Bankrecht

Rückabwicklung eines Verbraucherdarlehensvertrages nach Widerruf: Bereithaltung des Darlehensbetrages auf Abruf für einen vereinbarten Zeitraum als Leistung der Bank

Aktenzeichen  XI ZR 542/18

Datum:
7.7.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2020:070720UXIZR542.18.0
Normen:
§ 491 BGB
§ 346 Abs 1 BGB
§ 346 Abs 2 S 1 Nr 1 BGB
§ 346 Abs 2 S 2 BGB
§ 357 Abs 1 BGB vom 27.07.2011
Spruchkörper:
11. Zivilsenat

Verfahrensgang

vorgehend KG Berlin, 12. September 2018, Az: 26 U 142/16vorgehend LG Berlin, 3. August 2016, Az: 21 O 241/15

Tenor

Auf die Revision der Beklagten, die Revision der Kläger und die Anschlussrevision der Kläger wird unter Zurückweisung der Revision der Beklagten und der Anschlussrevision im Übrigen das Urteil des 26. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 12. September 2018 in der Fassung des Beschlusses vom 15. Oktober 2018 die Kosten des Berufungsverfahrens betreffend und im Ausspruch zur Hauptsache teilweise aufgehoben und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Anerkenntnisteil- und Schlussurteil der Zivilkammer 21 des Landgerichts Berlin vom 3. August 2016 in der Fassung des Beschlusses vom 24. November 2016 teilweise abgeändert.
Die Kläger werden auf die Hilfswiderklage über ihr Anerkenntnis hinaus als Gesamtschuldner verurteilt, an die Beklagte weitere 12.282,98 € nebst Zinsen zwischen dem 22. September 2016 und dem 31. Juli 2023 in Höhe von 5,43% p.a. und ab dem 1. August 2023 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, höchstens jedoch Zinsen in Höhe von 5,43% p.a., sowie weitere 96,39 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, höchstens jedoch in Höhe 5,43% p.a., seit dem 12. Juni 2018 zu zahlen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger als Gesamtschuldner zu 82% und die Beklagte zu 18%. Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Kläger als Gesamtschuldner zu 90% und die Beklagte zu 10%. Hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits erster Instanz bleibt es bei der Kostenentscheidung im Urteil des 26. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 12. September 2018 in der Fassung des Beschlusses vom 15. Oktober 2018.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Die Parteien streiten in dritter Instanz noch über die Rechtsfolgen des von den Klägern erklärten Widerrufs ihrer auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen.
2
Die Parteien schlossen zur Finanzierung eines Immobilienerwerbs im Juli 2008 einen Darlehensvertrag über 210.000 € mit einem bis zum 31. Juli 2023 festen Zinssatz von nominal 5,43% p.a. (effektiv 5,57% p.a.) und einer monatlichen Annuität in Höhe von 1.125,25 € ab dem Zeitpunkt der vollständigen Auszahlung des Darlehens. Zur Sicherung der Ansprüche der Beklagten diente eine Grundschuld über 210.000 € auf dem Objekt. Bei Abschluss des Darlehensvertrags belehrte die Beklagte die Kläger fehlerhaft über das ihnen zukommende Widerrufsrecht.
3
Im Jahr 2008 zahlte die Beklagte 155.000 € an die Kläger aus. Die restliche Darlehensvaluta wurde im Januar, Juni und August 2009 gemäß den von ihnen erteilten Auszahlungsaufträgen an die Kläger ausgezahlt. Entsprechend der in Ziffer 1.1 des Darlehensvertrags getroffenen Vereinbarung stellte die Beklagte den Klägern für die Zeit von Januar bis August 2009 Bereithaltungszinsen in Höhe von insgesamt 515,07 € in Rechnung, die die Kläger zahlten.
4
Mit anwaltlichem Schreiben vom 10. Februar 2015 erklärten die Kläger den Widerruf ihrer auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen, den die Beklagte zurückwies. Die Kläger zahlten danach weiterhin monatlich 1.125,25 € an die Beklagte.
