Baurecht

Aufschiebende Wirkung, Verwaltungsgerichte, Vollziehungsanordnung, Plangenehmigungsverfahren, Festgesetztes Überschwemmungsgebiet, Sofortige Vollziehbarkeit, Prozeßbevollmächtigter, Streitwertfestsetzung, Hochwasserabfluss, Anordnung des Sofortvollzugs, Prozeßkostenhilfeverfahren, Festsetzung des Streitwerts, Streitwertkatalog, Hauptsacheverfahren, Antragsgegner, Genehmigungsfähigkeit, Gewässerausbau, Beschwerdeschrift, Beschwerde gegen, Wert des Beschwerdegegenstandes

Aktenzeichen  M 2 S 20.1462

Datum:
22.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 32761
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WHG § 67
WHG § 68
BayWG Art. 67

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin, vertreten durch die beiden Gesellschafter Herr A* … … und Herr C* … …, wendet sich gegen die Anordnung des Sofortvollzugs in einem Bescheid des Landratsamts … (Landratsamt), mit welchem sie zur Durchführung eines Plangenehmigungsverfahrens für einen bereits errichteten Steinwall und zur Vorlage der hierfür erforderlichen wasserrechtlichen Unterlagen verpflichtet wird.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks mit der Flurnummer 1/0 der Gemarkung … Das Grundstück liegt teilweise innerhalb des mit Verordnung des Landratsamts vom 4. Mai 2011 festgesetzten Überschwemmungsgebiets am S* …bach und ist mit mehreren Gebäuden bebaut. Der S* …bach ist südlich des Grundstücks verrohrt und überbaut, nördlich des Grundstücks verläuft er offen.
Das Landratsamt wurde am 18. Mai 2017 vom Wasserwirtschaftsamt München informiert, dass im Grenzbereich der Grundstücke mit den Flurnummern 1/0 und 196/45 der Gemarkung … parallel zum S* …bach ein ca. 40 m langer und 30-40 cm hoher, mit Erdaushub hinterfüllter Steinwall ohne die hierfür erforderliche Genehmigung errichtet wurde. Bei dem Grundstück mit der Flurnummer 196/45 der Gemarkung … handelt es sich um einen im Eigentum der Gemeinde … stehenden Grünstreifen, der zwischen dem Grundstück der Antragstellerin und dem S* …bach verläuft. Betreffender Grünstreifen liegt ebensowie der errichtete Steinwall im festgesetzten Überschwemmungsgebiet des S* …bachs. Nach Einschätzung des Wasserwirtschaftsamts München werde durch den Wall der Wasserabfluss, der Wasserstand und das Rückhaltevolumen im Überschwemmungsgebiet insbesondere im Hochwasserfall verändert. Nach fachlicher Einschätzung sei eine wesentliche Beeinträchtigung der Nachbargrundstücke nicht auszuschließen. Aussagen zur Genehmigungsfähigkeit des Steinwalls können daher erst nach Vorlage und Prüfung eines hydraulischen Nachweises getroffen werden.
Nachdem das Landratsamt die beiden Gesellschafter der Antragstellerin, die eingeräumt hatten den Steinwall 2016 zum Schutz ihrer Gebäulichkeiten vor Hochwasser errichtet zu haben, zunächst wiederholt zur Beseitigung des Steinwalls aufgefordert hatte, verpflichtete es die Antragstellerin mit Bescheid vom 24. Februar 2020 anhand der unter Ziffer 2 beschriebenen Unterlagen die Durchführung der nach § 68 i.V.m. § 67 Abs. 2 Satz 3 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) erforderlichen wasserrechtlichen Plangenehmigung für den im Grenzbereich der Grundstücke mit den Flurnummern 1/0 und 196/45 der Gemarkung … errichteten Steinwalls zu beantragen (Ziff. 1). Für den Fall, dass der unter Ziff. 1 beschriebene Antrag unter Beifügung der unter Ziff. 2 genannten Unterlagen innerhalb der gesetzten Frist nicht oder nicht vollständig eingereicht wird, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500,- EUR angedroht (Ziff. 3). Die sofortige Vollziehbarkeit der Ziff. 1 und 2 wurde angedroht (Ziff. 4).
Hiergegen wendet sich die mit Anwaltsschriftsatz vom *. April 2020, bei Gericht eingegangen am 3. April 2020, erhobene Klage (M 2 K 20.1461), über die noch nicht entschieden wurde und mit der zugleich beantragt wird, die Aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) wiederherzustellen.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass es sich bei dem in Frage stehenden Steinwall um keinen Deich handle, sondern um eine Anlage an einem Gewässer, keiner Genehmigung bedürfe. Die Verordnung über das Überschwemmungsgebiet am S* …bach nimmt Bezug auf das WHG in seiner Fassung vor dem 4. Januar 2018, so dass vorliegend gem. § 3 der Verordnung, der für die Errichtung und Erweiterung baulicher Anliegen gilt, § 78 Abs. 1 – 3 WHG alter Fassung zur Anwendung kommen müssen. So gelte § 78 Abs. 1 Satz 1 WHG gemäß Satz 2 nicht für den Betrieb zugelassener Anlagen. Da vorliegend der Steinwall zum Schutze der genehmigten und damit zugelassenen Gebäude errichtet worden sei, diene er dem Betrieb der Gebäude als Anlagen. Im Übrigen könne das Landratsamt gemäß § 78 Abs. 3 WHG die Errichtung baulicher Anlagen auch genehmigen, wenn verlorengegangener Rückhalteraum ausgeglichen werde und sich das Vorhaben nicht nachteilig auf den Hochwasserfall auswirke. Dies sei vorliegend der Fall. Schon anhand der Überschwemmungskarten lasse sich feststellen, dass die in Mitten stehende Anlage keinen Einfluss auf die Hochwassermasse und die Fließrichtung habe. Der von der Antragsgegnerin als Ausgleich angebotene Rückhalteraum von 230 m³ sei ausreichend. Im Übrigen sei die Anordnung des Sofortvollzugs nicht ausreichend begründet und unverhältnismäßig.