Baurecht

Bestimmtheit einer bauordnungsrechtlichen Sicherungsanordnung in Form einer Absperrung

Aktenzeichen  2 M 39/22

Datum:
22.6.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt 2. Senat
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:OVGST:2022:0622.2M39.22.00
Normen:
§ 57 Abs 2 S 2 BauO ST
§ 37 Abs 1 VwVfG ST
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

Eine bauordnungsrechtliche Sicherungsanordnung, mit der dem Grundstückseigentümer die Absperrung seines Grundstücks aufgegeben wird, ist hinreichend bestimmt.(Rn.34)

Verfahrensgang

vorgehend VG Halle (Saale), 24. März 2022, 2 B 78/22 HAL, Beschluss

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Halle vom 24. März 2022 – 2 B 78/22 HAL – wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller richtet sich gegen eine bauordnungsrechtliche Sicherungsanordnung.
Der Antragsteller ist Eigentümer des mit einem dreistöckigen Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks M-Straße 26 in A-Stadt. Das Gebäude steht seit längerer Zeit leer. In einer statischen Kurzeinschätzung vom 26. Februar 2020 stellte der Ingenieur für Bauwesen Dipl.-Ing. T. W. aufgrund einer Ortsbegehung am 30. Januar 2020 im Hinblick auf das Grundstück zusammenfassend fest:
o Das Gebäude weise umfangreiche und gravierende Schäden infolge Durchfeuchtung und Nässe auf.
o Dachflächen und Decken seien teilweise durchgebrochen.
o Die Gewölbedecke im Erdgeschoss sei nicht standsicher.
o Die östliche Giebelwand weise eine horizontale Verschiebung in der Ebene der Erdgeschossdecke und eine vertikale Verformung auf, womit die statische Verbindung zum Baukörper zu großen Teilen gelöst sei. Damit sei die Standsicherheit eingeschränkt.
o Zur bauzeitlichen Gewährleistung der Standsicherheit seien dringend Abstützungen im Gebäude erforderlich; die östliche Giebelwand sollte nach Innen rückverkantet oder nach außen abgesteift werden; die offenen Dachflächen müssten zur Verhinderung von weiterem Wassereintritt in das Gebäude verschlossen werden.
Für die Herstellung und Sicherung der Standsicherheit bestehe akuter Handlungsbedarf.
Mit denkmalrechtlicher Sicherungsverfügung vom 1. April 2021 gab die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Durchführung folgender Sicherungsmaßnahmen auf:
o Beräumung des Geländes, ggf. Baumfällungen, um die entsprechende Baufreiheit zu schaffen,
o Notabstützung des Tragwerks, d.h. der Decken, Wände, Mauern auf allen 3 Ebenen,
o Notabstützung der östlichen und südlichen Außenwand,
o Sicherung des Gewölbes im EG,
o Abstützung des Teilbereichs der Giebelwand, die gegen das Gewölbe drückt,
o Schließen der Fehlstellen in der Dachhaut
o Anbringung einer ordnungsgemäßen Dachentwässerung.
In einer Aktennotiz des Ingenieurs für Bauwesen Dipl.-Ing. T. W. vom 18. August 2021 aufgrund einer Ortsbegehung am 17. August 2021, an der auch der Antragsteller teilnahm, wurde festgestellt, dass hinsichtlich der in der Einschätzung vom 26. Februar 2020 aufgezeigten Defizite bei der Standsicherheit vom Antragsteller bisher keine der geforderten Maßnahmen eingeleitet worden sei. Es bestünden weiterhin die nachstehenden Gefahren:
o Durchfeuchtung infolge Undichtigkeiten mit der Gefahr weiterer Zerstörung tragender Bauteile, sowie Gefahr der Übertragung von Pilzen u.ä. auf das bewohnte Nachbargebäude,
o eingeschränkte Standsicherheit des freien Giebels (Ostseite) und der Gewölbedecken über EG.
Folgende Sicherungsmaßnahmen seien dringend auszuführen:
o Abstützung der Giebelwand mittels Abstrebung; Abstützung Gewölbedecke EG,
o Verspannung in Deckenebene der Decke EG von der Außenwand zur Rückwand,
o Schließen von Undichtigkeiten in der Dachfläche.
