Bankrecht

Rückforderung von Ausschüttungen durch den Insolvenzverwalter

Aktenzeichen  18 U 2990/18

Datum:
23.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZInsO – 2019, 1499
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 91a Abs. 1, § 138 Abs. 3
InsO § 52 S. 2, § 201 Abs. 2
HGB § 171 Abs. 1, § 172

 

Leitsatz

Die vom Insolvenzverwalter gemäß § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB beigetriebenen Haftsummen der Kommanditisten dürfen nicht zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens oder zur Erfüllung von Masseverbindlichkeiten verwendet werden. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 O 1834/17 — LGTRAUNSTEIN LG Traunstein

Tenor

1. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz trägt der Beklagte, die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
2. Der Streitwert wird auf 6.800,00 € festgesetzt.

Gründe

Nachdem die Parteien im Termin vom 02.04.2019 den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat der Senat unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen darüber zu entscheiden, wie die Kosten des Rechtsstreits zu verteilen sind (§ 91a Abs. 1 ZPO).
Maßgeblich für die zu treffende Kostenentscheidung ist insbesondere der ohne die Erledigterklärung aufgrund summarischer Prüfung zu erwartende Verfahrensausgang. Tritt die Erledigung in einem späteren Verfahrensabschnitt ein, kommt auch eine Kostenteilung nach Verfahrensabschnitten in Betracht (vgl. KG, Beschluss vom 05.03.2012 – 20 W 12/12, NJW-RR 2012, 1215). Bei der zu treffenden Billigkeitsentscheidung kann auch berücksichtigt werden, dass infolge verspäteter Abgabe der Erledigungserklärung zusätzliche Kosten angefallen sind (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 91a Rn. 25 a.E. m.w.N.).
1. Nach diesen Grundsätzen sind die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen.
In der Anspruchsbegründung vom 01.02.2018 hat der Kläger vorgetragen, dass zum damaligen Zeitpunkt Forderungen der Insolvenzgläubiger im Gesamtumfang von 91.997,40 € zur Insolvenztabelle festgestellt worden waren und weitere Forderungen im Gesamtumfang von 11.548.906,17 € für den Ausfall. Der Kläger verwaltete auf den Insolvenzanderkonten Guthaben in Höhe von 3.928.910,39 € und 226.066,73 US$. Angesichts der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Unterdeckung in Höhe von mehr als sieben Millionen Euro wäre die Inanspruchnahme des Beklagten zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger selbst dann erforderlich gewesen, wenn der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt von den Kommanditisten den im Schriftsatz vom 01.04.2019 genannten Betrag von 6.810.404,22 € eingezogen gehabt hätte.
Der Beklagte hatte in erster Instanz das klägerische Vorbringen nicht in erheblicher Weise bestritten. Ein schlichtes Bestreiten genügte nicht. Dem Beklagten ist eine substantiierte Stellungnahme zu den zur Tabelle festgestellten Forderungen möglich, weil er die erforderlichen Informationen von der Schuldnerin einfordern kann (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20.02.2018 – II ZR 272/16, Rn. 20). Der Beklagte hätte deshalb in Bezug auf die jeweilige Forderung den vom Kläger behaupteten Akt der Feststellung zur Insolvenztabelle substantiiert bestreiten müssen. Da er dies nicht getan hat, gilt das tatsächliche Vorbringen des Klägers als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO).
Für die für den Ausfall festgestellten Forderungen gelten entgegen der Ansicht des Beklagten keine Besonderheiten. Die durch § 52 Satz 2 InsO vorgeschriebene Beschränkung auf den Ausfall gilt nur für die Befriedigung des absonderungsberechtigten Insolvenzgläubigers innerhalb des Insolvenzverfahrens, während die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle gemäß § 201 Abs. 2 InsO Rechtskraft auch außerhalb des Insolvenzverfahrens schafft (Ganter in MüKo-InsO, 3. Aufl., § 52 Rn. 19). Der Feststellungsvermerk erzeugt ungeachtet des Zusatzes Rechtskraftwirkung für die gesamte Forderung (Schumacher in MüKo-InsO, 3. Aufl., § 178 Rn. 64; st. Rspr. seit RGZ 22, 153, 154).
