auch entbehrlich, wenn die Partei bereits von der Gegenseite die gebotene Unterrichtung erhalten hat (BGH NJW-RR 2008, 581; NJW 2007, 759 [761]). Nachdem die Beklagte ausdrücklich ihre Unkenntnis von dem Vorhandensein des Bestätigungsvermerks vortrug, war es der Klägerin möglich, hierzu zu erwidern, ganz unabhängig davon, wie das Landgericht die Klageabweisung letztlich begründet hat.
Insoweit war hier auch die Rechtsansicht des Landgerichts in den Urteilsgründen nicht ursächlich für eine Verlagerung des Parteivorbringens ins Berufungsverfahren. Das neue Vorbringen zur Kenntnis ist daher in der Berufung gemäß § 531 Abs. 2 ZPO, wie schon im Hinweisbeschluss dargelegt, als verspätet zurückzuweisen. Eine genügende Entschuldigung der Verspätung erfolgte auch in dem weiteren Schriftsatz nicht. Insoweit wird auf den Hinweisbeschluss (S. 13/14) verwiesen.
Soweit in dem Schriftsatz vom 09.02.22 weiterer neuer Vortrag zur Kenntnis des Vermittlers erfolgen sowie neue weitere Beweisangebote vorgebracht worden sein sollten, sind diese darüber hinaus gemäß §§ 530, 296 I ZPO zwingend zurückzuweisen (vgl. z.B. Thomas/Putzo, ZPO, 36. Aufl. 2015, § 530 Rnr. 4; Rimmelspacher in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2012, § 522 Rnr. 28). Die der Klagepartei eingeräumte Frist zur Stellungnahme gemäß § 522 II 2 ZPO ermöglicht nicht etwa eine Art „zweite Berufungsbegründung“ (vgl. o.).
Soweit vorgebracht wird, dass über das Totalverlustrisiko nicht aufgeklärt wurde, verbleibt der Senat bei seiner im Hinweisbeschluss geäußerten Auffassung.
Soweit der Kläger umfangreich aus einem Urteil des OLG Düsseldorf zitiert ist bereits eine Vergleichbarkeit nicht gegeben. Im dortigen Verfahren ging es offenbar, soweit aus den zitierten Passagen ersichtlich, um eine beratende Bank sowie verschiedene Unterlagen, in denen entsprechende Hinweise fehlten. Wie die Unterlagen genau ausgestaltet gewesen sind und welche Hinweise diese enthielten bzw. nicht enthielten, kann anhand dessen nicht beurteilt werden. Auch gehen die Anforderungen, die an die Aufklärung einer beratenden Bank gestellt werden, grundsätzlich weiter als bei einem freien Vermittler (vgl. insoweit auch S. 17/18 des Hinweisbeschlusses).
Im übrigen bleibt der Senat dabei, dass jedenfalls im hiesigen Verfahren angesichts der Ausgestaltung der Anlage und der erhaltenen Unterlagen (vgl. Hinweisbeschluss S. 18 ff.) der Anleger wusste, dass die Container nicht in seinem physischen Einflussbereich übergehen, er somit keine Einwirkungsmöglichkeiten auf diese hat. Die sich daraus ergebenden Risiken hinsichtlich etwaiger Kosten sind für den Anleger offenkundig, die Gefahr der Realisierung dieser Risiken aber gering und auch im Zusammenhang mit P & R Containern wohl – soweit ersichtlich – nicht erfolgt.
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang vorbringt, mit den persönlichen Anschreiben hätte die Beklagte das Totalverlustrisiko zudem heruntergespielt und den Eindruck erweckt, dass es bei P & R fest Renditen und keine Verlustrisiken gäbe, ist auch dies nicht zielführend.
Zwar ist nach der höchstrichterlichen „Freibrief-Rechtsprechung“ die Übergabe eines fehlerfreien Emissionsprospekts für den Anlagevermittler kein Freibrief, Risiken abweichend darzustellen und durch Erklärungen außerhalb des Prospekts ein Bild zu zeichnen, das die Hinweise im Prospekt entwertet oder für die Entscheidung des Anlegers mindert (BGH NJW-RR 2014, 1075). Insbesondere darf der Anlagevermittler nicht durch (mündliche) Erklärungen bei dem Interessenten den Eindruck erwecken, dieser erhalte – mündlich – die allein maßgebliche, vollständige Aufklärung und brauche sich den Prospekt überhaupt nicht mehr anzusehen (BGH WM 2007, 1603, NJW-RR 2017, 1692).
