Baurecht

Einzelbaudenkmal, Abbruch ohne Erlaubnis, Ensemble, Wiederherstellungsanordnung, Störerauswahl

Aktenzeichen  2 B 21.1414

Datum:
29.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 24947
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDSchG Art. 15 Abs. 4
BayDSchG Art. 15 Abs. 5

 

Leitsatz

1. Zum Wiederaufbau eines ohne Erlaubnis abgebrochenen Einzelbaudenkmals in einem Ensemble.
2. Die Störerauswahl bei einer Wiederherstellungsanordnung nach Art. 15 Abs. 4 BayDSchG erfolgt entsprechend den allgemeinen sicherheitsrechtlichen Vorschriften (vgl. Art. 9 LStVG).

Verfahrensgang

M 8 K 18.1841 2019-07-15 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 15. Juli 2019 werden die Ziffern 2. und 3. sowie 5., soweit Zwangsgelder hinsichtlich der Ziffern 2. und 3. angedroht werden, des Bescheids der Beklagten vom 5. April 2018 aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen der Kläger zwei Drittel und die Beklagte ein Drittel.
IV. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten (§ 124 Abs. 1 VwGO) hat zum Teil Erfolg.
Das Urteil des Erstgerichts vom 15. Juli 2019, mit dem der Bescheid der Beklagten vom 5. April 2018 vollständig aufgehoben wird, ist abzuändern. Der angefochtene Bescheid ist zwar hinsichtlich seiner Ziffern 2. und 3. sowie 5., soweit Zwangsgelder in Bezug auf die Ziffern 2. und 3. angedroht werden, rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Insoweit ist die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Im Übrigen ist der Bescheid vom 5. April 2018 aber rechtmäßig und die Klage abzuweisen.
1. Die Beklagte hat die strittige Wiederherstellungsverfügung im Bescheid vom 5. April 2018 auf Art. 15 Abs. 4 BayDSchG gestützt. Werden Handlungen nach Art. 6, 7, 8 Abs. 2 oder 10 Abs. 1 BayDSchG ohne die erforderliche Erlaubnis, Baugenehmigung oder abgrabungsaufsichtliche Genehmigung durchgeführt, so kann nach der genannten Vorschrift die Untere Denkmalschutzbehörde verlangen, dass der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt wird, soweit dies noch möglich ist, oder dass Bau- und Bodendenkmäler und eingetragene bewegliche Denkmäler auf andere Weise wieder instandgesetzt werden.
Der Abbruch des Gebäudes „O … … straße …“ stellt, weil es sich bei dem Gebäude neben seiner Eigenschaft als Einzelbaudenkmal auch um einen Bestandteil des Ensembles „…siedlung“ handelt, einen Verstoß sowohl gegen Art. 6 Abs. 1 Nr. 1 BayDSchG als auch gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayDSchG dar. Hiernach bedarf, wer ein Baudenkmal beseitigen oder ein Ensemble verändern will, wenn die Veränderung eine bauliche Anlage betrifft, die für sich genommen ein Baudenkmal ist, oder wenn sie sich auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken kann, der Erlaubnis.
Die Beklagte fordert auf der Rechtsgrundlage von Art. 15 Abs. 4 BayDSchG die Wiederherstellung des Gebäudes „O … … straße …“ in seiner ursprünglichen Form als Teil des „Ensembles …siedlung“ unter Erhaltung der auf dem Grundstück noch vorhandenen beiden Giebelwände und des verbliebenen Kellers sowie Verwendung der gesicherten historischen Mauerziegel. Damit fordert sie nicht die Wiederherstellung des rechtswidrig beseitigten Einzelbaudenkmals, sondern die Wiederherstellung des Gebäudes als Bestandteil des geschützten Ensembles im Sinn von Art. 1 Abs. 3 BayDSchG. Vorliegend stellt sich somit nicht die umstrittene Frage, ob die Pflicht zur Wiederherstellung eines zerstörten Einzelbaudenkmals auf Art. 15 Abs. 4 BayDSchG bzw. vergleichbare Vorschriften der Länder gestützt werden kann (vgl. hierzu Spennemann in Eberl/Spennemann/Schindler-Friedrich/Gerstner, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, 8. Aufl. 2021, Art. 15 Rn. 40; Davydov in Davydov/Hönes/ Otten/Ringbeck, Denkmalschutzgesetz Nordrhein-Westfalen, 3. Aufl. 2012, § 27 Anm. 2.4; BayVGH, U.v. 22.5.2014 – 1 B 14.196 – juris Rn. 30).
