Aktenzeichen II ZR 446/13
§ 719 BGB
§ 767 Abs 1 ZPO
Leitsatz
1. Richtet sich ein Vollstreckungstitel gegen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Vollstreckungsschuldnerin, steht die Befugnis zur Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage der Gesellschaft zu, nicht ihren Gesellschaftern.
2. Bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts können – ebenso wie bei einer Personenhandelsgesellschaft (BGH, Urteil vom 8. November 1965, II ZR 223/64, BGHZ 44, 229, 231) – unter Wahrung der Gesellschaftsidentität gleichzeitig sämtliche Gesellschafter im Wege der Anteilsübertragung ausgewechselt werden.
Verfahrensgang
vorgehend Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 14. November 2013, Az: 9 U 242/11vorgehend LG Halle (Saale), 24. November 2011, Az: 6 O 16/11
Tenor
Auf die Revisionen der Kläger wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 14. November 2013 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 19. Dezember 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Berufungsantrag zu 3 zurückgewiesen worden ist.
Die weitergehenden Revisionen werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die mit den Berufungsanträgen zu 1 und 2 weiterverfolgte Klage als unzulässig abgewiesen wird.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
1
Die Kläger wenden sich gegen einen Vollstreckungsbescheid und einen Vergütungsfeststellungsbeschluss, den die Beklagte jeweils gegen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts „P. “ (im Folgenden: GbR P. ) erwirkt hat, sowie – im Wege der negativen Feststellungsklage – gegen weitere Vergütungsforderungen der Beklagten.
2
Die Kläger waren Gesellschafter der GbR P. , deren Zweck die Vermietung und Verwaltung der gesellschaftseigenen Immobilie B. allee 1a/A. Straße in S. ist. Nach ihrem Ausscheiden aus der GbR schlossen die Kläger und zwei weitere ausgeschiedene Gesellschafter zur Regelung ihrer Abfindungsansprüche mit der GbR sowie den in der GbR verbliebenen bzw. inzwischen neu hinzugetretenen Gesellschaftern H. L. ,P. GmbH und P. GmbH & Co. KG am 25./27. März 2009 eine notarielle Vereinbarung, die den ausgeschiedenen Gesellschaftern bei Nichtzahlung des vereinbarten Abfindungsbetrags unter bestimmten weiteren Voraussetzungen das (in der Vereinbarung so bezeichnete) „Wahlrecht“ gab, von den derzeitigen Gesellschaftern „100 % der Gesellschaft (…) zu übernehmen“. Die ausgeschiedenen Gesellschafter übten dieses Wahlrecht zum 1. Oktober 2009 aus. Über die Wirksamkeit dieser rechtsgestaltenden Erklärung und damit den seitherigen Gesellschafterbestand der GbR P. herrscht Streit. In einem Vorprozess, den die Kläger und die beiden weiteren mit ihnen ausgeschiedenen Gesellschafter gegen H. L. , die P. GmbH und die P. GmbH & Co. KG geführt haben, hat das Landgericht Halle mit Urteil vom 23. September 2010 (6 O 372/10) festgestellt, dass die (dortigen) Kläger die Gesellschaftsanteile mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2009 übernommen haben. Das Oberlandesgericht Naumburg hat die Berufung der (dortigen) Beklagten zurückgewiesen (9 U 173/10). Die Nichtzulassungsbeschwerde der P. GmbH & Co. KG ist gleichfalls erfolglos geblieben; bezüglich der beiden anderen Beklagten des Vorprozesses ist das beim Bundesgerichtshof geführte Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren (II ZR 125/11) gemäß § 240 ZPO unterbrochen.
3
Die Beklagte ist auf Veranlassung des H. L. für die GbR P. B. in verschiedenen Angelegenheiten – vor und nach dem 1. Oktober 2009 – anwaltlich tätig geworden. Sie hat gegen die GbR am 8. Januar 2010 einen Vollstreckungsbescheid über 77.536,06 € nebst Zinsen und Kosten und am 22. Juli 2010 einen Vergütungsfestsetzungsbeschluss gemäß § 11 RVG über 9.515,58 € nebst Zinsen erwirkt. Der Vollstreckungsbescheid, in dem als gesetzlicher Vertreter der GbR der „geschäftsführende Gesellschafter“ H. L. angegeben ist, ist am 18. Januar 2010 unter der Anschrift „K. allee 13 c/o P. GmbH“ in H. durch Einlegen in den Briefkasten zugestellt worden. Für weitere Anwaltstätigkeiten stellte die Beklagte der GbR P. unter dem 3. März 2010 8.734,03 € und unter dem 23. September 2010 6.322,71 € in Rechnung.
4
Die Kläger haben beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid und dem Vergütungsfestsetzungsbeschluss für unzulässig zu erklären. Hilfsweise haben sie beantragt, die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären, „soweit sie sich gegen die GbR P. , bestehend aus den Antragstellern als Gesellschafter richtet und soweit sie sich gegen das gemäß dem Sequestrationsbeschluss des Oberlandesgerichts Naumburg vom 13.04.2010 (…) gesicherte Gesellschaftsvermögen in seinem Immobilienstand oder die Mieteinnahmen aus der Immobilie B. allee 1a/A. Straße in S. ab dem 01.10.2009 richtet“. Weiter haben die Kläger beantragt, festzustellen, dass der Beklagten gegenüber den Klägern oder einer von ihnen gebildeten GbR P. keine Ansprüche aus den Rechnungen vom 3. März und 23. September 2010 bzw. überhaupt im Zusammenhang mit den jeweils benannten Verfahren zustehen.
5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat hinsichtlich des Vollstreckungsbescheids angenommen, dass die Einwendungen der Kläger präkludiert, jedenfalls aber in der Sache unberechtigt seien. Die weitergehende Klageabweisung hat das Landgericht damit begründet, dass auch gegenüber dem Vergütungsfeststellungsbeschluss keine durchgreifenden materiell-rechtlichen Einwendungen bestünden und die von der negativen Feststellungsklage erfassten Honorarforderungen berechtigt seien. Die Berufung der Kläger, mit der sie zusätzlich hilfsweise die Feststellung begehrt haben, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid und dem Vergütungsfeststellungsbeschluss unzulässig gewesen sei, ist erfolglos geblieben. Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.