5
Mit der Klageschrift vom 1. Juni 2015 haben die Kläger mit ihren Ansprüchen auf Rückgewähr aller an die Beklagte erbrachten Zahlungen nebst Nutzungsersatz die Aufrechnung gegen die Ansprüche der Beklagten auf Rückgewähr der Darlehensvaluta und auf Wertersatz für Gebrauchsvorteile am jeweils tatsächlich noch überlassenen Teil der Darlehensvaluta erklärt. Nach Fortschreibung der Berechnung unter Berücksichtigung der von den Klägern bis zum 30. Juni 2016 erbrachten Zahlungen und Ermittlung eines aktualisierten Saldos zu Gunsten der Beklagten in Höhe von 175.419,78 € haben die Kläger in erster Instanz zuletzt beantragt, (1.) festzustellen, dass sie der Beklagten nicht mehr als diesen Betrag abzüglich der nach dem 30. Juni 2016 geleisteten Zahlungen in Höhe von 1.125,25 € monatlich schulden, hilfsweise festzustellen, dass sich der Darlehensvertrag durch den Widerruf in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt hat, (2.) die Beklagte zur Übertragung der Grundschuld auf die Kläger, Zug um Zug gegen Zahlung des nach dem Antrag zu 1 noch geschuldeten Betrages, zu verurteilen, (3.) den Annahmeverzug der Beklagten hinsichtlich dieses Betrages festzustellen und (4.) die Beklagte zur Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu verurteilen. Die Beklagte hat neben dem Antrag auf Klageabweisung für den Fall, dass das Gericht den Widerruf für wirksam erachte, ihrerseits vorsorglich die Aufrechnung mit ihren Ansprüchen aus dem Rückgewährschuldverhältnis gegen die Rückgewähransprüche der Kläger erklärt und hilfsweise widerklagend zuletzt die Zahlung von 189.515,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5,43% p.a. seit dem 1. Juli 2016 begehrt. Die Kläger haben die Hilfswiderklage in Höhe von des ihnen errechneten Saldos ohne Zinsen anerkannt.
6
Das Landgericht hat dem Klageantrag zu 2 stattgegeben und auf die Hilfswiderklage die Kläger als Gesamtschuldner zur Zahlung von 175.419,78 € verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage und die Hilfswiderklage abgewiesen.
7
Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung hat die Beklagte die Wirksamkeit des Widerrufs nicht mehr in Abrede gestellt und nur noch ihren Zahlungsantrag zuletzt in Höhe von 15.078,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5,43% p.a. seit dem 22. September 2016 weiterverfolgt, nachdem die Kläger entsprechend einer Aufforderung der Beklagten vom 17. August 2016 am 21. September 2016 an diese 174.294,53 € gezahlt hatten, die Beklagte daraufhin die Grundschuld freigegeben und im März 2018 insgesamt 1.423,10 € als Kapitalertragsteuer auf den von ihr an die Kläger zu leistenden Nutzungswertersatz sowie darauf entfallenden Solidaritätszuschlag an die Finanzbehörden abgeführt hatte. Das Berufungsgericht hat unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung die Kläger über ihr Anerkenntnis hinaus als Gesamtschuldner zur Zahlung von weiteren 11.767,91 € nebst Wertersatz in Höhe von 5,43% p.a. seit dem 22. September 2016 sowie von weiteren 1.519,49 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, höchstens jedoch 5,43% p.a., seit dem 12. Juni 2018 verurteilt. Die Revision hat es zu den Fragen zugelassen, ob einer Bank im Fall eines widerrufenen Darlehensvertrags gegen den Darlehensnehmer ein Anspruch auf Erstattung von an die Finanzbehörden abgeführter Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag sowie auf Wertersatz für die Bereitstellung der Darlehensvaluta zusteht. Im Umfang dieser Zulassungsentscheidung erstreben die Beklagte die Verurteilung der Kläger zur Zahlung von weiteren 515,07 € nebst Zinsen und die Kläger die Abweisung der Widerklage in Höhe von 1.423,10 € nebst Zinsen. Mit der Anschlussrevision wenden sich die Kläger gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von 11.767,91 € nebst Wertersatz durch das Berufungsgericht.

Entscheidungsgründe

8
Die Revision der Beklagten hat im Wesentlichen Erfolg, die Revision der Kläger vollumfänglich. Die Anschlussrevision der Kläger ist überwiegend unbegründet.
