Aktenzeichen M 1 K 19.5390
Leitsatz
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladene trägt ihre Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Über die Klage konnte ohne die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten hierauf verzichtet und sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten, dass ihr die begehrte Baugenehmigung für die Errichtung einer doppelseitigen Werbetafel auf dem Grundstück FlNr. 486 Gem. … … erteilt wird. Die Ablehnung des Bauantrags vom 22. Mai 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Der Beklagte hat dem Vorhaben zu Recht die Genehmigung versagt, weil es mit seiner Errichtung zu einer störenden Häufung von Werbeanlagen käme, Art. 8 Satz 3, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BayBO.
a) Die „Häufung“ erfordert ein räumlich so dichtes Nebeneinander von Werbeanlagen, dass diese gleichzeitig wahrgenommen werden. Sie liegt vor, wenn mehrere, mindestens aber drei gleichartige oder verschiedene Werbeanlagen in enger räumlicher Beziehung zueinander angebracht werden und gleichzeitig im Gesichtsfeld des Betrachters liegen. Einzubeziehen sind dabei alle vorhandenen Werbeanlagen, auf deren Funktion als Eigen- oder Fremdwerbeanlage kommt es nicht an (VG Ansbach, U.v. 2.7.2020 – AN 17 K 19.01354 – juris Rn. 26; Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 144. EL September 2021, Art. 8 Rn. 204 ff).
Eine Häufung liegt nach den Eindrücken des Augenscheintermins vor. Dem aus nordwestlicher Richtung auf der T… … Straße kommenden Verkehrsteilnehmer fallen schon jetzt zwei großflächige, freistehende großformatige Plakatanschlagtafeln zur Fremdwerbung gleichzeitig in den Blick (vgl. hierzu Fotos Nrn. 1 und 8). Diese befinden sich am Ende des Parkplatzes dies- und jenseits der östlichen Grenze des Vorhabengrundstücks. Durch die räumliche Versetzung dieser beiden Anlagen zueinander und der unterschiedlichen Werbung auf den Tafeln wirken diese nicht als einheitliche, sondern als zwei selbständige Anlagen. Ferner tritt – von der nördlichen Straßenseite aus wahrnehmbar – die Eigenwerbung des baulich zurückgesetzten Pizza-Döner-Lieferservice als optischer Reiz hinzu. Diese besteht aus zwei aus der Fassade heraustretenden Hinweisschildern („R… …“ und „P… … … … … – Haus“) sowie ein vollständig mit Eigenwerbung beklebtes großes Schaufenster (vgl. Foto Nr. 8). Zusätzlich befindet sich ein Zigarettenautomat mit dem Betreiberlogo „…“ an der Hauswand des Lieferservices. Ein Hinzutreten des Vorhabens im straßenseitigen Bereich des Parkplatzes zwischen dem Lieferservice und den beiden Fremdwerbeanlagen würde zu einer Häufung führen, weil aus mindestens zwei Blickwinkeln drei oder mehr Werbeanlagen in hinreichend enger räumlicher Nähe sichtbar wären (vgl. hierzu auch die Fotomontage, S. 17 der Behördenakte).
b) Von dieser Häufung geht auch eine Störung im Sinne von Art. 8 Satz 3 BayBO aus.
Von der störenden Wirkung vermochte sich die Kammer im Augenscheinstermin zuüberzeugen. Nach den konkreten Umständen des Einzelfalls (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 12.01.2012 – 15 ZB 10.445 – juris Rn. 16) handelt es sich bei Hinzutreten der beabsichtigten Werbeanlage um keinen maßvollen Kontrast der Werbeanlage zu ihrer Umgebung mehr; es besteht vielmehr ein Missverhältnis zwischen den Eindrücken der Werbeanlagen und der Umgebung. Zwar ist das Vorhabengrundstück selbst gewerblich geprägt, auf der gegenüberliegenden Straßenseite ist freilich Wohnbebauung vorzufinden (Grundstücke FlNrn. 805/5 und 806/3), sodass der Charakter eines Mischgebiets oder einer Gemengelage mit Wohn- und Gewerbeelementen vorliegen dürfte. Gleichwohl ist die Annahme einer Störung durch gehäufte Werbeanlagen nicht einmal in gewerblich geprägten Baugebieten ausgeschlossen (vgl. BayVGH, B.v. 9.9.2020 – 9 ZB 17.1406 – juris Rn. 8). Hier stellt sich bei Verwirklichung des Vorhabens der Eindruck einer störenden Überladung der näheren Umgebung mit Werbeanlagen ein. Dies gilt zunächst wegen der Platzierung der Werbeanlage als freistehende Anlage auf dem Parkplatz, der seinerseits mit einer Länge von ca. 25 m und einer Breite von ca. 10 bis 12 m als eine eher kleinere Parkfläche erscheint. Damit dominiert