Demgegenüber können beeinträchtigte Ensembles auch durch (teilweise) Rekonstruktion des Fehlenden wieder hergestellt werden. Art. 15 Abs. 4 BayDSchG umfasst alle Arten von Denkmälern unabhängig von ihrem Eintrag in die Denkmalliste. Nachdem das Ensemble als Mehrheit von baulichen Anlagen (Art. 1 Abs. 3 BayDSchG) ein Baudenkmal darstellt, sind hier vollständige Rekonstruktionen zur Wiederherstellung des Erscheinungsbildes des Ensembles nach einhelliger Meinung möglich und gegebenenfalls notwendig (vgl. Spennemann in Eberl/Spennemann/Schindler-Friedrich/ Gerstner, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, 8. Aufl. 2021, Art. 15 Rn. 44; Martin, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, M … 2019, Art. 15 Rn. 43; Viebrock in Martin/Krautzberger, Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, 4. Aufl. 2017, Teil E Rn. 128; Davydov in Davydov/Hönes/Otten/Ringbeck, Denkmalschutzgesetz Nordrhein-Westfalen, 3. Aufl. 2012, § 5 Anm. 2.2). Die Grundsätze der Denkmalpflege, die gegen eine Wiederherstellung von Einzelbaudenkmälern angeführt werden, werden hierdurch nicht berührt, da in Ensembles häufig Gebäude, die keine Einzelbaudenkmäler sind, zu deren Bestand gehören und das Erscheinungsbild des Ensembles unabhängig vom etwaigen Vorhandensein einer Originalsubstanz mitprägen. Diese Ansicht wird auch durch die umstrittene neue Fassung des Art. 1 Abs. 3 BayDSchG zum 1. Mai 2017, wonach Ensembles auch ohne jedwedes Einzelbaudenkmal bestehen können sollen, nicht in Frage gestellt.
Voraussetzung für den Wiederaufbau eines Gebäudes als Bestandteil eines Ensembles ist im Rahmen eines Wiederherstellungsverlangens nach Art. 15 Abs. 4 BayDSchG jedoch, dass der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt wird, soweit dies noch möglich ist. Hierbei bedeutet die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands bei der Wiederherstellung eines Ensembles nicht, dass das wiederaufzubauende Gebäude in den Zustand zum Zeitpunkt seiner erstmaligen Errichtung zu versetzen ist. Vielmehr ist die durch einen Abbruch entstandene Baulücke und der damit beeinträchtigte Denkmalbereich durch Errichtung eines angepassten Neubaus wieder auf bestmögliche Weise zu ergänzen (vgl. Viebrock in Martin/Krautzberger, Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, 4. Aufl. 2017, Teil E Rn. 128; Martin, BayVBl 2001, 289/ 293). Dem wird die Verfügung der Beklagten vom 5. April 2018 in ihrer Ziffer 1. gerecht, indem der Wiederaufbau des Gebäudes im Umfang seiner früheren Kubatur und unter Einbeziehung der vom Kläger im Jahr 2017 eingereichten Planunterlage (Plan Nr. 2017/19646) gefordert wird.