A. Revision der Beklagten
9
Die Revision der Beklagten ist ganz überwiegend begründet.
I.
10
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung – soweit für die Revision der Beklagten von Bedeutung – im Wesentlichen ausgeführt:
11
Infolge der nach § 389 BGB auf den Widerrufszeitpunkt zurückwirkenden Aufrechnung der Beklagten mit den ihr aus dem entstandenen Rückgewährschuldverhältnis zustehenden Ansprüchen auf Rückzahlung der Darlehensvaluta und auf Wertersatz für Gebrauchsvorteile am jeweils tatsächlich noch überlassenen Teil der Darlehensvaluta gegen die Ansprüche der Kläger auf Erstattung sämtlicher von ihnen erbrachter Leistungen sowie auf Nutzungsersatz ergebe sich für den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Widerrufs ein Saldo von 191.018,67 € zugunsten der Beklagten. Bei der Ermittlung der bis zum Widerruf von den Klägern geleisteten Zahlungen seien auch die auf das von der Beklagten berechnete Bereitstellungsentgelt erfolgten Zahlungen berücksichtigt, da diese ebenfalls zurückzuerstatten seien.
12
Der Beklagten stehe nach dem Widerruf kein Anspruch auf Zahlung eines Bereitstellungsentgelts für den Nichtabruf eines Teils der Darlehensvaluta bis zum 1. Januar 2009 in Höhe von 515,07 € zu. Die bloße Bereitstellung der Valuta stelle keine im Sinne von § 346 Abs. 1 BGB empfangene und nach § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB einem Wertersatz unterfallende Leistung der Beklagten dar. Hierfür spiele es keine Rolle, dass im Rahmen tatsächlich und beanstandungsfrei durchgeführter Darlehensverträge die vertragliche Vereinbarung von Bereitstellungsentgelten als zulässig angesehen werde, weil darin eine Leistung der Bank liegen solle. Es liefe dem Schutzzweck des gesetzlichen Widerrufsrechts entgegen, wenn der Verbraucher trotz Nichtinanspruchnahme der vertraglichen Gegenleistung hierfür ein Entgelt oder Bearbeitungsgebühren zahlen müsste. Andernfalls würde der Verbraucher, der die Leistung gar nicht in Anspruch nehme, letztlich an der Ausübung seines Widerrufsrechts schon deshalb gehindert, weil dieses ihn selbst ohne Inanspruchnahme der Gegenleistung mit Kosten belaste.
II.
13
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
14
1. Zwar ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass aufgrund der erklärten Aufrechnung die Ansprüche der Beklagten und der Kläger aus dem Rückgewährschuldverhältnis bezogen auf den Zeitpunkt des Widerrufs zu saldieren sind und dass in diese Berechnung auch der Anspruch der Kläger aus § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der hier maßgeblichen, bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung (künftig: aF) in Verbindung mit § 346 Abs. 1 BGB auf Rückgewähr der gezahlten Bereitstellungsprovisionen in Höhe von 515,07 € einzustellen ist.
15
2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht allerdings den Anspruch der Beklagten in gleicher Höhe unberücksichtigt gelassen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat die Beklagte den Klägern nicht nur mit der Überlassung der Darlehensvaluta eine Leistung erbracht, sondern auch dadurch, dass sie die Verpflichtung übernommen hat, den Klägern den Darlehensbetrag nach Abschluss des Darlehensvertrages für einen vereinbarten Zeitraum, die sogenannte Ziehungsperiode, auf Abruf bereit zu halten (vgl. Senatsbeschluss vom 24. März 2020 – XI ZR 516/18, juris Rn. 11 mwN; s. auch OLG Brandenburg, BKR 2018, 257 Rn. 95 und WM 2020, 260 Rn. 31). Die Kläger haben diese Leistung auch empfangen, indem sie im Jahr 2008 nur die Auszahlung von 155.000 € beantragt haben, während sie für die restliche Darlehensvaluta erst im Laufe des Jahres 2009 insgesamt drei Auszahlungsaufträge erteilt haben. Daher haben die Kläger für diese Leistung nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF in Verbindung mit § 346 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB Wertersatz zu leisten, dessen Berechnung sich gemäß § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB nach der im Vertrag bestimmten Gegenleistung, hier also nach der im Darlehensvertrag vorgesehenen Bereitstellungsprovision richtet. Die Kläger machen nicht geltend, die diesbezügliche Berechnung der Beklagten sei rechnerisch unzutreffend. Entgegen der Ansicht der Kläger ergibt sich kein anderes Ergebnis aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15. April 2010 (III ZR 218/09, BGHZ 185, 192 Rn. 22 ff.). Dieses Urteil ist vorliegend nicht einschlägig, da es sich ausschließlich mit den Rechtsfolgen des Widerrufs eines Haustürgeschäfts nach § 312 BGB in der Fassung vom 2. Januar 2002 befasst (BGH, aaO Rn. 2, 10 und 24).
