Baurecht

Bebauungsplan, Wohngebiet, Baugenehmigung, Wohnnutzung, Plangebiet, Mischgebiet, Bauantrag, Revision, Festsetzungen, Berufung, Bauleitplanung, Festsetzung, Ausweisung, Bebauung, allgemeines Wohngebiet, Antrag auf Zulassung der Berufung, einstweilige Anordnung

Aktenzeichen  2 N 19.2383

Datum:
11.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 52644
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Bebauungsplan der Antragsgegnerin Nr. …  für den Bereich zwischen A. H1.straße, H. H1. Straße, O. H1.straße und S. H1.straße, bekannt gemacht am 7. Dezember 2018, wird insoweit für unwirksam erklärt, als textlich unter A. Festsetzungen „Art und Maß der Nutzung“ zweiter Spiegelstrich festgesetzt wird, dass „ähnliche Nutzungen“ nicht zulässig sind.
II. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
III. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
IV. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der zulässige Antrag nach § 47 VwGO hat nur in dem sich aus der Urteilsformel ergebenden Umfang Erfolg.
1. Der Bebauungsplan ist nicht bereits wegen eines formellen Fehlers unwirksam. Gemäß § 10 Abs. 3 BauGB ist ein Bebauungsplan ortsüblich bekannt zu machen. Die Ausfertigung einer Satzung und deren Bekanntmachung ist landesrechtlich in Art. 26 GO geregelt. Nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 GO sind Satzungen auszufertigen und im Amtsblatt der Gemeinde amtlich bekannt zu machen. Letzteres ist vorliegend im Amtsblatt vom 7. Dezember 2018 erfolgt. Dieser Bekanntmachung lag auch eine ordnungsgemäße Ausfertigung zugrunde. Die Ausfertigung erfolgt durch handschriftliche Unterschrift des ersten Bürgermeisters oder dessen Stellvertreters auf der Originalurkunde unter Angabe des Datums (vgl. BayVGH, U.v. 16.3.1990 – 23 B 88.00567 – BayVBl 1991, 23; U.v. 1.10.2019 – 2 N 17.2426 -). Mit der Ausfertigung wird zum einen die Originalurkunde geschaffen, die den Willen des Normgebers wahrnehmbar macht. Zum anderen bezeugt die Ausfertigung, dass der Inhalt der Urkunde mit dem Beschluss des Normgebers übereinstimmt (Authentizität). Weiter erklärt die Ausfertigung, dass die für die Rechtswirksamkeit maßgeblichen Verfahrensvorschriften beachtet worden sind (Legalität) (vgl. BayVGH, U.v. 16.3.1990 – 23 B 88.00567 – BayVBl 1991, 23). Der erste Bürgermeister nimmt diese Aufgabe kraft Amtes wahr und kann sie nicht im Rahmen der laufenden Verwaltung nach Art. 39 Abs. 2 GO auf einen Gemeindebediensteten übertragen. Ist eine Karte oder ein Lageplan Bestandteil der Satzung, muss in der Satzung die Karte oder der Lageplan eindeutig beschrieben sein und in ihr und auch auf der Karte oder dem Lageplan eindeutig zum Ausdruck kommen, dass die Karte oder der Lageplan Bestandteil der Satzung ist. Auch die Karte oder der Lageplan als Bestandteil der Satzung muss grundsätzlich selbst ausgefertigt sein. Die Ausfertigung allein des Textteils genügt in seinem solchen Fall nur dann, wenn durch eindeutige Angaben oder auf andere Weise jeder Zweifel an der Zugehörigkeit der Planteile zu der beschlossenen Satzung ausgeschlossen wird. Erforderlich ist, dass der Plan durch eine Art „gedanklicher Schnur“ mit dem ausgefertigten Text der Satzung derart verknüpft ist, dass seine Identifizierung ohne Weiteres möglich ist, sodass jeder Zweifel an der Zugehörigkeit des nicht gesondert ausgefertigten Teils zum ausgefertigten Satzungsteil ausgeschlossen ist (vgl. BayVGH, U.v. 28.10.2014 – 15 N 12.1633 – NVwZ-RR 2015, 321; U.v. 28.4.2017 – 15 N 15.967 – juris).