die beabsichtigte Werbeanlage ihre Umgebung. Dadurch, dass sie der wechselnden Fremdwerbung zu dienen bestimmt ist, ordnet sie der Betrachter auch nicht dem Lieferservice zu, wie es bei Eigenwerbung eher der Fall wäre, sondern nimmt sie als eigenen optischen Reiz wahr. Der vorherrschende Effekt der Werbeanlage wird verstärkt durch die Aufstellung der Tafel auf einen 2,50 m hohen Monofuß und durch die erhebliche Ansichtsfläche von 2,80 x 3,80 m, die obendrein nachts beleuchtet werden soll. Die beabsichtigte Werbeanlage zusammen mit den anderen bereits vorhandenen Anlagen, die weiterhin in der Flucht wahrnehmbar sind, lenken von der Funktion des Parkplatzes, des optisch niedrigen Bungalowgebäudes des Pizzaservices und des umgebenden Grüns ab. Dies gilt umso mehr, als der Blick des aus nordwestlicher Richtung kommenden Verkehrsteilnehmers aufgrund des vorhandenen Kurvenbereichs gerade auf die Ansammlung der Werbeanlagen gelenkt wird und er damit kaum mehr das teils umgebende, teils verdeckte Grün wird wahrnehmen können. Auch wenn dem Vorhandenen keine ansprechende ästhetische Gestaltung zugesprochen werden kann, besteht kein Grund, mit der begehrten Werbeanlage die bestehende Vorbelastung zu verstärken; einen Rechtsatz, dass weiter verunstaltetet werden darf, was schon verunstaltet ist, gibt es nicht (vgl. OVG Münster, U.v. 6.2.1992 – 11 A 2235/89 – juris Rn. 45 und Leitsatz 4).
2. Auf die ansonsten geltend gemachten Einwände gegen die Errichtung der Werbeanlage kommt es daher nicht streitentscheidend an.
a) Gleichwohl hält die Kammer jedenfalls die von der Beklagten und der Beigeladenen ins Feld geführten straßenverkehrsrechtlichen Hinderungsgründe nach Art. 23, Art. 24 BayStrWG nach den Erkenntnissen im Augenschein und den nachgereichten Unterlagen des Beklagten für nicht durchgreifend. Ein nennenswerter Einfluss der Werbeanlage auf die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs ist nicht zu erwarten. Die Verkehrssituation stellt sich für den Verkehrsteilnehmer als rasch erfassbar dar, und in der maßgeblichen Umgebung finden sich keine Einrichtungen, die eine erhöhte Aufmerksamkeit erfordern würden. Bis auf die leichte Kurvensituation sind etwa keine Lichtzeichenanlagen vorhanden, besondere Regelungen zur Vorfahrt zu beachten oder etwa Spurwechsler zu erwarten, ebensowenig sind in der näheren Umgebung der T… … Straße Verkehrszeichen vorhanden, deren Beachtung die Werbeanlage erheblich stören würde. Zwar ist der Verkehrsteilnehmer in seiner besonderen Aufmerksamkeit im Bereich des Kreisverkehrs, der sich in nordwestlicher Richtung zum Vorhabenstandort befindet, gefordert. Angesichts der gegebenen Entfernung des Kreisverkehrs zum Vorhaben (vgl. Foto Nr. 2) hält die Kammer – trotz der Möglichkeit eines Rückstaus – den Ablenkungsgrad der Werbeanlage auf den Verkehr für gering und tolerabel.
b) Die Wirksamkeit der zwischenzeitlich erlassenen und in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Werbeanlagensatzung begegnet hingegen erheblichen rechtlichen Zweifeln.
Zum einen findet sich in den vorgelegten Satzungsakten keine Satzungsausfertigung, die auch den textlichen Teil umfasst. Die Unterschrift des Ersten Bürgermeisters findet sich ausschließlich unter der „Anlage zum Teilbereich A der Werbeanlagensatzung vom 23. Juli 2020“. Sie umfasst hingegen nicht den Textteil, weil dieser nicht körperlich mit der ausgefertigten Anlage verbunden ist. In den Akten ist lediglich eine Reihe loser Blätter, die nicht durchnummeriert sind und im Übrigen auch nicht einzeln ausgefertigt sind, vorhanden.
Zum anderen ist der räumliche Geltungsbereich des Teils A der Satzung nicht hinreichend bestimmt. Der Maßstab des Kartenausschnitts auf dem ausgefertigten Exemplar ist sehr grob, und der in roter Farbe eingezeichnete Geltungsbereich jedenfalls in Teilen kaum erkennbar. Diese Bedenken betreffen insbesondere den nordwestlichen Teil.
Ob insoweit die Vorgängersatzung, die am 1. Januar 2019 in Kraft getreten war, wiederauflebt und dem Vorhaben entgegengehalten werden kann, weil bereits kein Antrag auf Abweichung (vgl. § 12 der Satzung, Art. 63 BayBO) gestellt worden ist, kann wegen der oben unter 1. dargestellten Bedenken offengelassen werden.