Baurecht

Ermessensfehlerhaftigkeit des Vorbehaltsurteils bei Aufrechnung des Beklagten mit Anspruch auf Mängelbeseitigungskosten gegen den Kaufpreisanspruch des Klägers

Aktenzeichen  23 U 1682/17

Datum:
26.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
MDR – 2018, 110
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 439 Nr. 2, § 441, § 651

 

Leitsatz

1. Die Geltendmachung von Leistungsverweigerungs- und Zurückbehaltungsrechten sowie die Ausübung eines Minderungsrechts stehen der Aufrechnung i.S. des § 302 ZPO nicht gleich, der Erlass eines Vorbehaltsurteils ist in derartigen Fällen nicht möglich.  (Rn. 8)
2. Der Erlass eines Vorbehaltsurteils ist zudem grundsätzlich ermessensfehlerhaft, wenn der Beklagte mit einem Anspruch auf Mängelbeseitigungskosten gegen den Kaufpreisanspruch des Klägers aufrechnet. (Rn. 11)

Verfahrensgang

2 HK O 1861/14 2017-04-06 Vor LGMUENCHENII LG München II

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Vorbehaltsurteil des Landgerichts München II, Az. 2 HK O 1861/14, vom 06.04.2017 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht München II zurückverwiesen.
II. Die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagte 56.305,31 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 56.252,87 Euro seit dem 02.05.2017 und aus 52,44 Euro seit dem 16.05.2017 zu bezahlen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet. Dabei kann die Klägerin die zur Vollstreckung des landgerichtlichen Urteils bereits geleistete Sicherheit, soweit der Höhe nach ausreichend, einsetzen.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Das soeben verkündet Endurteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO wie folgt begründet:

