Baurecht

Eigenbeteiligung der Gemeinden bei Straßenausbaumaßnahmen

Aktenzeichen  B 4 K 17.621

Datum:
24.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 41830
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 5 Abs. 1,  Art. 5 Abs. 3
KAG Art. 2 Abs. 1
VwGO § 86
VwGO § 82 Abs. 1 S. 3
AO § 170 Abs. 1
AO § 169 Abs. 2
AO § 171 Abs. 3a

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Über die Klage kann gem. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten hierzu bei der durchgeführten Ortseinsicht ihr Einverständnis erklärt haben.
II.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 09.12.2011 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 04.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von … vom 07.07.2017 ist zwar hinsichtlich der Beitragshöhe rechtswidrig, weil sich tatsächlich ein höherer Straßenausbaubeitrag errechnet. Die Klägerin wird durch die festgesetzte Beitragshöhe aber nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
1. Die Gemeinden können gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG) zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG in der bis zum 31.12.2017 anwendbaren Fassung (Art. 19 Abs. 7 Satz 1 KAG) sollen für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen Beiträge erhoben werden, soweit nicht Erschließungsbeiträge nach Art. 5a KAG zu erheben sind. Nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KAG erfolgt die Heranziehung der Grundstückseigentümer zu Straßenausbaubeiträgen aufgrund einer besonderen Abgabesatzung. Von dieser Ermächtigung hat die Beklagte durch den Erlass der Satzung zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen (Straßenausbaubeitragssatzung – StABS) vom 04.04.2003 Gebrauch gemacht. Entgegen den Ausführungen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin enthält diese in § 7 keine unwirksame Kostenverteilungsregelung. Nach Art. 5 Abs. 3 KAG in der bis zum 31.12.2017 anwendbaren Fassung ist in der Abgabesatzung eine Eigenbeteiligung der Gemeinden vorzusehen, wenn die Einrichtung neben den Beitragspflichtigen nicht nur unbedeutend auch der Allgemeinheit zugutekommt, wobei die Eigenbeteiligung die Vorteile für die Allgemeinheit angemessen berücksichtigen muss. Straßenausbaubeitragssatzungen haben dabei eine vorteilsgerecht abgestufte Eigenbeteiligung einheitlich für das gesamte Gemeindegebiet vorzusehen. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist es deshalb nicht nur notwendig, die Eigenbeteiligung nach Straßenkategorien (im vorliegenden Fall Anlieger-, Haupterschließungs- und Hauptverkehrsstraßen, vgl. § 7 Abs. 2 StABS) abzustufen (vgl. BayVGH, U.v. 01.10.2018 – 6 ZB 18.1466 – juris Rn. 9) sondern zudem innerhalb der einzelnen Straßenkategorie eine weitere Differenzierung nach Teileinrichtungen von Ortsstraßen vorzunehmen (BayVGH, U.v. 16.08.2001 – 6 B 97.111 – juris Rn. 14 ff.). Die Beklagte hat daher richtigerweise in Bezug auf die Eigenbeteiligung innerhalb der Straßenkategorien weiter differenziert und diese gesondert für Fahrbahn, Radwege, Gehwege, gemeinsame Geh- und Radwege, unselbstständige Parkplätze, Mehrzweckstreifen, Beleuchtung und Entwässerung sowie unselbstständige Grünanlagen festgelegt (vgl. § 7 Abs. 2 Nrn. 1.1, 1.2 und 1.3 StABS). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in dem vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin zitierten Urteil vom 01.10.2018 (Az. 6 ZB 18.1466) lediglich entschieden, dass eine Eigenbeteiligung für die Teileinrichtung „Fahrbahn“ mit 30 v.H. für Anliegerstraßen, 40 v.H. für Haupterschließungsstraßen und 50 v.H. für Hauptverkehrsstraßen rechtswidrig ist, da bei der letztgenannten Straßenkategorie der Gemeindeanteil den Anliegeranteil spürbar überschreiten müsse, und auch der Abstand zwischen den Anteilssätzen für die drei Straßenkategorien ersichtlich zu gering sei, um den unterschiedlichen Vorteil, der der Allgemeinheit im Verhältnis zu den Anliegern in den jeweiligen Kategorien zuwächst, ausreichend differenziert abzubilden. Zu Eigenbeteiligungsquoten bezüglich anderer Teileinrichtungen hat sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im genannten Urteil gerade nicht geäußert. Die StABS der Beklagten sieht in § 7 Abs. 2 bei Anliegerstraßen hinsichtlich der Teileinrichtung „Fahrbahn“ eine Eigenbeteiligung der Gemeinde von 20 v.H., bei Haupterschließungsstraßen von 50 v.H. und bei Hauptverkehrsstraßen von 70 v.H. vor. Damit genügt diese Regelung den Anforderungen der Rechtsprechung und differenziert bezüglich der Eigenbeteiligung bei der Teileinrichtung Fahrbahn ausreichend. Anders als der Prozessbevollmächtigte der Klägerin meint, ist die Regelung der Eigenbeteiligung nicht im Hinblick auf alle Teileinrichtungen in der Gesamtschau zu betrachten. Vielmehr fallen die Funktionen der Teileinrichtungen auseinander, da auch auf einem Gehweg einer Hauptverkehrs straße nicht überwiegend Fernwanderer anzutreffen sind, sondern auch bei dieser Straßenkategorie auf dem Gehweg der Anliegerverkehr überwiegt (BayVGH, U.v. 16.08.2001 – 6 B 97.111 – juris Rn. 18). Daher ist es durchaus gerechtfertigt, die Eigenbeteiligung bei der Teileinrichtung „Gehweg“ auch bei einer Hauptverkehrs straße mit nur 45 v.H. anzusetzen. Demgemäß war die Beklagte aufgrund ihrer StABS dem Grunde nach berechtigt, von der Klägerin einen Straßenausbaubeitrag zu verlangen.
2. Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Beitragsbescheids bestehen nicht. Nach dem in den Behördenakten befindlichen Schreiben vom 10.11.2011 wurde die Klägerin entgegen ihren Ausführungen vor Erlass des Beitragsbescheids angehört (Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) Doppelbuchst. cc) KAG i.V.m. § 91 Abs. 1 Abgabenordnung – AO).
3. Auch materiell ist der Bescheid nicht zu beanstanden. Die Erhebung eines Straßenausbaubeitrags in Höhe von 9.811,41 EUR ist durch o.g. Rechtsgrundlagen gedeckt.
3.1 Gegenstand einer beitragsfähigen Ausbaumaßnahme ist die einzelne Orts straße als maßgebliche öffentliche Einrichtung im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG. Wo eine solche Orts straße beginnt und wo sie endet, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermitteln. Zu fragen ist dabei, inwieweit sich die zu beurteilende Einrichtung als augenfällig eigenständiges Element des örtlichen Straßennetzes darstellt. Deshalb hat sich der ausschlaggebende Gesamteindruck nicht an Straßennamen oder Grundstücksgrenzen, sondern, ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise, an der Straßenführung, der Straßenlänge, der Straßenbreite und der Ausstattung mit Teileinrichtungen auszurichten. Zugrunde zu legen ist dabei der Zustand im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten, also nach Durchführung der Ausbaumaßnahme (ständige Rechtsprechung; vgl. BayVGH, U.v. 01.06.2011 – 6 BV 10.2467 – juris Rn. 41 m.w.N.).
