Bankrecht

Private Rentenversicherung: Wirksamkeit der Widerspruchsbelehrung in einem Altvertrag

Aktenzeichen  IV ZR 125/16

Datum:
27.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2016:270916BIVZR125.16.0
Normen:
§ 5a Abs 2 S 1 VVG vom 13.07.2001
Spruchkörper:
4. Zivilsenat

Verfahrensgang

vorgehend OLG Köln, 8. April 2016, Az: I-20 U 198/15vorgehend LG Köln, 5. Oktober 2015, Az: 26 O 491/14, Urteilnachgehend BGH, 17. November 2016, Az: IV ZR 125/16, Beschluss

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 8. April 2016 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen
eines Monats
Stellung zu nehmen.

Gründe

1
I. Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge dreier fondsgebundener Rentenversicherungen. Diese wurden jeweils aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. Dezember 2004 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. In der Folge zahlte d. VN die Versicherungsprämien. Mit Schreiben vom 25. September 2014 und den Klageschriften vom Dezember 2014 erklärte d. VN zu allen drei Verträgen den Widerspruch. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN jeweils mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und eine schriftliche Belehrung über das Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F.
2
Mit der Klage verlangt d. VN Rückzahlung aller auf die Verträge gelesteten Beiträge nebst Zinsen.
3
Nach Auffassung d. VN sind die Versicherungsverträge nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des  gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden  § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können.
4
II. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. VN habe die Prämien jeweils mit Rechtsgrund geleistet. Er sei in allen drei Fällen ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. belehrt worden und die Versicherungsverträge seien wirksam zustande gekommen. Ob § 5a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. gegen europäisches Recht verstoße, bedürfe keiner Entscheidung. Die Ausübung des Widerspruchsrechts sei hier jeweils treuwidrig, weil d. VN die bekannt gemachte Widerspruchsfrist beim Vertragsschluss in allen drei Fällen habe verstreichen lassen und über viele Jahre die Prämien gezahlt habe.
5
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.
6
III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
7
1. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil es – bei identischer Widerspruchsbelehrung und gleichem Text im jeweiligen Versicherungsschein – von der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (12 U 41/15), das die Belehrung für unzureichend gehalten hat, abweiche. Diese Frage ist jedoch geklärt, weil der Senat mit Beschluss vom 30. Juni 2015 (IV ZR 16/14, juris) die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts bereits gebilligt hat.
8
Mit revisionsrechtlich beanstandungsfreier Begründung hat das Berufungsgericht, anders als die Revision meint, entschieden, dass die jeweilige Widerspruchsbelehrung unter Einbeziehung des Gesamtinhalts des Policenbegleitschreibens d. VN noch ausreichend deutlich mache, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt. Der Senat hat mit genanntem Beschluss die tatrichterliche Beurteilung desselben Berufungssenats für revisionsrechtlich unbedenklich erklärt, wonach eine wortgleiche Widerspruchsbelehrung der Beklagten den gesetzlichen Anforderungen auch im Hinblick auf die Nennung der fristauslösenden Unterlagen im Policenbegleitschreiben genügt und die Revision durch Beschluss gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückgewiesen (Senatsbeschlüsse vom 30. Juni 2015 und 16. September 2015 – IV ZR 16/14, juris). Entgegen der Ansicht der Revision gibt die abweichende Beurteilung durch das Oberlandesgericht Karlsruhe zu einer wortgleichen Widerspruchsbelehrung (Urteil vom 11. August 2015 – 12 U 41/15 nicht veröffentlicht) keinen Anlass zu einer Änderung der Senatsrechtsprechung. Wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, wird trotz Verwendung des Begriffs “Beilagen” im Versicherungsschein hinreichend klar, dass es sich auch bei den unter diesem Begriff angeführten Verbraucherinformationen um Unterlagen im Sinne der Widerspruchsbelehrung handelt. Auch das hat der Senat mittlerweile in einer gleichgelagerten Sache entschieden (Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2016 und 7. September 2016 – IV ZR 28/16, juris). Bedenkenfrei war das Berufungsgericht schließlich auch der Ansicht, die Belehrung in dem jeweiligen Policenbegleitschreiben sei in drucktechnisch deutlicher Form erfolgt.
9
2. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Prüfung auch stand.
10
Ob solchermaßen nach dem Policenmodell geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Juli 2014 – IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; BVerfG VersR 2015, 693 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, ist es d. VN auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung der drei Verträge auf deren angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben Senatsurteil vom 16. Juli 2014 aaO Rn. 32-42; BVerfG aaO Rn. 42 ff.). D. VN verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss im Jahre 2004 jeweils ungenutzt verstreichen. D. VN zahlte über Jahre die Versicherungsprämien, bis er dann jeweils im Jahr 2014 den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. erklärte. Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits bei Vertragsschluss 2004 über die Möglichkeit, den jeweiligen Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten VN haben bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der Verträge begründet. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für d. VN auch erkennbar.
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Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben beeinträchtigt auch angesichts der besonderen Umstände des Streitfalles die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts und den Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts nicht (vgl. ergänzend Senatsurteil vom 10. Juni 2015 – IV ZR 105/13, VersR 2015, 876 Rn. 13 f.).
Mayen                             Harsdorf-Gebhardt                                      Dr. Karczewski
                 Lehmann                                          Dr. Brockmöller


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