Baurecht

Erhebung von Straßenausbaubeiträgen und Eckgrundstückvergünstigung

Aktenzeichen  6 B 16.599

Datum:
29.7.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2017, 25
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 5 Abs. 1 S. 1, S. 3

 

Leitsatz

1. Entscheidet sich eine Gemeinde für die Aufnahme einer Vergünstigungsregelung für mehrfach erschlossene Grundstücke (Eckermäßigung) in ihre Straßenausbaubeitragssatzung, ist es nicht zu beanstanden, dass die Vergünstigung nur für Grundstücke vorgesehen ist, die durch eine weitere, bereits aus dem Anwendungsbereich des Erschließungsbeitragsrechts entlassene Ortsstraße erschlossen werden.
2. Die bei der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen im Ermessen der Gemeinde stehende Eckgrundstücksvergünstigung trägt den Strukturunterschieden zwischen Straßenausbaubeitragsrecht und Erschließungsbeitragsrecht in sachgerechter Weise Rechnung. Begünstigt werden soll zulasten der übrigen beitragspflichtigen Grundstücke ein Grundstück nur dann, wenn es von einer weiteren vergleichbaren Einrichtung einen vergleichbaren ausbaubeitragsrechtlichen Vorteil erhält. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 3 K 13.185 2014-07-24 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 24. Juli 2014 – W 3 K 13.185 – in seinem stattgebenden Teil wird zurückgewiesen.
II.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat den Straßenausbaubeitragsbescheid des Beklagten vom 7. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Februar 2013 zu Recht aufgehoben, soweit er einen höheren Beitrag als 9.513,18 Euro festsetzt. Der Beklagte hat bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwands für den Ausbau der Lehmgrubenstraße rechtsfehlerhaft eine Eckgrundstücksvergünstigung für das Grundstück FlNr. 696/14 angesetzt und deshalb die übrigen Grundstücke, darunter das des Klägers, zu hoch belastet. Mit dem überschießenden Betrag von 185,51 Euro ist der Beitragsbescheid demnach rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach § 8 Abs. 13 Satz 1 der Ausbaubeitragssatzung (ABS) des Beklagten vom 20. November 2003 in der Fassung vom 12. Februar 2009 ist die Grundstücksfläche für Grundstücke, die von mehr als einer Einrichtung nach § 5 ABS erschlossen werden, bei Abrechnung jeder Einrichtung nur mit zwei Drittel anzusetzen (sog. Eckgrundstücksvergünstigung). Eine derartige Mehrfacherschließung liegt bei dem Grundstück FlNr. 696/14 nicht vor. Bei der Straße Hohe Klinge, an die das Grundstück zusätzlich grenzt, handelt es sich nicht um eine „Einrichtung nach § 5 ABS“.
Die Straße Hohe Klinge ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat und der Beklagte selbst vorbringt, noch nicht als Anbaustraße erstmalig endgültig hergestellt. Denn sie ist nur auf einem kurzen Teilstück an der Abzweigung von der Lehmgrubenstraße straßenmäßig ausgebaut und im weiteren Verlauf hingegen als Feldweg beschränkt für den landwirtschaftlichen Verkehr angelegt. Damit fällt ihre Herstellung noch in den Anwendungsbereich des Erschließungsbeitragsrechts (nunmehr Art. 5a KAG i. d. F. des Gesetzes vom 8.3.2016, GVBl S. 36 i. V. m. §§ 128 ff. BauGB), das als spezielleres Gesetz Vorrang vor dem auf den Ausbau der Lehmgrubenstraße anzuwendenden Straßenausbaubeitragsrecht hat (vgl. Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG: „soweit nicht …“). Solche noch dem Erschließungsbeitragsrecht unterfallenden Anlagen sind nach Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck der Ausbaubeitragssatzung keine „Einrichtungen nach § 5 ABS“, die nach § 8 Abs. 13 Satz 1 ABS eine Vergünstigung wegen Mehrfacherschließung auslösen (BayVGH, U. v. 19.7.2005 – 6 B 01.1492 – juris Rn. 23; B. v. 13.6.2016 – 6 ZB 14.2404 – juris Rn. 17).
Die Straßenausbaubeitragssatzung erfasst in Übereinstimmung mit Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG Straßenbaumaßnahmen ausdrücklich nur, „soweit nicht … Erschließungsbeiträge zu erheben sind“ (§ 1 ABS). Dementsprechend zählen zu den Ortsstraßen, die § 5 Abs. 1 Nr. 1 ABS als Gegenstand ausbaubeitragsrechtlicher Maßnahmen nennt, nur solche, die nicht (mehr) als beitragsfähige Anbaustraßen (§ 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB, nunmehr Art. 5a Abs. 2 Nr. 1 KAG) dem Erschließungsbeitragsrecht unterfallen. Das sind solche, die entweder als am 30. Juni 1961 vorhandene Erschließungsanlagen im Sinn von § 242 Abs. 1 BauGB (nunmehr Art. 5a Abs. 7 Satz 1 KAG) zu qualifizieren und deshalb dem Erschließungsbeitragsrecht von vornherein entzogen sind, oder solche, die nach diesem Zeitpunkt entsprechend den erschließungsbeitragsrechtlichen Regelungen erstmalig endgültig hergestellt (Art. 5a Abs. 9 i. V. m. § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB) und infolge dessen aus deren Anwendungsbereich entlassen sind. Hieran knüpft § 8 Abs. 13 Satz 1 ABS an und sieht eine Vergünstigung wegen Mehrfacherschließung nur für Grundstücke vor, die von mehr als einer „Einrichtung nach § 5 ABS“, also von mehr als einer nicht (mehr) dem Erschließungsbeitragsrecht unterfallenden Ortsstraße erschlossen werden. Mit dieser Ausgestaltung trägt die Eckgrundstücksvergünstigung, die im Ermessen der Gemeinde steht und nicht etwa verpflichtend ist (vgl. Driehaus in ders. , Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 481), den Strukturunterschieden zwischen beiden Beitragsarten (dazu etwa BayVGH, U. v. 30.6.2016 – 6 B 16.515 – juris Rn. 16 f.) in sachgerechter Weise Rechnung. Begünstigt werden soll zulasten der übrigen beitragspflichtigen Grundstücke ein Grundstück nur dann, wenn es von einer weiteren vergleichbaren Einrichtung einen vergleichbaren ausbaubeitragsrechtlichen Vorteil erhält.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.
Rechtsmittelbelehrung
Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 185,51 Euro festgesetzt (§ 47, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG).


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