Soweit der Kläger demgegenüber einwendet, dass ein Wiederaufbau bereits daran scheitere, dass am Standort des zerstörten Gebäudes nicht nur kein Einzelbaudenkmal, sondern auch kein Ensemble mehr gegeben sei, dringt er damit nicht durch. Denn das Ensemble „…siedlung“ besteht nach wie vor. Durch die Zerstörung eines einzelnen Gebäudes kann nicht das hier vorliegende gesamte Ensemble hinfällig werden. Dies bestätigen die Stellungnahme des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege vom 4. Juni 2020 sowie der in der mündlichen Verhandlung des Senats vorgelegte (bessere) Lageplan. Zum Ensemble gehört auch das Anwesen O … … straße … Laut den nachvollziehbaren Stellungnahmen des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege vom 19. Februar 2018 und 17. Juni 2019 liegt hier eine ablesbare Zusammensetzung aus ehemals zwei Handwerkerhäusern als anschauliches Beispiel für die Entstehungszeit der …siedlung vor und ist damit für das Straßenbild O … … straße stark mitprägend. Selbst wenn an dieser Stelle das zerstörte Einzelbaudenkmal nicht wiederhergestellt werden kann, kann jedoch ein die Lücke schließender angepasster Neubau zur Erhaltung des Baudenkmals „Ensemble …siedlung“ im Sinn von Art. 1 Abs. 1 BayDSchG beitragen.
Dem Kläger ist zuzugeben, dass in der Beschreibung des Ensembles „…siedlung“ (E-1-62-000-12) unter anderem ausgeführt wird, dass einige Anwesen im Ensemble erdgeschossig geblieben sind, dass aber die …siedlung in weiten Teilen durch das zweigeschossige Vorstadthaus geprägt ist. Demnach könnte grundsätzlich auch ein angepasster Neubau in zweigeschossiger Form für eine Lückenschließung in diesem Ensemble in Betracht kommen. In der mündlichen Verhandlung des Senats hat jedoch Oberkonservator Dr. K … vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege ausgeführt, dass hier beim Anwesen O … …str. … erkennbar sei, dass das Gebäude noch vorhanden war und mit dem danach aufgestockten anderen Gebäude zusammengelegt wurde. Ein solches Nebeneinander sei im Ensemble sonst nicht gegeben. Damit wird für den Senat deutlich, dass gegenüber den noch vorhandenen erdgeschossigen Anwesen und den zweigeschossigen Vorstadthäusern nur das Anwesen O … …str. … in der Lage ist, konkret die Entwicklung vom eingeschossigen Anwesen zum zweigeschossigen Gebäude ablesbar zu machen. Es ist damit nachvollziehbar, dass das Anwesen O … …str. … ein wesentliches mitprägendes Element im Ensemble „…siedlung“ ist. In diesem Einzelfall kommt somit nach Auffassung des Senats keine Wahlmöglichkeit des Eigentümers in Betracht, ob er ein eingeschossiges oder ein zweigeschossiges Gebäude als die Lücke schließenden angepassten Neubau errichten will. Vielmehr kommt hier nur ein angepasster Neubau in der Kubatur in Betracht, wie sie in Ziffer 1. des Bescheids der Beklagten vom 5. April 2018 beschrieben ist. Ein anderes Element zur Wiederherstellung des Ensembles „…siedlung“ ist an dieser wesentlichen Stelle nicht in Betracht zu ziehen.
2. Soweit der Kläger behauptet, der angefochtene Bescheid vom 5. April 2018 seit bereits deswegen ermessensfehlerhaft, da keine gewichtigen Gründe des Denkmalschutzes im Sinn von Art. 6 Abs. 2 BayDSchG vorlägen und er einen Anspruch auf eine Abbrucherlaubnis gehabt habe, ist dem nicht zu folgen.
