Baurecht

Erfolglose Klage gegen Baueinstellungsanordnung gegen Kleinwindkraftanlage

Aktenzeichen  RO 7 K 14.624

Datum:
14.1.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 119084
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 55 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1 Nr. 3b, Art. 75 Abs. 1 S. 1
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3

 

Leitsatz

1 Bei nicht genehmigungspflichtigen Vorhaben ist für die Baueinstellung im Regelfall die materielle Baurechtswidrigkeit erforderlich, bei genehmigungspflichtigen Vorhaben reicht für die Anordnung die formelle Baurechtswidrigkeit aus, also der Umstand, dass für das Vorhaben keine Genehmigung vorliegt. (Rn. 12) (red. LS Andreas Decker)
2 Bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 75 Abs. 1 S. 1 BayBO kann und soll regelmäßig eine Baueinstellungsverfügung ergehen (sogenanntes intendiertes oder Regelermessen). An die Ermessensausübung sind in solchen Fällen nur geringe Anforderungen zu stellen. (Rn. 17) (red. LS Andreas Decker)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Landratsamts vom 26.3.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die Baueinstellungsverfügung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 75 Abs. 1 Satz 1 der Bayerischen Bauordnung – BayBO. Nach dieser Vorschrift kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet werden. Eine Baueinstellung kommt dabei bei nicht genehmigungspflichtigen Vorhaben ebenso in Betracht wie bei genehmigungspflichtigen. Bei nicht genehmigungspflichtigen Vorhaben ist für die Baueinstellung im Regelfall die materielle Baurechtswidrigkeit erforderlich, bei genehmigungspflichtigen Vorhaben reicht für die Anordnung die formelle Baurechtswidrigkeit aus, also der Umstand, dass für das Vorhaben keine Genehmigung vorliegt.
Im vorliegenden Fall wurde das Bauvorhaben des Klägers ohne die nach Art. 55 Abs. 1 BayBO erforderliche Baugenehmigung errichtet. Denn die Kleinwindkraftanlage ist aufgrund ihrer Höhe nicht genehmigungsfrei nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 3 b) BayBO.
Unerheblich ist insoweit, ob das Vorhaben nach entsprechender Prüfung als genehmigungsfähig zu beurteilen ist oder nicht. Das präventive Bauverbot mit Erlaubnisvorbehalt hat gerade den Zweck, eine sachgerechte Prüfung im Genehmigungsverfahren vor der Errichtung von Bauvorhaben, also vor der Schaffung vollendeter Tatsachen, sicherzustellen. Der formelle Verstoß gegen die Baugenehmigungspflicht ist für die Baueinstellung daher ausreichend.
Das Vorhaben des Klägers ist auch nicht offensichtlich genehmigungsfähig, was zu einer Ausnahme vom vorgenannten Grundsatz führen kann. Das Vorhaben ist nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB zwar privilegiert im Außenbereich zulässig, jedoch ist fraglich, ob ihm öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB entgegen stehen. Dass dies hier nicht von vornherein ausgeschlossen ist, liegt auf der Hand. Dies zeigen auch die ablehnenden Stellungnahmen der Gemeinde und der Fachstellen, die sich im Genehmigungsverfahren geäußert haben. In Betracht kommen namentlich z.B. Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie des Orts- und Landschaftsbildes (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB), schädliche Umwelteinwirkungen durch Lärm für die benachbarte Wohnbebauung (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB), Belange der Denkmalpflege (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) oder Darstellungen des Landschaftsplans, der südlich …, wo die Anlage errichtet werden soll, Bereiche vorsieht, die von Bebauung frei zu halten sind (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB).
Die Baueinstellungsverfügung ist auch zu Recht an den Kläger gerichtet, weil er als Bauherr und Grundstückseigentümer sowohl Handlungswie auch Zustandsstörer ist.
Der Bescheid enthält auch die erforderliche Ermessensausübung und -begründung (vgl. Art. 39 Abs. 1 Satz 2 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG). Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO räumt der Bauaufsichtsbehörde zwar bei der Einstellung von Bauarbeiten ein Ermessen ein, das aber entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben ist; das Landratsamt muss deshalb besonders darauf bedacht sein, bereits die Entstehung baurechtswidriger Zustände durch ein rechtzeitiges und wirksames Einschreiten zu verhindern. Dies bedeutet, dass bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen regelmäßig eine Baueinstellungsverfügung ergehen kann und soll (sogenanntes intendiertes oder Regelermessen). An die Ermessensausübung sind in solchen Fällen nur geringe Anforderungen zu stellen (BayVGH, B.v. 2.8.2000 – 1 ZB 97.2669 – juris Rn. 5). Das Landratsamt hat das intendierte Ermessen des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO ausgeübt und beanstandungsfrei keine Ausnahme gesehen.
Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung wurden nicht vorgetragen und sind auch nicht erkennbar. Dies gilt auch für die Höhe des Zwangsgeldes (Art. 31 Abs. 2 VwZVG). Mit der für sofort vollziehbar erklärten Baueinstellung lag auch ein vollstreckbarer Grundverwaltungsakt im Sinne von Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG vor.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
Die Zulassung der Berufung war nicht veranlasst, Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO sind nicht ersichtlich.


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