Gemessen an diesen Grundsätzen liegt kein Ausfertigungsmangel vor. Mit Datum vom 19. November 2018 wurde die Planurkunde, die mit der am 19. September 2018 beschlossenen Fassung identisch ist, vom Oberbürgermeister unterschrieben und gesiegelt. Damit wurde eine dem Art. 26 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 GO entsprechende Ausfertigung erstellt und diese anschließend am 7. Dezember 2018 im Amtsblatt bekannt gemacht. Es ist nicht erforderlich, dass die einzelnen Verfahrensschritte einzeln unterschrieben werden. Die Ausfertigung bestätigt als solche auch die darüber genannten Verfahrensschritte und deren Durchführung. Zwar ist der Satz „Die Bebauungsplansatzung, bestehend aus Planzeichnung, Zeichenerklärung und textlichen Festsetzungen, in der Fassung vom 19.09.2018 wir hiermit ausgefertigt.“ ungewöhnlich, rechtlich aber überflüssig und daher nicht schädlich (vgl. BayVGH, U.v. 23.7.2012 – 4 ZB 12.84 – juris). Es ist ohne Zweifel erkennbar, dass der Oberbürgermeister die Übereinstimmung dieser Urkunde mit der in der Sitzung vom 19. September 2018 beschlossenen Fassung beurkunden wollte. Die von der Antragstellerin angesprochenen „umfangreichen Änderungen“ in der Planurkunde sind weder belegt noch für den Senat nachvollziehbar. Die Planurkunde wurde lediglich im Vergleich zu einer früheren Fassung optisch anders gestaltet und die bislang handschriftlich datierten Verfahrensvermerke nun in gedruckter Form gefasst. Inhaltlich ist die ausgefertigte Planurkunde mit den früheren Fassungen jedoch identisch.
2. Der Bebauungsplan ist für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich (§ 1 Abs. 3 Satz BauGB). Der Erforderlichkeitsgrundsatz gibt der Gemeinde einen weiten Spielraum; er ermächtigt sie zu einer ihren Vorstellungen entsprechenden Städtebaupolitik (vgl. BayVGH, U.v. 19.6.2009 – 1 N 07.1552 – BayVBl 2010, 247). Die Vorschrift verlangt nicht, dass für die Planung als Ganzes und für die einzelnen Festsetzungen ein unabweisbares Bedürfnis vorliegt; es genügt, wenn eine Regelung vernünftigerweise geboten ist (vgl. BayVGH, U.v. 27.3.2014 – 2 N 11.1710 – juris). Ausweislich der Begründung des Bebauungsplans war Anlass der Aufstellung, die in den Jahren 2011 bis 2013 für das B. Haingebiet erarbeitete städtebaulichdenkmalpflegerische Rahmenplanung und die darin enthaltenen Leitlinien und Ziele innerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans planungsrechtlich zu sichern. Der Rahmenplan sieht u.a. eine Reparatur des Straßenbilds der O. H1. straße durch Schließung der Baulücke zwischen den Häusern Nr. 9 und Nr. 15 vor durch ein Objekt, das die ursprünglich festgesetzte Baulinie einhält, den Abstand zu den Nachbarbauten bewahrt und sich in Traufhöhe und Dachausbildung an der umgebenden historischen Bebauung orientiert. Langfristig solle zudem der Rückbau des Scheibenhochhauses auf ein stadtbild- und denkmalverträgliches Maß angestrebt werden. Als Ziel der Planung wird in der Begründung (Ziffer 5.) angegeben, dass im Rahmen dieses Bebauungsplans die Bewahrung des Quartiers mit seinen Baudenkmälern und stadtbild- und strukturprägenden Gebäuden sowie die im städtebaulichdenkmalpflegerischen Rahmenplan angeregte Reparatur des Straßenbildes der O. H1. straße und die Orientierung von Neubauten an der umgebenden historischen Bebauung planerisch vorbereitet und planungsrechtlich gesichert werden sollen. Gleichzeitig soll der Charakter des ruhigen Wohnquartiers durch Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets unter Ausschluss verschiedener, ausnahmsweise zulässiger Nutzungen gesichert werden. Neben Betrieben des Beherbergungsgewerbes, Gartenbaubetrieben und Tankstellen sollen auch Wohnungen nach § 13a BauNVO (Ferienwohnungen), welche zu den nicht störenden Gewerbebetrieben zählen, ausgeschlossen werden, da insbesondere von Ferienwohnungen und Beherbergungsbetrieben ein Störpotential für die Wohnnutzung ausgehe. Zudem solle vor dem Hintergrund der angespannten Wohnungssituation dem in den letzten Jahren zunehmenden Umnutzungsdruck entgegengewirkt werden. Durch den konsequenten Ausschluss von Beherbergungsbetrieben und Ferienwohnungen solle das Plangebiet in seiner Funktion als Wohngebiet gestärkt und entsprechend fortentwickelt werden.
