Baurecht

Abgelehnter Antrag des Beigeladenen auf Festsetzung des Gegenstandswerts für die anwaltliche Tätigkeit

Aktenzeichen  W 5 K 15.1109

Datum:
25.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 4460
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 2 S. 1
RVG § 23 Abs. 1 S. 2, § 32 Abs. 1, § 33

 

Leitsatz

1 Die Festsetzung des § 33 RVG ist subsidiär gegenüber der Wertfestsetzung nach § 32 RVG. Eröffnet § 32 RVG eine Wertfestsetzung, ist diese auch für die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren maßgebend und ein Verfahren nach § 33 RVG unzulässig, es besteht insoweit kein Wahlrecht. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2 Voraussetzung der Bindung des Gegenstandswertes der Anwaltstätigkeit an die Festsetzung des Wertes für das gerichtliche Verfahren gemäß § 32 RVG ist die Übereinstimmung der gerichtlichen und der anwaltlichen Tätigkeit. Die Tätigkeit des Rechtsanwalts muss sich also auftragsgemäß auf denselben Gegenstand bezogen haben, auf den sich die gerichtliche Tätigkeit bezogen hat. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag auf Bestimmung eines Gegenstandswerts für die anwaltliche Tätigkeit der Beigeladenen zu 4) und 5) wird abgelehnt.
II. Die Kosten des gebührenfreien Verfahrens haben die Beigeladenen zu 4) und 5) zu tragen. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.
Die Beigeladenen zu 4) und 5) begehren die gesonderte Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit.
1. Mit Bescheid vom 29. September 2015 verpflichtete die Regierung von Oberfranken/Bergamt Nordbayern (Beklagter) – die Stadt Kitzingen (Klägerin), die Kalksteintiefbaue im Bereich der Wohnbebauung … …b (Beigeladene zu 1 und 2), c (Beigeladene zu 3) und d (Beigeladene zu 4 und 5) in Kitzingen entsprechend dem dargelegten räumlichen und sachlichen Umfang zu verwahren und die bestehende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit an der Tagesoberfläche zu beseitigen.
Mit Urteil des Bayer. Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. Juni 2018 wurde der Bescheid der Regierung von Oberfranken/Bergamt Nordbayern vom 29. September 2015 aufgehoben. Dem Beklagten wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt; die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Aufwendungen selbst. Mit Beschluss vom gleichen Tag wurde der Streitwert gemäß §§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 Satz 1 GKG i.V.m. Nr. 35.1 des Streitwertkatalogs 2013 der Verwaltungsgerichtsbarkeit auf 900.000,00 EUR festgesetzt. In der mündlichen Verhandlung vom 14. Juni 2018 hatten die Kläger- und die Beklagtenseite auf Frage des Gerichts übereinstimmend erklärt, dass sie den wirtschaftlichen Wert der angeordneten Erkundungs- und Sanierungsmaßnahme mit ca. 900.000,00 EUR beziffern würden. Das vg. Urteil und der Beschluss wurde den Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 4) und 5) gegen Empfangsbekenntnis am 12. Juli 2018 zugestellt.
2. Mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2018, eingegangen bei Gericht am nächsten Tag beantragten die Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 4) und 5) auf ausdrückliche Weisung ihrer Rechtsschutzversicherung die Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren gemäß § 33 Abs. 1 RVG und stellten den
A n t r a g, den Wert für die Rechtsanwaltsgebühren auf einen in das Ermessen des Gerichts gestellten Betrag festzusetzen.
Zur Begründung des Antrags wurde ausgeführt: Im Nachgang zu dem Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg bestehe Uneinigkeit über den Umfang der Rechtsanwaltsgebühren bzw. deren Berechnungsgrundlage zwischen den Beigeladenen zu 4) und 5) und deren Rechtsschutzversicherer. Letztere sei der Auffassung, dass lediglich ein Bruchteil des festgesetzten Werts für den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit maßgeblich sei, nämlich 1/5 der Kosten, so dass von einem Streitwert von 180.000,00 EUR auszugehen sei. Sie sei der Meinung, dass es im Prozess um die Anordnung von Erkundungs- und Sicherungsmaßnahmen für einen aufgelassenen Kalksteintiefbau unter fünf Wohngrundstücken gegangen sei, wobei eines davon das Grundstück des Versicherungsnehmers und seiner Ehefrau sei, so dass es im Prozess unmittelbar um die Erkundungs- und Sicherungsmaßnahmen