Baurecht

Erschließungsbeitragsrecht, Erstmalige endgültige Herstellung, Festsetzungsverjährung

Aktenzeichen  AN 3 K 19.00531

Datum:
12.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 54014
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstr. 1 und 3
BauGB § 133 Abs- 2 Satz 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Verfahrenskosten. 
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. 

Gründe

Streitgegenstand vorliegender Klage ist der Bescheid der Beklagten vom 13. Dezember 2016 in der Fassung des Widerspruchbescheides der Regierung … vom 7. Februar 2019, mit welchen der Kläger als Eigentümer des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung … für die Straßenbaumaßnahme „… zwischen … und Bahnlinie …“ zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 28.379,01 EUR herangezogen wurde.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist das Gericht auf den Widerspruchsbescheid der Regierung … vom 7. Februar 2019 und folgt dessen ausführlicher und zutreffender Begründung, § 117 Abs. 5 VwGO.
Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
1. Der streitgegenständliche Bescheid findet seine Rechtsgrundlage in Art. 5a KAG, §§ 127 ff. BauGB i.V.m. der Erschließungsbeitragssatzung (EBS) der Beklagten vom 12. Juli 1989 in der jeweils gültigen Fassung.
2. Er ist weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden.
a) Die vorliegend abgerechnete Anlage stellt eine öffentliche, zum Anbau bestimmte Straße dar, Art. 5a KAG i.V.m. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB.
Wie weit eine einzelne Anbaustraße im beitragsrechtlichen Sinne reicht und wo eine andere Verkehrsanlage beginnt, bestimmt sich grundsätzlich nach der sogenannten natürlichen Betrachtungsweise, mithin nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter im Hinblick auf Straßenführung, Straßenlänge und -breite sowie Ausstattung mit Teileinrichtungen vermitteln. Straßennamen, Grundstücksgrenzen oder die zeitliche Abfolge von Planungen und deren Ausführung sind hingegen unbeachtlich (vgl. z.B. BayVGH vom 1.12.2011 – 6 B 09.2893 – juris m.w.N.; BayVGH vom 23.9.2009 – 6 CS 09.1753 – juris; BayVGH vom 22.4.2010 – 6 B 08.1483 – juris). Abzustellen ist letztlich darauf, ob und ggf. inwieweit sich die zu beurteilende Straße „als augenfällig eigenständiges Element des örtlichen Straßennetzes darstellt“ (BayVGH vom 31.7.2014 – 6 CS 14.660 – juris). Zugrunde zu legen ist dabei der Zustand im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht, mithin nach Durchführung der Baumaßnahmen (vgl. z.B. BayVGH vom 12.6.2006 – 6 BV 02.2499 – juris; vom 6.4.2017 – 6 B 16.1043 – juris).
Unter Zugrundelegung dieser natürlichen Betrachtungsweise stellt sich die … zwischen der … und der … als eine Anlage dar.
Die Begrenzung im Osten ergibt sich durch das dortige Vorhandensein der mehrspurig ausgebildeten Kreuzung …, im Westen zeigt sich die relevante Anlagenbegrenzung auf Höhe der … in Folge der dort aufeinandertreffenden unterschiedlichen Ausgestaltung der Straßenfläche auch in Ansehung des nach Westen hin gegebenen abfallenden Geländes im Straßenraum.
Jedoch ist es den besonderen Gegebenheiten des vorliegenden Falles, nämlich des Umstandes, dass es der … in dem Bereich zwischen der … und der Bahnlinie mangels dafür erforderlicher Bebauung bzw. mangels Vorliegens eines eine bauliche Nutzung festsetzenden Bebauungsplanes an der für die Annahme einer Anbaustraße nach § 127 Abs. 1 Nr. 1 BauGB erforderlichen Anbaubestimmung fehlte, geschuldet, den relevanten Anlagenumfang abweichend von der oben beschriebenen natürlichen Betrachtungsweise vorzunehmen.
Wenn eine zum Anbau bestimmte Teilstrecke einer (nach natürlicher Betrachtungsweise) einheitlichen öffentlichen Verkehrsanlage in eine beidseitig nicht zum Anbau bestimmte Teilstrecke übergeht, wie dies für die … im streitgegenständlichen abgerechneten Umfange gegolten hat, so kommt dieser Straße ab dem Übergang in den Außenbereich dann keine Qualität mehr als beitragsfähige Anlage zu, wenn diese beidseitig nicht zum Anbau bestimmte Teilstrecke zum einen den Eindruck einer gewissen erschließungsrechtlichen Selbständigkeit vermittelt und zum anderen im Verhältnis zur – nach natürlicher Betrachtungsweise – einheitlichen Gesamtanlage nicht lediglich von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. BVerwG vom 6.12.1996 – 8 C 32.95 – juris; vom 6.2.2020, 9 C 9.18 – juris).