III.
16
Das Berufungsurteil ist daher im Umfang des Angriffs der Revision der Beklagten aufzuheben (§ 562 ZPO), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und auf die Rechtsmittel der Beklagten die Kläger als Gesamtschuldner über den vom Berufungsgericht bereits zugesprochenen Betrag von 11.767,91 € zur Zahlung von weiteren 515,07 €, insgesamt also von 12.282,98 €, verurteilen. Angesichts der von der Beklagten mit ihrer Aufrechnungserklärung getroffenen Bestimmung der Tilgungsreihenfolge führt die zusätzliche Berücksichtigung des Anspruchs der Beklagten auf Wertersatz für die Bereitstellung der restlichen Darlehensvaluta auf Abruf im Jahr 2009 dazu, dass sich der allein verbliebene Anspruch der Beklagten auf Rückgewähr der nach dem Widerruf noch nicht vollständig zurückgezahlten Darlehensvaluta um diesen Betrag erhöht. Aus diesem Grund und weil die Anschlussrevision nur zu einem kleinen Teil Erfolg hat (dazu nachfolgend unter C.II.), ist der zusätzlich zuerkannte Betrag in gleicher Weise zu verzinsen wie die vom Berufungsgericht bereits zugesprochenen 11.767,91 €. Soweit die Beklagte eine geringfügig höhere Zinsforderung geltend macht, indem sie ohne zeitliche Begrenzung 5,43% p.a. verlangt, ist die Revision zu einem geringen Teil zurückzuweisen.
B. Revision der Kläger
17
Die Revision der Kläger hat Erfolg.
I.
18
Das Berufungsgericht hat – soweit für die Revision der Kläger von Bedeutung – ausgeführt:
19
Die Beklagte könne von den Klägern die Erstattung der an den Steuerfiskus abgeführten Kapitalertragsteuer zuzüglich des Solidaritätszuschlags verlangen. Der Nutzungswertersatz nach § 346 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB stelle einen steuerbaren Kapitalertrag im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG dar, bei Kapitalerträgen im Sinne dieser Vorschrift sei nach § 43 Abs. 1 Nr. 7 EStG die Kapitalertragsteuer allgemein zu erheben und die Beklagte sei als auszahlende Stelle im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG anzusehen. Auch wenn die Beklagte zu einem Einbehalt der Kapitalertragsteuer vor deren tatsächlicher Abführung an den Steuerfiskus nicht berechtigt sei, sei ihre tatsächliche Abführung zu Lasten des Darlehensnehmers zu berücksichtigen. Diese sei hier im März 2018 erfolgt, so dass ab diesem Zeitpunkt eine – dem Rückabwicklungssaldo aber nicht hinzuzurechnende – Erstattungsforderung der Beklagten aus §§ 679, 683 BGB entstanden sei. Die Geschäftsführung sei im öffentlichen Interesse erfolgt, zumal die Abführungspflicht nicht für den Begünstigten des Geldzuflusses, sondern für das Finanzdienstleistungsinstitut bestehe.
II.