Bei einer Wiederherstellungsverfügung auf der Grundlage des Art. 15 Abs. 4 BayDSchG ist zumindest im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu klären, ob der Eigentümer einen Anspruch auf eine Abbrucherlaubnis hinsichtlich des beseitigten Gebäudes gehabt hätte (vgl. BayVGH, B.v. 29.7.2013 – 14 ZB 11.398 – juris Rn. 8 – Beseitigung einer Solaranlage). Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf einen Aktenvermerk des Sozialreferats der Beklagten vom 29. Juli 2017 ausführt, dass man im Rahmen des Zweckentfremdungsverfahrens zur Entscheidung gelangt sei, dass die Bewohnbarkeit des Anwesens nicht mit objektiv-wirtschaftlichem und zumutbarem Aufwand wiederhergestellt werden könne, ist darauf hinzuweisen, dass ein Zweckentfremdungsverfahren und ein Denkmalschutzverfahren unterschiedlichen rechtlichen Ansätzen folgen. Gegen das Argument des Klägers, dass ihm die Erhaltung des Denkmals objektiv wirtschaftlich nicht zuzumuten sei, spricht bereits, dass im Jahr 2017 sowohl ein Antrag auf eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis als auch auf eine Baugenehmigung zu Sanierung und Umbau des Wohnhauses gestellt wurde. Die denkmalschutzrechtliche Erlaubnis wurde unter dem 28. Juli 2017 erteilt. Hierzu erklärte Oberkonservator Dr. K … vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege in der mündlichen Verhandlung des Senats, dass sich das Anwesen zum Zeitpunkt der denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis vom 28. Juli 2017 in einem sanierungsbedürftigen, aber nicht baufälligen Zustand befunden habe. Dies entwertet den nur einen Tag später erfolgten Aktenvermerk des Sozialreferats vom 29. Juli 2017, der auf einer städtebaulichen Beurteilung des Anwesens im Jahr 2016 beruhen soll. Denn die genannten Anträge im Jahr 2017 sowie die denkmalschutzrechtliche Erlaubnis vom 28. Juli 2017 sprechen deutlich für eine zumutbare Sanierungsmöglichkeit.
Hier sprechen auch gewichtige Gründe des Denkmalschutzes im Sinn von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands. Gewichtige Gründe des Denkmalschutzes im Sinn von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG sprechen beim beabsichtigten Abbruch eines denkmalgeschützten Gebäudes in der Regel für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands (vgl. BayVGH, U.v. 29.9.2007 – 1 B 00.2474 – juris; U.v. 16.1.2012 – 2 B 11.2408 – juris, B.v. 31.10.2012 – 2 ZB 11.1575 – juris; B.v. 20.12.2019 – 2 ZB 15.1869 – BayVBl 2017, 529). Dies hat auch für den Abbruch eines Gebäudes in einem Ensemble zu gelten, weil Ensembles den gleichen Schutz wie Einzelbaudenkmäler genießen und ensembleprägende Bestandteile – auch wenn sie keine Baudenkmäler sind – grundsätzlich erhalten werden sollen (vgl. U.v. 3.8.2000 – 2 B 97.1119 – juris; U.v. 3.1.2008 – 2 BV 07.67 – juris; B.v. 20.12.2016 – 2 ZB 15.1869 -, BayVBl 2017, 529; B.v. 28.8.2019 – 2 ZB 18.528 – BayVBl 2020, 57). Grundsätzlich ist daher bei Einzelbaudenkmälern und auch bei Ensembles davon auszugehen, dass stets ein Erhaltungsinteresse anzuerkennen ist und damit gewichtige Gründe für die Beibehaltung des bisherigen Zustands bestehen. Hieran hat sich durch die umstrittene Neufassung des Art. 1 Abs. 3 BayDSchG zum 1. Mai 2017, wonach Ensembles auch ohne jedwedes Einzelbaudenkmal bestehen können sollen, jedenfalls insoweit nichts geändert als – wie hier – Ensembles mit Einzelbaudenkmälern vorliegen. Der vom Erstgericht angenommene spezielle Besonderheiten aufweisende Einzelfall ist demgegenüber vorliegend nicht gegeben. Im Gegenteil liegt hier – wie bereits oben unter Ziffer 1. ausgeführt – ein das Ensemble „…siedlung“ stark mitprägendes Anwesen vor. Ein solches Nebeneinander von noch vorhandenem eingeschossigem Gebäude, das mit einem danach aufgestockten anderen Gebäude zusammengelegt wurde, ist im Ensemble sonst nicht gegeben. Ein Teil der Entwicklung der „…siedlung“ ist hieraus deutlich ablesbar.
