Baurecht

Antrag auf Baugenehmigung für beleuchtete Plakatanschlagtafel, Werbeanlagensatzung, Störende Häufung von Werbeanlagen

Aktenzeichen  Au 5 K 21.1350

Datum:
27.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 45742
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34
BayBO Art. 8 S. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Über die Klage konnte ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der beantragten Baugenehmigung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
a) Zwar spricht einiges dafür, dass die geplante Werbeanlage bauplanungsrechtlich im Einklang mit § 34 Baugesetzbuch (BauGB) steht, weil die nähere Umgebung, wie auch der durchgeführte Augenschein bestätigt hat, einem Dorfgebiet i.S. des § 5 BauNVO entspricht. In diesem wäre die Werbeanlage als gewerbliche Hauptnutzung ihrer Art nach allgemein zulässig. Auch kann die „Satzung über besondere Anforderungen an Werbeanlagen im Bereich der Ortsdurchfahrt im Stadtteil … (Werbeanlagensatzung)“ vom 31. März 2008 dem Vorhaben nicht entgegengehalten werden, soweit sie nach § 3 Abs. 2 Großflächenwerbetafeln und Werbeanlagen mit einer Fläche von mehr als 2 m² in allgemeinen Wohngebieten oder Dorfgebieten generell ausschließt. Eine Werbeanlagensatzung darf auf der Grundlage des Art. 81 Abs. 1 Nr. 2 Bayerische Bauordnung (BayBO) nur aus ortsgestalterischen Gründen ergehen. Ein Verbot der Errichtung von Werbeanlagen durch den Satzungsgeber auf der Grundlage des Art. 81 Abs. 1 Nr. 2 BayBO ist nur dort gerechtfertigt und somit verhältnismäßig, wo die in Art. 81 Abs. 1 Nr. 2 BayBO gennannten ortsgestalterischen Gründe ein entsprechendes Verbot tatsächlich erfordern (vgl. BayVGH, B.v. 9.2.2021 – 9 ZB 19.1582 – juris Rn. 17). Ob und in wie weit das der Fall ist, beurteilt sich nach der konkreten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des jeweiligen Gebietes. Sollen mit einer Werbeanlagensatzung – wie hier in § 1 der Satzung – Regelungen zur Zulässigkeit von Fremdwerbeanlagen für nahezu die gesamten Bereiche der Ortsdurchfahrt, die nicht im Umgriff eines Bebauungsplanes liegen, erlassen werden, so hat sich der Satzungsgeber mit dem Problem auseinanderzusetzen, dass ein derart weit gefasster Bereich in seiner Gesamtheit in der Regel aus verschiedenen Bereichen besteht, deren Ortsbild unterschiedlich schutzwürdig ist. Demnach sind an die Zulässigkeit von Werbeanlagen je nach den Gegebenheiten des jeweiligen Gemeindebereichs und dem damit verbundenen Schutzzweck unterschiedliche Anforderungen zu stellen und nach diesen die Schutzmaßnahmen abzustufen (VG Augsburg, U.v. 12.9.2013 – Au 5 K 12.1588 – juris Rn. 48 m.w.N.). Vorliegend fehlt es an ortsgestalterischen Gründen, die einen so weitreichenden Ausschluss rechtfertigen. Die Werbeanlagensatzung selbst enthält keine Begründung für den Ausschluss jeglicher Fremdwerbung in Allgemeinen Wohngebieten und Dorfgebieten. Auch aus der Sitzungsvorlage der Verwaltung zum Erlass der Werbeanlagensatzung vom 4. März 2008 sowie aus dem Beschluss zum Erlass der Satzung am 13. März 2008 ergeben sich keine Darlegungen zu konkreten ortsgestalterischen Gründen, die aus Sicht des Beigeladenen den generellen Ausschluss von Fremdwerbeanlagen im maßgeblichen Bereich rechtfertigen könnten. Auch eine entsprechende Ortsbildanalyse wurde offenbar nicht durchgeführt. Ungeachtet dessen ist auf der Grundlage des vom Gericht durchgeführten Augenscheinstermins davon auszugehen, dass unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des Baugrundstückes und der maßgeblichen Umgebung keine ortsgestalterischen Gründe gegeben sind bzw. keine städtebaulich bedeutsame Prägung vorliegt, die den vollständigen Ausschluss von Fremdwerbeanlagen in diesem Bereich rechtfertigen würde (BayVGH, B.v. 14.8.2012 – 15 ZB 12.1515 – juris Rn. 6). Allein der Umstand, dass es sich im eine Ortseinfahrt bzw. Ortsdurchfahrt handelt, ist hierfür nicht ausreichend. Vielmehr handelt es sich um eine Ortsdurchfahrt, wie sie in gleicher Weise in einer Vielzahl von Gemeinden zu finden ist.