Auch wegen der augenscheinlich vergrößerten Risse in der Giebelwand und weil ggf. Teile von Putz o.ä. von der Fassade abfallen könnten, werde dringend empfohlen, die Straße im Abstand vom Gebäude so weit entfernt abzusperren, dass gegenüberliegend nur noch PKW den Bereich passieren könnten, d.h. nahezu bis Straßenmitte. Der Antragsteller sollte schnellstmöglich dahingehend informiert werden, dass Gefahr in Verzug und eine umgehende Sicherung des Gebäudes erforderlich sei.
Mit Schreiben vom 7. September 2021 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller auf, die Absperrung des Gefahrenbereichs bis zum 17. September 2021 ausführen zu lassen. Sollte er dem nicht nachkommen, ergehe dazu eine kostenpflichtige Verfügung, die bei Nichtbeachtung mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden könne, d.h. die Absperrung werde von ihr veranlasst und ihm in Rechnung gestellt.
Hierauf reagierte der Antragsteller mit Schreiben vom 17. September 2021, in dem er erklärte, einen Statiker beauftrag zu haben und die Sicherungsmaßnahmen vornehmen zu wollen. Zudem bat er, von weiteren Maßnahmen zunächst Abstand zu nehmen. Mit weiterem Schreiben vom 27. September 2021 erklärte er, finanziell nicht in der Lage zu sein, die Kosten für die Absperrung der Straße einschließlich der Kreuzung aufbringen zu können. Daher wolle er aufgrund des schlechten Bauzustandes des Gebäudes einen Abrissantrag stellen. Mit E-Mail vom 11. Oktober 2021 erklärte sein Prozessbevollmächtigter, die Firma zur Absperrung werde kurzfristig beauftragt. Mit E-Mail vom 15. Oktober 2021 erklärte die Antragsgegnerin einem Bevollmächtigten des Antragstellers, die Absperrung müsse so gestellt werden, wie auf der beigefügten Karte dargestellt. Die Sperrung müsse bei der Straßenverkehrsbehörde beantragt werden. Die Anträge seien beigefügt. Dazu gehöre ein Verkehrszeichenplan, auf dem eingetragen werden müsse, welche Schilder und Beleuchtungen nötig seien. Den Plan und die Anträge könne die Beschilderungsfirma stellen, z.B. der SSBZ A-Stadt oder die Verkehrsleittechnik Jahn. Mit E-Mail vom 1. Dezember 2021 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller nochmals auf, die Absperrung – und die nötigen Sicherungsarbeiten – zu veranlassen, nachdem der zwischenzeitlich beabsichtigte Verkauf des Grundstücks an den Kaufpreisvorstellungen des Antragstellers gescheitert war.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 25. Februar 2022 gab die Antragstellerin dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, bis zum 15. März 2022 eine Absperrung von Gehweg und Straße vor seinem Gebäude und Grundstück M-Straße 16 in A-Stadt entsprechend dem beigefügten Regelplan auszuführen. Dem Bescheid war ein Luftbild beigefügt, auf dem die Lage der Absperrung sowie der aufzustellenden Verkehrszeichen und Beleuchtungen dargestellt waren. Eingefügt war ein Textfeld, in dem es hieß, „die Baustelle müsse mit Bauzaun gesichert werden, davor werde die Verkehrssicherung gesetzt. Fußgängerführung entlang der Baustelle, außerhalb des Bauzauns.“ Die Absperrung müsse solange bestehen bleiben, bis die von dem Gebäude ausgehenden Gefahren für Passanten durch entsprechende bauliche Sicherungsarbeiten beseitigt worden seien. Für den Fall, dass der Antragsteller die angeordnete Maßnahme nicht fristgemäß ausführen lasse, wurde ihm die Ersatzvornahme angedroht. Zur Begründung wies die Antragsgegnerin auf die vorliegende Einsturzgefahr hin. Durch die Absperrung der Gefahrenstelle solle verhindert werden, dass Passanten durch herabfallende Bauteile verletzt würden. Nur durch die angeordnete Absperrung werde ein kurzfristiger Schutz von Personen vor den vom Gebäude ausgehenden Gefahren erreicht. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei im überwiegenden Interesse der Passanten und Anwohner ausgesprochen worden, da das Gebäude unmittelbar an den öffentlichen Straßenraum grenze. An der sofortigen Vollziehung bestehe ein besonderes Interesse, weil sich die gegenwärtige Gefahr jederzeit verwirklichen könne, da mit dem Absturz loser Teile oder gar mit einem Teileinsturz des Gebäudes zu rechnen sei. Zudem sei eine Verschärfung dieser Gefahrensituation im Winterhalbjahr durch Regen, Stürme und Schneelasten sowie Frosteinwirkung zu befürchten. Das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung überwiege somit gegenüber den schutzwürdigen Belangen des Pflichtigen.