a) Eine unzulässige Verhinderungsplanung liegt nicht vor. Eine Verhinderungsplanung wäre gegeben, wenn eine positive Zielsetzung nur vorgeschoben wird, um in Wahrheit eine auf bloße Verhinderung gerichtete Planung zu verdecken (vgl. BVerwG, B.v. 18.12.1990 – 4 NB 8.90 – BayVBl 1991, 280). Davon ist hier nicht auszugehen, vielmehr verfolgt die Antragsgegnerin mit dem Bebauungsplan die oben dargestellten positiven planerischen Zielsetzungen. Der Umstand, dass Anlass und Auslöser für die Aufstellung des Bebauungsplans Bauwünsche waren, die von der Antragsgegnerin städtebaulich nicht gewünscht sind und infolge der streitigen Bauleitplanung planungsrechtlich unzulässig werden, macht den Bebauungsplan noch nicht zu einem Verhinderungsplan. Denn eine positive Planung hat stets auch die – negative – Wirkung, dass dadurch ein den Festsetzungen widersprechendes Vorhaben verhindert wird.
Unstreitig war Auslöser für die nunmehrige Planung der Bauantrag der Antragstellerin, über welchen in der Sitzung am 9. November 2016 hätte entschieden werden sollen. Die Antragstellerin verkennt aber, dass an diesem Tag kein Beschluss im Hinblick auf den hier verfahrensgegenständlichen Bebauungsplan gefasst wurde. Es wurde lediglich ein Auftrag an die Verwaltung erteilt, für eine weitere Sitzung einen Aufstellungsbeschluss vorzubereiten. Dieser Aufstellungsbeschluss erfolgte dann in der Sitzung vom 6. Dezember 2016. Erst damit wird das Bebauungsplanverfahren förmlich eingeleitet. Im Stadium des Aufstellungsbeschlusses muss noch keine detaillierte Planung vorliegen. Diese erfolgt erst im Anschluss. Als Planungsziele waren zu diesem Zeitpunkt bereits die Ausweisung als allgemeines Wohngebiet sowie die Schaffung der planerischen Voraussetzungen für die Umsetzung des unverbindlichen Rahmenplans vorhanden. Dies ist als grobe Planung in diesem Verfahrensstadium ausreichend. Es lag daher zum Zeitpunkt des Aufstellungsbeschlusses am 6. Dezember 2016 durchaus ein positives Planungsziel vor.
