Baurecht

Erhebung einer Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag

Aktenzeichen  W 3 K 17.1166

Datum:
20.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 33323
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 5 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 5
Stadt Würzburg, Ausbaubeitragssatzung vom 10. Juli 2007, zuletzt geändert am 5. August 2016

 

Leitsatz

1 Bei der Aufteilung des beitragsfähigen Aufwandes in der Ausbaubeitragssatzung als Eigentümeranteil und als Gemeindeanteil ist der Vorteil für die Allgemeinheit angemessen zu berücksichtigen. Ist der gemeindliche Anteil so hoch bemessen, dass die Gemeinde ihrer gesetzlichen Beitragserhebungspflicht im Sinne eines Teil-Verzichts nicht nachkommt, ist der Anteil zu Gunsten der Eigentümer fehlerhaft.  (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Regelung in der Ausbaubeitragssatzung, die den Gemeindeanteil für Fußgängergeschäftsstraßen auf 55 v. H. festsetzt, ist nicht vorteilsgerecht und deshalb nichtig, weil sie nicht hinreichend berücksichtigt, dass Fußgängerzonen prinzipiell überwiegend dem Anliegerverkehr dienen.  (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 29. August 2017 bezüglich der Erhebung einer Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag für die K …straße zu Lasten von Grundstück Fl.Nr. …1/1 der Gemarkung W … wird aufgehoben.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid vom 29. August 2017, mit welchem die Beklagte die Klägerin als Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. …1/1 der Gemarkung W … zu einer Vorauszahlung auf den Beitrag für die Erneuerung und Umgestaltung der K …straße in Höhe von 130.496,73 EUR heranzieht.
Die zulässige Klage ist begründet. Der angegriffene Bescheid erweist sich als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil für die Bestimmung der Eigenbeteiligung der Beklagten an den beitragsfähigen Kosten keine wirksame Rechtsgrundlage vorhanden ist.
Dies ergibt sich aus Folgendem:
Anwendung findet nach der Übergangsvorschrift des Art. 19 Abs. 7 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG) in der Fassung vom 26. Juni 2018 (GVBl. S. 449) dieses Gesetz in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung (der Bek. vom 4.4.1993, GVBl. S. 264, zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.12.2016, GVBl. S. 351).
Gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG können die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern und den Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Zu diesen Einrichtungen zählen auch Gemeindestraßen im Sinne des Art. 46 BayStrWG i.d.F. der Bekanntmachung vom 5. Oktober 1981 (BayRS 91-1-I), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Juli 2017 (GVBl. S. 375) und Fußgängerbereiche als beschränkt-öffentliche Wege im Sinne des Art. 53 Nr. 2 BayStrWG.
Für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen sollen gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG solche Beiträge erhoben werden, soweit nicht Erschließungsbeiträge nach dem Baugesetzbuch zu erheben sind.
Rechtsgrundlage für die Erhebung einer Vorauszahlung ist Art. 5 Abs. 5 KAG, ohne dass es einer ortsrechtlichen Umsetzung durch die gemäß Art. 5 Abs. 1 KAG erhebungsberechtigte Körperschaft bedürfte. Danach dürfen Vorauszahlungen auf einen Beitrag verlangt werden, wenn – wie hier – mit der Ausführung der Maßnahmen begonnenen worden ist, für die der Beitrag erhoben werden soll.
Aus dem Wesen der Vorauszahlung als einer Zahlung vor Entstehung einer Beitragspflicht und aus der darin begründeten Abhängigkeit von einer künftigen Beitragsschuld nach Grund und Höhe fordert ihre Festsetzung jedoch das Vorhandensein einer gültigen Beitragsregelung in Gestalt einer Abgabesatzung nach Art. 2 Abs. 1 KAG, weil nur so die rechtlichen Voraussetzungen für die spätere Begründung einer Beitragspflicht geschaffen werden können (BayVGH, st. Rspr.; vgl. z.B. U.v. 1.6.2011 – 6 BV 10.2467 – BayVBl. 2012, 206 m.w.N.; Ecker, Kommunalabgaben in Bayern, Stand Januar 2014, Nr. 2.7.11.3).
Eine solche Regelung hat die Beklagte mit ihrer Satzung über die Erhebung von Beiträgen zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung von Straßen, Wegen, Plätzen, Grünanlagen und Kinderspielplätzen vom 10. Juli 2007, zuletzt geändert mit Satzung vom 5. August 2016, (ABS) geschaffen. Allerdings hält diese zumindest hinsichtlich der in § 7 Abs. 2 Ziffer 5 bestimmten Eigenbeteiligungen für Fußgängerbereiche einer inhaltlichen Überprüfung nicht stand und erweist sich deshalb zumindest insoweit als unwirksam, so dass sie keine tragfähige Grundlage für den streitgegenständlichen Bescheid bilden kann.
Für die Beteiligung der Gemeinde am Aufwand für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung unter anderem von Straßen und beschränkt-öffentlichen Wegen schreibt Art. 5 Abs. 3 Satz 1 KAG vor, dass in der Abgabesatzung eine solche vorzusehen ist, wenn die Einrichtung neben den Beitragspflichtigen nicht nur unbedeutend auch der Allgemeinheit zugutekommt. Nach Art. 5 Abs. 3 Satz 2 KAG muss die Eigenbeteiligung die Vorteile für die Allgemeinheit angemessen berücksichtigen. Satzungen nach Abs. 1 Satz 3 – also solche für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen – haben eine vorteilsgerecht abgestufte Eigenbeteiligung einheitlich für das gesamte Gemeindegebiet vorzusehen.
Dies bedeutet, dass der beitragsfähige Aufwand ausschließlich auf die Gruppe der Eigentümer und Erbbauberechtigten der an der Anlage gelegenen Grundstücke einerseits und auf die Gemeinde als „Repräsentantin“ der Allgemeinheit andererseits aufzuteilen ist (Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand: Januar 2016, Rn. 2121).