Am 14. März 2022 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. Februar 2022 gestellt. Zur Begründung hat er geltend gemacht, der Bescheid sei zu unbestimmt, da er nicht näher beschreibe, wie die Absperrung auszusehen habe. Es sei unklar, welcher Art die Absperrung sein solle, welche Verkehrszeichen notwendig seien und welche Warnmerkmale der Absperrung abverlangt würden. Es sei für den Adressaten nicht erkennbar, was er konkret veranlassen solle. Zudem habe die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung angeordnet, ohne ihn vorher anzuhören. Dies sei aber notwendig gewesen, da die Antragsgegnerin nach der denkmalschutzrechtlichen Sicherungsanordnung vom 1. April 2021 fast 1 Jahr gewartet habe, bevor sie die Absperrung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung verfügt habe. Schließlich sei die Begründung der sofortigen Vollziehung unzulänglich. Die Behörde habe sich entgegen § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht mit den konkreten Umständen des Einzelfalls auseinandergesetzt. Das Begründungserfordernis habe vorliegend besonders Gewicht, da der Antragsgegnerin die Sachlage spätestens seit der denkmalschutzrechtlichen Sanierungsanordnung vom 1. April 2021 bekannt gewesen sei, so dass der pauschale Verweis auf eine gegenwärtige Gefahr, die sich jederzeit verwirklichen könne, nicht mehr ausreiche, ebenso wenig wie die anderen theoretischen Fallbeispiele (Winterhalbjahr, Regen, Stürme, Schneelasten). Der letzte Sturm im März 2022 sei verheerend gewesen, aber nicht für sein Gebäude. Schneelasten seien 2021/2022 kein konkretes Risiko gewesen.
Die Antragsgegnerin hat am 23. März 2022 ein statisches Gutachten der K. P. GmbH, L-Stadt, vom 22. März 2022 vorgelegt, welches im Hinblick auf das Mehrfamilienhaus auf dem Grundstück des Antragstellers zu dem Ergebnis kommt, dass sowohl auf der Gebäuderückseite als auch für die Gewölbedecke im EG (Eingangsbereich) Einsturzgefahr bestehe. Zudem werden für die temporäre Sicherung des Gebäudes (Notsicherung) und die Sicherung des öffentlichen Verkehrs mehrere sofortige Sicherungsmaßnahmen empfohlen.
Mit Beschluss vom 24. März 2022 – 2 B 78/22 HAL – hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, der Bescheid vom 25. Februar 2022 sei hinreichend bestimmt. Der dem Bescheid beigefügte Plan enthalte eine hinreichende ergänzende Beschreibung der Art der vorzunehmenden Absperrung, indem er neben einer eindeutigen Bebilderung auf einem sehr detaillierten Lageplan auch die textliche Beschreibung der zu errichtenden Absperrung enthalte. Es sei nicht erkennbar, welche weiteren Festsetzungen der Antragsteller für notwendig erachte, um zu verstehen, wo und welcher Art die erforderliche Absperrung seines Gebäudes gegenüber dem öffentlichen Verkehrsraum zu errichten sei. Der Antragsteller sei vor dem Erlass des Bescheides auch den Anforderungen des § 28 VwVfG entsprechend angehört worden. Aus dem Umstand, dass zwischen der denkmalschutzrechtlichen und der bauordnungsrechtlichen Sicherungsanordnung zehn Monte vergangen seien, könne der Antragsteller nichts für sich herleiten. Abzustellen sei auf die nach dem Erlass der denkmalschutzrechtlichen Anordnung fortgesetzten Aufforderungen der Antragsgegnerin, die Straße und den Gehweg vor dem Gebäude zu sichern, auf die der Antragsteller im September 2021 selbst noch reagiert habe. Zudem könne eine unterbliebene Anhörung des Antragstellers auch im Verfahren noch nachgeholt werden. Der Umstand, dass sowohl der Antragsgegnerin als auch dem Antragsteller seit spätestens April 2021 die Notwendigkeit einer Absperrung des unmittelbar an sein Eigentum angrenzenden öffentlichen Verkehrsraumes bekannt gewesen sei, ohne dass er als für die Gefahr Verantwortlicher seiner Verantwortung nachgekommen sei und für eine entsprechende sichernde Absperrung gesorgt habe, wirke nicht zu seinen Gunsten. Der Bescheid enthalte auch eine den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügende Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung, weil die Antragsgegnerin die konkrete Situation vor Ort in den Blick genommen und daraus die Notwendigkeit des Sofortvollzugs nachvollziehbar abgeleitet habe.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Die fristgemäß dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
1. Der Antragsteller meint, der streitgegenständliche Bescheid sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts in Bezug auf die Absperrung nicht hinreichend bestimmt. Es gebe hunderte Arten von provisorischen Bauzäunen. Ähnliches gelte für die „Verkehrssicherung“. Aus der „Google-Earth-Draufsicht“ ergebe sich eine unbestimmte, interpretierbare Anforderung, dass eine wie auch immer geartete Verkehrssicherung vor den Bauzaun gesetzt werden solle. Hiermit kann der Antragsteller nicht durchdringen.