Gründe

I.
Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO Bezug genommen wird, hat die Beklagte durch Vorbehaltsurteil zur Zahlung von 50.000,00 Euro nebst Zinsen verurteilt und die Entscheidung über eine mögliche Aufrechnungsforderung der Beklagten in Höhe von 48.452,60 Euro wegen Mängelbeseitigungskosten vorbehalten.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung und beantragt,
1.das Vorbehaltsurteil des Landgerichts München II vom 06.04.2017, Az. 2 HK O 1861/14 aufzuheben und die Sache an das Landgericht München II zurückzuverweisen.
2.hilfsweise, für den Fall, dass ein Zurückverweisung nicht möglich sein sollte: das Vorbehaltsurteil des Landgerichts München II vom 06.04.2017, Az. 2 HK O 1861/14 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
3.die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 56.305,31 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. aus 56.252,87 Euro seit dem 02.05.2017 und aus 52,44 Euro seit dem 16.05.2017 zu bezahlen.
Die Klägerin beantragt,
1.das Vorbehaltsurteil des Landgerichts München II vom 06.04.2017, Az. 2 HKO 1861/17 aufrecht zu erhalten;
2.die Widerklage abzuweisen.
Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2017 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg, ebenso die in zweiter Instanz erhobene Widerklage der Beklagten.
1. Das Vorbehaltsurteil des Landgerichts ist aufzuheben und das Verfahren nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO an das Landgericht München II zurückzuverweisen.
1.1. Der Erlass des Vorbehaltsurteils war unzulässig, die Voraussetzungen des § 302 Abs. 1 ZPO lagen und liegen nicht vor.
1.1.1. Die eingeklagte Forderung der Klägerin in Höhe von 50.000,00 Euro ist nicht entscheidungsreif. Die Beklagte hat bereits in erster Instanz in Höhe von insgesamt 10.000,00 Euro die Minderung wegen zweier Mängel erklärt. Die Minderung ist ein Gestaltungsrecht, das unmittelbar zur Herabsetzung der Kaufpreisbzw. Werklohnforderung führt und der Aufrechnung mit einer Gegenforderung nicht gleichzusetzen ist, so dass § 302 ZPO keine Anwendung findet (Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Aufl, § 302 Rz. 3; Elzer in BeckOK ZPO, 26. Edition, § 302 Rz. 8; OLG Celle, NJW-RR 2005, S. 654). Das Landgericht hat sich mit der Minderung im Urteil nicht befasst. Für die Entscheidung hierüber bedarf es einer Beweisaufnahme (s. unten Ziff. 1.3.2).
1.1.2. Die Beklagte hat in erster Instanz bezüglich der geltend gemachten Mängel keine Aufrechnung erklärt, sondern sich lediglich auf ein Leistungsverweigerungsrecht berufen (Schriftsatz vom 29.04.2015, S. 4, Bl. 114 d.A., Schriftsatz vom 14.02.2017, B. 143 d.A). Die Geltendmachung von Leistungsverweigerungs- und Zurückbehaltungsrechten steht der Aufrechnung i.S. des § 302 Abs. 1 ZPO nicht gleich (Vollkommer in Zöller, a.a.O., § 302 Rz. 3; Elzer in BeckOK, a.a.O., § 302 Rz. 7; OLG Hamm, NZBau 2009, S. 43, 44). Auch das bloße Vorbehalten einer Aufrechnung ohne Aufrechnungserklärung genügt für den Erlass eines Vorbehaltsurteils nicht (Elzer in BeckOK, a.a.O, § 302 Rz. 16).
Darüber hinaus hat die Beklagte in erster Instanz sich auf ein Leistungsverweigerungsrecht wegen Mehrkosten für den Transport in Höhe von 14.563,92 Euro (Schriftsatz vom 23.10.2014, S. 5, Bl. 42 .d.A.) und wegen eines Anspruchs auf Vertragsstrafe in Höhe von 23.000,00 Euro (Schriftsatz vom 23.10.2014, S. 9, Bl. 46 d.A.) berufen. Mit dem Anspruch auf Vertragsstrafe hat sich das Landgericht nicht befasst.
Bezüglich der Mängel und jedenfalls des Anspruchs wegen der Mehrkosten für den Transport bedarf es einer Beweisaufnahme (s. unten Ziff. 1.3.2.3).
