Baurecht

Fehlende Antragsbefugnis gegen eine Baugenehmigung zur Errichtung einer Kläranlage

Aktenzeichen  Au 5 S 18.1579

Datum:
27.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 24394
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 2
BayBO Art. 66
UmwRG § 2 Abs. 1
GO Art. 18a

 

Leitsatz

1 Die Nachbareigenschaft eines Grundstücks ist zu verneinen, wenn zwischen dem geplanten Standort einer Kläranlage und dem Wohnhaus des Antragstellers sich ein Abstand zwischen 650 und 700 m Luftlinie errechnet. (Rn. 24 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Bürgerinitiative kann aus § 2 Abs. 1 iVm § 4 UmwRG keine Klage- bzw. Antragsbefugnis ableiten, sofern sie nicht nach § 3 UmwRG anerkannt worden ist. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Aufwendungen selbst.
III. Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung einer Kläranlage auf den Grundstücken Fl.Nrn. … und … der Gemarkung … (Markt …).
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. … der Gemarkung … (…; Ortsteil …; Markt …).
Mit Bescheid des Landratsamtes … vom 14. August 2018 wurde dem Kläranlagenzweckverband … die bauaufsichtliche Genehmigung zur Errichtung einer Kläranlage auf den Grundstücken Fl.Nrn. … und … der Gemarkung … entsprechend den mit Genehmigungsvermerk vom 14. August 2018 versehenen Unterlagen erteilt (Ziffer I. des Bescheids).
Auf die Gründe dieses Bescheides wird Bezug genommen.
Das vom Beigeladenen geplante Bauvorhaben befindet sich im Außenbereich. Im rechtsverbindlichen Flächennutzungsplan des Marktes … sind die für die Bebauung vorgesehenen Flächen mit der Umschreibung „Kläranlage geplant“ dargestellt.
Der Antragsteller hat gegen den vorbezeichneten Genehmigungsbescheid mit Schriftsatz vom 16. September 2018, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg eingegangen am 17. September 2018, Klage erhoben und beantragt, den Genehmigungsbescheid vom 14. August 2018 aufzuheben (Az. Au 5 K 18.1578). Über die vorbezeichnete Klage ist noch nicht entschieden worden.
Ebenfalls mit Schriftsatz vom 16. September 2018, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg eingegangen am 17. September 2018, hat der Antragsteller im Wege vorläufigen Rechtsschutzes beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage (Az. Au 5 K 18.1578) anzuordnen.
Zur Begründung ist u.a. vorgetragen, dass die Genehmigung der Kläranlage jeglicher Sachlichkeit entbehre, da bereits die Notwendigkeit der kostspieligen Anlage aus materiellen und ideellen Gründen nicht gegeben sei. Die Ertüchtigung der bereits vorhandenen Kläranlagen sei günstiger und umweltschonender im Bau bzw. Unterhalt.
Auf das weitere Vorbringen im Klage- bzw. Antragsschriftsatz vom 16. September 2018 wird ergänzend Bezug genommen. Unterzeichnet ist die Klage- und Antragsschrift mit der Bezeichnung „1. Vertreter des Bürgerbegehrens“ „Abwasserbeseitigung im Markt …“.
Das Landratsamt … ist für den Antragsgegner dem Antrag mit Schriftsatz vom 25. September 2018 entgegengetreten und beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antrag sei bereits unzulässig. Der Antragsteller verfüge nicht über die erforderliche Antragsbefugnis. Eine Verletzung in drittschützenden Rechten zu Gunsten des Antragstellers sei nicht möglich. Der Antragsteller gehöre nicht zum geschützten Personenkreis, da er kein Nachbar im Sinne des Baurechts sei. Soweit der Antragsteller in seiner Eigenschaft als „1. Vertreter des Bürgerbegehrens“ handle, sei eine Verletzung des Bürgerbegehrens nicht möglich. Auch das Bürgerbegehren könne nur Schutz für ihm zugewiesene eigene Rechte und Rechtspositionen in Anspruch nehmen. Ein Fall einer zulässigen Prozessstandschaft sei nicht ersichtlich. Im Übrigen sei der Antrag auch unbegründet. Ein überwiegendes Suspensivinteresse des Antragstellers sei nicht zu erkennen. Die erhobene Klage habe keine Aussicht auf Erfolg.
Auf den weiteren Vortrag im Antragserwiderungsschriftsatz vom 25. September 2018 wird ergänzend Bezug genommen.
Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 25. September 2018 wurde der Kläranlagenzweckverband … zum Verfahren notwendig beigeladen. Eine Äußerung ist im Verfahren nicht erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die vom Antragsgegner vorgelegte Verfahrensakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der vom Antragsteller am 17. September 2018 im Verfahren Au 5 K 18.1578 erhobenen Klage ist bereits unzulässig.
