Bankrecht

Klageänderung im Revisionsverfahren: Änderung des Klageantrags bei Aufnahme des durch Insolvenzeröffnung unterbrochenen Schadensersatzprozess

Aktenzeichen  III ZR 62/20

Datum:
8.4.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:080421UIIIZR62.20.0
Normen:
§ 240 S 1 ZPO
§ 264 Nr 3 ZPO
§ 559 Abs 1 S 1 ZPO
§ 86 Abs 1 Nr 2 InsO
§ 110 VVG
§ 157 VVG vom 05.10.1994
Spruchkörper:
3. Zivilsenat

Leitsatz

Nimmt der Kläger, der gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch geltend macht, das durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten unterbrochene Revisionsverfahren gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 2 InsO i.V.m. § 157 VVG (in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung; jetzt § 110 VVG n.F.) mit dem Antrag auf, die eigenverwaltende Beklagte zur Zahlung – beschränkt auf ihren Anspruch auf Leistung durch ihren Haftpflichtversicherer – zu verurteilen, so liegt in der Geltendmachung des durch § 157 VVG a.F. eingeräumten Absonderungsrechts keine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageänderung (im Anschluss an BGH, Urteil vom 16. Dezember 2003 – VI ZR 103/03, NJW 2004, 947).

Verfahrensgang

vorgehend KG Berlin, 23. August 2016, Az: 14 U 33/16vorgehend LG Berlin, 11. April 2016, Az: 11 O 60/15