Ausgehend davon ist die maßgebliche Einrichtung hier der … (Grundstück Fl.-Nr. bbbb/2), der sich u-förmig westlich, südlich und östlich um die …Kirche erstreckt. Nach dem beim durchgeführten Augenschein gewonnen Eindruck, der auch durch die im Behördenakt der Beklagten befindlichen Lichtbilder gestützt wird, beginnt die Anlage im Westen zwischen dem Grundstück der Klägerin und der …Kirche, verläuft dann weitgehend geradlinig in südliche Richtung, ehe sie im Bereich des Anwesens … 14 (Grundstücks Fl. Nr. eeee) um 90 Grad nach Osten abknickt, dort weiter an den Anwesen … 11 bis 12b entlang führt und anschließend im Rahmen einer Linkskurve bis zum Anwesen … 3 weiterführt, ehe sie dann im Kreuzungsbereich J…/M… Straße/O… K…/M… endet. Nach natürlicher Betrachtung stellt sich der dargestellte Straßenverlauf aufgrund des gewählten Ausbauprofils, der Straßenbreite und der Straßenausstattung als eine einzelne Einrichtung dar. Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich der dargestellte Straßenverlauf nicht in drei einzelne Anlagen zerlegen. Die maßgebliche Orts straße führt westlich der …Kirche gerade nicht beim Anwesen … 14 in südliche Richtung bis zum Anwesen … 15 (Schülerhort) weiter. Ähnliches gilt auch östlich der …Kirche, wo sich die maßgebliche Anlage ebenfalls nicht beim Anwesen … 12b in südwestliche Richtung bis zum Anwesen … 15 fortsetzt. Gegen eine solche Betrachtungsweise sprechen zum einen die unterschiedliche Straßenbreite, die beim durchgeführten Ortstermin auf Höhe des Grundstücks der Klägerin mit 4,80 m und auf Höhe des Grundstücks Fl. Nr. eeee auf der geteerten Straßenfläche mit nur 2,70 m gemessen wurde, zum anderen auch der völlig unterschiedliche Ausbauzustand der nördlichen und südlichen Straßenabschnitte. Während die vom Gericht als maßgebliche Anlage ermittelte u-förmige Straßenfläche rund um die …Kirche überwiegend gepflastert ist, sind die südlichen Verlängerungen bis zum Anwesen … 15 überwiegend geteert. Schließlich spricht gegen die Sichtweise der Klägerin auch die unterschiedliche Straßenausstattung der u-förmig um die …Kirche verlaufenden Straßenfläche einerseits und der überwiegend geteerten, nach Süden orientierten, von der Beklagten als Annex bzw. beitragsfreie Zufahrt bezeichneten Straßenfläche andererseits. Während erstere – zumindest westlich der …Kirche – mit zwei Entwässerungsrinnen ausgestattet ist, befindet sich im Bereich der zweiten beschriebenen Straßenfläche lediglich eine einseitige bzw. überhaupt keine Entwässerungsrinne. Letztere stellt auch keinen – wie die Beklagte meint – Annex oder eine beitragsfreie Zufahrt dar, sondern ist als selbstständige Verkehrseinrichtung zu qualifizieren. Ausschlaggebend für die Unterscheidung zwischen (bereits) selbstständiger Verkehrseinrichtung einerseits und (bloß) unselbstständiger Zufahrt oder Zuwegung andererseits („Anhängsel“) ist der Gesamteindruck der zu beurteilenden Einrichtung. Stichstraßen sind grundsätzlich als unselbstständig zu qualifizieren, wenn sie nach den tatsächlichen Verhältnissen den Eindruck einer Zufahrt vermitteln, das heißt (ungefähr) wie eine Zufahrt aussehen. Da eine Zufahrt typischerweise ohne Weiterfahrmöglichkeit endet, typischerweise nur eine bestimmte Tiefe aufweist und ebenso typischerweise gerade, also nicht in Kurven verläuft, ist dies regelmäßig dann der Fall, wenn sie bis zu 100 