3. Die Störerauswahl durch die Beklagte ist ebenso wenig zu beanstanden. Art. 15 Abs. 4 BayDSchG enthält keine eigenständige Regelung zur Störerauswahl (a.A. in einem Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes, VG Ansbach, B.v. 30.7.2001 – AN 9 S 01.01049 – juris). Vielmehr gelten die allgemeinen Regelungen zur Inanspruchnahme eines Störers, wie sie aus dem Sicherheitsrecht bekannt sind. Zwar geht Art. 15 Abs. 4 BayDSchG davon aus, dass Handlungen ohne die erforderliche Erlaubnis, Baugenehmigung oder abgrabungsaufsichtliche Genehmigung durchgeführt wurden. Die Vorschrift knüpft aber die Rechtsfolgen nicht direkt an die Person des Handelnden an, sondern legt fest, dass die Untere Denkmalschutzbehörde verlangen kann, dass der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt wird, soweit dies noch möglich ist. Die Verwendung des Begriffs „Handlungen“ ist im Wesentlichen der Bezugnahme der Vorschrift auf die Erlaubnistatbestände der Art. 6, 7, 8 Abs. 2 und 10 Abs. 1 BayDSchG geschuldet. Im Gegensatz dazu erklärt Art. 15 Abs. 5 BayDSchG, wer widerrechtlich Bau- oder Bodendenkmäler oder eingetragene bewegliche Denkmäler vorsätzlich oder grob fahrlässig zerstört oder beschädigt, kann unabhängig von der Verhängung einer Geldbuße zur Wiedergutmachung des von ihm angerichteten Schadens bis zu dessen vollem Umfang verpflichtet werden. Diese Vorschrift geht demnach davon aus, dass derjenige, der eine Handlung begangen oder möglicherweise pflichtwidrig unterlassen hat, als Störer in Anspruch zu nehmen ist. Hierfür wird jedoch zusätzlich Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit verlangt. Zudem ermöglicht Art. 15 Abs. 5 BayDSchG weitergehende Forderungen zur Wiedergutmachung des angerichteten Schadens bis zu dessen vollem Umfang (vgl. Spennemann in Eberl/Spennemann/Schindler-Friedrich/Gerstner, BayDSchG, 8. Aufl. 2021, Art. 15 Rn. 51; Martin, BayDSchG, M … 2019, Art. 15 Rn. 51). Somit lässt Art. 15 Abs. 5 BayDSchG weitergehende Anforderungen gegenüber einem Handlungsstörer zu, während Art. 15 Abs. 4 BayDSchG auch den Zustandsstörer erfassen will. Dies ist auch unabdingbar – wie der vorliegende Fall zeigt -, falls ein Vorgehen gegen den Handlungsstörer nicht erfolgversprechend ist. Damit folgt Art. 15 Abs. 4 und 5 BayDSchG den allgemein aus dem Sicherheitsrecht bekannten unterschiedlichen Störerbegriffen. Somit kommen Anordnungen der Denkmalschutzbehörde zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands eines Denkmals auch gegenüber dem Zustandsstörer in Betracht (vgl. SächsOVG, U.v. 27.9.2018 – 1 A 187/18 – DVBl 2019, 1406 Rn. 90 ff. zu § 11 Abs. 2 SächsDSchG, der ebenfalls keinen bestimmten Störer als Adressaten der Anordnung benennt).
Erfolgt die Störerauswahl entsprechend den allgemeinen sicherheitsrechtlichen Vorschriften (vgl. Art. 9 LStVG), so gibt es keinen grundsätzlichen Vorrang des Handlungsstörers gegenüber dem Zustandsstörer oder umgekehrt. Auch bei Adressaten von denkmalschutzrechtlichen Maßnahmen ist ein derartiger Vorrang nicht gegeben (vgl. SächsOVG, U.v. 27.9.2018 – 1 A 187/18 – DVBl 2019, 1406 Rn. 93). Der Eigentümer als Zustandsstörer muss nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen stets als nachrangig Haftender angesehen oder wie ein Nichtstörer eingestuft werden, wenn er die Gefahr weder verursacht noch verschuldet hat (vgl. BVerfG, B.v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91, BVerfGE 102, 1).
