Baurecht

8 O 665/20

Aktenzeichen  8 O 665/20

Datum:
22.7.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LG Erfurt 8. Zivilkammer
Dokumenttyp:
Urteil
Spruchkörper:
undefined

Verfahrensgang

nachgehend Thüringer Oberlandesgericht, 28. März 2022, 3 U 900/21, Urteil

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von den beiden Beklagten als Grundstückseigentümern den nachträglichen „Ankauf“ eines auf dem Grundstück befindlichen Gebäudes, d. h. die unmittelbare Zahlung eines Kaufpreises in Höhe von 50.000,00 €.
Die beiden Beklagten haben das Grundstück am 8. Januar 2018 von einer dritten Person erworben, allerdings der Klägerin für das aufstehende Gebäude keine Entschädigung bezahlt.
Der vorliegende Rechtsstreit beruht auf den besonderen rechtlichen und tatsächlichen (Eigentums)Verhältnissen zu Zeiten der DDR. Betroffen ist ein Grundstück in Arnstadt – in einem Trinkwasserschutzgebiet und im Außenbereich – mit der Grundbuchbezeichnung Grundbuch von Arnstadt …
Das Eigentum an dem Grundstück auf der einen Seite und das Eigentum an der dort errichteten, von der Klägerin so bezeichneten und vorab von ihrer Mutter … (Erblasserin) bis zu deren Tod genutzten „unechten Datsche“ auf der anderen Seite fielen auseinander. Das Grundstück selbst befand sich im Eigentum einer dritten Person, …
Eine behördliche Genehmigung oder Zustimmung für das Gebäude lag bis zum Ende der DDR nicht vor. Nach der Wende wurde der ursprüngliche Bungalow zu Wohnzwecken und möglicherweise beruflicher Nutzung massiv ausgebaut.
Eine „Bereinigung“ iSd. Sachenrechtsbereinigungsgesetzes oder anderer Übergangsnormen geschah nicht.
Schließlich schritt die zuständige Baubehörde mit Blick auf das Gebäude ein. Im Januar 2003 kam es zum Erlass eines Bescheides, mit dem – wegen formeller und materieller Rechtswidrigkeit – die Nutzung des in einem Trinkwasserschutzgebiet und im Außenbereich errichteten Gebäudes untersagt und ein vollständiger Abriss verfügt wurden.
Im Fortgang kam es unter dem 17. April 2008 zum Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages zwischen dem Landkreis und der Erblasserin … Der mittlerweile bestandskräftige Bescheid vom Januar 2003 wurde ausdrücklich Bestandteil dieses Vertrages. Zugleich wurde eine Rückbauverpflichtung für einen Anbau vereinbart, wobei die vollständige Beseitigung dieses Anbaus bis zum 31. Dezember 2008 erfolgen sollte.
Zu einem vollständigen Rückbau kam es jedoch bis zum Grundstückserwerb durch die Beklagten am 8. Januar 2018 nicht, weder durch die Erblasserin noch durch die Klägerin. Dieser Verstoß gegen die vertragliche Rückbauverpflichtung wurde behördlich bis zum Tod der Erblasserin geduldet.
Unstreitig gab es Vertragsverhandlungen zwischen der Erblasserin und den beiden Beklagten zu einem „Ankauf“ auch des Gebäudes durch die Beklagten. In einem notariellen Vertragsentwurf war vorgesehen, dass die Beklagten für das „Wohngebäude“ einen Kaufpreis in Höhe von 50.000,00 € zahlen sollten.
Die Beklagten nahmen hiervon jedoch Abstand und erwarben im Januar 2018 lediglich das Eigentum an dem Grundstück, womit sie zugleich in den Besitz und an das Eigentum an dem dort befindlichen Gebäude gelangten.
Die Beklagten nutzten das Gebäude zunächst ihrerseits als Wohngebäude, bis ihnen dies durch Bescheid des Landratsamtes Ilm-Kreis vom 20. Februar 2018 untersagt wurde. In diesem Bescheid wurden die Beklagten zudem dazu verpflichtet, nunmehr den gesamten Rückbau zu vollziehen.
Die Klägerin behauptet, ihre Mutter sei bis zu ihrem Versterben am 27. November 2017 Eigentümerin des auf dem Grundstück mit der Grundbuchbezeichnung Grundbuch von Arnstadt, … auf fremdem Grund und Boden erbauten Wohnhauses gewesen. Sie habe ihre Mutter als Alleinerbin gemäß Erbschein des Amtsgerichts Arnstadt vom 6. Februar 2018 beerbt.
Die Klägerin ist der Auffassung, ihr sich aus dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz in analoger Anwendung ergebender Anspruch auf Ankauf des Gebäudes sei nicht verjährt. Die Beklagten würden sich treuwidrig verhalten. Das Gebäude habe einen Wert in Höhe von 50.000,00 €.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 50.000,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 17.09.2019 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten sehen keinerlei Verpflichtung zu einem Ankauf oder einer Zahlung auf ihrer Seite. Das Gebäude sei nicht als Wohngebäude bzw. zu Wohnzwecken zu nutzen, anders als von der Klägerseite zugesagt. Es habe im Übrigen im Zeitpunkt des Ankaufs des Grundstückes einem Nutzungsverbot unterlegen und sei daher wertlos gewesen. Das Gebäude habe zu keiner Zeit dem formellen oder materiellen Baurecht entsprochen. Zum Zeitpunkt des Grundstückserwerbs habe vielmehr konkret der Abriss des gesamten Gebäudes gedroht. Es habe nämlich weder einen Bestandsschutz noch eine Duldung gegeben.
