Baurecht

Bescheid, Klagebefugnis, Zulassung, Ermessen, Immissionen, Umweltrecht, Genehmigungsverfahren, Vergleich, Verfahren, Schriftsatz, Bindungswirkung, Betrieb, Hauptsache, Prognose, Kosten des Verfahrens, billigem Ermessen

Aktenzeichen  22 A 21.40009

Datum:
7.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 6542
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 30.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Klägerin hat den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 17. Februar 2022 in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Beklagte hat der Erledigungserklärung mit Schriftsatz vom 23. Februar 2022 und die Beigeladene vorab mit Schriftsatz vom 9. Februar 2022 zugestimmt. In entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO ist das Verfahren daher durch Beschluss einzustellen und dabei nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden.
Billigem Ermessen entspricht es vorliegend, der Klägerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, weil eine – im Fall des § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO allein gebotene – summarische Prüfung (vgl. BVerwG, B.v. 7.2.2007 – 1 C 7.06 – juris Rn. 2) ergibt, dass die Klage voraussichtlich ohne Erfolg geblieben wäre.
Denn die Klägerin ist durch die Zulassung des vorzeitigen Beginns nach § 8a BImSchG mittels Bescheid vom 23. März 2021 nicht in eigenen, sie schützenden Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ob es ihr insoweit bereits an der Klagebefugnis oder dem Rechtsschutzbedürfnis fehlt, kann dabei – im Rahmen von § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO – offenbleiben, weil die Klage jedenfalls unbegründet gewesen wäre.
Eine Verletzung drittschützender Verfahrensvorschriften ist bei summarischer Prüfung nicht ersichtlich. Eine mögliche unterbliebene Anhörung Dritter (Art. 28 BayVwVfG) kann die Klägerin schon nicht als eigene Rechtsverletzung geltend machen. Soweit die Ausführungen der Klägerin zur Erforderlichkeit eines Erörterungstermins (vgl. § 10 Abs. 6 BImSchG) sich auch auf das Verfahren nach § 8a BImSchG beziehen sollen, ist ein solcher „isolierter“ Erörterungstermin wohl nicht erforderlich (vgl. OVG NW, B.v. 10.11.2020 – 8 B 1409/20.AK – juris Rn. 37 ff. m.w.N.; Czajka in Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand Februar 2022, § 8a BImSchG Rn. 57).
In materiell-rechtlicher Hinsicht ist eine Rechtsverletzung der Klägerin bei summarischer Prüfung ebenfalls nicht erkennbar. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid zugelassen waren nach § 8a Abs. 1 BImSchG lediglich Errichtungsmaßnahmen in Bezug auf den Ersatzbrennstoffbunker (mit Erd- und Erschließungsarbeiten) sowie Einbau und Anbindung der neuen Fördertechnik inklusive Probebetrieb ohne Brennstoffe. Dass bereits diese Maßnahmen – und nicht erst das geänderte Verhoben selbst – unter Berücksichtigung der festgesetzten Nebenbestimmungen die Anforderungen zur Luftreinhaltung nicht eingehalten bzw. schädliche Umwelteinwirkungen zulasten der Klägerin hervorgerufen haben, ist nicht erkennbar. Auch überschreitet der genehmigte Probebetrieb – so aber die Klägerin – nicht die „Grenze“ zum vorläufigen Betrieb der geänderten Anlage nach § 8a Abs. 3 BImSchG (vgl. zur Differenzierung auch Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 8a Rn. 26 m.w.N.). Denn die Zulassung des vorzeitigen Beginns schloss eine Anlieferung und den Einsatz von Ersatzbrennstoffen, also die wesentliche Änderung im Vergleich zum bisherigen Betrieb, ausdrücklich aus. An diesem auf die genannten Errichtungs- und Erprobungsmaßnahmen beschränkten Regelungsgehalt des Bescheids änderte sich nichts dadurch, dass nach § 8a Abs. 1 Nr. 1 BImSchG mit einer Entscheidung zu Gunsten des Antragstellers (der Beigeladenen) gerechnet werden können musste, so dass insoweit die Einhaltung der u.a. Immissionen betreffenden Betreiberpflichten nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG in den Blick zu nehmen war (vgl. Mann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2021, § 8a BImSchG Rn. 48). Denn die von § 8a Abs. 1 Nr. 1 BImSchG verlangte Prognose ist kein feststellender Bestandteil der positiven Entscheidung über die Zulassung des vorzeitigen