Baurecht

Baueinstellung, Einfriedung im Außenbereich

Aktenzeichen  W 5 K 20.1664

Datum:
25.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 42602
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 75

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Stadt Bad Kissingen vom 28. September 2020 ist formell und materiell rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der Baueinstellungsbescheid vom 28. September 2020 erweist sich sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht als rechtmäßig.
1.1. Die Baueinstellungsverfügung ist formell ordnungsgemäß ergangen, insbesondere leidet sie nicht unter einem Anhörungsmangel. Eine vorherige Anhörung war – wie regelmäßig (vgl. BayVGH, B.v. 21.7.2020 – 1 CS 20.1204 – juris Rn.11; B.v. 11.9.2017 – 1 ZB 16.2186 – juris Rn. 5) – nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG verzichtbar angesichts des in der Baueinstellung innewohnenden öffentlichen Interesses daran, den illegalen Weiterbau und damit möglicherweise einen nicht mehr rückgängig zu machenden Verstoß gegen die Rechtsordnung zu verhindern (vgl. BayVGH, B.v. 29.10.2020 – 1 CS 20.1979 – juris Rn. 8; Decker in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand 143. Erg. Lief Juli 2021, Art. 75 Rn. 25).
1.2. Die Baueinstellung erweist sich auch als materiell rechtmäßig, Werden Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt, kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO anordnen. Dies gilt nach Art. 75 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BayBO insbesondere, wenn die Ausführung eines Bauvorhabens entgegen den Vorschriften des Art. 68 Abs. 6 BayBO – also ohne Baugenehmigung – begonnen wurde. Nach Art. 68 Abs. 6 Nrn. 1 – 3 BayBO darf mit der Bauausführung erst begonnen werden, wenn die Baugenehmigung dem Bauherrn zugegangen ist sowie die Bescheinigungen nach Art. 62a Abs. 2 und Art. 62b Abs. 2 BayBO sowie die Baubeginnsanzeige der Bauaufsichtsbehörde vorliegen.
Die Vorschrift des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist ein Instrument präventiver Bauaufsicht. Im Interesse der Effektivität sollen Bauarbeiten, die nach den konkreten Umständen des Einzelfalls auf ein Vorhaben gerichtet sind, das wahrscheinlich mit dem formellen und/oder materiellen Baurecht nicht vereinbar ist, bereits in der Entstehung unterbunden werden. Als Voraussetzung für eine Baueinstellungsverfügung genügen deshalb objektive konkrete Anhaltspunkte, die es wahrscheinlich machen, dass ein dem öffentlichen Baurecht widersprechender Zustand geschaffen wird, nicht dagegen auch die tatsächliche Bestätigung dieser Vermutung (Decker in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand 143. Erg. Lief. Juli 2021, Art. 75 Rn. 48; Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Aufl. 2012, Art. 75 Rn. 7; BayVGH, U.v. 27.8.2002 – 26 B 00.2110 – juris). Ein Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften liegt bereits im Verstoß gegen formell-rechtliche Vorschriften.
Für eine Baueinstellung ist (damit) allein die formelle Illegalität, also insbesondere das Bauen ohne die erforderliche Baugenehmigung, ausreichend. Auf die materielle Illegalität, also die Frage, ob ein Vorhaben genehmigungsfähig ist, kommt es – entgegen der Meinung der Klägerseite – also nicht an (vgl. statt vieler BayVGH, B.v. 10.11.2012 – 15 ZB 21.1329 – BeckRS 2021, 34477 Rn. 9; Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Aufl. 2012, Art. 75 Rn. 4).
1.2.1.
Das Bauvorhaben der Kläger ist formell illegal, denn es erweist sich nach der Bayerischen Bauordnung als genehmigungspflichtig; eine Baugenehmigung liegt hierfür nicht vor. Im Einzelnen:
Nach Art. 55 Abs. 1 BayBO bedürfen die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung von Anlagen der Baugenehmigung, soweit in Art. 56 bis 58, 72 und 73 BayBO nichts anderes bestimmt ist. Eine solche Ausnahme liegt hier nicht vor.
Insbesondere greift hier der Verfahrensfreiheitstatbestand des Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a) BayBO („Mauern … und Einfriedungen mit einer Höhe bis zu 2 m, außer im Außenbereich“) nicht ein, da sich die Einfriedung in Form eines Maschendrahtzauns, deren Bauarbeiten eingestellt wurde, nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans gemäß § 30 BauGB oder im Innenbereich gemäß § 34 BauGB, sondern im Außenbereich gemäß § 35 BauGB befindet.
Die Ausnahmevorschrift des Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b) BayBO („offene, sockellose Einfriedungen im Außenbereich, soweit sie der Hoffläche eines landwirtschaftlichen Betriebs, der Weidewirtschaft einschließlich der Haltung geeigneter Schalenwildarten für Zwecke der Landwirtschaft dem Erwerbsgartenbau oder dem Schutz von Forstkulturen und Wildgehegen zu Jagdzwecken oder dem Schutz landwirtschaftlicher Kulturen vor Schalenwild sowie der berufsmäßigen Binnenfischerei dienen“) greift ebenfalls nicht ein. Ausweislich der in der Behördenakte (Bl. … …) enthaltenen Lichtbilder mit dem Datum „…“ und den im streitgegenständlichen Bescheid wiedergegebenen Feststellungen der Bauaufsichtsbehörde im Rahmen der Baukontrolle vom 25. September 2021 wurden die Metallpfosten der Einzäunung mittels eines Punktfundaments einbetoniert. Mithin handelt es sich nicht um eine sockellose Einfriedung i.S.d. Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b) BayBO. Denn sockellos ist die Einfriedung nur dann, wenn die Einfriedungspfosten unmittelbar, also ohne zusätzliche Halterung in den Erdboden eingebracht werden (vgl. BayObLG, B.v. 13.7.1989 – 3 Ob OWi 100/89 – BayVBl. 1989, 730; Lechner/Busse in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand 143. Erg. Lief. Juli 2021, Art. 57 Rn. 230). Diese Voraussetzung wird nicht erfüllt, wenn die Pfosten, die aus Metall, Holz oder Beton oder jedem anderen Baustoff sein können, eingemauert bzw. einbetoniert sind (vgl. Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Stand 20. Edit. 1.11.2021, Art. 57 Rn. 121). Da mithin die klägerische Einfriedung schon wegen der Art ihrer Ausführung („sockellos“) nicht als verfahrensfrei eingestuft werden kann, kam es vorliegend auf die weitere Frage, ob die Einfriedung einem der og. privilegierten Zwecke i.S.v. Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b) BayBO dient, nicht mehr an.
1.2.2.
Die Einstellung der Bauarbeiten durch die Beklagte erweist sich auch als ermessensgerecht.
Das der Bauaufsichtsbehörde nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO eingeräumte Ermessen ist insoweit ein intendiertes, als ein öffentliches Interesse daran besteht, die Fortführung unzulässiger Bauarbeiten zu verhindern, sofern nicht besondere Gründe vorliegen, die eine andere Entscheidung als die Baueinstellung rechtfertigen (vgl. BayVGH, B.v. 29.10.2020 – 1 CS 20.1979 – juris Rn. 14; B.v. 2.8.2000 – 1 ZB 97.2669 – juris Rn. 5; Decker in Busse/Kraus Bayerische Bauordnung, Stand 143. Erg. Lief. Juli 2021, Art. 75 Rn. 84 f. m.w.N.). Denn es ist Sache des Bauherrn, vor Baubeginn durch einen Bauantrag oder die Vorlage anderweitiger Unterlagen die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sein Vorhaben den formellen und materiellen Anforderungen des Baurechts entspricht, und es ist ihm zuzumuten, mit der Fortsetzung der Bauarbeiten zuzuwarten, bis die baurechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 18.2.2000 – 2 ZS 00.458 – juris Rn. 6). Wirtschaftliche Nachteile, die mit der Baueinstellung verbunden sind, müssen in aller Regel hinter dem öffentlichen Interesse zurücktreten.
In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, dass bereits der Streit über die Genehmigungspflicht eines Vorhabens die Behörde berech-tigt, eine entsprechende Baueinstellung zu verfügen; es genügt der durch Tatsachen belegte „Anfangsverdacht“ eines Rechtsverstoßes (BayVGH, B.v. 14.10.2013 – 9 CS 13.1407 – BeckRS 2013, 57776; Jäde in Jäde/Dirnber-ger/Bauer/Weiß, Die neue Bayerische Bauordnung, 75. Erg. Lief. Aug. 2020, Art. 75 Rn. 5; Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 75 Rn. 7).
Besondere Gründe, die eine andere Entscheidung als die Baueinstellung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Baueinstellung ist insbesondere nicht deswegen ermessensfehlerhaft, weil das Bauvorhaben offensichtlich genehmigungsfähig wäre (Zu der Frage, dass eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit im Anwendungsbereich des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO ausnahmsweise zur Unverhältnismäßigkeit der Baueinstellung führen kann vgl. BayVGH, B.v. 29.10.2020 – 1 CS 20.1979 – juris Rn. 10; B.v. 25.11.2020 – 1 ZB 20.512 – juris Rn. 5; Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/ Weiß, Die neue Bayerische Bauordnung, 75. Erg. Lief. Aug. 2020, Art. 75 Rn. 21). Das Bauvorhaben der Kläger war weder zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses offensichtlich genehmigungsfähig, noch ist dies zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung der Fall. Eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens vermag das Klagevorbringen nicht aufzuzeigen. Das Vorhabengrundstück ist eindeutig dem Außenbereich zuzuordnen – was von Klägerseite auch gar nicht bestritten wird -, so dass eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens nicht im Raum steht (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 29.10.2020 – 1 CS 20.1979 – juris Rn. 14)
1.2.3.
Soweit von Klägerseite vorgetragen wird, dass die Kläger eine „Ungleichbehandlung mit den anderen Grundstückseigentümern“ erfahren würden und der Kläger zu 1) beim Landratsamt Bad Kissingen „unverbindlich“ angefragt habe, ob er die Grundstücke einfrieden dürfe und ihm gesagt worden sei, dass hierfür eine Notwendigkeit gegeben sei, erweist sich dieser Vortrag schon als vollkommen unsubstantiiert. Es ist auch nicht der geringste Anhaltspunkt dafür vorgetragen worden oder sonstwie ersichtlich, wie dieser Vortrag die Rechtmäßigkeit der durch die Stadt Bad Kissingen verfügten Baueinstellung in Frage stellen sollte. Gleiches gilt für den Vortrag, die Beklagte habe gegen die aufgezeigten Bezugsfälle scheinbar nichts unternommen.
2. Die Kammer hegt keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides verfügten Zwangsgeldandrohung (vgl. Art. 29, 30, 31 und 36 BayVwZVG), zumal von Klägerseite hierzu nichts vorgetragen wurde.
3. Nach allem konnte die Klage keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 159 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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