Baurecht

Erfolglose Klage auf Erteilung einer Fällgenehmigung zur Errichtung eines Stellplatzes, Keine überwiegenden Gründe des allgemeinen Wohls, Keine nicht beabsichtigte Härte im Einzelfall

Aktenzeichen  AN 11 K 19.01649

Datum:
29.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 21837
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BaumSchVO der Stadt …
Art. 56 BayNatSchG
BNatSchG § 67

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

A.
Gegenstand der Klage ist – unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 29. Juli 2019 – im Hauptantrag das Ziel zur Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der Genehmigung für die Fällung eines Walnussbaumes und einer Kastanie und im Hilfsantrag das Begehren der Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung des Antrags des Klägers vom 17. Juni 2019 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.
Die Klage ist im Haupt- und auch im Hilfsantrag zulässig, insbesondere statthaft als Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO (Hauptantrag) bzw. § 42 Abs. 1 Alt. 2, § 115 Abs. 5 Satz 2 VwGO (Hilfsantrag). Die Monatsfrist des § 74 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 VwGO wurde mit der am 26. August 2019 eingegangenen Klage gegen den Bescheid vom 29. Juli 2019 eingehalten. Die übrigen Prozessvoraussetzungen sind unproblematisch gegeben.
B.
Die Klage bleibt jedoch insgesamt ohne Erfolg, da dem Kläger kein Anspruch auf Fällgenehmigung im Sinne einer Spruchreife nach § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO zusteht. Ebenso hat der Kläger keinen Anspruch auf Neubescheidung nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO. Da es, wie nachfolgend aufgezeigt, bereits an den tatbestandlichen Kriterien für eine Fällgenehmigung fehlt, können die Argumente zum Haupt- und zum Hilfsantrag zusammengefasst dargestellt werden.
I.
Zwar bestehen hinsichtlich der Passivlegitimation der Beklagten i.S.v. § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO keine Bedenken, auch bestehen im Hinblick auf die formelle Begründetheit keine Anspruchshindernisse. Der Kläger hat die begehrte Befreiung vom Verbot des § 3 der Verordnung zum Schutz des Baumbestandes der Stadt … und Ortsteilen (nachfolgend: BaumSchVO) mit Formular vom 17. Juni 2019 bei der Beklagten beantragt.
II.
In materieller Hinsicht besitzt der Kläger jedoch weder einen spruchreifen Anspruch auf Fällgenehmigung für die zwei Bäume noch einen Anspruch auf Neubescheidung über den Antrag auf Befreiung.
Das Grundstück des Klägers liegt innerhalb des in § 1 Abs. 3 BaumSchVO umschriebenen räumlichen Geltungsbereichs der Verordnung. Verstöße der BaumSchVO gegen höherrangiges Recht wurden nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich. Nach § 1 Abs. 1 BaumSchVO sind Bäume ab 60 cm Stammumfang in 1 m Höhe unter Schutz gestellt. Bei den streitgegenständlichen Bäumen mit einem Stammumfang von jeweils ca. 90 cm (Angaben des Klägers im Antragsformular) handelt es sich daher um geschützte Bäume i.S.d. § 1 Abs. 1 BaumSchVO. Eine Ausnahme nach § 1 Abs. 2 BaumSchVO ist nicht ersichtlich, insbesondere sind Walnussbäume ausdrücklich nicht vom Ausnahmetatbestand für Obstbäume umfasst (§ 1 Abs. 2 lit. b BaumSchVO). Nach § 3 Abs. 1 BaumSchVO ist es verboten, die geschützten Baumbestände und Einzelbäume oder Teile von ihnen zu beschädigen, zu entfernen oder in ihrem Weiterbestand zu beeinträchtigen. Die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen eine Befreiung vom Verbot nach § 3 Abs. 1 BaumSchVO erteilt werden kann, sind in § 4 BaumSchVO normiert. Keiner der dort genannten Genehmigungstatbestände ist jedoch vorliegend erfüllt.
1.
Es sind keine überwiegenden Gründe des allgemeinen Wohls ersichtlich, die die Befreiung erfordern würden (§ 4 Abs. 1 lit. a BaumSchVO). Der Kläger erklärte in der mündlichen Verhandlung, dass der Kastanienbaum relativ viele Blätter habe, die den Wasserablauf verstopften. Der Walnussbaum soll gefällt werden, um einen Stellplatz auf dem Grundstück des Klägers realisieren zu können. Bei diesen Gründen handelt es sich nicht um Gründe des allgemeinen Wohls, sondern um private Interessen des Klägers. Die erstmals mit Schriftsatz vom 14. Juli 2021 geäußerte Befürchtung des Klägers, dass sich durch das erhöhte Wurzelwerk des Walnussbaumes die Gefahr der vollständigen Entwurzelung bei starkem Wind bzw. Sturm ergebe, ist ebenfalls nicht geeignet, überwiegende Gründe des allgemeinen Wohls darzulegen. Die Möglichkeit, dass ein Baum bei einem Sturm entwurzelt wird, gehört zum allgemeinen Lebensrisiko. Zudem handelt es sich lediglich um die nicht substantiierte Behauptung einer abstrakten Gefahr.
2.