Beginns, sondern lediglich eine ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen; eine Bindungswirkung für das Genehmigungsverfahren nach § 16 BImSchG geht von ihr nicht aus (vgl. Mann a.a.O., Rn. 45, Rn. 116 m.w.N.). Als Dritte kann die Klägerin durch die von § 8a Abs. 1 Nr. 1 BImSchG geforderte prognostizierende Beurteilung der Behörde in ihren Rechten daher nicht auch nur potentiell verletzt sein (vgl. Mann a.a.O., Rn. 41). Dies gilt auch, soweit sich diese Prognose auf die Einhaltung drittschützender Vorschriften bezieht (vgl. Czajka in Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand Februar 2022, § 8a BImSchG Rn. 88).
Eine Verletzung des einfachgesetzlichen Eigentumsrechts der Klägerin, ihres Selbstverwaltungsrecht oder ein sich aus dem interkommunalen Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 2 BauGB ergebendes Recht der Klägerin spezifisch durch die Zulassung des vorzeitigen Beginns ist – zumal angesichts der von der Klägerin selbst angeführten Entfernung der Anlage der Beigeladenen zu ihrem Gemeindegebiet – nicht ersichtlich. Zudem gilt § 2 Abs. 2 BauGB für die Gemeinden bei der Aufstellung oder Änderung von Bebauungsplänen. Auch vorliegend beruht die – als solche ohnehin nicht zum Drittschutz führende – Prognoseentscheidung der Behörde hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit der geänderten Anlage auf dem von der Standortgemeinde aufgestellten Bebauungsplan (vgl. S. 26 des Bescheids). Dass sich im vorliegenden Rechtsstreit die Frage hätte stellen können, inwieweit sich die Nachbargemeinde unter Berufung auf § 2 Abs. 2 BauGB gegen ein nach § 34 oder § 35 BauGB zugelassenes Vorhaben zur Wehr setzen kann (vgl. dazu BVerwG, B.v. 24.10.2018 – 4 B 15.18 – juris bzw. U.v. 1.8.2002 – 4 C 5.01 – BVerwGE 117, 25), hat die Klägerin nicht aufgezeigt.
Sofern die Klägerin die Nichtforderung einer Sicherheitsleistung gem. § 8a Abs. 2 Satz 3 BImSchG beanstandet, dürfte sie ebenfalls nicht in ihren Rechten verletzt gewesen sein. Es spricht sehr viel dafür, dass es sich um eine nicht drittschützende Norm handelt (Enders in Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, Stand: 1.10.2021, § 8a BImSchG Rn. 28). Ferner ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich, dass es der Anordnung einer Sicherheitsleistung bedurft hätte, und auch nicht, dass eine solche zum Schutz von Rechten der Klägerin notwendig gewesen ist.
Sofern die Klägerin die Nichtdurchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung gerügt hat, hat sie erneut nicht hinreichend zwischen dem Änderungsvorhaben nach § 16 BImSchG und der nur auf bestimmte Errichtungs- und Erprobungsmaßnahmen beschränkten Zulassung des vorzeitigen Beginns nach § 8a Abs. 1 BImSchG unterschieden. Sie hat insoweit wiederum auf vom Vorhaben zu erwartende Belastungen und Vorbelastungen verwiesen; derartige Fragen betrieblicher Auswirkungen stellten sich mit Blick auf den begrenzten Regelungsgehalt des streitgegenständlichen Bescheids jedoch nicht (vgl. oben). Eine Rechtsverletzung der Klägerin in Bezug auf die positive Genehmigungsprognose der Behörde (§ 8a Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) konnte sich nach dem oben Ausgeführten auch im Hinblick auf die Prüfung der Umweltverträglichkeit des Änderungsvorhabens nicht ergeben.
Da die Beigeladene mit Schriftsatz vom 28. Juli 2021 einen eigenen Antrag gestellt hat und damit ein Kostenrisiko eingegangen ist, entspricht es im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO der Billigkeit, dass die Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Es erscheint für die Bestimmung der Bedeutung der Sache für die Klägerin sachgerecht, im Ausgangspunkt Nr. 19.3 Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 heranzuziehen, den dort genannten Betrag jedoch wegen des begrenzten Regelungsumfangs des streitgegenständlichen Bescheids zu halbieren (vgl. dazu schon BayVGH, B.v. 23.9.2021 – 22 A 20.40011 – juris Rn. 10 m.V.a. die insoweit vergleichbare Anfechtung eines Vorbescheids nach § 9 BImSchG durch die Nachbargemeinde: BayVGH, B.v. 24.8.2015 – 22 ZB 15.1014 – juris Rn. 21).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.


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