Im vorliegenden Fall rügt der Kläger, dass die Beklagte es unterlassen habe, den Handlungsstörer bei der Adressatenauswahl für die denkmalschutzrechtliche Anordnung einzubeziehen. Damit ist der frühere Geschäftsführer der beauftragten Baufirma gemeint, der den Abriss des Gebäudes O … … straße … offensichtlich selbst vorgenommen hat. Hierin kann jedoch kein Ermessensfehler der Beklagten gesehen werden. Denn der Geschäftsführer der beauftragten Baufirma ist entgegen der Auffassung des Erstgerichts offensichtlich nicht als Adressat der denkmalschutzrechtlichen Wiederherstellungsanordnung in Betracht zu ziehen gewesen. Dieser hat mit einer eidesstattlichen Versicherung vom 16. Oktober 2017 zwar erklärt, dass er nicht vom Kläger zum Abriss des Gebäudes beauftragt worden sei. Gleichzeitig führt er aber aus, dass er zum Zeitpunkt des Abrisses aufgrund seiner psychischen Verfassung unzurechnungsfähig gewesen sei. Es liegt auf der Hand, dass die Beklagte bei ihrer Adressatenauswahl eine solche Person nicht berücksichtigen musste. Für die Behörde war nicht erkennbar, ob gegenüber dieser Person eine denkmalschutzrechtliche Wiederherstellungsanordnung in irgendeiner Form erfolgversprechend gewesen wäre. Zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses war es der Behörde nicht zuzumuten, in einem zeitaufwändigen Verfahren Untersuchungen zur psychischen Verfassung des früheren Geschäftsführers der Baufirma anstellen zu lassen. Hinzu kommt, dass der ehemalige Geschäftsführer der Baufirma nicht solvent ist. Die Firma ist zwischenzeitlich wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister gelöscht worden. Unbestritten ist der ehemalige Geschäftsführer verschuldet und arbeitet mittlerweile als angestellter Maurer. Ebenso wenig musste die Beklagte Nachforschungen betreiben, inwieweit eine Versicherung der Baufirma einspringen könnte. Hiergegen könnte bereits § 103 VVG sprechen, wonach ein Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet ist, wenn der Versicherte vorsätzlich und widerrechtlich den bei dem Dritten entstandenen Schaden herbeigeführt hat. Auch hier würde wieder dessen psychische Verfassung eine Rolle spielen. Nach allem kam der frühere Geschäftsführer der beauftragten Baufirma als Adressat der denkmalschutzrechtlichen Widerherstellungsanordnung grundsätzlich nicht in Betracht. Vielmehr hat die Beklagte ohne Rechtsfehler den Eigentümer des Grundstücks als Zustandsstörer herangezogen. Im vorliegenden Fall bot nur dieser Gewähr dafür, dass zuverlässig die Beendigung der Ensemblestörung durch den Wiederaufbau des fehlenden Gebäudes herbeigeführt werden kann. Die Heranziehung des nicht solventen Nichteigentümers hätte ein effektives Vorgehen beeinträchtigt und die Wiederherstellung in weite Ferne gerückt. Auch der erforderliche Abstimmungsbedarf zwischen Nichteigentümer und Eigentümer des Grundstücks hätte zumindest im vorliegenden Fall zu erheblichen Verzögerungen geführt.