Eine offenbar nicht beabsichtigte Härte i.S.d. § 4 Abs. 1 litb BaumSchVO ist ebenfalls nicht ersichtlich, insbesondere führt das Fällverbot nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Bestandes oder der Nutzbarkeit eines vorhandenen Gebäudes (§ 4 Abs. 1 litb Nr. 2 BaumSchVO).
Hinsichtlich des Kastanienbaumes ist auszuführen, dass der Verlust der Blätter im Herbst ein natürlicher Vorgang ist, mit dessen Folgen sich jeder Baumeigentümer auseinandersetzen muss. Ein durch Blätter verstopfter Wasserablauf mag eine Unannehmlichkeit sein, nicht jedoch eine nicht beabsichtigte Härte.
Hinsichtlich des Walnussbaumes ist auszuführen, dass aus den vom Kläger vorgelegten Fotos bzw. aus dem Lageplan schon nicht ersichtlich wird, warum der Walnussbaum zwingend zur Errichtung eines Stellplatzes gefällt werden muss. Der Beklagtenvertreter führte in der mündlichen Verhandlung zutreffend aus, dass links neben der Garage Platz bestehe, um dort zu parken. Letztlich kann die Frage, ob auch ohne Fällung des Walnussbaumes neben der Garage geparkt werden kann, jedoch mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen. Ebenso ist es nicht entscheidungserheblich, ob der Kläger aufgrund eines festgesetzten Überschwemmungsgebiets nirgendwo anders auf seinem Grundstück einen Stellplatz errichten kann. Wie auf den Fotos und dem Lageplan ersichtlich, hat der Kläger bereits eine große Garage auf seinem Grundstück. Das Fällverbot führt nicht deshalb zu einer unbeabsichtigten Härte, da der Kläger – wie er selbst in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat – die Garage nicht komplett für seine Fahrzeuge nutzen kann, weil er dort Gartengeräte und Ähnliches lagere. Die vom Kläger als unerträglich empfundene Parkplatzsituation ist bei objektiver Betrachtung bei weitem nicht von derartigem Gewicht, dass man das Verbot der Fällung des Walnussbaumes als unzumutbare Beeinträchtigung der Nutzbarkeit des klägerischen Grundstücks ansehen müsste. Der Kläger führte selbst aus, dass es auf der öffentlichen Straße FlNr. … acht eingezeichnete Parkplätze gebe. Zudem hat der Kläger – wie bereits ausgeführt – eine große Garage direkt neben dem Walnussbaum. Sollte dennoch zu bestimmten Tageszeiten kein freier Stellplatz in unmittelbarer Nähe verfügbar sind, ist es dem Kläger bzw. seinen Mietern zuzumuten, einen öffentlichen Stellplatz zu suchen, der möglicherweise etwas weiter vom Grundstück entfernt ist. Zudem bleibt es dem Kläger unbenommen, seine Gartengeräte woanders zu lagern, sodass seine Garage ihre eigentliche Funktion als Unterstand für Kraftfahrzeuge erfüllen kann. Möglicherweise würde dies auch insgesamt zu einer Entlastung der öffentlichen Parkplätze beitragen. In diesem Kontext ist darauf hinzuweisen, dass Art. 14 GG keine ungehinderte privatnützige Verwendung des Eigentums garantiert, sondern dass es nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Aufgabe des Gesetzgebers ist, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen. Bei der Baumschutzverordnung der Beklagten handelt es sich um eine solche zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung.
Schließlich ergibt sich eine unzumutbare Beeinträchtigung auch nicht aufgrund der vom Kläger mit Schriftsatz vom 14. Juli 2021 geschilderten Gefahr der vollständigen Entwurzelung des Walnussbaumes bei starkem Wind bzw. Sturm. Bei dieser – im Übrigen nicht substantiiert vorgetragenen – Gefahr handelt es sich um ein allgemeines Lebensrisiko. Die Gefahr ist im vorliegenden Fall nicht derart hoch und gravierend, dass man zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung kommen müsste. Der Kläger hat lediglich eine abstrakte Gefahr geltend gemacht. Konkrete Schadensfälle wurden nicht dargelegt. Der Erlaubnistatbestand ist daher nicht erfüllt.
Die vom Kläger vorgetragenen Beeinträchtigungen stellen auch bei einer Gesamtbetrachtung und -würdigung keine Belastung dar, die sich zu einer nicht beabsichtigten Härte i.S.d. § 4 BaumSchVO i.V.m. § 56 BayNatschG i.V.m. § 67 BNatSchG verdichten würde. Die Gewährung einer Befreiung kommt nur in vom Normgeber nicht bedachten atypischen Fallkonstellation aufgrund einer Einzelfallprüfung in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 8.12.2014 – 14 ZB 12.1943 – juris Rn. 10; B.v. 9.11.2012 – 14 ZB 11.1597 – juris Rn. 16). Ein atypischer Fall in diesem Sinne ist vorliegend auch bei einer Gesamtbetrachtung fernliegend.
3.
Da schon die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Befreiung vom Fällverbot nicht vorliegen, kommt es auf die vom Kläger vorgebrachten Möglichkeiten einer Ersatzpflanzung nicht an.
4.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt geht zurück auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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