Tenor

Der Beschluss des 14. Zivilsenats des Kammergerichts vom 23. August 2016 wird auf die Revision des Klägers, soweit mit ihr gegenüber der Beklagten zu 1 ein Absonderungsrecht gemäß § 157 VVG (in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung) geltend gemacht wird, im Hinblick auf die Zurückweisung der Berufungsanträge des Klägers zu 2 bis 5 und 7 aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, soweit hierüber nicht durch Beschluss des Senats vom 10. Dezember 2020 entschieden worden ist – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Das Urteil ist, soweit es ein Versäumnisurteil ist, vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Der Kläger hat die Beklagte zu 1 – vor dem am 1. April 2018 eröffneten Insolvenzverfahren über deren Vermögen – als Mittelverwendungskontrolleurin auf Auskunft und als Treuhandkommanditistin auf Rückabwicklung seiner mittelbaren Kommanditbeteiligung an einem geschlossenen Filmfonds in Anspruch genommen. Der Beklagte zu 2 ist der Sachwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten zu 1. Die Beklagte zu 3 ist der Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 1.
2
Mit Beitrittserklärung vom 3. Mai 2005 beteiligte sich der Kläger in Höhe von 30.000 € zzgl. 3 % Agio als mittelbarer Kommanditist an der E.       Medienfonds GmbH & Co. KG IV (künftig: Fondsgesellschaft). Zugleich bot er der Beklagten zu 1, die als Treuhandkommanditistin der Fondsgesellschaft und Mittelverwendungskontrolleurin fungierte, den Abschluss eines Treuhandvertrags an. Die Annahme des Beteiligungsangebots erfolgte durch die hierzu bevollmächtigte Komplementärin der Fondsgesellschaft.
3
Die Beteiligung des Klägers geschah auf der Grundlage des Emissionsprospekts vom 11. März 2005.
4
Die Beklagte zu 1 wurde am 2. November 2005 als Kommanditistin der Fondsgesellschaft in das Handelsregister eingetragen. Mit Ablauf des 31. Juli 2011 endete ihre Tätigkeit als Mittelverwendungskontrolleurin. Zu diesem Zeitpunkt schied sie auch als Treuhandkommanditistin aus.
5
Der Kläger zahlte die hälftige Anlagesumme nebst Agio auf das in der Beitrittserklärung angegebene Mittelverwendungskontrollkonto der Fondsgesellschaft ein und finanzierte seine Beteiligung im Übrigen mittels einer Inhaberschuldverschreibung. Dies entsprach dem Finanzierungskonzept des Fonds (Prospekt S. 45, 56, 65 und 95). Danach unterzeichnete der Anleger als Treugeber eine Inhaberschuldverschreibung (§§ 793 ff BGB), die er zum Zwecke der teilweisen Fremdfinanzierung seiner Beteiligung an die E.              GmbH verkaufte, die das dafür fällige Entgelt im Namen und auf Anweisung der Anleger auf ein Mittelverwendungskontrollkonto der Fondsgesellschaft überwies. Gemäß dem Begebungs- und Rahmenvertrag zur teilweisen Anteilsfremdfinanzierung (Prospekt S.119 ff) verpflichtete sich der Anleger, den Nennbetrag der Inhaberschuldverschreibung zzgl. 4,28 % Zinsen am 31. Dezember 2012 zu zahlen, wobei der Anleger die Fondsgesellschaft beauftragte und bevollmächtigte, die zu den Zahlungsterminen fälligen Leistungen in seinem Namen und für seine Rechnung aus den aus seiner Beteiligung an der Fondsgesellschaft ihm zustehenden Entnahmeansprüchen, Auseinandersetzungsguthaben oder Liquidationserlösen zu erbringen.
6
Der Emissionsprospekt enthält u.a. ein Kapitel “Beteiligungsmodalitäten”, das auszugsweise wie folgt lautet (S. 56):
“Die Inhaberschuldverschreibung wird von der E.                 GmbH, G.      , angekauft. Die Bedienung und Rückführung des fremdfinanzierten Beteiligungsanteils erfolgt dabei ausschließlich durch die im Wege der Sicherungsabtretung abgesicherten Zahlungsströme aus der Beteiligung; es sind keine weiteren Barmittel seitens des Anlegers zur Bedienung der Beteiligungsfinanzierung erforderlich. Es besteht grundsätzlich keine Nachschusspflicht.”
7
In einem dem Prospekt beigefügten gesonderten Blatt “Besondere Informationen nach § 312c Absatz 1 und 2 BGB i.V.m. § 1 der BGB-InfoV zur teilweisen Fremdfinanzierung der mittelbaren Beteiligung an der E.           Medienfonds GmbH & Co. KG IV” wird der Anleger unter II. 2. (“Ergänzende Informationen für Finanzdienstleistungen”) auf Folgendes hingewiesen:
“Es besteht das Risiko, dass Sie die Rückzahlung und den Zins aus der von Ihnen begebenen Inhaberschuldverschreibung erbringen müssen, obwohl die von Ihnen mit dem Kaufpreis für die Inhaberschuldverschreibung finanzierte mittelbare Beteiligung an der Gesellschaft keine gleich hohe Rendite erwirtschaftet. Weiter sind Sie auch dann zur Rückzahlung des Nennwertes der Inhaberschuldverschreibung sowie der Zahlung der Zinsen verpflichtet, wenn Ihre Beteiligung an der Gesellschaft wertlos werden sollte.”
8