Auf der Grundlage dieser zwingend in der Ausbaubeitragssatzung umzusetzenden Vorschrift hat der Satzungsgeber darüber zu entscheiden, wie hoch der Eigentümeranteil und wie hoch der Gemeindeanteil sein soll. Dies ist – direkt oder indirekt – als bestimmter Prozentsatz zu bezeichnen (Driehaus/Raden, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, 10. Auflage 2018, § 34 Rn. 6). Auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KAG ist einziges Kriterium für die Aufteilung des beitragsfähigen Aufwandes auf die Grundstückseigentümer und die Gemeinde der „Vorteil für die Allgemeinheit“; dieser muss „angemessen“ berücksichtigt werden. Der Begriff „Vorteil“ meint in diesem Zusammenhang den wirtschaftlichen Vorteil (Driehaus, a.a.O., § 34 Rn. 4 m.w.N.; vgl. auch BayVGH, U.v. 29.10.1984 – 6 B 82A.2893 – VGH n.F. 37, 142, 143; U.v. 9.11.2016, – 6 B 15.2732 – juris Rn. 45). In diesem Zusammenhang spielt auch die Vorschrift des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG eine Rolle, wonach für die Verbesserung und Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen Beiträge erhoben werden „sollen“. Hiernach ist der Satzungsgeber in der Regel dazu verpflichtet, derartige Beiträge von den Eigentümern und Erbbauberechtigten der bevorteilten Grundstücke zu erheben. Dies gilt zunächst – wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 9. November 2016 (- 6 B 15.2732 – juris) entschieden hat – für die Frage, ob überhaupt Beiträge für den Ausbau von gemeindlichen Straßen erhoben werden. Die Verpflichtung zur Erhebung von Beiträgen muss jedoch auch in gleichem Maße Auswirkungen auf die Beantwortung der Frage haben, welcher Anteil des beitragsfähigen Aufwands auf die Grundstückseigentümer und welcher Anteil auf die Gemeinde als Repräsentantin der Allgemeinheit umzulegen ist. Ist es nämlich dem Satzungsgeber verwehrt, auf der Grundlage etwa sozialpolitischer oder finanzwirtschaftlicher Überlegungen zugunsten der Eigentümer und Erbbauberechtigten der von der beitragsfähigen Straßenbaumaßnahme bevorteilten Grundstücke auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen zur Gänze zu verzichten mit der Folge, dass die in Rede stehenden Mittel von anderen aufgebracht werden müssen oder zur Erfüllung anderer gemeindlicher Aufgaben fehlen (so BayVGH, U.v. 9.11.2016 – 6 B 15.2732 – juris LS 4), muss dies auch für die Bestimmung der Höhe des Anteils der Gemeinde als Repräsentantin der Allgemeinheit gelten. Eine diesbezüglich fehlerhafte Bestimmung dieses Anteils zu Gunsten der Eigentümer der anliegenden Grundstücke kann einem Teil-Verzicht der Gemeinde auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen gleich kommen; in diesem Fall ist sie auf der Grundlage des vorgenannten Urteils des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs unzulässig (vgl. hierzu auch Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Auflage, 2018, § 34 Rn. 11 m.w.N.). Anders gewendet: Der gemeindliche Anteil darf nicht so hoch bemessen sein, dass die Gemeinde der gesetzlichen Beitragserhebungspflicht nach Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG (a.F.) nicht mehr nachkommt.
Für die Bestimmung der Höhe des Vorteils der von der beitragsfähigen Straßenbaumaßnahme bevorteilten Grundstücke einerseits und der Allgemeinheit, repräsentiert durch die Gemeinde, andererseits unter Berücksichtigung der Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KAG hat der Bayer. Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 23. Oktober 1984 (- 6 B 82A.2893 – VGH n.F. 37, 142) Mindestvorgaben gemacht, die insbesondere die in Art. 5 Abs. 3 Satz 3 KAG vorgeschriebene „vorteilsgerecht abgestufte“ Eigenbeteiligung in den Blick nehmen. Hiernach hat der Satzungsgeber bei seiner Wertung zu berücksichtigen, ob und inwieweit den Anliegern durch ihre räumliche Beziehung zu der Straße und deren Inanspruchnahme ein Vorteil zuwächst und in welchem Umfang der Vorteil der Allgemeinheit sich hierdurch gegebenenfalls verringert. Entscheidendes Kriterium ist dabei das Maß der zu erwartenden Inanspruchnahme der ausgebauten Straße durch die Anlieger einerseits und durch die Allgemeinheit andererseits (vgl. auch Driehaus/Raden, a.a.O., § 34 Rn. 10). Um dem gerecht zu werden, hat der Satzungsgeber eine sachgerechte Typisierung der Gemeindestraßen vorzunehmen, um deren Verkehrsbedeutung insbesondere für die Allgemeinheit angemessen zu berücksichtigen. Denn die Verkehrsbedeutung ist bei der Abgrenzung zwischen dem individuellen Vorteil des Anliegers und dem Vorteil der Allgemeinheit und bei deren Abwägung gegeneinander das wichtigste Kriterium. In diesem Zusammenhang sieht es der Bayer. Verwaltungsgerichtshof als notwendig an, zumindest drei Straßenkategorien entsprechend der Verkehrsfunktion aufzustellen, nämlich Wohnstraßen, Straßen mit starkem innerörtlichen Verkehr und Durchgangsstraßen (BayVGH, U.v. 29.10.1984, a.a.O.). Denn die unterschiedliche Verkehrsfunktion der gemeindlichen Straßen bietet einen greifbaren Anhaltspunkt, den Vorteil der Allgemeinheit einzugrenzen. Zumindest bei den drei Grundtypen Anliegerstraße, innerörtliche Erschließungsstraße und Durchgangsstraße (vgl. Driehaus/Raden, a.a.O., § 34 Rn. 14: nunmehr in der Regel als Anliegerstraße, Haupterschließungsstraße und Hauptverkehrsstraße bezeichnet) ist, so der Bayer. Verwaltungsgerichtshof (U.v. 29.10.1984 – a.a.O.), die Beurteilung der Verkehrsbedeutung ohne offenkundige Schwierigkeiten zu vollziehen, wobei für die konkrete Einordnung die in der Satzung notwendigerweise enthaltene Beschreibung des jeweiligen Straßentyps heranzuziehen ist. In diesem vom Bayer. Verwaltungsgerichtshof vorgegebenen System ist notwendigerweise eine auf den Grundsätzen der Praktikabilität und der Typengerechtigkeit beruhende gewisse Pauschalierung mit der Tendenz zur Nichtberücksichtigung individueller Besonderheiten enthalten (Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Auflage 2018, § 34 Rn. 14).
