Baurecht

Beschwerde, Bewilligung, Grundbuchamt, Genehmigung, Erhaltungssatzung, Gesellschaft, Miteigentumsanteile, Bestellung, Wohnungseigentum, Zulassung, Rechtsbeschwerde, Kostenentscheidung, Satzung, Erbbaurecht, Sinn und Zweck, Zulassung der Rechtsbeschwerde, Kosten des Rechtsmittels

Aktenzeichen  34 Wx 101/21

Datum:
17.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 12840
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG § 30
BauGB § 172

 

Leitsatz

Zumindest in Umgehungsfällen, in denen der Eigentümer sich selbst oder einer Sanierungsgesellschaft ein Erbbaurecht bestellt, das in engem zeitlichem Zusammenhang dazu in Wohnungs- und Teilerbbaurechte aufgeteilt wird, gilt entsprechend § 172 BauGB der Genehmigungsvorbehalt auch für die Aufteilung des Erbbaurechts in Wohnungs- und Teilerbbaurechte.

Tenor

I. Die Beschwerde der Beteiligten gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts München – Grundbuchamt – vom 4. Januar 2021 wird zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligte, eine GmbH & Co KG, ist im Grundbuch als Eigentümerin eines bebauten Grundstücks eingetragen, das im Bereich einer Erhaltungssatzung der Landeshauptstadt X. nach § 172 BauGB gelegen ist.
In einem notariellem Vertrag vom XX.XX.2020 über die Bestellung eines Erbbaurechts und Begründung von Wohnungs- und Teilerbbaurechten ist unter Teil A 2. Folgendes bestimmt:
2.1 Bestellung
Die … (Beteiligte)
– nachstehend auch als Eigentümer oder Grundstückseigentümer bezeichnet – bestellt hiermit für sich selbst als alleinige Berechtigte
– nachstehend auch als Erbbauberechtigter oder Erbbaurechtsinhaber bezeichnet – an dem in Teil A Ziffer 1. dieser Urkunde näher beschriebenen Erbbaugrundstück ein Erbbaurecht, …
2.3 Gebäude
Der Erbbauberechtigte ist berechtigt, das auf dem Erbbaugrundstück befindliche Wohnhaus zu belassen, es umzubauen und es zu sanieren und zu renovieren.
In Teil B heißt es unter 1. Vorbemerkung:
Klargestellt wird, dass sich alle Vereinbarungen zur nachstehenden Einräumung von Sondereigentum nicht auf das Erbbaugrundstück, sondern auf das Erbbaurecht beziehen.
Soweit nachstehend von Wohnungseigentum oder Teileigentum die Rede ist, ist insoweit das Wohnungserbbaurecht bzw. das Teilerbbaurecht gemeint.
Eigentümer im Sinne des Abschnitts B ist der Erbbauberechtigte des gemäß Teil A neu begründeten Erbbaurechts.
In Teil B Ziffer 2.1. Teilungserklärung ist bestimmt:
Der Eigentümer teilt hiermit das Eigentum an dem in Ziffer 1 definierten WE-Grundstück gemäß § 8 des Wohnungseigentumsgesetzes in Miteigentumsanteile in der Weise auf, dass mit jedem Anteil das Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung bzw. an nicht zu Wohnzwecken dienenden bestimmten Räumen in dem auf dem Grundstück errichteten bzw. zu errichtenden Gebäude verbunden ist.
Im weiteren wird das Gebäude in 27 Miteigentumsanteile aufgeteilt.
Am 24.11.2020 legte der Notar die Urkunde unter anderem zum Vollzug der Begründung des Erbbaurechts mit Erbbauzinsreallast und Begründung von Wohnungs- bzw. Teilerbaurechten vor.
Mit fristsetzender Zwischenverfügung hat das Grundbuchamt am 4.1.2021 – soweit hier von Belang – beanstandet, das Grundstück liege im Bereich einer Erhaltungssatzung. Es sei daher eine entsprechender Genehmigung der Landeshauptstadt erforderlich. Nach § 30 WEG würden alle Regelungen gelten, die sich auf das Wohnungs- und Teileigentum nach dem WEG beziehe. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift gelte § 172 BauGB auch für Wohnungs- und Teilerbbaurechte. Ohne dieses Verständnis sei die Umgehung des Genehmigungserfordernisses möglich, wenn erst ein Eigentümererbbaurecht bestellt werde.
Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 26.2.2021, mit der die Beteiligte geltend macht, das Genehmigungserfordernis nach § 172 BauGB erstrecke sich nicht auf die Begründung von Wohnungs- und Teilerbbaurechten.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
1. Die nach § 71 Abs. 1 GBO gegen die Zwischenverfügung (§ 18 Abs. 1 GBO) gerichtete Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 73, 15 Abs. 2 GBO).
2. Die Beschwerde hat allerdings keinen Erfolg, da das Grundbuchamt zutreffend zur Beseitigung des Hindernisses die Vorlage einer Genehmigung nach § 172 BauGB verlangt.
Die Bewilligung des Erbbauberechtigten nach § 19 GBO, § 8 Abs. 1 WEG genügt für die beantragte Anlegung der Wohnungserbbaugrundbücher (§ 30 Abs. 3 WEG) nicht. Denn die Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen darf gemäß § 2 der Satzung für den Stadtteil X. der Landeshauptstadt X. vom 15.6.2016 i.V.m. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 4 und 6, § 22 Abs. 6 Satz 1 BauGB, Art. 23 GO nicht ohne die Genehmigung der Landeshauptstadt X. als zuständiger Behörde erfolgen.
Es kann dabei dahinstehen, ob das Aufteilungsverbot nach § 172 BauGB immer auch die Aufteilung eines Erbbaurechts in Wohnungs- und Teilerbbaurechte umfasst. Dies ist nämlich umstritten. So wird vertreten, dass der Genehmigungsvorbehalt nach § 172 BauGB nur für die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum, nicht jedoch für die Aufteilung eines Erbbaurechts in Wohnungs- und Teilerbbaurechte nach § 30 WEG gilt (Jenissen/Grziwotz WEG 6. Aufl. § 30 Rn. 11; Drasdo in Ingenstau/Hustedt ErbbauRG 11. Aufl. Anhang III Rn. 26; Meikel/Morvlius GBO 11. Aufl. Einl. B Rn. 253; Soergel/Weber BGB 14. Aufl. § 30 WEG Rn. 15; Grziwotz in MittBayNot 2014, 394/395; Theuss in RNotZ 2019, 573/585). Soweit diese Meinung von der Literatur überhaupt begründet wird, geschieht dies unter Hinweis auf § 22 BauGB, in dem im Gegensatz zu § 172 BauGB die Wohnungs- und Teilerbbaurechte ausdrücklich erwähnt seien. Auch habe der Gesetzgeber trotz entsprechenden Vorschlags eine Ergänzung in § 172 BauGB nicht vorgenommen (OVG Berlin-Brandenburg vom 10.4.2019, 2 S 45.18, in juris Rn. 9). Demgegenüber wird vertreten, dass der Anwendungsbereich einer Satzung nach § 172 BauGB auch im Rahmen der Begründung von Wohnungs- und Teilerbbaurechten bestehe, da andernfalls Umgehungsmodelle geradezu provoziert werden (Bärmann WEG 14. Aufl. § 30 Rn. 29; Demharter GBO 32. Aufl. Anhang zu § 3 Rn. 50; Böttcher in ZNotP 2021, 49/51). Mangels Begründung des abweichenden Vorschlags des Vermittlungsausschusses im Gesetzgebungsverfahren kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass die Bestellung von Wohnungs- und Teilerbbaurechten im Hinblick auf eine Genehmigungssatzung in jedem Fall privilegiert werden sollte. Die Problematik der Umgehung des Genehmigungsvorbehaltes wird daher auch von der herrschenden Ansicht nicht in Abrede gestellt (Drasdo in Ingenstau/Hustedt Anhang III Rn. 26; OVG Berlin-Brandenburg vom 10.4.2019, 2 S 45.18, in juris Rn. 9), wenn auch zum Teil mit dem Argument hingenommen, dass eine Umgehung für das Grundbuchamt regelmäßig kaum erkennbar sei.