2. Dagegen entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des Berufungsverfahrens dem Kläger aufzuerlegen, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Erforderlichkeit für die Inanspruchnahme des Beklagten bereits vor der Antragstellung im Berufungsverfahren entfallen ist. Insoweit ist der Kläger der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen.
a) Mit Schriftsatz vom 01.04.2019 (Bl. 141/142 d.A.) hat der Kläger erstmals vorgetragen, dass er bis zu diesem Stichtag von den Kommanditisten Haftsummen im Gesamtumfang von 6.810.404,22 € eingezogen hatte. Da ausweislich der als Anlage BK 8 vorgelegten Insolvenztabelle (§ 175 InsO) zum Stichtag 01.04.2019 für den Ausfall nur noch Forderungen im Gesamtumfang von 6.633.730,24 € sowie weitere Forderungen im Gesamtumfang von 91.997,40 € ohne diese Einschränkung festgestellt waren, besteht in Bezug auf die Forderungen der Insolvenzgläubiger keine Unterdeckung mehr, sondern ein Überschuss in Höhe von ca. 85.000,00 €.
b) Der Senat hält an seiner Ansicht fest, dass die vom Insolvenzverwalter gemäß § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB beigetriebenen Haftsummen der Kommanditisten nicht zur Dekkung der Kosten des Insolvenzverfahrens oder zur Erfüllung von Masseverbindlichkeiten verwendet werden dürfen. Denn die zugrunde liegenden Ansprüche im Sinne von § 171 Abs. 1 HGB stehen den Gesellschaftsgläubigern zu. Sie sind nicht Teil der Insolvenzmasse, sondern werden im Insolvenzfall nur gemäß § 171 Abs. 2 HGB im Wege gesetzlicher Prozessstandschaft durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht, um die gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger sicherzustellen.
c) Für die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens ist maßgeblich, dass sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen lässt, ab welchem Zeitpunkt die von anderen Kommanditisten beigetriebenen Haftsummen den Gesamtbetrag der (für den Ausfall) zur Insolvenztabelle festgestellten Forderungen der Insolvenzgläubiger überstiegen haben. Sollte die zunächst bestehende Unterdeckung bereits vor der Antragstellung im Berufungsverfahren entfallen sein, hätte der Kläger nicht Zurückweisung der Berufung beantragen dürfen, sondern den Rechtsstreit unverzüglich in der Hauptsache für erledigt erklären müssen. Denn in diesem Falle hätte der Kläger mit seinem Antrag auf Zurückweisung der Berufung des Beklagten in der Sache die Aufrechterhaltung der erstinstanzlichen Entscheidung beantragt, obwohl die Klage bereits unbegründet geworden war.
Die Ungewissheit hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem das erledigende Ereignis – der Wegfall der zunächst bestehenden Unterdeckung – eingetreten ist, geht zum Nachteil des Klägers. Bereits mit Verfügung vom 21.12.2018 (Bl. 106/108 d.A.) hatte der Senat den Kläger darauf hingewiesen, dass ihn eine sekundäre Darlegungslast in Bezug auf den Umstand trifft, ob die Geltendmachung der streitgegenständlichen Forderung gegen den Beklagten noch zur Befriedigung der zur Tabelle (für den Ausfall) festgestellten Forderungen der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist. Insbesondere war dem Kläger aufgegeben worden, zu den bereits von den Kommanditisten eingezogenen Haftsummen vorzutragen. In diesem Zusammenhang hatte der Senat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Kommanditist nach §§ 171, 172 HGB nicht für die Kosten des Insolvenzverfahrens haftet.


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