b) Die Erforderlichkeit der Planung entfällt auch nicht deswegen, weil der Bebauungsplan nicht realisierbar wäre. Nur ein Bebauungsplan, der ganz oder teilweise von vornherein aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen auf Dauer oder auf unabsehbare Zeit nicht vollziehbar ist, wäre nicht geeignet, die städtebauliche Entwicklung und Ordnung zu lenken. Vorliegend ist aber der Bebauungsplan gerade nicht anfänglich und dauerhaft funktionslos. Das Verwaltungsgericht Bayreuth hat im Verfahren betreffend den Bauantrag der Antragstellerin (Az. B 2 K 17.7) aufgrund der im Augenschein vom 26. September 2017 getroffenen Feststellungen das Plangebiet als faktisches allgemeines Wohngebiet eingestuft. Zwar gebe es einzelne Gebäude mit rein freiberuflicher oder freiberufsähnlicher Nutzung im Sinn von § 13 BauNVO, die in dieser Form in einem allgemeinen Wohngebiet nicht zulässig wäre, das Gebiet sei aber dennoch überwiegend durch Wohnnutzung geprägt. Wohngebäude und Wohnungen überwiegen im Vergleich zu anderen Nutzungen zahlenmäßig. Auch die von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen zu den vorhandenen Nutzungen lassen nichts anderes erkennen. Eine für ein Mischgebiet typische Durchmischung von Wohnen und gewerblicher Nutzung ist jedenfalls nicht vorhanden. Eine gewerbliche Nutzung (z.B. Elektroinstalltion oder Dentallabor) ist nur in wenigen Einzelfällen im Gebiet zu finden. Die übrigen Nutzungen sind freiberufliche oder freiberufsähnliche Nutzungen, die grundsätzlich in einzelnen Wohnungen im allgemeinen Wohngebiet zulässig sind. Selbst wenn man von einer Gemengelage ausginge, wäre diese näher an einem allgemeinen Wohngebiet als an einem Mischgebiet orientiert. Eine Entwicklung zum Wohngebiet oder eine Festigung des vorhandenen Wohngebiets ist gerade nicht gänzlich ausgeschlossen. So kann aufgrund der Festsetzung der Art der baulichen Nutzung als allgemeines Wohngebiet eine weitere Umnutzung von ganzen Gebäuden in freiberufliche oder gewerbliche Nutzung vermieden werden bzw. bestehende freiberufliche oder anderweitige Nutzung von Gebäuden bei Nutzungsaufgabe wieder einer Wohnnutzung zugeführt werden. Insbesondere auf dem Grundstück S. H1. straße … wurde inzwischen die bisherige Nicht-Wohnnutzung durch einen Neubau mit Wohnnutzung ersetzt. Dies spricht dafür, dass eine weitere Entwicklung in Richtung des Planungsziels gerade nicht von vornherein unmöglich ist. Insbesondere war insoweit auch keine detailliertere Erhebung der vorhandenen Nutzungen erforderlich. Zum einen gab es keine Anhaltspunkte für eine intensivere gewerbliche Nutzung, welche die vorhandene Nutzung in Richtung Mischgebiet kippen lassen könnte. Zum anderen kann es selbst bei Vorhandensein einer Gemengelage ein hinreichendes Planungsziel sein, diese Gemengelage wieder in Richtung eines Gebietstyps, hier einem allgemeinen Wohngebiet, zu entwickeln.
Auch für die Rückbauanordnung auf dem Grundstück der Antragstellerin gilt, dass diese nicht von vornherein undurchführbar und der Bebauungsplan von Anfang an funktionslos wäre. Zwar mag die Antragstellerin aktuell keine Absichten betreffend eine bauliche Veränderung haben. Das Gebäude weist aber eine bauliche und altersbedingte Struktur auf, welche es nicht ausschließt, dass in einem angemessenen zeitlichen Rahmen eine bauliche Veränderung auf dem Grundstück stattfinden wird. Ob dies in einen Rückbau des Bestandsgebäudes oder einen Komplettabriss mit Neuplanung münden wird, bleibt einer Entscheidung der Antragstellerin vorbehalten. Der Bebauungsplan stellt insoweit lediglich eine Angebotsplanung dar.