Nach zutreffender Ansicht, der sich der Senat anschließt, ist jedenfalls in Umgehungsfällen, in denen zunächst einer „Sanierungsgesellschaft“ ein Erbbaurecht bestellt wird, das in engem zeitlichem Zusammenhang in Wohnungs- und Teilerbbaurechte aufgeteilt wird, der Genehmigungsvorbehalt entsprechend anzuwenden (Jenissen/Grziwotz § 30 Rn. 11). Es kann dahinstehen, ob der Gesetzgeber sich bewusst dafür entschieden hat, für den Fall, dass das Erbbaurecht seit längerem besteht und sich der Berechtigte dann erst entschließt, das von ihm genutzte Gebäude anderweitig aufzuteilen, die Aufteilung eines Erbbaurechts in Wohnungs- und Teilerbbaurechte nicht unter den Genehmigungsvorbehalt des § 172 BauGB zu stellen (Jenissen/Grziwotz § 30 Rn. 11 im Hinblick auf den Wortlaut des § 22 BauGB). Zumindest aber für den Fall, dass dem Eigentümer des Grundstücks eine Aufteilung des darauf befindlichen Gebäudes in Wohnungs- und Teileigentum grundsätzlich möglich wäre, er aber ein Erbbaurecht zu Gunsten einer dafür gegründeten Gesellschaft bestellt, die im Anschluss daran dieses in Wohnungs- und Teilerbbaurechte aufteilt, besteht eine planwidrige Regelungslücke. Denn in diesem Fall steht im Raum, dass die Gestaltung allein dem Zweck diente, einen Genehmigungsvorbehalt nach § 172 BauGB zu umgehen. Der Schutzzweck der vorliegenden Erhaltungssatzung für den Stadtteil X. nach § 172 BauGB besteht nach ihrem Wortlaut darin, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erhalten. Es geht also nicht darum einen konkreten Wohnraumbestand zu erhalten, sondern um die Funktionsfähigkeit des Wohnungsmarktes an sich und um die Vorbeugung von Gentrifizierung. Es ist auszuschließen, dass der Gesetzgeber in Anbetracht des Schutzzwecks der Regelung des § 172 BauGB (OVG Berlin-Brandenburg vom 10.4.2019, 2 S 45.18, in juris Rn. 9) und der danach erlassenen Satzungen eine solche Umgehung des Genehmigungsvorbehalts ermöglichen wollte (Jenissen/Grziwotz § 30 Rn. 11; Bärmann § 30 Rn. 29; vgl. auch OLG Oldenburg NJW-RR 1998, 1239 zur ähnlichen Problematik bei § 144 BauGB).
Vorliegend hat die Eigentümerin nicht einmal eine Gesellschaft zur Sanierung des Grundstücks gegründet, sondern sich selbst das Erbbaurecht bestellt und mit derselben Urkunde die Unterteilung nach §§ 30 mit 8 WEG vorgenommen. Dass damit eine Umgehung der Genehmigungspflicht aufgrund der Erhaltungssatzung bezweckt war, liegt auf der Hand. Die Beteiligte muss sich daher in diesem Fall so behandeln lassen, als hätte sie die Eintragung von Wohnungs- und Teileigentum beantragt. Das Grundbuchamt ist daher in Anbetracht von § 172 BauGB mit § 2 der Satzung für den Stadtteil X. der Landeshauptstadt X. vom 15.6.2016 befugt, eine Genehmigung bzw. ein Negativattest zu fordern.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da die Verpflichtung der Beteiligten, die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, bereits aus dem Gesetz folgt, § 22 Abs. 1 GNotKG.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 79 Abs. 1 Satz 1 GNotKG. Dieser bemisst sich nach dem Aufwand für die Beseitigung des aufgezeigten Hindernisses. Mangels genügender Anhaltspunkte bestimmt ihn der Senat mit dem Auffangwert nach § 36 Abs. 3 GNotKG.
Die Voraussetzungen der Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, § 78 Abs. 2 GBO.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG): Übergabe an die Geschäftsstelle am 18.05.2021.


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