20
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
21
1. Zwar ist das Berufungsgericht noch zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Beklagte nicht darauf berufen kann, ihrer im März 2018 erbrachten Leistung als Steuerentrichtungspflichtige an den durch das Abzugsverfahren gesetzlich ermächtigten Steuergläubiger komme im Verhältnis zwischen ihr und den Klägern Erfüllungswirkung gemäß § 362 Abs. 1 BGB zu, weil sie die Kapitalertragsteuer vor dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz abgeführt habe (vgl. Senatsurteile vom 25. April 2017 – XI ZR 108/16, WM 2017, 1008 Rn. 24 f. sowie XI ZR 573/15, WM 2017, 1004 Rn. 41 f.). Eine solche Erfüllungswirkung war hier nicht mehr möglich, da der Anspruch der Kläger auf Herausgabe der von der Beklagten mutmaßlich gezogenen Nutzungen schon zuvor in Höhe des Bruttobetrags durch Aufrechnung erloschen war.
22
2. Der Beklagten steht aber auch kein Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 683, 670 BGB zu. Es bedarf insoweit keiner Entscheidung, ob sie mit der Abführung von 1.423,10 € an die Finanzbehörden überhaupt ein Geschäft für die Kläger im Sinne von § 677 BGB besorgt hat, obwohl sie sich auf ihre Pflicht zur Abführung der Kapitalertragsteuer aus § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. b, § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG beruft und auch das Berufungsgericht darauf abgestellt hat, dass die Abführungspflicht nicht für den Begünstigen des Geldzuflusses, sondern für das Finanzdienstleistungsinstitut bestehe (zweifelnd auch KG, WM 2019, 1153, 1157 f.). Denn jedenfalls entsprach die Übernahme der Geschäftsführung nicht dem wirklichen Willen der Kläger, die mit ihrer Aufrechnungserklärung den Anspruch auf Herausgabe mutmaßlich gezogener Nutzungen in Höhe des Bruttobetrags geltend gemacht haben, und dieser entgegenstehende Wille ist vorliegend nicht nach § 679 BGB unbeachtlich.
23
Zum einen hat die Aufrechnung des Verbrauchers mit einem Anspruch aus § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF in Verbindung mit § 346 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB in voller Höhe nicht eine Verkürzung von Einkommensteuer zur Folge, da der Kunde die Einkünfte jedenfalls im Veranlagungsverfahren angeben muss (Senatsurteil vom 25. April 2017 – XI ZR 108/16, WM 2017, 1008 Rn. 25 und 28; vgl. auch OLG Brandenburg, BKR 2018, 257 Rn. 84; KG, WM 2019, 1153, 1155 und 1158).
24
Zum anderen kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, die Tilgung einer Steuerschuld liege generell im öffentlichen Interesse (ebenso MünchKommBGB/Schäfer, 8. Aufl., § 679 Rn. 13; Palandt/Sprau, BGB, 79. Aufl., § 679 Rn. 3; BeckOGK/Thole, BGB, Stand 01.12.2019, § 679 Rn. 24; s. auch Protokolle der Kommission für die Zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Band II, S. 737 f.). Eine solche Annahme ergibt sich weder aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. Januar 1964 (V ZR 25/62, BGHZ 41, 30), in dem § 679 BGB nicht erwähnt wird, noch aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24. Oktober 1952 (V ZR 119/51, BGHZ 7, 346). In diesem Urteil hat der Bundesgerichtshof einen Anspruch aus §§ 683, 679 BGB nur hypothetisch geprüft, um zu rechtfertigen, dass das in Rede stehende, ohne Zustimmung des Klägers entstandene Darlehen durch den Gesetzgeber in gleicher Weise behandelt wird wie ein auf vertraglicher Grundlage entstandenes. In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof angenommen, dass die Zahlung von Steuerschulden unter § 679 BGB fallen “kann” und dass in dem zu entscheidenden Fall aufgrund besonderer Umstände im Jahr 1942 ein “erhebliches öffentliches Interesse” an der “alsbaldigen Entrichtung” der streitgegenständlichen Steuerschuld bestanden habe (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1952, aaO S. 355 f.). Die dort tragenden Erwägungen sind nicht verallgemeinerungsfähig (so auch NK-BGB/Schwab, 3. Aufl., § 679 Rn. 18) und nicht auf die Abführung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag in der vorliegenden Fallkonstellation übertragbar.
III.
25
Das Berufungsurteil ist daher auch im Umfang des Angriffs der Revision der Kläger aufzuheben (§ 562 ZPO), weil es sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Berufung der Beklagten im Umfang des Angriffs der Revision der Kläger zurückweisen.