Ergänzend zu diesen drei Grundtypen ist die Festlegung gesonderter Anteilssätze geboten für verkehrsberuhigte Mischflächen. Zudem ist die besondere Ausweisung eines Anteilssatzes für Fußgängerzonen zumindest empfehlenswert (Driehaus/Raden, a.a.O., § 34 Rn. 15 und 16), auch wenn diese der Sache nach den Straßen mit überwiegendem Anliegerverkehr gleichstehen (Driehaus/Raden, a.a.O., § 34 Rn. 18).
Auf dieser Grundlage hat der Satzungsgeber die entsprechenden Straßenkategorien zu bestimmen und ihnen – differenzierend nach Teileinrichtungen – eine angemessene Eigenbeteiligung der Gemeinde, orientiert an der Inanspruchnahme der Einrichtung durch die Allgemeinheit, zuzuordnen. Allerdings entziehen sich die aus Straßenbaumaßnahmen erwachsenden Vorteile einer rechnerisch exakten Bemessung von vornherein, sodass nur nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab vorgegangen werden kann (BayVGH, U.v. 16.8.2001 – 6 B 97.111 – juris Rn. 14), zumal die Bestimmung des Vorteils der jeweiligen Straßenkategorie gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 3 KAG die vorteilsgerecht abgestufte Eigenbeteiligung „einheitlich für das gesamte Gemeindegebiet vorzusehen“ hat.
Damit ist dem Satzungsgeber ein Bewertungsspielraum zuzubilligen, für den das Vorteilsprinzip allerdings Grenzen, sowohl eine Oberwie auch eine Untergrenze, vorgibt (Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Auflage 2018, § 34 Rn. 10).
Für die entsprechende Vorteilsabwägung hat der Satzungsgeber das Maß der schätzungsweise zur erwartenden Nutzung der Gesamtheit der Straßen der entsprechenden Straßenkategorie im Gemeindegebiet (vgl. Art. 5 Abs. 3 Satz 3 KAG) durch die Grundstückseigentümer einerseits und durch die Allgemeinheit andererseits gegenüber zu stellen und auf dieser Grundlage die jeweiligen Anteilssätze zu bestimmen (Driehaus, Erschließungs- und Straßenausbaubeitragsrecht in Aufsätzen, 2. Auflage 2009, Der Gemeindeanteil im Straßenausbaubeitragsrecht, S. 341 ff., 344).
In dieser Hinsicht ist – zunächst bezogen auf die Teil-Einrichtung Fahrbahn, aber auch hinsichtlich der weiteren Teileinrichtungen – zu beachten, dass der Ziel- und Quellverkehr der angrenzenden Grundstücke das kennzeichnende Moment für den Anliegerverkehr bildet. Demgegenüber dienen Hauptverkehrsstraßen ganz überwiegend dem Durchgangsverkehr, so dass dieser für die Bestimmung des diesbezüglichen gemeindlichen Anteils maßgeblich ist. Damit drängt sich auf, dass sich bei Haupterschließungsstraßen Anlieger- und Durchgangsverkehr in etwa als gleichwertig erweisen (BayVGH, U.v. 9.2.2012 – 6 B 10.865 – juris Rn. 18; U.v. 21.1.1993 – 6 B 90.510 – juris, Driehaus/Raden, a.a.O., § 34 Rn. 44). Dabei geht es nicht um rechnerisch exakte Größenordnungen, sondern, wie es dem Grundsatz der Typengerechtigkeit entspricht, um einen Schwerpunkt der Straßennutzung. Allgemein in diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass Anliegerverkehr im Sinne der genannten Vorschriften nicht allein derjenige Verkehr ist, der von und zu den direkt an der ausgebauten Straße anliegenden Grundstücken fließt; vielmehr ist auf den kleinräumigen Ziel- und Quellverkehr aus dem betreffenden Bauquartier abzustellen. Bei diesem Verkehr aus dem kleinräumigen Umfeld handelt es sich nicht um „durchgehenden innerörtlichen Verkehr“, wie er zur Einstufung als Haupterschließungsstraße oder Hauptverkehrsstraße erforderlich wäre. Er ist vielmehr dem Anliegerverkehr zuzuordnen. Denn in der durch das Gesetz vorgeschriebenen Abstufung der Straßenkategorien ist eine an einem Grobraster orientierte, die Verkehrsunterschiede betonende und daher an die Merkmale kleinräumig, innerörtlich durchgehend und überörtlich durchführend anknüpfende Aufteilung angelegt, die durch eine starr auf die einzelne Einrichtung bezogene Beurteilung verwischt wird (vgl. BayVGH, U.v. 9.2.2012 – 6 B 10.865 – juris Rn. 20 m.w.N.; B.v. 27.7.2012 – 6 ZB 12.796 – juris Rn. 11).
Innerhalb dieses Rahmens schließt der schon oben genannte dem Satzungsgeber zustehende Beurteilungsspielraum nach der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (vgl. U.v. 9.9.2015 – 6 A 10447/15 – KStZ 2016, 74, 75) eine geringe Bandbreite (+/- 5 v.H.) mehrerer vertretbarer Vorteilssätze ein, die einen Ausgleich für die insbesondere tatsächliche Unsicherheit bieten soll, welche mit der Bewertung der Anteile des Anliegersowie des Durchgangsverkehrs zwangsläufig verbunden ist (vgl. hierzu auch Driehaus/Raden, a.a.O., § 34 Rn. 10 m.w.N.).