Im Übrigen berufen sich die Beklagten auf die Einrede der Verjährung.
Das Gericht hat die Beklagten mehrfach angehört. Insoweit wird auf das Protokoll der Sitzung vom 14. Dezember 2020 und das Protokoll der Sitzung vom 3. Juni 2021 verwiesen. Weiter wurde zu Beweiszwecken die einschlägige Bauaufsichtsakte beigezogen. Zudem wurde die Zeugin … von der Bauaufsicht des Landratsamtes Ilm-Kreis vernommen. Insoweit wird auf das Protokoll der Sitzung vom 3. Juni 2021 Bezug genommen.
Im Übrigen wird wegen sämtlicher Einzelheiten des Vorbringens der Parteien auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Es kann dahinstehen, ob das streitgegenständliche Gebäude im Eigentum der Erblasserin stand, und ob dieses besondere Eigentum fortbestehen konnte und im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Klägerin überging oder übergehen konnte.
Weiter kann die Frage einer Verjährung offenbleiben.
Der Klägerin steht nämlich aus keinem Rechtsgrund ein Anspruch auf Ankauf des Gebäudes oder – verkürzt – auf Zahlung eines Kaufpreises zu.
Eine vertragliche Einigung über einen Ankauf hat zwischen den Parteien nicht stattgefunden. Es blieb bei ergebnislosen Vertragsverhandlungen und einem bloßen Vertragsentwurf.
Ein solcher Anspruch ergibt sich auch nicht aus dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz in entsprechender Anwendung. Im Zeitpunkt des Ankaufes des Grundstückes fehlte es nämlich an jedweder Werthaltigkeit eines Besitzstandes bzw. des Gebäudes.
Zunächst fehlte und fehlt es an einer Eigenschaft des Gebäudes als Wohngebäude. Eine solche Nutzung hatte die Klägerseite jedoch zugesagt, und die Beklagten hatten hierauf vertraut. In dem Vertragsentwurf wie auch in der Klageschrift ist von einem Wohnhaus die Rede.
Die Beweisaufnahme hat jedoch in unzweifelhafter Weise ergeben, dass jedwede Wohnnutzung seit jeher ausscheidet. Die Zeugin .. hat in überzeugender und glaubhafter Weise bekundet, dass es bei dem Areal, einem Trinkwasserschutzgebiet, zu keiner Zeit um eine Wohnsiedlung oder eine Wohnnutzung gegangen sei, auch nicht zu DDR-Zeiten. Es habe sich lediglich um eine Wochenendhaussiedlung gehandelt. Bei dem streitgegenständlichen Gebäude handele es sich somit um ein bloßes Wochenendhaus.
Hieran änderten auch die Absprachen und Vereinbarungen mit dem Landkreis nach der Wende nichts. Die Zeugin .. stellte klar, dass vor Ort keinerlei Form oder Art des Wohnens erlaubt oder genehmigt war oder ist oder auch nur genehmigungsfähig war und ist. Jede Art des Wohnens sei verboten.
Im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs hatte das Gebäude aber auch als bloßes Wochenendhaus keinerlei Wert. Vielmehr drohte ein Abriss.
Es war zu keiner Zeit formell oder materiell baurechtmäßig und damit genehmigungsfähig. Der Zeugen .. zufolge gab es für das Gebäude auch weder einen Bestandsschutz noch einen Vertrauensschutz. Dies beruht vor allem darauf, dass die Nutzer und Besitzer den ursprünglichen Bungalow mit einer Gesamtgröße von nur 36 m² vor allem nach der Wende massiver gestalteten und ausbauten, bis hin zu einem Wochenendhaus von 89 m², mit einer Terrasse von 36 m² und einer Garage mit 12 m² sowie einem Schuppen mit 6 m².
Die Klägerin vermag sich auch nicht auf den öffentlich-rechtlichen Vertrag aus dem Jahre 2008 und eine damit einhergehende Duldung des Gebäudes zu berufen. Zwar schuf dieser Vertrag eine gewisse Rechtssicherheit. Jedoch galt die ursprüngliche Abrissverfügung aus dem Jahr 2003 weiterhin fort.
Darüber hinaus und entscheidend waren der Zeugin zufolge die vorgesehenen Auflagen zum Zeitpunkt des Erbfalles am 27. November 2017 und zum Zeitpunkt des folgenden Grundstückserwerbs nicht erfüllt. Weder die Erblasserin noch die Klägerin nahmen den Rückbau vor. Somit hat auch den Beklagten ein Abriss gedroht bzw. hätte abgerissen werden müssen.
Nach alledem war das unmittelbar und konkret vom Abriss bedrohte Wochenendhaus jedenfalls zum Zeitpunkt des Grundstückserwerbs und der Auflassung im Januar 2017 völlig wertlos. Jedwede Entschädigung scheidet aus.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, während sich der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1 ZPO ergibt.


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