b) Die streitgegenständliche Werbeanlage verstößt jedoch gegen Art. 8 Satz 3 BayBO und ist deshalb unzulässig. Nach Auffassung des Gerichts würde die Anbringung der beantragten Werbeanlage zu einer störenden Häufung führen.
Eine Häufung liegt vor, wenn mehrere, mindestens aber drei gleichartige oder verschiedene Werbeanlagen in enger räumlicher Beziehung zueinander angebracht werden und gleichzeitig im Gesichtsfeld des Betrachters liegen. Einzubeziehen sind dabei alle vorhandenen Werbeanlagen, auf deren Funktion als Eigen- oder Fremdwerbeanlage kommt es nicht an (VG Ansbach, U.v. 2.7.2020 – AN 17 K 19.01354 – juris Rn. 26; Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, Stand: Juli 2021, Art. 8 Rn. 204 ff). Vorliegend fallen dem aus Norden in den Ort einfahrenden Verkehrsteilnehmer eine großflächige, freistehende Plakatanschlagtafel, eine an einem dahinterstehenden Hausgiebel angebrachte Werbetafel für ein nahegelegenes Gasthaus sowie fünf kleinformatige, an einer Einfriedung entlang der Straße angebrachte Werbetafeln gleichzeitig in den Blick. Auf die Frage, ob es sich bei Letzteren aufgrund des Formats um verfahrensfreie Anlagen nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 12 Buchst. a BayBO handelt, kommt es für die Frage der „Häufung“ nicht an. Bei insgesamt sieben vorhandenen, unterschiedlichen Werbeanlagen ist eine Häufung zu bejahen. Aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls ist diese Häufung auch, jedenfalls mit Hinzutreten der beantragten Werbeanlage, als „störend“ anzusehen. Zwar ist eine bloße Häufung noch nicht mit einer Störung gleichzusetzen. Vorliegend ist jedoch nach Auffassung des Gerichts entscheidend, dass der enge örtliche Bereich, der gleichzeitig im Gesichtsfeld der aus Norden kommenden Verkehrsteilnehmer liegt, mit Anbringung der streitgegenständlichen Werbeanlage derart überladen würde, dass das Auge keinen Ruhepunkt mehr findet. Angesichts der Vielzahl an Werbeanlagen auf relativ kleinem Raum, verbunden mit der Situation der Bushaltestelle, den hierfür angebrachten Tafeln und Schaukästen sowie weiteren Informationstafeln wirkt der maßgebliche Kurvenbereich bereits jetzt sehr überladen. Einen Ruhepunkt bildet bisher noch der freie Giebel, auf dem nun die Werbeanlage angebracht werden soll. Diese Wirkung wird dadurch verstärkt, dass die Verkehrsteilnehmer wegen der Kurvensituation auf diesen Giebel nahezu direkt zufahren, dem dadurch automatisch eine besondere Bedeutung für das Blickfeld zukommt. Hinzu kommt, dass die Dorfeinfahrt von Norden her kommend, wie der Augenscheinstermin ergeben hat, bislang noch eine durchaus charakteristische, dörfliche Prägung aufweist. Mit dem Hinzutreten der geplanten Werbeanlage fände jedoch an optisch dominanter Stelle eine beziehungslose Anhäufung unterschiedlichster Werbeanlagen statt, die eher dem Charakter eines Gewerbegebiets entspricht. Die mit einem dörflich-ländlich strukturierten Gebiet verbundene Erwartungshaltung des Betrachters würde an dieser Stelle durch die Ballung der Anlagen deshalb optisch empfindlich gestört. Der Erteilung der beantragten Baugenehmigung steht deshalb Art. 8 Satz 3 BayBO entgegen.
Nach alledem war die Verpflichtungsklage als unbegründet abzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Nachdem die Beigeladene einen Antrag gestellt und sich am Kostenrisiko beteiligt hat, waren ihre außergerichtlichen Kosten der Klägerin aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO). Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).


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