Der Grundsatz der hinreichenden Bestimmtheit einer Einzelfallregelung bedeutet zum einen, dass deren Adressat in der Lage sein muss, zu erkennen, was von ihm gefordert wird, und zwar in dem Sinne, dass der behördliche Wille keiner unterschiedlichen subjektiven Bewertung zugänglich ist; zum anderen folgt daraus, dass der Verwaltungsakt Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein kann (BVerwG, Urteil vom 2. Juli 2008 – 7 C 38.07 – juris Rn. 11). Der Inhalt der dem Adressaten aufgegebenen Handlungs- oder Unterlassungspflicht muss nachvollziehbar festgelegt sein. Er kann sich aus dem Tenor des Verwaltungsakts sowie aus der Begründung ergeben, wobei die Regeln über die Auslegung von Willenserklärungen (§§ 133, 157 BGB) entsprechend anwendbar sind (BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2021 – 6 C 26.19 – juris Rn. 52). Hinreichende Bestimmtheit liegt vor, wenn sich die Regelung aus dem gesamten Inhalt des Bescheides, insbesondere seiner Begründung, sowie den weiteren, den Beteiligten bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Umständen unzweifelhaft erkennen lässt (BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2017 – 8 C 18.16 – juris Rn. 14).
Gemessen daran entspricht der angefochtene Bescheid den Anforderungen des § 37 Abs. 1 VwVfG, soweit dem Antragsteller aufgegeben wird, eine Absperrung von Gehweg und Straße vor seinem Gebäude und Grundstück ausführen zu lassen. Es ist für den Antragsteller ohne weiteres erkennbar, was mit einer „Absperrung“ gemeint ist. Auf dem beigefügten Luftbild wird zur Erläuterung in einem Textfeld ausgeführt, dass die Baustelle mit einem Bauzaun gesichert werden muss und dass davor die Verkehrssicherung gesetzt wird. Die Anforderung, die Baustelle mit einem Bauzaun zu sichern, ist allgemein verständlich. Dass es verschiedene Arten von (provisorischen) Bauzäunen gibt, ist ohne Belang, denn insoweit steht dem Antragsteller ein Wahlrecht zu. Es bestehen auch keine Unklarheiten, soweit die Aufstellung einer „Verkehrssicherung“ vor dem Bauzaun verlangt wird. Aus dem Schriftwechsel zwischen der Antragsgegnerin und dem Antragsteller bzw. seinem Bevollmächtigten, insbesondere aus der E-Mail vom 15. Oktober 2021 an Herrn M. K., geht hervor, dass zur Vorbereitung der Absperrung ein Antrag bei der Straßenverkehrsbehörde zu stellen ist, zu dem auch ein Verkehrszeichenplan gehört, auf dem die notwendigen Schilder und Beleuchtungen eingetragen werden müssen. Hieraus ergibt sich für den Antragsteller ohne weiteres verständlich, dass die ergänzend aufzustellende Verkehrssicherung aus den notwendigen Verkehrszeichen und der Beleuchtung besteht. Einzelheiten sind vorab mit der Straßenverkehrsbehörde abzustimmen. Unklarheiten über das vom Antragsteller verlangte Verhalten bestehen hiernach nicht.