1.1.3. Zudem ist der Erlass eines Vorbehaltsurteils grundsätzlich ausgeschlossen, wenn gegenüber einer Werklohnforderung der Besteller mit einem Anspruch aus demselben Vertragsverhältnis auf Ersatz der Kosten der Mängelbeseitigung aufrechnet. Das Vorbehaltsurteil hat bei begründeter Aufrechnung zur Folge, dass der Kläger einen Titel über eine Forderung erhält, die tatsächlich infolge der Aufrechnung nicht besteht. Diese Wirkung ist grundsätzlich nicht gerechtfertigt, wenn der Besteller gegenüber einer Werklohnforderung mit Ansprüchen aufrechnet, die dazu dienen, das durch den Vertrag geschaffene Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung herzustellen. Dazu gehört die Forderung auf Zahlung der Mängelbeseitigungskosten (BGH, NJW-RR 2008, S. 31, 32; BGH, Urteil vom 24.11.2005, VII ZR 304/04, juris Tz. 12 f). Ausnahmsweise kann der Erlass eines Vorbehaltsurteils in einer derartigen Konstellation nicht ermessensfehlerhaft sein, etwa wenn nach einer auf der Grundlage des gesamten Streitstoffs vom Gericht vorzunehmenden Einschätzung (z.B. anhand des bisherigen Beweisergebnisses oder eines vorgelegten Privatgutachtens) die Gegenansprüche nur geringe Aussicht auf Erfolg haben und die weitere Aufklärung voraussichtlich so lange dauern wird, dass es nicht mehr hinnehmbar ist, dem Unternehmer die Möglichkeit der Vollstreckung vorzuenthalten (BGH, Urteil vom 24.11.2005, VII ZR 304/04, juris Tz. 16).
Nach diesen Grundsätzen war der Erlass des Vorbehaltsurteils unzulässig. Der Vorbehalt bezieht sich auf eine Aufrechnungsforderung wegen Mängelbeseitigungskosten. Zwar handelt es sich vorliegend nicht um einen Werkvertrag, sondern einen Werklieferungsvertrag, auf den gemäß § 651 BGB Kaufrecht Anwendung findet. Indessen ist kein Grund ersichtlich, weshalb die dargestellten Grundsätze nicht in gleicher Weise im Kaufrecht gelten sollten. Auch im Kaufrecht hat der Käufer einen Anspruch auf Lieferung einer mangelfreien Sache, der mit dem Kaufpreisanspruch im Synallagma steht. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch wegen Mängelbeseitigungskosten dient auch im Kaufrecht der Herstellung des Äquivalenzverhältnisses von Leistung und Gegenleistung.
Vorliegend sind auch keine Gründe ersichtlich, nach denen der Erlass des Vorbehaltsurteils ausnahmsweise nicht ermessensfehlerhaft wäre. Die Beklagte trägt eine Vielzahl von Mängeln der gelieferten Sache vor und bietet hierfür jeweils Beweis an. Ob diese Mängel bestehen, ist derzeit völlig offen und bedarf der Beweisaufnahme. Anhaltspunkte dafür, dass die Mängel wahrscheinlich nicht vorhanden waren, sind nicht erkennbar. Darüber hinaus hat die Klägerin bereits den größten Teil des Kaufpreises von 460.000,00 Euro netto bzw. 547.400,00 Euro brutto erhalten, lediglich 50.000,00 Euro stehen noch aus. Der Klägerin ist daher die ggf. längere Dauer bis zur Klärung der Mängel zumutbar. Anderes ergibt sich nicht daraus, dass die Beklagte unstreitig eine Gewährleistungsbürgschaft über 10% der Auftragssumme (46.000,00 Euro) erhalten hat. Zum einen übersteigen die von der Beklagten geltend gemachten Ansprüche aufgrund der Mängel (Mängelbeseitigungskosten 48.452,60 Euro, Minderung 10.000,00 Euro) diesen Betrag deutlich. Zum anderen ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte tatsächlich aus dieser Bürgschaft vorgegangen wäre.
1.2. Das Landgericht hat, wie die Beklagte in der Berufung zutreffend rügt, Sachvortrag der Beklagten übergangen und daher deren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt:
Im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (S. 5) führt das Landgericht noch aus, die Beklagte habe Minderungsbeträge in Höhe von insgesamt 10.000,00 Euro für zwei Mängel geltend gemacht. In den Entscheidungsgründen finden sich hierzu keine Ausführungen des Landgerichts. Auf die Minderung wäre es auch auf Grundlage der Rechtsansicht des Landgerichts angekommen, da die Minderung zur Reduzierung der Restkaufpreisforderung von 50.000,00 Euro geführt hätte.