Die Mustersatzung des Bayer. Gemeindetages (Thimet, Kommunalabgaben- und Ortsrecht in Bayern, Stand: Januar 2018, Teil VI Ziff. 2.16) definiert als Anliegerstraßen die Straßen, die ganz überwiegend der Erschließung der Grundstücke dienen (§ 6 Abs. 3 Nr. 1); für diese ist ein für alle Teileinrichtungen einheitlicher Gemeindeanteil in Höhe von 20 v.H. vorgesehen (§ 6 Abs. 2 Nr. 1.1). Haupterschließungsstraßen sind definiert als Straßen, die der Erschließung von Grundstücken und gleichzeitig dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr dienen und nicht Hauptverkehrsstraßen sind (§ 6 Abs. 3 Nr. 2); für diese ist bezüglich der Fahrbahn ein Gemeindeanteil von 50 v.H., für die anderen Teileinrichtungen ein solcher in Höhe von 35 v.H. vorgesehen (§ 6 Abs. 2 Nr. 1.2). Hauptverkehrsstraßen sind definiert als Straßen, die ganz überwiegend dem durchgehenden innerörtlichen und/oder überörtlichen Durchgangsverkehr dienen (§ 6 Abs. 3 Nr. 3); für sie ist ein Gemeindeanteil in Höhe von 70 v.H. (Fahrbahn) bzw. 45 v.H. (sonstige Teileinrichtungen) bestimmt (§ 6 Abs. 2 Nr. 1.3).
Weiterhin definiert die Mustersatzung Fußgängerbereiche als Straßen, die in ihrer ganzen Breite dem Fußgängerverkehr dienen, auch wenn eine (zeitweise) Nutzung mit Kraftfahrzeugen zugelassen ist (§ 6 Abs. 3 Nr. 5). Für Fußgängerbereiche ist ein Gemeindeanteil von 40 v.H. vorgesehen (§ 6 Abs. 2 Nr. 5).
Die hierzu vorhandene Rechtsprechung billigt in der Regel – unter anderem auch abhängig von der Definition der einzelnen Straßenkategorien in der konkreten Satzung – bezogen auf die Fahrbahn (anders zum Teil bei den weiteren Teileinrichtungen) bei Anliegerstraßen Gemeindeanteile in Höhe von 20 v.H. bis 40 v.H., bei Haupterschließungsstraßen von etwa 40 v.H. bis 60 v.H. und bei Hauptverkehrsstraßen von 70 v.H. bis 80 v.H. (Matloch/ Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand: Januar 2016, Rn. 2121; Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Auflage 2018, § 34 Rn. 23; BayVGH, U.v. 4.2.2005 – 6 ZB 02.319 – juris Rn. 21; VG Ansbach, U.v. 14.11.2005 – AN 18 K 04.740 – BeckRS 2005.3411; VG Würzburg, U.v. 23.10.2014 – W 3 K 13.692 – juris). Allerdings wird durchgängig verlangt, dass bei Anliegerstraßen der Anliegeranteil den Gemeindeanteil deutlich übersteigt (Driehaus/Raden, a.a.O., § 34 Rn. 14 und Rn. 23).
Hinsichtlich Fußgängerzonen wird die Ansicht vertreten, dass hier die Anteilssätze der Grundstückseigentümer nicht höher als diejenigen für Anliegerstraßen sein dürfen (Driehaus/Raden, a.a.O., § 34 Rn. 18 m.w.N.). Zu beachten ist jedenfalls, dass Fußgängerzonen grundsätzlich überwiegend dem Anliegerverkehr dienen, denn bei einer Fußgängerzone handelt es sich um eine dem privaten und geschäftlichen Verkehr dienende Fläche, bei der die Fußgängerströme überwiegend durch die an diese Fläche angrenzenden gewerblich genutzten Grundstücke und durch die Platznutzung selbst verursacht werden. Der dadurch veranlasste Zielverkehr ist damit grundsätzlich dem Anliegerverkehr zuzuordnen. Dies schließt den Besuch auswärtiger Kunden ein; selbst durch eine Bushaltestelle ausgelöste Passantenströme sind dem Anliegerverkehr zuzuordnen (Driehaus/Raden, a.a.O., § 34 Rn. 30 m.w.N.).
Will der Satzungsgeber signifikant von den Durchschnittswerten abweichen, bewegt sich seine Entscheidung nur dann noch im durch das Vorteilsprinzip vorgesehenen (Bewertungs-)Rahmen, wenn er aufgrund valider Daten ermittelt hat, dass eine Abweichung gerechtfertigt ist (vgl. Driehaus/Raden, a.a.O., § 34 Rn. 23 unter Berufung auf das Satzungsmuster des Bayerischen Gemeindetags in BayGT 4/2002, Erläuterungen zu § 7).
Die Festsetzung des Gemeindeanteils durch den Satzungsgeber ist ein Akt der gemeindlichen Rechtssetzung. Sie kann deshalb wie jeder andere Gesetzgebungsakt gerichtlich nur daraufhin überprüft werden, ob die Gemeinde den durch das Vorteilsprinzip des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 bis 3 KAG gesteckten Rahmen überschritten hat; es handelt sich um eine „ortgesetzgeberische Ermessens- und Gestaltungsentscheidung“ (Driehaus/Raden, a.a.O., § 34 Rn. 7 m.w.N.). Dies beruht darauf, dass mangels exakter Berechenbarkeit nur von einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab ausgegangen werden kann, aus dem heraus dem Satzungsgeber ein Bewertungsspielraum zuzubilligen ist, der nicht voll der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Die Ermächtigung des Satzungsgebers, einen Spielraum auszuschöpfen, findet ihre rechtliche Grenze erst in den allgemeinen abgaberechtlichen Grundsätzen des Prinzips, dass der Beitrag einen Ausgleich für den Vorteil darstellen muss, der Verhältnismäßigkeit und des Willkürverbots (BayVGH, U.v. 16.8.2001 – 6 B 97.111 – juris Rn. 14; BVerwG, U.v. 10.6.1981 – 8 C 15.81 – BVerwGE 62, 300, 302; vgl. zu Bewertungsspielräumen der Verwaltung allgemein auch Rennert in Eyermann, VwGO, Kommentar 14. Auflage 2014, § 114 Rn. 51 ff.).
