Baurecht

Beitragspflicht für die Herstellung einer Entwässerungsanlage

Aktenzeichen  B 4 K 15.874

Datum:
19.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 5. Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Wenn das auf einem Grundstück anfallende Abwasser zwar in die Ortskanäle, die bereits der neuen Einrichtung zuzuordnen sind, eingeleitet, es jedoch der alten Kläranlage zugeführt wird, für die noch eine wasserrechtliche Erlaubnis bis 2020 besteht, so kann von einer betriebsfertigen neuen Einrichtung, für die ohne Verstoß gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung ein nochmaliger Herstellungsbeitrag verlangt werden kann, nicht ausgegangen werden, solange nicht auch die Kläranlagensituation dem aktuellen Stand der Abwassertechnik entsprechend hergestellt ist. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 27.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes Bayreuth vom 28.10.2015 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch die Kläger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leisten.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 27.10.2014 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamtes Bayreuth vom 28.10.2015 sind gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben, weil sie rechtswidrig sind und die Kläger in ihren Rechten verletzen.
Gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG können die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für die Herstellung ihrer öffentlichen Einrichtungen (Investitionsaufwand) Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Hierzu zählen auch die öffentlich betriebenen Entwässerungsanlagen. Die Entstehung von Herstellungsbeiträgen nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG setzt voraus, dass das herangezogenen Grundstück durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung erschlossen wird und eine gültige Abgabesatzung vorhanden ist (BayVGH, U. v. 18.01.2005 – 23 B 04.2222 – BeckRS 2005, 39594; st. Rspr.).
Zwar verfügt die Beklagte über eine gültige Abgabesatzung (a.), für das Grundstück der Kläger ist eine Beitragspflicht aber noch nicht entstanden (b.).
a. Die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Beklagten vom 27.07.2011 (BGS-EWS 2011) ist eine wirksame Rechtsgrundlage für die Erhebung von Herstellungsbeiträgen für das klägerische Grundstück. Gründe, die gegen die Wirksamkeit der Satzung sprechen, wurden nicht vorgetragen und sind nicht ersichtlich.
b. Nach § 3 Abs. 1 i. V. m. § 2 BGS/EWS 2011 entsteht die Beitragsschuld, sobald ein Grundstück an die Entwässerungseinrichtung angeschlossen ist oder angeschlossen werden kann. Für die Entstehung der Beitragspflicht im Fall einer (nochmaligen) Neuherstellung der Entwässerungseinrichtung kommt es darauf an, wann für das einzelne Grundstück die (neue) betriebsbereite Einrichtung so zur Verfügung steht, dass es anschließbar ist und alle Teile fertiggestellt sind, die erforderlich sind, um eine unschädliche Beseitigung der Abwässer zu gewährleisten (BayVGH, B. v. 09.03.2017 – 20 ZB 15.1709, juris Rn. 23).
Eine Neuherstellung einer Entwässerungseinrichtung liegt vor, wenn die vorhandene Einrichtung grundlegend umgestaltet bzw. erneuert wird, so dass sie nach der Verkehrsauffassung nunmehr als eine andere bzw. Neueinrichtung anzusehen ist. Insbesondere trifft dies bei einer technischen Neuherstellung aufgrund von so umfänglichen Baumaßnahmen zu, so dass die alte Einrichtung in den Hintergrund tritt (Wuttig/Thimet, Gemeindliches Satzungs- und Unternehmensrecht, Stand Nov. 2016, Teil IV, Frage 19, Ziff. 3.).
Wie das Gericht schon in einem Urteil vom 08.02.2000 (B 4 K 99.119), betreffend eine Vorauszahlung auf einen Herstellungsbeitrag für ein Grundstück in der Stadt C …, entschieden hat, liegt aufgrund einer umfassenden Neugestaltung der Entwässerungseinrichtung der Beklagten eine Neuherstellung vor. Die Beklagte, die die öffentliche Entwässerungseinrichtung rechtlich als eine Einrichtung betreibt, verfügte nicht über eine Abwasserentsorgung, die eine geordnete und zeitgemäße Abwasserbeseitigung in allen Ortsteilen ermöglichte. Aus der „Bestandsaufnahme – Erläuterung – Berechnung – Wertung“ des Ingenieurbüros … und Partner vom 02.07.1991 (Anlage 4, Bl. 67 ff. Gerichtsakte) geht hervor, dass mit Ausnahme der Stadtteile C …, L … und H … die Abwasserbeseitigung im Wesentlichen auf den Grundstücken selbst durch Gruben bzw. Kleinkläranlagen von statten ging. Die Kläranlage der Stadt C … war erheblich überlastet. Im Ortsteil L … war das Leitungsnetz nicht vollständig ausgebaut. Ein Regenüberlaufbecken sollte als Mischwasserentlastungsanlage neu gebaut werden. Die bestehende Kläranlage sollte wegen der fehlenden Anforderungen an die Abwassertechnik aufgelassen und eine neue errichtet werden. In den Ortsteilen Se … und T … wurde das Schmutzwasser auf den Grundstücken dezentral behandelt; die Oberflächenwassernetze waren bezüglich des Gemeindeteils L … nur teilweise ausgebaut. Der Anteil der bestehenden Anlage an der neuen Anlage wurde als weit unter 10% liegend bezeichnet (vgl. Bericht des Ingenieurbüros … vom 02.07.1991, Seite 9).
Nach dem Sachvortrag der Beklagtenseite wurden im Ortsteil L …, wo das Grundstück der Kläger gelegen ist, in den Jahren 1987 bis 1992 verschiedene Baumaßnahmen durchgeführt (BA 10: RÜB L …, Pumpwerk mit Zulauf, Ergänzungen an der Kläranlage; BA 11: Ortskanäle L …; Anlage B 9, Bl. 101 Gerichtsakte), eine Neuerrichtung oder zeitgemäße Ertüchtigung der Kläranlage L … bzw. ein Anschluss an eine benachbarte Kläranlage ist bislang weder erfolgt, noch wurde über eine dieser Varianten ein Beschluss gefasst.
Das auf dem Grundstück der Kläger anfallende Abwasser wird somit zwar in die Ortskanäle eingeleitet, die bereits der neuen Einrichtung zuzuordnen sind, es wird jedoch der alten Kläranlage zugeführt, für die noch eine wasserrechtliche Erlaubnis bis 2020 besteht. Von einer betriebsfertigen neuen Einrichtung, für die ohne Verstoß gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung ein nochmaliger Herstellungsbeitrag verlangt werden kann, kann aber nicht ausgegangen werden, solange nicht auch die Kläranlagensituation dem aktuellen Stand der Abwassertechnik entsprechend hergestellt ist.
Da folglich der Beitragstatbestand nicht erfüllt ist, war die Beitragserhebung rechtswidrig. Die angefochtenen Bescheide waren aufzuheben.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 ZPO.

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