2. Der Antragsteller wendet sich darüber hinaus weiter gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 25. Februar 2022. Er meint, die Antragstellerin habe nicht den Eindruck erweckt, dass die Durchsetzung der Anordnung keinen Aufschub bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens dulde. Sie habe das Verfahren mit der denkmalschutzrechtlichen Sicherungsanordnung vom 1. April 2021 eingeleitet und dann 10 Monate gewartet, bis sie mit der bauordnungsrechtlichen Sicherungsanordnung eine Absperrung mit sofortiger Vollziehung erwirkt habe. Die Antragsgegnerin hätte – soweit tatsächlich Gefahr in Verzug gewesen wäre – bereits mit der denkmalschutzrechtlichen Sicherungsanordnung Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit erlassen können. Entgegen der von ihr behaupteten Gefahr habe sie dies nicht getan und 10 Monate gewartet. Aufgrund dieses widersprüchlichen Verhaltens könne sie jetzt nicht die sofortige Vollziehung anordnen. Wenn die Absperrung, die mit der denkmalschutzrechtlichen Sicherungsanordnung oder selbständig zum Zeitpunkt der denkmalschutzrechtlichen Sicherungsanordnung hätte angeordnet werden können, nach Einschätzung der Antragsgegnerin 10 Monate Aufschub vertragen habe, sei nicht nachvollziehbar, weshalb nunmehr eine sofortige Vollziehung unabdingbar sei. Diese Einwände greifen nicht durch.
Ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung i.S.d. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, das die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtfertigt, besteht insbesondere bei der Gefahrenabwehr. Soll ein Verwaltungsakt eine drohende Gefahr abwenden, so kann das Interesse der Gefahrenabwehr auch die sofortige Vollziehung erfordern (vgl. Külpmann, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Auflage 2017, Rn. 759). So liegt es hier. Die Einsturzgefahr des im Eigentum des Antragstellers stehenden Mehrfamilienhauses ist durch mehrere gutachterliche Stellungnahmen belegt und wird auch von ihm nicht in Abrede gestellt. Die Anordnung der Absperrung von Gehweg und Straße vor dem Gebäude dient damit dem Schutz von Leib und Leben von Passanten und Anwohnern. Diese Gefahrensituation rechtfertigt auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung. Der Umstand, dass die Antragsgegnerin nicht bereits am 1. April 2021 eine Absperrung mit Sofortvollzug angeordnet, sondern zunächst (vergeblich) versucht hat, den Antragsteller zu bewegen, freiwillig eine Absperrung des Gefahrenbereichs vorzunehmen, die dieser zunächst auch angekündigt hat, steht der Dringlichkeit der Durchführung der Absperrung nicht entgegen.
3. Der Antragsteller macht weiter geltend, dass er vor der Anordnung der sofortigen Vollziehung hätte angehört werden müssen. Für die Absperrung habe keine solche Dringlichkeit bestanden, dass eine vorherige Anhörung mit einer kurzen Stellungnahmefrist nicht möglich gewesen wäre. Dem ist nicht zu folgen.
Die Antragsgegnerin war nicht verpflichtet, den Antragsteller vor der Anordnung der sofortigen Vollziehung anzuhören. Da die Vollziehbarkeitsanordnung kein Verwaltungsakt i.S.d. § 35 Satz 1 VwVfG ist, kann § 28 Abs. 1 VwVfG nicht die Notwendigkeit einer vorherigen Anhörung begründen. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift scheitert zunächst an der fehlenden planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes. Es ist davon auszugehen, dass in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 3 VwGO die formellen Voraussetzungen einer Vollziehbarkeitsanordnung abschließend geregelt sind. Darüber hinaus fehlt es an der Vergleichbarkeit der Interessenlagen zwischen dem geregelten und dem nicht geregelten Fall. Die Regelung in § 28 Abs. 1 VwVfG dient der Sicherung und Verwirklichung des materiellen Rechts, nämlich dem Betroffenen zu ermöglichen, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen der beabsichtigten Regelung des Verwaltungsakts zu äußern. Ein rechtlich anerkannter Vertrauensschutz, von der Möglichkeit einer Vollziehbarkeitsanordnung der Behörde, die als verfahrensrechtliche Nebenentscheidung zum Verwaltungsakt anzusehen ist, verschont zu bleiben, besteht grundsätzlich nicht. Vielmehr muss der Betroffene mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts rechnen (vgl. NdsOVG, Beschluss vom 18. Januar 2007 – 10 ME 44/07 – juris Rn. 5 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG und folgt der Festsetzung erster Instanz.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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