Entgegen der Auffassung des Erstgerichts sprach auch nicht für die Heranziehung des Handlungsstörers, dass die Behörde dann nach § 15 Abs. 5 BayDSchG hätte vorgehen können. Die Beklagte hat sich vorliegend ohne Rechtsfehler für ein Vorgehen nach § 15 Abs. 4 BayDSchG entschieden. Denn gegenüber dem früheren Geschäftsführer der beauftragten Baufirma hätte die Behörde Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nachweisen müssen. Dies wäre angesichts seiner Erklärung zu seiner psychischen Verfassung im Zeitpunkt der Zerstörung des Gebäudes mit erheblichen Unwägbarkeiten behaftet gewesen. Eine Vorrangigkeit des Vorgehens nach § 15 Abs. 5 BayDSchG kann damit nicht gesehen werden. Im Zweifel entscheidet die Untere Denkmalschutzbehörde, ob sie eine Wiederherstellung oder eine Wiedergutmachung verlangen will. Hierbei können die Erfolgsaussichten einer entsprechenden Anordnung gegenüber dem jeweiligen Störer eine entscheidende Rolle spielen.
4. Die Aufforderung gegenüber dem Kläger einen genehmigungsfähigen Bauantrag einzureichen, ist ebenso wenig zu beanstanden (Art. 76 Satz 3 BayBO). Insbesondere im vorliegenden Fall hat die Behörde ein gewichtiges Interesse, die Einhaltung des materiellen Baurechts und des Denkmalschutzrechts kontrollieren zu können. Eine Baugenehmigung nach Art. 68 BayBO ist als Basis für die Errichtung der baulichen Anlage gemäß Art. 55 Abs. 1 BayBO erforderlich. Sie entfällt nicht aufgrund der hier angegriffenen Ziffer 1. der denkmalschutzrechtlichen Anordnung vom 5. April 2018 nach Art. 15 Abs. 4 BayDSchG. Die Wiederherstellungsanordnung in Ziffer 1. deckt nicht alle öffentlich-rechtlichen Anforderungen ab (Art. 59 Satz 1 BayBO). Die Ziffern 2. und 3. der Wiederherstellungsanordnung sind aufgehoben (s.u. Ziffer 5.).
5. Dagegen sind die Anordnungen in Ziffern 2. und 3. sowie in Ziffer 5., soweit Zwangsgelder hinsichtlich der Ziffern 2. und 3. angedroht werden, des Bescheids vom 5. April 2018 rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Wie oben (Ziffer 1.) festgestellt, kann die Beklagte auf der Grundlage von Art. 15 Abs. 4 BayDSchG nur verlangen, dass der Kläger durch die Errichtung eines angepassten Neubaus die durch den Abbruch entstandene Baulücke gefüllt und der damit beeinträchtigte Denkmalbereich auf bestmögliche Weise ergänzt wird, wie dies Ziffer 1. des angefochtenen Bescheids vorsieht. Hingegen kann sie den Kläger nicht zwingen, im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau des Gebäudes die auf dem Grundstück noch vorhandenen beiden Giebelwände und den verbliebenen Keller zu erhalten, in Stand zu setzen, gegebenenfalls zu ergänzen und in das zu errichtende Bauwerk zu integrieren (Ziffer 2. des Bescheids) sowie die bei der Grundstücksräumung gesicherten historischen Mauerziegel für den Wiederaufbau zu verwenden und in Abstimmung mit der Unteren Denkmalschutzbehörde an geeigneter Stelle in das zu errichtende Bauwerk einzubauen (Ziffer 3. des Bescheids). Denn dies ist zum ensemblegerechten Wiederaufbau des Gebäudes nicht erforderlich. Vielmehr würden durch die genannten Anordnungen in Ziffern 2. und 3. des Bescheids vom 5. April 2018 Maßnahmen in Richtung einer Wiederherstellung des Einzelbaudenkmals im Sinn von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG verlangt. Dies entspricht jedoch nicht der in Ziffer 1. des Bescheids niedergelegten Intention zum Wiederaufbau des Gebäudes lediglich zur Wiederherstellung des Ensembles „…siedlung“. Demgemäß waren die Ziffern 2. und 3. sowie die ihnen zugeordneten Zwangsgeldandrohungen in Ziffer 5. des Bescheids vom 5. April 2018 aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinn von § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.


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