1.3. Der Senat hält auch unter Berücksichtigung der bisherigen Verfahrensdauer, die sich insbesondere aus einem Ruhen des Verfahrens auf übereinstimmenden Antrag der Parteien wegen Vergleichsverhandlungen erklärt, eine Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO für angezeigt. Das Verfahren leidet an einem wesentlichen Mangel und aufgrund dessen ist eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme erforderlich.
1.3.1. Eine Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO kommt zum einen in Betracht, da das Landgericht verfahrensfehlerhaft Sachvortrag der Beklagten übergangen hat (s.o. Ziff. 1.2). Des Weiteren hat das Landgericht ein Vorbehaltsurteil erlassen, obwohl es an den Voraussetzungen des § 302 Abs. 1 ZPO fehlte. Auch in diesem Fall ist eine Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO möglich (Reichold in Thomas / Putzo, ZPO, 38. Aufl, § 302 Rz. 10; Vollkommer in Zöller, a.a.O., § 302 Rz. 8; Musielak in Musielak / Voit, ZPO, 14. Aufl, § 302 Rz. 12).
Die Beklagte hat einen Zurückverweisungsantrag gestellt.
1.3.2. Es ist eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme nötig.
Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass unstreitig noch ein Restkaufpreisanspruch von 50.000,00 Euro offen und diese Forderung nunmehr fällig ist. Zudem liegen bezüglich sämtlicher geltend gemachter Mängel Mängelrügen nach § 377 Abs. 3, § 381 Abs. 2 HGB, § 7 (4) AEB vor.
1.3.2.1. Umstritten und durch Beweisaufnahme zu klären ist das Vorliegen der Mängel, hinsichtlich derer die Beklagte nach § 439 Nr. 2, § 441 BGB, § 7 (6) AEV Minderung in Höhe von 7.000 Euro bzw. 3.000 Euro erklärt hat. Bezüglich des Mangels „Fehlfunktion Klappe am Austrag CO 3.5“ (Mangel Nr. 6 aus Anlage B 13) hat die Beklagte Sachverständigengutachten angeboten (Schriftsatz vom 14.02.2017, S. 8, Bl. 150 d.A.). Die Klägerin behauptet, es liege nur eine fehlerhafte Montage der Beklagten vor und hat dafür den Zeugen S. angeboten (Schriftsatz vom 08.06.2015, S. 3, Bl. 129 d.A.). Zudem wäre ggf. die Höhe der Minderung ebenfalls durch das von der Beklagten angebotene Sachverständigengutachten (Schriftsatz vom 14.02.2017, S. 8, Bl. 150 d.A.) zu klären.
Hinsichtlich des Mangels „Mangelhafte Standzeit Befeuchtungsmischer M03.1“ (Mangel Nr. 14) bedarf es ebenfalls, wie von der Beklagten angeboten, Sachverständigengutachten zum Mangel und ggf. zur Höhe der Minderung (Schriftsatz vom 14.02.2017, S. 8, Bl. 150 d.A.).
1.3.2.2. Zudem rechnet die Beklagte jedenfalls nunmehr mit Ansprüchen wegen Mängelbeseitigungskosten nach § 7(5) AEV auf. Insoweit wäre allerdings von der Beklagten noch klarzustellen, für welche Mängel konkret welche der behaupteten Aufwendungen und Kosten angefallen sind.
Das Vorliegen der Mängel ist durch Beweisaufnahme zu klären. Für die in Anlage B 7 genannten Mängel hat die Beklagte den Zeugen B. K. angeboten, die Klägerin gegenbeweislich die Zeugen F. und B. Hinsichtlich des Mangels „fehlender Eingriffschutz“, hat die Beklagte Sachverständigengutachten sowie die Zeugen K. und L.angeboten, die Klägerin gegenbeweislich ebenfalls Sachverständigengutachten. Bezüglich der Mängel „Herausfallen der Rollen“, „Abstreifer vom Band CO6.3 verursacht sehr laute Geräusche und Vibrationen“, „Lagerung der Rollen unter den Magneten aus Normalstahl“, „fehlende Pufferrollen mit Gummiringen“, „Temperaturfühler im Mischer MO3.1 kollidiert mit Schaufeln aus Förderschnecke“, „fehlende Rücklaufsperre Elektromotor“ hat die Beklagte jeweils Beweis durch den Zeugen K. und Sachverständigengutachten angeboten, hinsichtlich des Mangels „Spannstation am Band C01.2 erfüllt nicht die erforderliche Funktion“ die Zeugen St. und L. sowie Sachverständigengutachten, bezüglich des Mangels „Stopfschnecken