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung der gleichzeitig erhobenen Klage gegen den Bescheid des Landratsamts Fürstenfeldbruck vom 24. Februar 2020 wiederherzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Das Landratsamt tritt den Ausführungen der Antragstellerin entgegen. Es stützt sich dabei vor allem auf die fachlichen Stellungnahmen des Wasserwirtschaftsamts Münchens vom 29. August 2017, vom 18. Oktober 2017 und vom 27. März 2019. Bei dem errichteten Steinwall handle es sich um einen Deich- bzw. Dammbau, der den Hochwasserabfluss beeinflusst und dieser stehe somit nach § 67 Abs. 2 Satz 3 WHG einem Gewässerausbau gleich. Hierfür bedürfe es einer Planfeststellung bzw. Plangenehmigung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten des Eil- und Hauptsache verfahrens sowie auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat keinen Erfolg.
Hat ein Rechtsmittel gegen einen Verwaltungsakt – wie hier gem. behördlicher Vollziehungsanordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bzw. kraft Gesetzes gem. Art. 21a BayVwZVG – keine aufschiebende Wirkung, kann das Gericht der Hauptsache nach § 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung wiederherstellen, wenn das Interesse des Antragstellers an einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung überwiegt. Das Gericht hat dabei in Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die formelle Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung zu prüfen und trifft im Übrigen eine Ermessensentscheidung, wobei es zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem privaten Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen hat. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen, die ein wichtiges, wenn auch nicht alleiniges Indiz für bzw. gegen die Begründetheit des einstweiligen Rechtsschutzbegehrens sind. Ergibt die im Eilverfahren allein mögliche summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das private Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich der angegriffene Bescheid hingegen schon bei kursorischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, so verbleibt es bei der Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden öffentlichen bzw. privaten Interessen.
Gemessen hieran war der Antrag abzulehnen, weil die Vollziehungsanordnung keinen formellen Bedenken ausgesetzt ist (1.) und das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung das Suspensivinteresse der Antragstellerin überwiegt, was insbesondere daraus folgt, dass die die gegen den Bescheid erhobene Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird (2.).
1. Die Vollziehungsanordnung des Antragsgegners nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO begegnet keinen formellen Bedenken. Insbesondere genügt die im Bescheid enthaltene Begründung des Sofortvollzugs den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Die Begründung ist auf den konkreten Einzelfall bezogen und stellt die Möglichkeit von nachteiligen Auswirkungen auf den ungehinderten Hochwasserabfluss in den Vordergrund. Sie besteht also gerade nicht nur aus bloßen Floskeln oder der pauschalen Feststellung, dass die aufschiebende Wirkung einer Klage im vorliegenden Fall aus Gründen des öffentlichen Interesses nicht hinnehmbar sei (vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO 23. A., § 80, Rn. 85).
2. Im vorliegenden Fall überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Anordnung das Suspensivinteresse der Antragstellerin, da die gegen den Bescheid erhobene Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird (a.) und auch im Übrigen das Suspensivinteresse der Antragstellerin hinter dem öffentlichen Vollzugsinteresse zurückbleibt (b.).
a) Die Klage gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid wird voraussichtlich keinen Erfolg haben, da der Bescheid nach der allein möglichen, im Eilverfahren aber auch ausreichenden summarischen Prüfung rechtlich nicht zu beanstanden ist.