zur Sicherung der betroffenen Grundstücke gegangen sei. Das Grundstück des Versicherungsnehmers sei von den Maßnahmen mittelbar aber nur zu einem Fünftel betroffen. Nach den Ausführungen des Rechtsschutzversicherers habe sich die anwaltliche Tätigkeit auftragsgemäß nicht auf denselben Gegenstand, der der gerichtlichen Tätigkeit zugrunde gelegen habe, bezogen. Denn nur zwischen den beiden Klageparteien sei die Gefahrenabwehr in vollem Umfang streitig. Demgegenüber könnten die Beigeladenen zu 4) und 5) nur hinsichtlich des eigenen Grundstücks herangezogen werden. Die (behauptete) Störereigenschaft sei mit der Eigentümerstellung am eigenen Grundstück zwingend verbunden bzw. höre an der Grundstücksgrenze auf und eben diese Grenze bestimme auch den Umfang ihrer Beschwer. Des Weiteren werde auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Dezember 2010 im Verfahren 8 B 24/10 verwiesen. Nach Auffassung des Rechtsschutzversicherers bedeute dies, dass auch wenn eine Wertfestsetzung nach § 32 Abs. 1 RVG durchgeführt worden sei, in bestimmten Konstellationen daneben bzw. subsidiär auch die Wertfestsetzung nach § 33 Abs. 1 RVG möglich sei.
3. Den anderen Beteiligten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, wovon der Beklagte mit Schreiben der Regierung von Unterfranken vom 8. Februar 2019 Gebrauch machte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
II.
Der Antrag der Beigeladenen zu 4) und 5) hat keinen Erfolg.
1. Die Beigeladenen zu 4) und 5) begehren als Antragsberechtigte i.S.v. § 33 Abs. 2 Satz 2 Var. 2 RVG die Festsetzung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit nach § 33 RVG auf einen in das Ermessen des Gerichts gestellten Betrag.
2. Für eine solche Entscheidung ist kraft Gesetzes das Gericht des Rechtszuges, in dem die Gebühren entstanden sind und hier gemäß § 33 Abs. 8 Satz 1 Halbs. 1 RVG i.V.m. § 87a Abs. 3 VwGO der Berichterstatter als Einzelrichter berufen.
3. Der Antrag kann aber bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil für eine Festsetzung nach § 33 RVG vorliegend kein Raum ist.
3.1. Nach dem Grundsatz des § 32 Abs. 1 RVG ist, wenn der für Gerichtsgebühren maßgebende Wert gerichtlich festgesetzt wird, die Festsetzung auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend. Er zieht die Folgerungen aus § 23 Abs. 1 RVG, wonach sich in gerichtlichen Verfahren der Gegenstandswert nach den für die Gerichtskosten geltenden Wertvorstellungen bestimmt (vgl. Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl. 2017, § 32 Rn. 1). Sachlich ist damit der Wert der anwaltschaftlichen Tätigkeit nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften zu bemessen (§ 23 Abs. 1 RVG), d.h. für verwaltungsgerichtliche Verfahren (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG) ist der Gegenstandswert gemäß § 52 GKG nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn selbst ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
Eine Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren kann auf Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG durch das Gericht nur dann erfolgen, wenn sich die Rechtsanwaltsgebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen oder es an einem solchen Wert fehlt. Im vorliegenden Fall ist aber ein für die Gerichtsgebühren maßgebender Wert durch unanfechtbaren Beschluss des Bayer. Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. Juni 2018 vorhanden. Die Festsetzung des § 33 RVG ist subsidiär gegenüber der Wertfestsetzung nach § 32 RVG. Eröffnet § 32 RVG eine Wertfestsetzung, ist diese auch für die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren maßgebend und ein Verfahren nach § 33 RVG unzulässig, es besteht insoweit kein Wahlrecht (vgl. Kroiß in Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl. 2018, § 33 Rn. 3 m.w.N.).
3.2. Etwas anderes gilt auch nicht unter dem von Seiten der Beigeladenen zu 4) und 5) bzw. deren Rechtsschutzversicherung gemachten Vorbringen, dass die Gegenstände der anwaltlichen Tätigkeit und des gerichtlichen Verfahrens vorliegend nicht identisch seien.