Im Jahr 2014 beendete der Kläger seine Beteiligung an der Fondsgesellschaft durch Kündigung. Aus diesem Grund verlangt die Fondsgesellschaft Zahlung von 7.088 € (negatives Auseinandersetzungsguthaben, Abwicklungskostenerstattung, noch ausstehende Liquiditätsreserve).
9
Der Kläger hat geltend gemacht, ihm stünden gegen die Beklagte zu 1 Auskunfts- und Schadensersatzansprüche zu. Aus dem Mittelverwendungskontrollvertrag als Vertrag zugunsten Dritter ergebe sich die Verpflichtung der Beklagten zu 1 zur Auskunftserteilung. Bei fehlender Sicherstellung der Mittelverwendungskontrolle, worauf die Beklagte zu 1 habe hinweisen müssen, wäre er, der Kläger, dem Fonds nicht beigetreten. Dem Berater B.     seien der Beklagten zu 1 zurechenbare Aufklärungspflichtverletzungen unterlaufen, weil er das Beratungsgespräch auf der Grundlage eines Prospekts geführt habe, der fehlerhaft gewesen sei.
10
Der Kläger hat in der Vorinstanz zuletzt beantragt, die Beklagte zu 1 zu verurteilen, ihm Auskunft über die Mittelverwendungskontrolle bei der Fondsgesellschaft zu erteilen (Berufungsantrag zu 1) und – jeweils Zug um Zug gegen Abtretung seiner Rechte aus der Beteiligung an der Fondsgesellschaft – an ihn 15.563,93 € (Berufungsantrag zu 2) und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 150 € (Berufungsantrag zu 3) sowie an die H.          – Rechtsschutzversicherung AG vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.463,16 € (Berufungsantrag zu 4) zu zahlen, ihn von der Pflicht zur Zahlung eines negativen Auseinandersetzungsguthabens an die Fondsgesellschaft in Höhe von 7.088 € freizustellen (Berufungsantrag zu 5) und die Verpflichtung der Beklagten zu 1 festzustellen, ihn von sämtlichen Verpflichtungen und steuerlichen Nachteilen freizustellen, die ihm durch die Zeichnung der Beteiligung entstanden sind und noch entstehen werden (Berufungsantrag zu 6). Außerdem hat er die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten verlangt (Berufungsantrag zu 7).
11
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Der Senat hat auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers mit Beschluss vom 30. November 2017 die Revision beschränkt auf den Vorwurf der nicht anlagegerechten Beratung im Zusammenhang mit der Begebung einer Inhaberschuldverschreibung zugelassen. Das Revisionsverfahren ist sodann durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten zu 1 durch Beschluss des Amtsgerichts C.           vom 1. April 2018 gemäß § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen worden. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 23. Mai 2018 ist nachträglich Eigenverwaltung gemäß § 271 InsO angeordnet und der – bisher als Insolvenzverwalter tätige – Beklagte zu 2 zum Sachwalter bestellt worden. Im Insolvenzverfahren hat der Kläger im Hinblick auf seine Forderungen gegen die Beklagte zu 1 mit Formularschreiben vom 26. Juni 2018 abgesonderte Befriedigung unter gleichzeitiger Anmeldung des Ausfalls zur Insolvenztabelle beansprucht. Die Beklagten zu 1 bis 3 haben der Forderungsanmeldung widersprochen.
12
Der Rechtsstreit ist vom Kläger mit Anwaltsschriftsatz vom 25. März 2020 gegen die Beklagten zu 1 bis 3 gemäß § 180 Abs. 2 InsO i.V.m. § 179 Abs. 1, § 283 Abs. 1 InsO und zusätzlich – insoweit nur gegen die Beklagten zu 1 und 2 – gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 2 InsO, § 157 VVG (in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung; jetzt § 110 VVG n.F.) aufgenommen worden. Nach Hinweis des Senats vom 30. September 2020 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 13. November 2020 die Revision hinsichtlich der geltend gemachten Beträge teilweise und hinsichtlich des Berufungs(feststellungs)antrags zu 6 insgesamt zurückgenommen. Insoweit hat der Senat mit Beschluss vom 10. Dezember 2020 den Kläger des Rechtsmittels der Revision für verlustig erklärt und ihm die Kosten des Revisionsverfahrens auferlegt.
13
Der Kläger beantragt gegenüber den Beklagten zu 1 bis 3, zur Insolvenztabelle festzustellen, dass ihm in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten zu 1 eine Forderung in Höhe von 38.243,56 € für den Ausfall zusteht.
14
Im Verhältnis zu den Beklagten zu 1 und 2 beantragt der Kläger, die Beklagte zu 1 zu verurteilen, an ihn 38.243,56 € – beschränkt auf ihren Anspruch auf Leistung durch die Beklagte zu 3 aus dem mit dieser bestehenden Versicherungsvertrag – zu zahlen, und den Beklagten zu 2 verurteilen, sein Einvernehmen hierzu zu erteilen. Hilfsweise beantragt er, gegenüber den Beklagten zu 1 und 2 festzustellen, dass ihm ein Absonderungsrecht an der Entschädigungsforderung der Beklagten zu 1 gegenüber der Beklagten zu 3 aus dem Versicherungsvertrag in Höhe von 38.243,56 € zusteht.


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