m tief und nicht abgeknickt oder verzweigt ist (vgl. BayVGH, B.v. 20.04.2012 – 6 ZB 09.1855 – juris Rn. 8; B.v. 17.02.2016 – 6 ZB 14.1871 – juris Rn. 11; B.v. 06.07.2018 – 6 ZB 18.493 – juris Rn. 4; B.v. 25.09.2018 – 6 B 18.342 – juris Rn. 17). Gemessen an diesen straßenausbaubeitragsrechtlich maßgeblichen Abgrenzungskriterien handelt es sich bei den südlich der bereits u-förmig beschriebenen Orts straße weiterführenden und zum Anwesen … 15 führenden Anlagen nach dem beim Augenschein und aus den in der Behördenakte befindlichen Lichtbildern gewonnen Gesamteindruck um eine selbstständige Verkehrseinrichtung, die das ausschließlich an ihr gelegene Grundstück Fl. Nr. cccc von der vorliegend abzurechnenden Anlage beitragsrechtlich abkoppelt. Zwar sind die sich südlich von der abzurechnenden Anlage abzweigenden Anlagen jeweils für sich betrachtet nur 46 m bzw. 84 m lang. Jedoch enden diese beiden „Zweige“ nicht ohne Weiterfahrmöglichkeit. Vielmehr ist eine Befahrung vom westlichen zum östlichen „Zweig“ möglich. Schließlich verläuft die beim Anwesen … 12b nach Südwesten abzweigende Anlage nicht geradlinig. Vielmehr kann ihr Ende aufgrund der Linkskurve und der vorhandenen Bebauung (Anwesen … 39 und 41) nicht eingesehen werden.
3.2 Die von der Beklagten durchgeführte Baumaßnahme ist entgegen der Auffassung der Klägerin beitragspflichtig nach § 1 StABS, weil es sich um eine grundständige Erneuerung/Verbesserung der Anlage und ihrer Teileinrichtungen handelt. Die übliche Nutzungszeit‚ die nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bei einer „normalen“ Straße einschließlich der Teileinrichtung Gehweg etwa 20 bis 25 Jahre beträgt (vgl. BayVGH, B.v. 03.11.2016 – 6 ZB 15.2805 – juris Rn. 11), war zum Zeitpunkt des Straßenausbaus deutlich überschritten. Zwar stellt der Ablauf dieser üblichen Nutzungszeit zunächst lediglich ein Indiz für die Erneuerungsbedürftigkeit dar. Der … war im Bereich der ausgebauten Teilstrecke jedoch auch tatsächlich abgenutzt und „verschlissen“. Dies wird belegt durch die in den Behördenakten befindliche Fotodokumentation. Danach war die Fahrbahndecke des … im Bereich der Baumaßnahme durch vielfache Ausbesserungsarbeiten uneben und rissig, der vor den Anwesen … 11a bis 12b früher vorhandene einseitige Gehweg war ebenfalls schief und uneben. Die bestehende und 1965 errichtete Beleuchtungseinrichtung wurde im Zuge der Baumaßnahme grundlegend erneuert und von bisher drei auf sechs Leuchten erweitert. Gegen den geschilderten Verschleißzustand der Straße wurden keine substantiierten Einwände der Klägerin erhoben. Dies alles begründet unter Berücksichtigung der Indizwirkung der bisherigen Nutzungsdauer in ausreichender Weise einen Erneuerungsbedarf‚ der unabhängig von den gleichzeitig durchgeführten Kanalisationsarbeiten bestanden hat. Im Übrigen durfte die Beklagte umso mehr von einem Erneuerungsbedarf ausgehen, als die Straße durch die Kanalarbeiten weiter verschlissen wird; denn ein Erneuerungsbedarf kann ohne Weiteres auch durch Kanalbauarbeiten ausgelöst werden, die zum „Lebensschicksal“ einer Straße gehören (vgl. BayVGH, B.v. 23.5.2012 – 6 CS 2012 – juris Rn. 12). Der Heranziehung der Klägerin zu einem Straßenausbaubeitrag steht auch nicht entgegen, dass die Ausbaumaßnahmen nicht über die gesamte Straßenlänge durchgeführt wurden und die Beklagte den Straßenbelag der