Voraussetzung der Bindung des Gegenstandswertes der Anwaltstätigkeit an die Festsetzung des Wertes für das gerichtliche Verfahren gemäß § 32 RVG ist die Übereinstimmung der gerichtlichen und der anwaltlichen Tätigkeit. Die Tätigkeit des Rechtsanwalts muss sich also auftragsgemäß auf denselben Gegenstand bezogen haben, auf den sich die gerichtliche Tätigkeit bezogen hat (vgl. BVerwG, B.v. 20.12.2010 – 8 B 24/10; B.v. 20.10.2005 – 8 B 81/04; beide juris; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, § 32 Rn. 7).
Das ist hier aber der Fall. Denn Gegenstand sowohl des gerichtlichen Verfahrens als auch der anwaltlichen Tätigkeit der Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 4) und 5) ist vorliegend der (vollständige) Bescheid der Regierung von Oberfranken/Bergamt Nordbayern vom 29. September 2015. Dieser Bescheid ist Streitgegenstand im gerichtlichen Verfahren; dessen Rechtmäßigkeit wurde einer umfassenden gerichtlichen Überprüfung unterzogen (vgl. U.v. 14.6.2018). Die Tätigkeit der Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 4) und 5) war ebenfalls gerichtet auf die vollständige Überprüfung dieses Bescheids. Ihr Interesse wie auch das des Beklagten bezog sich auf die Verteidigung dieses Bescheids und war – wie der Vertreter des Beklagten im Schriftsatz vom 8. Februar 2019 ausführt – objektiv betrachtet darauf gerichtet, die den Gesamtbereich umfassenden und gegen die Stadt Kitzingen als Klägerin gerichteten sicherheitsrechtlichen Anordnungen zu verteidigen bzw. gerichtlich bestätigt zu bekommen. Dieses Ziel konnten die Beigeladenen zu 4) und 5) (wie auch die anderen Beigeladenen) nur im Wege einer Auseinandersetzung mit den streitgegenständlichen Anordnungen insgesamt – wie sie auch Gegenstand der gerichtlichen Tätigkeit waren – erreichen. So haben sich die Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 4) und 5) sowohl in ihrem schriftsätzlichen Vorbringen als auch in ihrem Vortrag im Rahmen des Erörterungstermins und der mündlichen Verhandlung mit den für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit maßgeblichen Fragen auseinandergesetzt, nämlich u.a. der der Nichtigkeit des Bescheids, der konkreten Gefahr, der Störereigenschaft der Klägerin, der Ermessensentscheidung und der Frage der Verhältnismäßigkeit. Dass sich die Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 4) und 5) darüber hinaus auch mit der Frage der eventuellen und von Seiten des Klägerbevollmächtigten in den Raum gestellten Störereigenschaft der Beigeladenen zu 4) und 5) als Eigentümer ihres Wohngrundstücks beschäftigt haben, kann aber nicht dazu führen, dass sich die Tätigkeit der Bevollmächtigten auf einen anderen Gegenstand bezieht als die gerichtliche Tätigkeit. Dies beinhaltete aus anwaltlicher (wie aus gerichtlicher) Sicht auch die Überprüfung der im gerichtlichen Verfahren aufgeworfenen Frage der möglichen Zustandsstörereigenschaft der Beigeladenen zu 4) und 5) als Grundstückseigentümer, war aber hierauf nicht beschränkt. Es ging im gerichtlichen Verfahren nämlich gerade nicht um die Überprüfung eines an die Beigeladenen zu 4) und 5) bzw. an die anderen Beigeladenen gerichteten sicherheitsrechtlichen Bescheides betreffend ihrer Grundstücke. Vielmehr war Gegenstand sowohl der gerichtlichen Tätigkeit als auch der anwaltlichen Tätigkeit im vorliegenden Verfahren die (vollständige) Überprüfung des an die Stadt Kitzingen gerichteten Bescheids der Regierung von Oberfranken/Bergamt Nordbayern vom 29. September 2015.
Auch der von Seiten der Beigeladenen zu 4) und 5) angeführte Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Dezember 2010 (8 B 24/10 – juris) – wie auch der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Oktober 2005 (8 B 81/04 – juris) – kann im vorliegenden Fall zu keiner anderen Entscheidung führen. Denn hierbei ging es um vermögensrechtliche Streitigkeiten hinsichtlich der Rückübertragung von drei Grundstücken, wobei der Beigeladene der Verfügungsberechtigte eine dieser drei Grundstücke war. In dieser Konstellation hat sich die Tätigkeit des Bevollmächtigten des Beigeladenen – anders als die des Gerichts – auftragsgemäß ausschließlich auf das Grundstück seines Beigeladenen bezogen.
4. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens haben die Beigeladenen zu 4) und 5) gemäß § 154 Abs. 1 VwGO als Unterliegende zu tragen. Das Verfahren über den Antrag auf Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 33 Abs. 9 RVG).


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