Abzugrenzen sind hiervon aber bloße allgemeine anpreisende (Werbe-)Informationen mit einer werbend plakativen und verkürzenden Darstellung der Anlage, die ein verständiger Interessent nicht als allein maßgebliche und vollständige Informationen verstehen konnte und durfte (vgl. OLG München, Urteil v. 22.12.15 – 20 U 2100/15, mit Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den BGH vom 22.12.16 – III ZR 50/16). Darüber hinaus kann eine (mündliche) Fehlinformation, d.h. wenn die (mündliche) Information nicht nur als werbende Anpreisung verstanden werden durfte, durch eine rechtzeitige Übergabe eines fehlerfreien Prospekts berichtigt werden (BGH WM 2011, 925 = NJW 2011, 3229).
Vorliegend hat die Beklagte in den regelmäßigen persönlichen Anschreiben (K 27, z.B v. 28.02.13: „Die Besten bekommen die Bestandskunden“, „lukratives Gebrauchtcontainerangebot“, „hervorragende Renditen“, „37 Jahre Erfahrung = gut aufgehoben!“; oder vom 16.03.16: „“guten Deal“. „günstigen Rendite“, „regelrechtes Schnäppchen“, „40 Jahre Erfahrung = gut aufgehoben“) die zutreffenden Hinweise der Informationsbroschüre weder entwertet noch gemindert. Bei Auslegung der entsprechenden Anschreiben wird angesichts der plakativen Wortwahl und der verkürzten Darstellung deutlich, dass klarer Zweck der Anschreiben die Gewinnung neuer Kunden bzw. neuer Anlagen von Bestandskunden war. Ein verständiger Interessent, erst recht ein wirtschaftlich versierter Anleger wie der Kläger, der bereits seit vielen Jahren Kunde der Beklagten war und auch bereits 2012 in P & R Container investiert hatte, konnte die Anpreisungen weder als allein maßgeblich und vollständig noch als Informationen ansehen, die eine differenzierte Darstellung der Risiken und Chancen in einem Prospekt entwerteten oder minderten.
Selbst dann, wenn man den Angebotsschreiben trotz ihres offensichtlichen Werbecharakters haftungsrechtliche Bedeutung zumaßen wollte, wurden etwaige Fehlinformationen aus den Werbeschreiben jedenfalls durch die rechtzeitige Übersendung der Informationsbroschüre richtiggestellt. Maßgeblich ist dabei nicht, ob die fehlerhafte Information zuvor mündlich oder schriftlich gegeben wurde, sondern ob die Klarstellung die irreführenden Angaben korrigiert hat. Danach erwies sich die (unstreitig) rechtzeitige Übersendung der Informationsbroschüre „P& R Container Investitions-Programm“ (Anlage B2), die mit dem teilweise ausgefüllten Kauf- und Verwaltungsvertrag übersandt und vom Kläger zur Kenntnis genommen wurde (vgl. LGU S. 3), als ausreichende Richtigstellung. Der Kläger war als langjähriger Kunde der Beklagten ausreichend geschäftserfahren. Der rein werbende Charakter der Anschreiben war offensichtlich. Die Informationsbroschüre wies aber, wie im Hinweis dargelegt, auf das Risiko eines geringeren Restwertes und einer geringeren Rendite hin. Bei der zu fordernden sorgfältigen und eingehenden Lektüre der Informationsbroschüre erschloss sich dem Kläger auch ohne weiteres, dass mit dem Eigentumserwerb ein Restrisiko etwaiger Kosten verbliebe und bei einem Verkauf der Beteiligung mit finanziellen Einbußen zu rechnen war.
Eventuell fehlerhafte Angaben in den vorab übersandten Werbe-Angebotsschreiben waren somit für die Anlageentscheidung jedenfalls auch nicht kausal geworden.
Schließlich ergibt sich auch hinsichtlich des Vorbringens einer falschen Darstellung fester Renditen bzw. fester Rückkaufpreise nichts anderes.