Auf dieser rechtlichen Grundlage und innerhalb des dem Gericht zustehenden Überprüfungsrahmens ergibt sich, dass die Beklagte zumindest in § 7 Abs. 2 Ziffer 5 ihrer Ausbaubeitragssatzung den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum überschritten hat.
Die Beklagte hatte zunächst in § 7 Abs. 4 ABS vom 10. Juli 2007 (in der am 28. Juni 2007 beschlossenen Fassung) insgesamt fünf Straßenkategorien festgelegt; die Definitionen der Straßenkategorien entspricht im Wesentlichen dem oben zitierten Wortlaut der Mustersatzung des Bayerischen Gemeindetages. In der nunmehr angewendeten Fassung der Ausbaubeitragssatzung vom 10. Juli 2007 vom 5. August 2016 hat die Beklagte in § 7 Abs. 4 Ziffer 6 zusätzlich die Straßenkategorie „Fußgängergeschäftsstraße“ hinzugefügt und diese definiert als „Fußgängerbereich, in denen die Frontlänge der Grundstücke mit Ladengeschäften im Erdgeschoss überwiegt“. Diesen Straßenkategorien hat die Beklagte in § 7 Abs. 2 ABS bestimmte Eigenbeteiligungen zugeordnet. Hinsichtlich der Fußgängerbereiche unterscheiden sich diese in der ursprünglichen Fassung der Ausbaubeitragssatzung vom 10. Juli 2007 und in der nunmehr angewendeten Fassung der Änderung vom 5. August 2016 wie folgt:
„Während die Ausbaubeitragssatzung vom 10. Juli 2017 unter § 7 Abs. 2 Ziffer 6 für „verkehrsberuhigte Straßen oder Fußgängerbereiche“ eine Eigenbeteiligung der Beklagten von 30 v.H. vorgesehen hat, ist in der nunmehr angewendeten Fassung vom 5. August 2016 eine Differenzierung vorgesehen: Für verkehrsberuhigte Straßen gilt eine Eigenbeteiligung von 35 v.H. (§ 7 Abs. 2 Ziffer 1.4 ABS), für Fußgängerbereiche als Fußgängergeschäftsstraßen eine solche von 55 v.H. (§ 7 Abs. 2 Ziffer 5 a) ABS), als Fußgängergeschäftsstraße mit Schienenverkehr in Höhe von 60 v.H. (§ 7 Abs. 2 Ziffer 5 b) ABS) und für die Fußgängerbereiche als sonstiger Fußgängerbereich eine Eigenbeteiligung von 40 v.H. (§ 7 Abs. 2 Ziffer 5 c) ABS).“
Die für den vorliegenden Fall angewendeten Eigenbeteiligungen in der Kategorie „Fußgängerbereiche“ der Ausbaubeitragssatzung in der Fassung der Änderung vom 5. August 2016 sind fehlerhaft.
Problematisch erscheint im vorliegenden Fall schon die Tatsache, dass die Beklagte im Rahmen der Definitionen der einzelnen Straßenkategorien in § 7 Abs. 4 ABS unter Ziffer 5. Fußgängerbereiche und unter Ziffer 6. Fußgängergeschäftsstraßen definiert, im Rahmen der Festlegung der Eigenbeteiligungen in § 7 Abs. 2 ABS jedoch unter dessen Ziffer 5. b) die zusätzliche Kategorie „Fußgängerbereiche als Fußgängergeschäftsstraße mit Schienenverkehr“ verwendet, dies additiv zu den Kategorien „Fußgängergeschäftsstraße“ und „sonstiger Fußgängerbereich“. Ob diese Inkompatibilität zwischen § 7 Abs. 4 Ziffern 5 und 6 ABS einerseits und § 7 Abs. 2 Ziffer 5 ABS andererseits zur (Teil-)Nichtigkeit dieser Vorschriften führt, kann offenbleiben; denn die in § 7 Abs. 2 Ziffer 5. a) und b) ABS festgelegten Eigenbeteiligungen der Beklagten sind fehlerhaft und führen zunächst zur Teilnichtigkeit dieser Vorschriften.
Dies ergibt sich daraus, dass die Ausbaubeitragssatzung für Fußgängergeschäftsstraßen 55 v.H. und für Fußgängergeschäftsstraßen mit Schienenverkehr 60 v.H. als Eigenbeteiligung der Beklagten festsetzt. Auch unter Berücksichtigung des dem Satzungsgeber zustehenden Bewertungsspielraums widersprechen diese Eigenanteile dem in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 bis Satz 3 KAG festgelegten Vorteilsprinzip.