3. Der angefochtene Bebauungsplan leidet im Übrigen nicht an Mängeln in der Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB). Danach sind bei der Aufstellung von Bebauungsplänen die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Ein Abwägungsmangel liegt vor, wenn eine Abwägung überhaupt nicht vorgenommen worden ist oder wenn der Ausgleich zwischen den verschiedenen Belangen in einer Weise vorgenommen worden ist, der die objektive Gewichtung eines dieser Belange verfehlt (vgl. bereits BVerwG, U.v. 12.12.1969 – IV C 105.66 – BVerwGE 34, 301/309). Das Abwägungsgebot erlaubt bei einer Planungsentscheidung einen besonders flexiblen und dem Einzelfall gerecht werdenden Interessenausgleich unter maßgeblicher Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Maßgebend ist, ob nach zutreffender und vollständiger Ermittlung des erheblichen Sachverhalts alle sachlich beteiligten Belange und Interessen der Entscheidung zugrunde gelegt sowie umfassend in nachvollziehbarer Weise abgewogen worden sind (vgl. auch BVerfG (Kammer), B.v. 19.12.2002 – 1 BvR 1402/01 – NVwZ 2003, 727).
Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt. Die Antragstellerin macht hier geltend, dass das Rückbaugebot für das Bestandsgebäude zum einen ihr Eigentumsrecht verletze und zum anderen zu unbestimmt sei. Bei dem bedingten Baurecht auf dem Grundstück der Antragstellerin handelt es sich aber lediglich um ein Bauangebot. Die Antragsgegnerin hat dabei berücksichtigt, dass der Rückbau des Bestandsgebäudes ca. 1.550 m² Geschoßfläche beträgt, der straßenseitig mögliche Neubau aber ca. 2.200 m² Geschoßfläche ermöglicht. Damit wird die durch den angeordneten Rückbau verlorene Geschoßfläche durch den Neubau mehr als kompensiert. Im Ergebnis erhält die Antragstellerin somit ein Mehr an Baurecht als im Bestand vorhanden ist. Insoweit vermag der Senat keine Verletzung des Eigentumsrechts durch die getroffene Abwägung zu erkennen. Es handelt sich nur um ein Bauangebot, das die Antragstellerin nutzen kann. Der Bestand wird dadurch nicht beeinträchtigt. Die Festsetzung ist auch nicht zu unbestimmt im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf. Der straßenseitige Neubau ist „solange unzulässig bis ein Rückbau des rückwärtigen Bestandsgebäudes auf das im Bebauungsplan festgesetzte Nutzungsmaß erfolgt“. Zwar fehlt in der Festsetzung das Wort „ist“, so dass sprachlich eigentlich ein Präsens vorliegt. Die Begründung zum Bebauungsplan, stellt jedoch ausdrücklich klar, dass das straßenseitige Baurecht erst zulässig ist, wenn ein Rückbau des rückwärtigen siebengeschossigen Hochhauses auf maximal vier Geschoße erfolgt ist – also sprachlich ein Perfekt. Trotz dieser sprachlichen Ungenauigkeit lässt auch die bauliche Logik keinen anderen Zeitablauf zu als den Rückbau vor Durchführung des straßenseitigen Neubaus. Der Senat kann daher keine Unklarheit im Sinn einer Unbestimmtheit dieser Regelung erkennen. Der genaue zeitliche Ablauf kann in einem den Bebauungsplan ausfüllenden Baugenehmigungsverfahren durch entsprechende Auflagen und Bedingungen geregelt werden.