Wie bereits im Hinweisbeschluss dargelegt, ist der Vortrag insoweit neu und verspätet und daher als solcher zurückzuweisen.
Dabei ist entgegen dem Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 09.02.22 bereits ein erstinstanzlicher Vortrag bzw. Vortrag in der Berufungsbegründung, der dem Vorbringen und der Rüge der falschen Darstellung von festen Renditen und Rückkaufspreisen im Anschreiben vom 17.03.16 zum streitgegenständlichen Angebot Nr. 300 entspricht, nicht ersichtlich. Die zitierten Stellen aus Klage, Replik und Berufungsbegründung sind, soweit sie die Darstellung der Beklagten betrifft, allgemein gehalten (Klage S. 9: „quasi garantiert“, „sichere Rendite, die etwa bei 3-5% liegen dürfte“; S. 11: “Der Rückkaufpreis sollte rund 65% des Kaufpreises ohne Rabatt betragen“) und nicht auf das Anschreiben vom 17.03.16 bezogen. Dass der Kläger zuvor ebenfalls allgemein gehalten eingewendet hat, die Beklagte habe auf das Risiko des Rückkaufs nicht ausreichend hingewiesen (Klage S. 29, BB, S. 17) ist ebenfalls nicht behelflich. Eine konkrete Rüge einer falschen Darstellung der im Schreiben vom 17.03.16 zum Angebot Nr. 300 erfolgten Berechnung der zu erwartenden Rendite erfolgte nicht. Die Angebotsschreiben (Anlage K 27) wurden vielmehr zur Untermauerung eines persönlichen Kundenkontaktes vorgelegt (Bl. 120 ff.) und stellen offenbar nicht einmal die dem Kläger tatsächlich zugesandten Schreiben dar (deshalb geschwärzt). Der Vortrag im Schriftsatz vom 01.10.21 (Bl. 243ff.) war daher neu. Eine ausreichende Entschuldigung des verspäteten Vortrags erfolgte auch weiterhin nicht.
Im übrigen ist sich der Senat durchaus bewusst, dass nach Auffassung einiger Zivilsenate des BGH mit einer zulässigen Berufung grundsätzlich der gesamte aus den Akten ersichtliche Prozessstoff erster Instanz ohne weiteres und ohne entsprechende Rüge in die Berufungsinstanz gelangen soll (z.B. BGH vom 12. März 2004 – V ZR 257/03; vom 19. März 2004 – V ZR 104/03; vom 27. September 2006 – VIII ZR 19/04, vom 24. September 2019 – VI ZR 517/18; vom 28.4.2020 – VI ZR 347/19). Der Senat hält dies jedoch für nicht praktikabel. Er trifft deshalb in seinen Allgemeinen Verfahrenshinweisen, die jede Berufungspartei bereits mit dem Aktenzeichen des Berufungsverfahrens übermittelt bekommt, eigene Anordnungen zu den Anforderungen an den Vortrag in Berufungsverfahren vor dem Senat. Auf diese Anordnungen gem. § 139 Abs. 1 Satz 3 ZPO n.F. sind nach dem Willen des Gesetzgebers die allgemeinen Präklusionsvorschriften anzuwenden (BT-Drs. 19/13828 S. 31), sodass die Präklusionsvorschriften der §§ 530, 296 ZPO hier jedenfalls über § 139 ZPO gelten und daher dahinstehen kann, ob sie ansonsten nicht auch direkt anwendbar gewesen wären. Eine den Allgemeinen Verfahrenshinweisen entsprechender Vortrag hinsichtlich der oben genannten Rüge mit konkreter Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag erfolgte jedoch in der Berufungsbegründung insoweit nicht und wurde auch nicht ausreichend entschuldigt.
Abgesehen davon handelte es sich, wie oben unter 2. b) dargelegt, um ein nicht individualisiertes Anschreiben an alle Bestandskunden mit offenkundig werbendem Charakter; etwaige Fehlinformationen aus dem Werbeschreiben wären im übrigen jedenfalls durch die rechtzeitige Übersendung der Informationsbroschüre richtiggestellt.
Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht. Insoweit wird auf den Hinweisbeschluss (dort S. 26/27) verwiesen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Zum Streitwert vgl. Hinweis


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