Dies ergibt sich daraus, dass Fußgängerzonen prinzipiell überwiegend dem Anliegerverkehr dienen. Denn bei einer Fußgängerzone handelt es sich um eine dem privaten und geschäftlichen Verkehr dienende Fläche, bei der die Fußgängerströme überwiegend durch die an diese Fläche angrenzenden gewerblich genutzten Grundstücke und durch die Platznutzung selbst verursacht werden. Der dadurch veranlasste Zielverkehr ist damit grundsätzlich dem Anliegerverkehr zuzuordnen (so VGH Kassel, B.v. 29.6.1999 – 5 TZ 1251/99 – juris; vgl. auch Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Auflage 2018, § 34 Rn. 30 m.w.N.). Dies bedeutet also, dass eine Fußgängerzone von ihrem Zweck und Ziel her darauf angelegt ist, den motorisierten Verkehr grundsätzlich bis auf Ausnahmen zur Andienung der anliegenden Geschäfte und Wohnungen auszuschließen. Motorisierter Durchgangsverkehr ist hier also prinzipiell nicht gewollt. Weiterhin ist eine Fußgängerzone daraufhin angelegt, eine vom motorisierten Verkehr unbehelligte Aufenthaltsqualität zu schaffen; diese soll dazu animieren, die im Fußgängerbereich gelegenen Gewerbe-Betriebe zu nutzen, sei es zu direkten Einkaufszwecken in Geschäften oder zum Konsum in Gastronomiebetrieben, sei in es Form eines „Schaufensterbummels“ im Rahmen eines bloßen Aufenthalts in der Fußgängerzone. Ziele sind in allen derartigen Fällen die am Fußgängerbereich anliegenden Geschäfte und gastronomischen Einrichtungen. Dies gilt insbesondere auch für Fußgänger, die sich ohne direkte Konsum- oder Einkaufsziele in der Fußgängergeschäftsstraße aufhalten, denn ohne diese Gewerbebetriebe würden sie sich nicht in dieser Straße aufhalten. Damit wird deutlich, dass der Fußgängerbereich einer Anliegerstraße vergleichbar ist; denn auch er dient ganz überwiegend der Erschließung der anliegenden Grundstücke.
Demgegenüber ist ein Fußgängerbereich von seiner Funktion her nicht daraufhin ausgerichtet, Fußgänger-Durchgangsverkehr abzuwickeln. Fernwanderer nutzen Fußgängerbereiche erfahrungsgemäß kaum. Aber auch innerörtlicher Fußgänger-Durchgangsverkehr ist in Fußgängerbereichen eher selten zu finden. Hierbei ist zu beachten, dass es bei der Beantwortung der Frage, ob es sich um Anliegerverkehr oder um Durchgangsverkehr handelt, dem Anliegerverkehr auch der Verkehr aus dem kleinräumigen Umfeld zuzurechnen ist, der sein Ziel oder seine Quelle im betreffenden Bauquartier, nicht notwendigerweise also innerhalb der betreffenden Anlage selbst hat. Dies betrifft auch Haltestellen von öffentlichen Verkehrsmitteln, die nicht direkt im Bereich der Anlage, sondern innerhalb des kleinräumigen Quartiers gelegen sind und die von Nutzern des Fußgängerbereiches angesteuert werden. Demgegenüber sind Menschen, die innerhalb der Stadt weite Entfernungen zurücklegen wollen, eher nicht zur Fuß unterwegs, sondern nutzen die öffentlichen Verkehrsmittel. All dies macht deutlich, dass Fußgängergeschäftsstraßen im überwiegenden Umfang Ziel- und Quellverkehr und nur in geringem Maße Durchgangsverkehr aufnehmen. Dementsprechend muss – soll das Vorteilsprinzip gewahrt sein – der Anliegeranteil den Gemeindeanteil deutlich übersteigen. Da dies vorliegend nicht der Fall ist, erweist sich zunächst der Eigenanteil für Fußgängergeschäftsstraßen in Höhe von 55 v.H. als nicht vorteilsgerecht und damit als fehlerhaft und teilnichtig.
Gleiches gilt auch für den Eigenanteil für Fußgängergeschäftsstraßen mit Schienenverkehr in Höhe von 60 v.H. Hier kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, beim Schienenverkehr handle es sich um Durchgangsverkehr. Bei einem derartigen Schienenverkehr kann es sich der Sache nach nur um Straßenbahnverkehr handeln, auch wenn diese Straßenkategorie nicht in § 7 Abs. 4 ABS definiert ist. Dieser durchquert zwar auf seinem Weg von einem Stadtteil in den anderen den Fußgängerbereich; dennoch ist er dem Anliegerverkehr zuzuordnen. Denn er hat auch den Zweck und das Ziel, die im Fußgängerbereich oder im kleinräumigen Umfeld gelegenen Haltestellen zu bedienen und es damit Menschen zu ermöglichen, ihr Ziel im Fußgängerbereich selbst zu erreichen, dies unabhängig von der Tatsache, dass sich in dem Schienenfahrzeug auch Menschen befinden, die andernorts ihr Ziel haben.
Sind aber die Eigenanteile der Beklagten für Fußgängergeschäftsstraßen und Fußgängergeschäftsstraßen mit Schienenverkehr teilnichtig, muss dies zumindest auch zur Nichtigkeit des Eigenanteils für sonstige Fußgängerbereiche in Höhe von 40 v.H. führen.
Die Abgrenzung, ob ein materieller Satzungsmangel lediglich zur Teilnichtigkeit der mangelhaften Regelung führt oder Auswirkungen auf die Nichtigkeit weiterer Regelungen der Satzungen bis hin zur Gesamtnichtigkeit hat, orientiert sich an dem auch in öffentlichen Recht, speziell im Satzungsrecht geltenden Grundsatz der „Teilnichtigkeit“ zivilrechtlicher Willenserklärungen nach § 139 BGB. Eine Abgabesatzung ist dann insgesamt nichtig, wenn die nichtige Regelung mit den übrigen Bestimmungen so verflochten ist, dass sie eine untrennbare Einheit bilden, die nicht in einzelne Bestandteile zerlegt werden kann, wenn es wegen der Teilnichtigkeit einer Regelung an einem für die ganze Satzung unerlässlichen Bestandteil fehlt oder wenn anzunehmen ist, dass bei objektiver, am Sinn und Zweck der Norm orientierter Betrachtungsweise die gesamte Regelung ohne die nichtige Teilregelung so nicht getroffen worden wäre (BayVGH, U.v. 11.3.2010 – 20 B 09.1890 – juris Rn. 35 m.w.N.).