C. Anschlussrevision der Kläger
26
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige (vgl. Senatsurteil vom 27. Februar 2018 – XI ZR 480/16, juris Rn. 20) Anschlussrevision der Kläger hat dagegen nur zu einem geringen Teil Erfolg.
I.
27
Das Berufungsgericht hat – soweit für die Anschlussrevision der Kläger von Bedeutung – ausgeführt:
28
Entgegen der Auffassung des Landgerichts schuldeten die Kläger der Beklagten auch für die Zeit nach dem Widerruf bis zur vollständigen Rückführung des Kapitalsaldos Wertersatz für die aus dem überlassenen Kapital weiter gezogenen Gebrauchsvorteile in Höhe des vertraglichen Zinssatzes. Es könne dahinstehen, ob dies auch dann gelte, wenn der Darlehensnehmer den Darlehensgeber nach § 295 BGB wirksam in Annahmeverzug gesetzt habe, da die Voraussetzungen eines solchen Annahmeverzugs hier nicht vorlägen. Unter Berücksichtigung der nach dem Widerruf von den Klägern geleisteten Zahlungen ergebe sich daher zum 21. September 2016, dem Zeitpunkt der letzten Zahlung, ein Restsaldo zu Gunsten der Beklagten in Höhe von 11.767,91 €, so dass die Beklagte Zahlung dieses Betrags nebst einem Wertersatz für gezogene Gebrauchsvorteile in Höhe von 5,43% p.a. verlangen könne.
II.
29
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung ganz überwiegend stand.
30
Zutreffend hat das Berufungsgericht der Beklagten Wertersatz für Gebrauchsvorteile nach den Vorschriften des Rücktrittsrechts auch für die Zeit nach dem Wirksamwerden des Widerrufs bis zum Ende der vereinbarten Zinsbindungsfrist zugesprochen. Entgegen den Einwänden der Anschlussrevision hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, dass sich die Ansprüche der Beklagten auf Herausgabe der von den Klägern erlangten Gebrauchsvorteile für die vor dem Wirksamwerden des Widerrufs überlassene Darlehensvaluta auch für die Zeit danach nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF in Verbindung mit § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BGB und nach dem Vertragszins richten (Senatsbeschluss vom 19. Februar 2019 – XI ZR 362/17, WM 2019, 538 Rn. 6; Senatsurteile vom 12. März 2019 – XI ZR 9/17, WM 2019, 917 Rn. 18, vom 24. September 2019 – XI ZR 451/17, WM 2020, 124 Rn. 16 und vom 8. Oktober 2019 – XI ZR 717/17, WM 2019, 2350 Rn. 18).
31
Auch der nach § 346 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BGB maßgebliche Vergleichswert bestimmt sich allein anhand der Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (Senatsbeschluss vom 12. September 2017 – XI ZR 365/16, WM 2017, 2146 Rn. 12; Senatsurteile vom 12. März 2019 – XI ZR 9/17, WM 2019, 917 Rn. 15 und vom 2. April 2019 – XI ZR 4/18, juris Rn. 14), da hier keine Zinsanpassungen vertraglich vereinbart waren. Damit kommt es entgegen der Ansicht der Anschlussrevision nicht darauf an, ob die MFI-Zinsstatistik für den Monat, in dem der Widerruf erklärt worden ist, einen wesentlich geringeren Effektivzinssatz ausweist als für den Zeitpunkt des Vertragsschlusses.
32
Das Berufungsurteil erweist sich allerdings betreffend den Zinsausspruch zulasten der Kläger als teilweise fehlerhaft. Aus § 291 Satz 2, § 288 Abs. 3 BGB und § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF in Verbindung mit § 346 Abs. 2 BGB ergibt sich das vom Berufungsgericht gefundene Ergebnis nur in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang, weil in dem Darlehensvertrag eine Zinsbindung nur bis zum 31. Juli 2023 vorgesehen war (vgl. Senatsurteil vom 8. Oktober 2019 – XI ZR 717/17, WM 2019, 2350 Rn. 25).
D.
33
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 4 ZPO.
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