Auch im Hinblick auf die im Jahr 2019 beschlossene und mit Urteil vom 27. September 2021 (vgl. BayVGH, U.v. 27.9.2021 – 12 N 20.1726) für unwirksam erklärte Zweckentfremdungssatzung kann der Senat keinen Abwägungsmangel erkennen. Dabei ist es unerheblich, ob die im Jahr 2020 erneut beschlossene und bekanntgemachte Zweckentfremdungssatzung wirksam ist oder nicht. Eine Zweckentfremdungssatzung verhindert nicht die Verwirklichung des Bebauungsplans. Sie ist lediglich eine zusätzlich zu beachtende Regelung. Auch im Rahmen einer Zweckentfremdungssatzung ist grundsätzlich der Abriss von Wohnraum möglich, wenn neuer Wohnraum in gleichem oder ähnlichem Umfang geschaffen wird. Insoweit obliegt es der Antragstellerin eine entsprechende Planung vorzulegen. Dabei steht es ihr frei, über die Aufteilung der Flächen zu verfügen, solange die Nutzungsarten des Bebauungsplans und die – sofern wirksam – Regelungen der Zweckentfremdungssatzung eingehalten werden. Es ist nicht nur ein Teilabriss des Bestands, sondern auch ein vollständiger Abriss desselben denkbar. Um ruhige Wohnverhältnisse zu schaffen, böte es sich beispielsweise an, im Rückgebäude ausschließlich Wohnraum zu schaffen und die – nach einer eventuellen Zweckentfremdungssatzung überschüssigen – Geschoßflächen im straßenseitigen Gebäude mit freiberuflicher Nutzung vorzusehen. Es ist für den Senat jedenfalls nicht erkennbar, dass eine Zweckentfremdungssatzung eine Nutzung des Grundstücks unmöglich machen sollte. Im Übrigen war die Zweckentfremdungssatzung bei Satzungsbeschluss des hier verfahrensgegenständlichen Bebauungsplans noch nicht beschlossen oder gar bekanntgemacht. Sie konnte daher nicht Gegenstand der Abwägung sein, so dass bereits aus diesem Grund ein Abwägungsmangel ausscheidet.
Ebenfalls nicht als abwägungsfehlerhaft stellt sich die Festsetzung als allgemeines Wohngebiet nach § 4 BauNVO dar. Wie bereits unter Ziffer 2. dargestellt, fehlt es im Bestand an einer für ein Mischgebiet typischen Durchmischung der Nutzungen. Es sind überwiegend Wohngebäude und Geschosswohnungsbau im Plangebiet vorhanden. Dazu kommen Nutzungen im Sinn des § 13 BauNVO, die in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig wären. Es gibt nur einzelne gewerbliche „Ausreißer“. Lediglich ein Tatbestand, dass ganze Gebäude in eine Nutzung nach § 13 BauNVO überführt würden, entspräche nicht einem allgemeinen Wohngebiet. Selbst wenn im Bestand kein faktisches allgemeines Wohngebiet angenommen würde, so läge eine Gemengelage mit starker Tendenz zum allgemeinen Wohngebiet vor. Ziel des Bebauungsplans ist es gerade das Plangebiet in Richtung eines allgemeinen Wohngebiets zu entwickeln bzw. zu festigen.
Der Vortrag, dass es sich beim Gebäude der Antragstellerin um ein „Architekturdenkmal“ handle, was in der Abwägung nicht hinreichend berücksichtigt worden sei, ist hinsichtlich der Denkmaleigenschaft schon nicht hinreichend substantiiert.
Der nach der mündlichen Verhandlung von der Antragstellerin eingereichte Schriftsatz vom 11. Oktober 2021 ging bei der Geschäftsstelle am selben Tag um 11:30 Uhr ein. Die Niederlegung des Urteilstenors erfolgte am 11. Oktober 2021 um 10:50 Uhr. Eine Schriftsatzfrist wurde in der mündlichen Verhandlung vom 7. Oktober 2021 nicht gewährt, so dass auf den weiteren Vortrag im Schriftsatz vom 11. Oktober 2021 nicht mehr eingegangen werden muss.