abzurechnenden Anlage nur entlang dem Grundstück Fl. Nr. ffff/2 bis zum östlichen Ende des Grundstücks Fl. Nr. gggg/2 erneuert bzw. verbessert hat. Denn der Teilstreckenausbau erfasst weit mehr als ein Viertel der gesamten Straßenlänge und erfüllt damit die Anforderungen der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zum beitragsfähigen Teilstreckenausbau (vgl. BayVGH, U.v. 28.01.2010 – 6 BV 08.3043 – juris Rn. 13 f.; U.v. 18.05.2017 – 6 BV 16.2345 – juris Rn. 17 m.w.N.). Nicht zu beanstanden ist ferner, dass die Beklagte keine Abschnittsbildung (vgl. § 6 Abs. 2 StABS) durchgeführt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs darf ein Abschnitt – neben anderen rechtlichen Voraussetzungen – grundsätzlich nur dann gebildet werden, wenn der Ausbau nach den planerischen Vorstellungen der Gemeinde, die im Bauprogramm ihren Niederschlag gefunden haben, fortgeführt werden soll, die tatsächliche Ausführung sich aber zunächst auf eine bestimmte Strecke der geplanten Ausführung beschränkt, wenn mit anderen Worten die Erneuerung der Einrichtung nicht in einem Zuge, sondern in Etappen (Teilstrecken) verwirklicht wird. Dies setzt ein konkretes Bauprogramm auch für die Fortführung des Ausbaus an der Reststrecke sowie einen konkreten zeitlichen Horizont voraus (BayVGH, B.v. 21.7.2016 – 6 ZB 16.97 – juris Rn. 9; B.v. 23.2.2015 – 6 B 14.2435 – juris Rn. 17; B.v. 31.7.2014 – 6 ZB 13.2270 – juris Rn. 8; B.v. 20.6.2012 – 6 B 11.2132 – juris Rn. 5; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 33 Rn. 53). Die Vertreter der Beklagten haben beim Ortstermin am 11.07.2019 zwar mitgeteilt, dass die Beklagte beabsichtigt, die bisher noch nicht ausgebauten Teilstrecken im Rahmen einer Maßnahme „Gestaltung der Plätze …“ ebenfalls neu zu gestalten. Aus der von der Beklagten als Anlage 10 vorgelegten Sitzungsvorlage ergibt sich jedoch, dass im November 2018 – und damit erst recht bei Durchführung der streitgegenständlichen Ausbaumaßnahme 2006/2007 – die Umsetzung der geplanten abschließenden Maßnahme aufgrund der aktuellen Haushaltslage nicht absehbar sei. Ein konkretes Bauprogramm für die Fortführung des Ausbaus der Reststrecke sowie einen konkreten zeitlichen Horizont für die Durchführung der Maßnahme hat es somit bei der streitgegenständlichen Ausbaumaßnahme nicht gegeben, weshalb die Voraussetzungen für eine Abschnittsbildung zum damaligen Zeitpunkt überhaupt nicht vorlagen.
3.3 Nach der Kostenaufstellung der Beklagten beträgt der beitragsfähige Aufwand 108.464,50 EUR. Gegen die Höhe des beitragsfähigen Aufwands wurden keine substantiierten Einwände vorgebracht. Insbesondere reicht es nicht aus, pauschal zu behaupten, die Verteilung der Kostenmassen der einzelnen Themenbereiche wie Stichkanal und Beleuchtung sei nicht nachvollziehbar. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs genügt es nicht, wenn eine Klagepartei ohne jegliche konkrete Belegung lediglich behauptet, die bestimmten Beitragssätze seien nicht ordnungsgemäß ermittelt worden. Zwar verlangt der Grundsatz der Amtsermittlung des § 86 VwGO, dass das Gericht alle vernünftigerweise zu Gebote stehenden Möglichkeiten zur Aufklärung des für seine Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts ausschöpft, die geeignet erscheinen, die dafür erforderliche Überzeugung zu gewinnen. Diese Pflicht findet aber in der Mitwirkungspflicht der