So liegt der Fall hier. Aus der feinen dreifachen Differenzierung der Eigenanteile der Beklagten für Fußgängerbereiche mit unterschiedlichen Eigenschaften ergibt sich, dass die Beklagte hier ein aufeinander bezogenes und zusammenhängendes System geschaffen hat, das eine untrennbare Einheit bildet. Es ist nicht anzunehmen, dass der Satzungsgeber den Eigenanteil für „sonstige Fußgängerbereiche“ unverändert beschlossen hätte, hätte er von der Fehlerhaftigkeit der Eigenanteile für die weiteren anderen Kategorien der Fußgängerbereiche gewusst, zumal, wie schon ausgeführt, die Kategorie „Fußgängergeschäftsstraße mit Schienenverkehr“ in § 7 Abs. 4 ABS nicht definiert ist und damit zusätzlich Unklarheit herrscht, was der Satzungsgeber in Kenntnis der Nichtigkeit der hierfür festgesetzten Eigenbeteiligung gewollt hätte.
Der Beurteilung der Eigenbeteiligungen der Beklagten für die verschiedenen Fußgängerbereiche als fehlerhaft und nichtig kann die Beklagte auch nicht mit Erfolg das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 5. Februar 2007 (6 BV 05.2153 – juris) entgegenhalten. Dieses Urteil betrifft die Erhebung eines Ausbaubeitrages für die Umgestaltung der oberen J …promenade und den B …platz zur Fußgängerzone. In diesem Verfahren hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof einen Eigenanteil der Beklagten in Höhe von 65 v.H. gebilligt. Allerdings ist dieser Sachverhalt mit dem vorliegenden nicht vergleichbar, sodass aus dem genannten Urteil keinerlei Rückschlüsse auf das vorliegende Verfahren gezogen werden können. Dem im Verfahren 6 BV 05.2153 streitgegenständlichen Bescheid lag nicht die damals allgemein angewendete Ausbaubeitragssatzung vom 28. November 2001 zugrunde, welche in ihrem § 7 Abs. 2 eine Eigenbeteiligung in Höhe von 30 v.H. für verkehrsberuhigte Straßen und Fußgängerbereiche vorsah. Vielmehr hat die Beklagte zum Zweck der Abrechnung der dortigen Baumaßnahme eine Sondersatzung, die Satzung über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau der J …promenade (Teilstrecke) mit B …platz vom 3. August 2000, erlassen; diese schloss die Anwendung der allgemeinen Ausbaubeitragssatzung aus. Diese Sondersatzung wurde damit begründet, wegen des erhöhten allgemeinen Vorteils sei ein Mindestanteil von 50 v.H. als angemessen anzusehen. Durch eine weitere Erhöhung des Eigenanteils um 10 Prozentpunkte hätten die erhöhten Kosten des aus städtebaulichen und denkmalpflegerischen Gründen verwendeten höherwertigen Materials sowie mit weiteren 5 Prozentpunkten die besondere Verkehrssituation als zentrale Umsteigehaltestelle für den ÖPNV Berücksichtigung finden sollen. Dem Urteil lag auch eine Untersuchung zu den Fußgänger- und Fahrzeugbewegungen auf der oberen J …promenade zugrunde, welche für zwei Zähltage exemplarisch aufzeigte, dass ein großer Anteil von Passanten als Durchgangverkehr anzusehen sei.
Damit hat die Beklagte deutlich gemacht, dass sie auf der Grundlage des damals gültigen Art. 5 KAG, welcher noch nicht um die später hinzu gekommene Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 Satz 4 KAG („Ergänzender Einzelsatzungen bedarf es nicht“) ergänzt war, von einer Sondersituation in der J …promenade ausgegangen ist, die mit der allgemeinen Situation in den sonstigen Fußgängerbereichen nicht vergleichbar ist. Während allgemein für Fußgängerbereiche ein Gemeindeanteil in Höhe von 30 v.H. vorgesehen war, sah die Sondersatzung – mit zumindest aus heutiger Sicht fragwürdiger Begründung – für die obere J …promenade eine Eigenbeteiligung in Höhe von 65 v.H. vor. Somit hat die Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass sie lediglich ausnahmsweise aufgrund einer besonderen Situation in der oberen J …promenade von einem höheren Durchgangsverkehrsanteil (eigentlich nur 50 v.H., mit fragwürdigen Argumenten auf 65 v.H. aufgestockt) als in allen anderen Fußgängerbereichen ausgeht. Es ist unzulässig, hieraus den Schluss zu ziehen, nunmehr seien alle Fußgängerbereiche mit einem Mindestmaß an Ladengeschäften entsprechend dieser Sondersituation zu behandeln. Vielmehr muss sich die Beklagte fragen lassen, warum sie entgegen ihrer Haltung im Jahr 2000, allgemein sei im Fußgängerbereich eine Eigenbeteiligung von 30 v.H. angemessen, nun ohne nachvollziehbare sachliche Begründung zumindest für Fußgängergeschäftsstraßen eine Eigenbeteiligung von 60 v.H. bzw. 65 v.H. für angemessen hält.
Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, es sei lediglich § 7 Abs. 2 Ziffer 5 der Änderungssatzung vom 5. August 2016 nichtig und damit lebe § 7 Abs. 2 Ziffer 6 der Ausbaubeitragssatzung in ihrer vorherigen Form mit dem niedrigeren Eigenbeteiligungssatz der Beklagten wieder auf und bilde die Grundlage für den angegriffenen Beitragsbescheid. Dies ergibt sich daraus, dass nicht – wie die Beklagte meint – § 7 Abs. 2 Ziffer 5 der „Änderungssatzung“ nichtig ist, sondern § 7 Abs. 2 Ziffer 5 der geänderten Satzung. Anders gewendet: Der zuvor (wohl) wirksame § 7 Abs. 2 Ziffer 6 ABS vom 10. Juli 2007 wurde mit der Änderung vom 5. August 2016 (zum neuen § 7 Abs. 2 Ziffer 5 ABS) nichtig und damit unwirksam.