4. Der Bebauungsplan ist jedoch insoweit unwirksam, als im Rahmen der Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung „ähnliche Nutzungen“ ausgeschlossen wurden. Nach § 1 Abs. 6 BauNVO kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 vorgesehen sind, nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden (Nr. 1) oder in dem Baugebiet allgemein zulässig sind, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt (Nr. 2). Unter A. Festsetzungen „Art und Maß der Nutzung“ zweiter Spiegelstrich hat die Antragsgegnerin festgesetzt „Wohnungen im Sinne des § 13a BauNVO oder ähnliche Nutzungen sind nicht zulässig“. § 13a Satz 1 BauNVO definiert den Begriff der Ferienwohnung als Räume oder Gebäude, die einem ständig wechselnden Kreis von Gästen gegen Entgelt vorübergehend zur Unterkunft zur Verfügung gestellt werden und die zur Begründung einer eigenen Häuslichkeit geeignet und bestimmt sind. Gleichzeitig werden Ferienwohnungen hinsichtlich der Art der Nutzung als nicht störende Gewerbebetriebe eingestuft. Nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO sind sonstige nicht störende Gewerbebetriebe nur ausnahmsweise in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig. Entsprechend konnte die Antragsgegnerin Wohnungen im Sinn von § 13a BauNVO nach § 1 Abs. 6 BauNVO ausschließen. Die Baunutzungsverordnung kennt allerdings nicht den Begriff der „ähnlichen Nutzung“. Entsprechend kann eine „ähnliche Nutzung“, da sie bereits nicht in § 4 BauNVO als allgemein oder ausnahmsweise zulässige Nutzung genannt ist, nicht ausgeschlossen werden. Unabhängig davon ist der Begriff nicht hinreichend bestimmt. Es bleibt unklar, was eine „ähnliche Nutzung“ sein soll. Zwar will die Antragsgegnerin in der Begründung unter Ziffer 6. eine Parallele zur Ferienwohnung ziehen, indem sie auf ein erhöhtes Störpotential und die angespannte Wohnungssituation sowie den Umnutzungsdruck hinweist. Welche konkrete Art der Nutzung jedoch durch den Begriff „ähnliche Nutzung“ ausgeschlossen werden soll, bleibt unklar und wird nicht weiter erläutert. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber gerade Unklarheiten durch das Einfügen des § 13a BauNVO beheben wollte und in diesem den Begriff der Ferienwohnung nicht nur legal definierte, sondern auch der Nutzungsart des sonstigen nicht störenden Gewerbes zuwies. Von einer Ferienwohnung abzugrenzen ist ein sogenanntes Boardinghouse. Hierbei handelt es sich in der Regel um möblierte Apartments, die meist in städtischer Umgebung an längerfristige Nutzer vermietet werden. Gerade der Umstand, dass eine Vermietung eher längerfristig ist, wenn auch dennoch auf Zeit erfolgt, lässt Apartments in Boardinghouses bereits begriffsnotwendig aus der Definition der Ferienwohnung nach § 13a BauNVO ausscheiden (vgl. Luther, NJW-Spezial 2017, 364). Welcher Nutzungsart ein Boardinghouse zuzurechnen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls und maßgebend vom Nutzungskonzept ab (VGH BaWü, B.v. 17.1.2017 – 8 S 1641/16 – juris). Steht die Möglichkeit einer eigenständigen Haushaltsführung im Vordergrund, handelt es sich um eine Wohnnutzung. Werden hoteltypische Serviceleistungen angeboten wie z.B. Reinigung, Wäscheservice, Gemeinschaftsräume, Wellness, so handelt es sich um einen Betrieb des Beherbergungsgewerbes (vgl. auch Luther, NJW-Spezial 2017, 364; Schink, UPR 2017, 292). In keinem der beiden Fälle handelt es sich aber um die Nutzungsart eines sonstigen nicht störenden Gewerbebetriebs im Sinn von § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO. Die Formulierung „ähnliche Nutzungen“ wurde jedoch im Zusammenhang mit den Wohnungen nach § 13a BauNVO, also einem sonstigen nicht störenden Gewerbebetrieb, verwendet. Boardinghouses mit hoteltypischen Serviceleistungen sind aber bereits als Betriebe des Beherbergungsgewerbes nach dem ersten Spiegelstrich unter dem Punkt „Art und Maß der Nutzung“ ausgeschlossen. Dass auch eine allgemein zulässige Wohnnutzung nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO mit dem zweiten Spiegelstrich ausgeschlossen werden sollte, lässt sich weder der Festsetzung noch der Begründung des Bebauungsplans entnehmen.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 173 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Gemäß § 47 Abs. 5 Halbsatz 2 VwGO ist die Ziffer I. der Entscheidungsformel allgemein verbindlich und muss von der Antragsgegnerin nach Eintritt der Rechtskraft des Normenkontrollurteils in derselben Weise veröffentlicht werden wie die angefochtene Satzung (§ 10 Abs. 3 BauGB):


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