Beteiligten eine Grenze. Jene besteht nicht nur darin, dass das Gericht die Beteiligten zur Erforschung des Sachverhalts mit heranziehen kann, sondern auch und gerade darin, dass die Klägerseite die zur Begründung ihrer Rechtsbehelfe oder ihrer Einwendungen dienenden Tatsachen und Beweismittel nach § 82 Abs. 1 Satz 3 VwGO angeben soll. So lange sie dieser Pflicht nicht nachkommt, überprüfbare und einem Beweis zugängliche Tatsachen vorzutragen, braucht das Gericht der bloßen Möglichkeit fehlerhaft bestimmter Beitragssätze nicht nachzugehen. Dass es für die Klägerin nicht ganz einfach ist, die von der Beklagten ermittelten Beitragssätze auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, entbindet sie nicht davon, sich im Rahmen der ihr obliegenden Mitwirkungspflicht selbst durch Akteneinsicht sachkundig zu machen, notfalls mit Hilfe eines von ihr beauftragten Sachverständigen (BayVGH, U.v. 29.04.2010 – 20 BV 09.2010 – juris Rn. 64 m.w.N.). Auch die pauschale Behauptung, es sei unwirtschaftlich gearbeitet worden, führt nicht zu einer weiteren Sachaufklärungspflicht des Gerichts. Die Behauptung der Klägerseite, Teile des Originalpflasters seien trotz Wiederverwendbarkeit nicht wieder eingebaut worden, hat die Beklagte im Übrigen in der Klageerwiderung vom 23.05.2019 auch für das Gericht nachvollziehbar widerlegt.
3.4 Der beitragsfähige Aufwand in Höhe von 108.464,50 EUR ist um den satzungsmäßig festgesetzten Gemeindeanteil zu verringern. Die Höhe richtet sich gemäß § 7 StABS nach der jeweiligen Straßenkategorie. Gegen die Einstufung des … als Anlieger straße im Sinn des § 7 Abs. 2 Nr. 1, 1.1 und Abs. 3 Nr. 1 StABS (Straße, die ganz überwiegend der Erschließung der Grundstücke dient) bestehen keinerlei Bedenken. Ein durchgehender innerörtlicher Verkehr im Sinn des § 7 Abs. 3 Nr. 2 StABS (Haupterschließungsstraße) findet nach den in den Akten befindlichen Lageplänen beim als verkehrsberuhigten Bereich ausgewiesenen … offensichtlich nicht statt, weshalb der Eigenanteil der Beklagten bei Anliegerstraßen für alle Teileinrichtungen 20 v.H. beträgt. Daher ergibt sich ein beitragsfähiger Aufwand nach Abzug des Gemeindeanteils von 86.771,60 EUR.
3.5 Dieser Ausbauaufwand ist auf alle Grundstücke zu verteilen, denen durch die Ausbaumaßnahme ein beitragsrelevanter Vorteil vermittelt wird. Für einen solchen Sondervorteil sind zwei Merkmale entscheidend: Zum einen die spezifische Nähe des Grundstücks zur ausgebauten Orts straße, wie sie bei Anliegergrundstücken und ihnen aus dem Blickwinkel einer rechtlich gesicherten Inanspruchnahmemöglichkeit grundsätzlich gleich zu stellenden Hinterliegergrundstücken gegeben ist, zum anderen eine Grundstücksnutzung, auf die sich die durch den Ausbau verbesserte Möglichkeit, als Anlieger von der Orts straße Gebrauch zu machen, positiv auswirken kann. Den Eigentümern von Grundstücken, bei denen beide Voraussetzungen vorliegen, kommt der Straßenausbau in einer Weise zugute, die sie aus dem Kreis der sonstigen Straßenbenutzer heraushebt und die Heranziehung zu einem Beitrag rechtfertigt (etwa BayVGH, B.v. 9.8.2017 – 6 ZB 17.1099 – juris Rn. 8; U.v. 30.6.2016 – 6 B 16.515 – juris Rn. 16 m.w.N.). Das von der Beklagten gebildete Abrechnungsgebiet ist insoweit zu beanstanden, als das Anwesen … 15 (Grundstück Fl. Nr. cccc) mit in die Verteilung einbezogen wurde. Wie unter Ziffer 