Ein Rückgriff auf die entsprechende Regelung der Ausbaubeitragssatzung vom 28. November 2001 scheitert bereits daran, dass die Beklagte in § 15 Abs. 2 ABS – auch in der geänderten Fassung vom 5. August 2016 – klargestellt hat, dass diese Vorgängersatzung außer Kraft treten soll (vgl. BayVGH, U.v. 16.8.2001 – 6 B 97.111 – BayVBl. 2002, 734/736).
Damit bleibt es bei der Teilnichtigkeit des § 7 Abs. 2 Ziffer 5 ABS, auf welchen der streitgegenständliche Bescheid gestützt ist. Nicht entschieden werden muss, ob diese Teilnichtigkeit zur Gesamtnichtigkeit der Satzung führt.
Offen bleiben kann daher auch, ob sich die Ausbaubeitragssatzung unabhängig von der oben dargestellten Problematik in ihrer Gesamtheit als nichtig erweist, weil sie gegen das Vorteilsprinzip verstoßen könnte.
Die Beklagte hat mit ihrer Satzungsänderung vom 5. August 2016 ihre Eigenanteile deutlich erhöht, dies im Umfang von 10 Prozentpunkten bis zu 30 Prozentpunkten. Dies hat sie dadurch kompensiert, dass sie die Grundsteuer B erhöht hat.
Der Sitzung des Stadtrats vom 28. Juli 2016, in welcher die Satzungsänderung beschlossen worden ist, lag eine ausführliche Beschlussvorlage vom 1. Juli 2016 zugrunde. Neben verschiedenen anderen Dingen wurde hier unter Ziffer 3., Erhöhung des Hebesatzes für die Grundsteuer B, ausgeführt, die durch die vorgesehene Erhöhung der Eigenbeteiligung bei den Straßenausbaubeiträgen entstehenden Mindereinnahmen in Höhe von ca. 840.000,00 EUR jährlich müssten kompensiert werden. Hierzu biete sich die Erhöhung des Hebesatzes für die Grundsteuer B an. Die Erhöhung der Eigenbeteiligung bei den Straßenausbaubeiträgen entlaste die Grundstückseigentümer. Diese seien auch die Steuerpflichtigen für die Grundsteuer B, sodass es gerechtfertigt wäre, wenn eine Steuererhöhung wiederum zu deren Lasten erfolgte.
In der Stadtratssitzung vom 28. Juli 2016 führte der Stadtkämmerer aus, er halte die Umverteilung der durch Ausbaubeiträge entstehenden Belastungen auf die Grundsteuerzahler für vertretbar. Zudem wurde die Meinung vertreten, es sei richtig, dass es eine Kompensation geben müsse, „verzichte“ die Stadt Würzburg auf Beiträge.
Ob die Beklagte hiermit noch das Vorteilsprinzip gewahrt hat oder sich von sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen hat leiten lassen, muss jedoch nicht entschieden werden.
Denn kann aufgrund der (Teil-)Nichtigkeit von § 7 Abs. 2 Ziffer 5 ABS nicht der Eigenanteil der Beklagten zu den beitragsfähigen Kosten und damit nicht der umlagefähige Aufwand bestimmt werden, bildet die Ausbaubeitragssatzung keine hinreichende rechtliche Grundlage für den angegriffenen Bescheid. Er erweist sich schon deshalb als rechtswidrig.
Er verletzt entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Meinung der Beklagten die Klägerin auch in ihren Rechten. Die Beklagte vertritt die Auffassung, eine Verletzung der Rechte der Klägerin liege schon deshalb nicht vor, weil sie durch die zu ihren Gunsten – fehlerhaft und rechtswidrig – veränderten Eigenbeteiligungssätze der Beklagten nicht beschwert sei. Dem kann das Gericht nicht folgen. Denn für die Erhebung eines Beitrags (bzw. einer entsprechenden Vorauszahlung) als Geldleistungspflicht ist jedenfalls eine gesetzliche Grundlage – im vorliegenden Fall in Form einer auf Art. 2 Abs. 1, Art. 5 KAG beruhenden gültigen Beitragssatzung – erforderlich. Erweist sich eine derartige gesetzliche Grundlage – hier also die Beitragssatzung – zumindest im entscheidungserheblichen Teil als (teil-)nichtig, entbehrt die auferlegte Geldleistungspflicht einer solchen gesetzlichen Grundlage. Eine rechtsgrundlos auferlegte Geldleistungspflicht verletzt deren Adressaten aber in seinen Rechten, dies unabhängig von der Frage, ob der Satzungsgeber einen Rechtsgrund in Form einer wirksamen Vorschrift in der Beitragssatzung (möglicherweise mit niedrigeren Eigenbeteiligungssätzen der Beklagten für Fußgängerbereiche) hätte schaffen bzw. beibehalten können.
Auf der Grundlage von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO war somit der Klage stattzugeben und der angegriffene Bescheid vom 29. August 2017 aufzuheben.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Die Berufung war entgegen dem Antrag der Beklagten nicht gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Anders als im Verfahren W 3 K 15.1217 (vgl. U.v. 23.3.2017 – juris), in welchem das Gericht in einer hinsichtlich der Ausbaubeitragssatzung vergleichbaren rechtlichen Konstellation die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat, ist derzeit keine grundsätzliche Bedeutung einer solchen Rechtssache (mehr) erkennbar. Denn bei den Vorschriften über die Erhebung von Ausbaubeiträgen handelt es sich um auslaufendes Recht; das mit der Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung verfolgte Ziel, eine Rechtsfrage im Interesse der Einheit oder Fortentwicklung des Rechts für die Zukunft richtungweisend zu klären, kann nicht mehr erreicht werden, dies auch unter Beachtung der entsprechenden Überleitungsregelungen.


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