erfüllen nicht die Funktion Luftabschluss zum Trockner“ den Zeugen G. und Sachverständigengutachten. Als Beweis für den Mangel „Revisionsklappen an den Kühlschnecken undicht“ hat die Beklagte den Zeugen G. und Sachverständigengutachten angeboten, die Klägerin gegenbeweislich den Zeugen S. 1.3.2.3. Soweit die Beklagte nunmehr mit einem Schadensersatzanspruch nach § 280 BGB wegen Transportmehrkosten in Höhe von 14.563,92 Euro aufrechnet, könnte eine Pflichtverletzung der Klägerin darin liegen, dass der Schneckenboden statt 2,12 mtatsächlich eine Breite von 2,2 m aufwies. Insoweit hat die Klägerin den Zeugen F. zum Beweis angeboten, dass entgegen der Angabe in der als Anlage K 33 vorgelegten E-Mail vom 06.03.2014 eine Breite von tatsächlich nur 2,12 (wie im Oktober 2013 mitgeteilt, Anlage B 4) eingehalten wurde. Allerdings könnte die Pflichtverletzung der Klägerin auch schon darin liegen, dass in der E-Mail vom 06.03.2014 (Anlage K 33) eine Breite von 2,2 angegeben wird ohne Klarstellung, dass hier ein Sicherheitsaufschlag für die Abholung des Colli per LKW enthalten war, die tatsächliche Breite aber nur 2,12 mbetrug. Jedenfalls durch Beweisaufnahme zu klären ist die Höhe der von der Beklagten behaupteten Mehrkosten durch Einvernahme des von der Beklagten angebotenen Zeugen Si.
1.4. Nur ergänzend wird für das weitere Verfahren darauf hingewiesen, dass zweifelhaft erscheint, ob der Beklagten der geltend gemachte Anspruch auf eine Vertragsstrafe in Höhe 23.000,00 Euro zusteht. Unstreitig handelt es sich bei § 3 (3) der AEB um AGB. Zweifel bei der Auslegung gehen daher zu Lasten der Beklagten, § 305 c Abs. 2 BGB. Da die Regelung auf die „verspätet gelieferte Ware“ abstellt, dürfte eine verspätete Lieferung der Dokumentationen nicht genügen. Die Versandbereitschaft bezüglich der bestellten Ware hat die Klägerin am 27.01.2014 angezeigt (Anlage K 4), mithin genau 10 Werktage nach dem spätesten Termin für den FAT mit Endkunden, wie auf S. 2 der Bestellung (Anlage K 1 „Termine“) vorgesehen.
2. Die Widerklage der Beklagten hat Erfolg.
2.1. Die von der Beklagten in zweiter Instanz erhobene Widerklage ist nach § 717 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig (vgl. Herget in Zöller, ZPO, a.a.O, § 717 Rz. 13).
2.2. Die Beklagte hat einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 56.305,31 Euro aus § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
Der Senat hebt das für vorläufig vollstreckbar erklärte Urteil des Landgerichts auf. Unstreitig hatte die Klägerin aufgrund des vorbezeichneten Urteils bereits ein vorläufiges Zahlungsverbot gegen die Kreissparkasse M. erwirkt. Die Beklagte zahlte zur Abwendung der Zwangsvollstreckung unstreitig 56.252,87 Euro sowie 52,44 Euro Gerichtsvollzieherkosten.
2.3. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 717 Abs. 2 Satz 2 2. HS. ZPO, § 291 BGB.
3. Die Entscheidung über die Kosten auch des Berufungsverfahrens war der Endentscheidung vorzubehalten.
4. Das Urteil über einen Widerklageantrag nach § 717 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist gemäß den allgemeinen Regeln, vorliegend daher nach § 708 Nr. 10, § 711 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären (Götz in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl, § 717 Rz. 27; Lackmann in Musielak / Voit, a.a.O., § 717 Rz. 15; OLG Celle, NJW-RR 2005, S. 654). Soweit die Klägerin vor der Vollstreckung aus dem landgerichtlichen Urteil Sicherheit geleistet hat, kann sie die bereits geleistete Sicherheit, soweit der Höhe nach ausreichend, zur Abwendung der Vollstreckung einsetzen (OLG Celle, NJW-RR 20005, S. 654; Götz in Münchener Kommentar, a.a.O., § 717 Rz. 27).
5. Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen.

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