3.1 ausführlich dargestellt, grenzt es gerade nicht an die abzurechnende Anlieger straße an, weshalb keine spezifische Nähe zur abzurechnenden Anlage gegeben ist. Nimmt man das Grundstück Fl. Nr. cccc vom Abrechnungsgebiet (§ 6 Abs. 3 StABS) heraus, vermindert sich die beitragspflichtige Grundstücksfläche auf 10.760,70 m², was zur Erhöhung des Beitragssatzes auf 8,06 EUR/m² führt. Für das Grundstück der Klägerin ergäbe sich daher ein Straßenausbaubeitrag in Höhe von 17.495,60 EUR. Zwar muss die Kammer in diesem Zusammenhang nicht entscheiden, ob – den Ausführungen der Klägerseite folgend – auch das 270 m² große und mit einem Einfamilienhaus (zwei Vollgeschosse) bebaute Grundstück Fl. Nr. 2871 in das Abrechnungsbiet hätte mit einbezogen werden müssen, denn selbst bei einer Berücksichtigung dieses Grundstücks ergäbe sich ein Beitragssatz von 7,89 EUR/m², weshalb der von der Klägerin zu entrichtende Straßenausbaubeitrag deutlich über dem festgesetzten Betrag von 9.811,41 EUR läge, so dass der Beitragsbescheid insgesamt aufrechterhalten bleibt. Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass nichts dafür ersichtlich ist, das Grundstück Fl. Nr. dddd zum Kreis der beitragspflichtigen Grundstücke zu zählen. Vielmehr dürfte ein beitragsrelevanter Vorteil durch ein Zugangshindernis auf Straßengrund ausgeschlossen sein (vgl. BayVGH, U.v. 6.4.2017 – 6 B 16.1043 – juris Rn. 14 m.w.N.). Denn das Grundstück Fl. Nr. dddd kann von dem höher gelegenen … aus nicht betreten werden, weil es über die gesamte Länge der gemeinsamen Grundstücksgrenze durch eine ununterbrochene, auf Straßengrund gelegene, ca. vier Meter hohe Stützmauer von der Straßenfläche getrennt ist (vgl. BayVGH, B.v. 03.07.2017 – 6 ZB 16.2272 – juris Rn. 28).
3.6 Schließlich war die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen, als die Beklagte am 04.10.2012 den ebenfalls streitgegenständlichen Änderungsbescheid erließ. Gemäß § 170 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) und § 169 Abs. 2 AO, die Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b bb) und cc) KAG für entsprechend anwendbar erklären, beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Straßenausbaubeitrag entstanden ist und beträgt vier Jahre. Damit begann die Festsetzungsfrist hier mit Ablauf des Jahres 2007, da in diesem Jahr die letzte Unternehmerrechnung bei der Beklagten einging (§ 3 Abs. 1 StABS) und wäre bei normalem Verlauf am 31.12.2011 abgelaufen gewesen. Der Ablauf der Frist ist jedoch gemäß § 171 Abs. 3a Satz 1 AO, den Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b dd) KAG ebenfalls für entsprechend anwendbar erklärt, gehemmt, bis über ein anhängiges Widerspruchs- bzw. Klageverfahren unanfechtbar entschieden worden ist. Denn § 171 Abs. 3a Satz 1 AO sieht vor, dass die Festsetzungsfrist nicht abläuft, wenn ein Beitragsbescheid mit einem Widerspruch oder einer Klage angefochten wird. Dies setzt voraus, dass der angefochtene Bescheid vor Ablauf der Festsetzungsfrist ergangen ist und wirksam geblieben ist. Dies ist vorliegend der Fall, da die Beklagte mit dem Änderungsbescheid vom 04.10.2012 den ursprünglichen Beitragsbescheid vom 09.12.2011 nicht aufgehoben, sondern den zu zahlenden Straßenausbaubeitrag vielmehr erhöht hat.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.


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