Angesichts der vorliegend gegebenen Teilstreckenlänge und ihrem Verhältnis zur Gesamtlänge der … im Bereich zwischen … und … ist damit bis zum Inkrafttreten des Bebauungsplanes 1998 (oder bei eventuellem Erreichen einer i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB einen Ortsteil darstellenden gewichtigen Bebauung Ende der 1980er Jahre dann schon zu diesem Zeitpunkt) nicht vom Vorliegen einer beitragsfähigen, zum Anbau bestimmten Straße auszugehen.
Für die sich östlich und westlich anschließenden Teilstücke der … bedeutet dies mangels entgegenstehender Anhaltspunkte, dass sie entweder als sogenannte historische Straße (dies gilt für den in den 1950er Jahren erstmals hergestellten westlichen Bereich) oder als eine Ende der 1960er Jahre erstmals endgültig hergestellte Erschließungsanlage zu betrachten sind. Für den östlichen Bereich ist dabei unter Ansehung des einschlägigen Baulinienplanes im Hinblick auf den sich aus der straßenseitigen Baugrenzenfestsetzung ergebenden Straßenraumes mangels anderweitiger Erkenntnisse auch von einer das Planerfordernis des § 125 Abs. 1 BauGB erfüllenden erstmaligen endgültigen Herstellung auszugehen.
Die streitgegenständliche Strecke ist demnach mit dem Erlangen der erforderlichen Ausbaubestimmung (wohl mit Inkrafttreten des Bebauungsplanes im Jahre 1998) als selbständige Anlage in Abweichung von der natürlichen Betrachtungsweise zu qualifizieren.
Das Klägergrundstück ist durch diese streitgegenständliche Anlage infolge seines direkten Anliegens daran ohne Zweifel auch erschlossen (§ 131 Abs. 1 BauGB) und beitragspflichtig (§ 133 Abs. 1 BauGB).
b) Der angefochtene Bescheid erweist sich auch der Höhe nach als rechtmäßig.
aa) Insbesondere ergibt sich der der Abrechnung zugrunde gelegte Ausbauumfang auch unter Berücksichtigung der dort nur einseitig vorhandenen Anbaufunktion der … nicht als unzulässig.
Im Hinblick auf die Verkehrsbedeutung der Straße und ihre konkreten Nutzung durch das beitragspflichtige Grundstück und die Nachbargrundstücke, welche allesamt durch zum Teil beachtlichem Zu- und Abfahrtsverkehr infolge des Kundenaufkommens gekennzeichnet sind, erscheint der bei einseitiger Anbaubarkeit der Gemeinde beim Merkmal „Unerlässlichkeit“ anzunehmende Einschätzungsspielraum der Gemeinde hier nicht überschritten. Der Ausbau geht nicht über das hinaus, was zur hinreichenden Erschließung der Grundstücke an der bebaubaren Seite „unerlässlich“ ist (vgl. insoweit auch § 2 Abs. 1 der EBS, der als „Anhaltspunkt“ für die gemeindliche Entscheidung ebenfalls eine gewisse Berücksichtigung finden kann).
bb) Entgegen der klägerischen Auffassung stellt es vorliegend auf keinen zur Rechtswidrigkeit des Bescheides führenden Fehler dar, dass bezüglich des klägerischen Grundstücks in Ansehung der im Bebauungsplan getroffenen Festsetzung von fünf zulässigen Vollgeschossen bei der Berechnung der beitragsrelevanten Fläche nicht von der tatsächlich verwirklichten eingeschossigen Bebauung ausgegangen wurde.
Bei der per Satzung bestimmten Verteilungsregelung (Vollgeschossmaßstab) darf im Hinblick auf die zu berücksichtigende Verwaltungspraktikabilität und die zulässige Pauschalierung des Satzungsgebers ein mit der Grundstücksfläche kombinierter Vollgeschossmaßstab, der auf die nach Bebauungsplan festgesetzte zulässige Vollgeschosszahl abstellt, verwendet werden (vgl. z.B. BayVGH vom 17.8.2010, 6 ZB 09.559 – juris).
cc) Auch kann der klägerseits gerügte Verstoß gegen § 4 Abs. 2 EBS nicht erkannt werden. Soweit Positionen abgerechnet wurden, für welche in der Anlage zur EBS Einheitssätze aufgeführt sind, wurden diese auch angewendet.
3. Im Hinblick darauf, dass ausweislich der Akten das gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 13 EBS zum abrechenbaren Erschließungsaufwand gehörende südliche Straßenbegleitgrün erstmals 2012 bauprogrammmäßig hergestellt wurde (unabhängig davon, dass die dazugehörige Rechnung, aus welcher sich auch bei Anwendung satzungsgemäßer Einheitssätze der tatsächliche Maßnahmenumfang ergibt, vom 2.11.2012 datiert), war die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 13.12.2016 noch nicht abgelaufen. Verjährung steht somit der Geltendmachung der vorliegenden Beitragsforderung nicht entgegen.
Nach alldem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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