aa) Bei dem in Mitten stehenden Steinwall handelt es sich um einen Damm im Sinne von § 67 Abs. 2 Satz 3 WHG. Dämme im Sinne des § 67 Abs. 2 Satz 3 WHG sind künstliche Erhöhungen, die anderen Zwecken, aber auch dem Hochwasserschutz dienen und den Hochwasserabfluss beeinflussen können. Dämme können dabei auch aus anderem Material als Erde bestehen. Welcher Art sie sind und in welcher Entfernung sie zum Gewässer stehen, ist unerheblich. Entscheidend ist nur, ob sie auf den Hochwasserabfluss einwirken oder nicht. Die Beeinflussung des Hochwasserabflusses durch den Deich oder Damm kann positiv (günstig) oder negativ sein. Diese Beeinflussung ist i. d. R. dann gegeben, wenn Deich- und Dammbauten sich in einem festgesetzten oder faktischen Überschwemmungsgebiet befinden (VG Leipzig, B v. 10. 7. 2003, 7 K 287/03, NuR 2004, 477, 478; Schenk in Siedler, Zeitler, Dahme, Knopp, WHG Stand August 2019, § 67, Rn. 35 f.).
Vorliegend befindet sich der errichtete Steinwall in einem festgesetzten Überschwemmungsgebiet und hat nach fachlicher Ansicht des Wasserwirtschaftsamts auch Auswirkungen auf den Hochwasserabfluss. Die Antragstellerin selbst führt an, den Wall zum Schutze ihrer Gebäude vor Hochwasser errichtet zu haben. Eine Beeinflussung des Hochwasserabflusses dürfte mithin unbestritten vorliegen. Die Größe, Ausgestaltung und Länge des Steinwalls spielten für seine Einordnung als Dammbau im Sinne von § 67 Abs. 2 Satz 3 WHG keine Rolle. Die Ausführungen der Antragstellerin hierzu gehen fehl, da insoweit § 67 WHG lex specialis zu den baurechtlichen Vorschriften darstellt. Ebenso verhält es sich im Verhältnis zu § 78 WHG, auf den die Antragstellerin verweist. § 78 WHG gelangt bei Deich- bzw. Dammbauten nicht zur Anwendung, § 78 Abs. 4 WHG.
Da es sich somit um einen dem Gewässerausbau gleichgestellte Errichtung eines Dammes handelt, bedarf diese grundsätzlich auch einer Planfeststellung bzw. Plangenehmigung, § 68 Abs. 1, 2 WHG.
bb) Nach Art. 67 Bayerisches Wassergesetz (BayWG) kann der Antragsgegner als zuständige Wasserrechtsbehörde von der Antragstellerin, die den Damm ohne die erforderliche Plangenehmigung errichtet hat, verlangen, dass ein entsprechender Antrag unter Beifügung der erforderlichen Unterlagen gestellt wird. Da die Antragstellerin trotz mehrmaliger Aufforderung nicht bereit war eine entsprechende Genehmigung für den Steinwall einzuholen und nach fachlicher Einschätzung des Wasserwirtschaftsamts München ohne die geforderten Unterlagen die Auswirkungen auf den Hochwasserabfluss und damit eine n Genehmigungsfähigkeit nicht eingeschätzt werden können, stellt sich die Verpflichtung zur Antragstellung und Vorlage von Unterlagen als angemessenes Mittel zur Erreichung rechtmäßiger Zustände dar. Nach fachlicher Einschätzung des Wasserwirtschaftsamts als amtlicher Sachverständiger wird der Hochwasserabfluss des S* …bachs und die Fließrichtung des Wassers durch den Steinwall im Uferbereich wesentlich verändert. Um die hierdurch erzeugten Auswirkungen beurteilen und insbesondere nachteilige Auswirkungen für Dritte ausschließen zu können, bedarf es der Durchführung eines Genehmigungsverfahrens anhand der vorzulegenden Unterlagen, insbesondere einer hydraulischen Berechnung. Den amtlichen Auskünften und fachlichen Einschätzungen der nach Art. 63 Abs. 3 Satz 1 BayWG mit besonderer Sachkunde ausgestatteten amtlichen Sachverständigen kommt insoweit nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. aktuell z.B. BayVGH, U.v. 05.03.2018 – 8 ZB 16.993 – juris Rn. 16 m.w.N.) besondere Bedeutung zu, weil sie auf jahrelanger Bearbeitung eines Gebiets und nicht nur auf der Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall beruhen.
Diesen fachlichen Aussagen des Wasserwirtschaftsamts stehen hier nur Äußerungen und Bewertungen der Antragstellerin aus Laiensicht gegenüber, die nicht durch Aussagen sachverständiger Personen untermauert sind. Diesen misst das Gericht nicht die gleiche gewichtige Bedeutung zu wie den fachlichen Aussagen des Wasserwirtschaftsamts.
cc) Die in Ziffer 2 des Bescheids geforderten Unterlagen entsprechen den Vorgaben der WPBV soweit sie zur Beurteilung des konkreten Einzelfalls erforderlich sind.
b) Mit der voraussichtlichen Erfolglosigkeit der Klage gegen den angegriffenen Bescheid liegt ein schwerwiegendes Indiz für die Ablehnung des Antrags vor. Zwar kann es in besonders gelagerten Fällen auch bei voraussichtlicher Erfolglosigkeit einer Klage angezeigt sein, die aufschiebende Wirkung anzuordnen. Ein solch besonderer Fall liegt indes nicht vor.
3. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG unter Orientierung an Nr. 1.1.3 und 1.5 Streitwertkatalog.


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