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (§ 80 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) entfällt vorliegend, weil sie sich gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens wendet (§ 212a Baugesetzbuch – BauGB). In einem solchen Fall kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs ganz oder teilweise anordnen (§ 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO). Ein derartiger Antrag kann unmittelbar bei Gericht gestellt werden.
Dem Antragsteller fehlt es hierfür aber bereits an der erforderlichen Antragsbefugnis im Sinn des § 42 Abs. 2 VwGO analog.
Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO (analog) ist eine (Anfechtungs-)Klage – und damit ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß §§ 80a, 80 Abs. 5 VwGO – nur zulässig, wenn der Kläger und Antragsteller geltend machen kann, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein.
Eine Antragsbefugnis zu Gunsten des Antragstellers ergibt sich unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt.
Benachbarte Grundstückseigentümer und ihnen gleichgestellte Personen können als betroffene Nachbarn (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 Bayerische Bauordnung – BayBO) gegen eine Baugenehmigung, die sie beschwert, Anfechtungsklage erheben, wenn sie behaupten können, dass die Baugenehmigung eigene Rechte, die ihnen das öffentliche Recht einräumt, verletzt und wenn nach ihrem Vorbringen eine Rechtsverletzung in Betracht kommt.
Die Nachbareigenschaft eines Grundstücks im Sinne des Art. 66 BayBO setzt dabei eine bestimmte räumliche Beziehung zum Baugrundstück voraus. Maßgeblich ist der Einwirkungsbereich des Bauvorhabens, der nach Art und Intensität der von dem Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen verschieden bemessen sein kann und dementsprechend flexibel den Kreis der Nachbarn bestimmt. Im Regelfall werden aber nur die unmittelbar angrenzenden Grundstücke benachbart sein (vgl. zum Ganzen Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Stand: März 2018, Art. 66 Rn. 65).
Dies zugrunde gelegt befindet sich – bezogen auf den Antragsteller als Einzelperson und Grundstückseigentümer – dessen Wohngrundstück in der, …-…, nicht mehr im Einwirkungsbereich der mit Bescheid des Antragsgegners vom 14. August 2018 genehmigten Kläranlage. Zwischen dem geplanten Standort der Kläranlage des Beigeladenen und dem Wohnhaus des Antragstellers errechnet sich ein Abstand zwischen 650 und 700 m Luftlinie (gemessen nach Geoportal Bayern). Hinzu tritt, dass der Antragsteller im Verfahren gerade auch nicht auf umweltrechtliche Auswirkungen der geplanten Kläranlage auf sein im Ortsteilbereich … gelegenes Grundstück verweist, sondern vielmehr ausschließlich auf die finanziellen Folgen der geplanten Kläranlage verweist und sich für den Erhalt und die Ertüchtigung der bislang vorhandenen Klärteiche einsetzt. All dies schließt eine Antragsbefugnis im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu Gunsten des Antragstellers aus.
Eine Antragsbefugnis aus § 42 Abs. 2 VwGO anlog ergibt sich aber auch dann nicht, sofern man aufgrund der Unterzeichnung von Antrags- und Klageschrift davon ausgeht, dass der Antrag vom Antragsteller als Vertreter des Bürgerbegehrens „Abwasserbeseitigung im Markt …“ gestellt wird. Zwar lässt sich aus Art. 18a Abs. 8 i.V.m. Abs. 10 Gemeindeordnung (GO) i.V.m. Art. 7 Abs. 2 und Art. 12 Abs. 3 Bayerische Verfassung (BV) ein Anspruch eines Bürgerbegehrens auf Durchführung eines Bürgerentscheides herleiten – sofern die weiteren Voraussetzungen in Art. 18a GO erfüllt sind -, jedoch gibt dieser sich aus der GO ableitende Anspruch den Vertretern eines Bürgerbegehrens gerade keinen Anspruch darauf, die weitergehende zwischenzeitliche bauaufsichtliche Zulassung eines Bauvorhabens ungeachtet der hierfür bestehenden weiteren Voraussetzungen aus der BayBO, anzugreifen. Dies hat auch dann zu gelten, wenn die Baugenehmigung denselben Gegenstand wie das eingeleitete Bürgerbegehren/Bürgerentscheid betrifft. Über die Vorschrift des Art. 18a GO hinaus werden dem Bürgerbegehren keine weitergehenden Ansprüche eingeräumt.
Schließlich ergibt sich eine Antragsbefugnis des Klägers bzw. des von diesem vertretenen Bürgerbegehrens auch nicht aus den Bestimmungen des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG). Zwar dürfte es sich bei der angegriffenen Baugenehmigung um eine dem sachlichen Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes unterfallende Zulassungsentscheidung nach § 1 Satz 1 Nr. 1a bzw. Nr. 5 UmwRG handeln, da bei einer Baugenehmigung auf der Grundlage von § 35 BauGB (Außenbereich) nach § 35 Abs. 3 Nr. 5 bzw. Nr. 6 BauGB Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege bzw. der Wasserwirtschaft und des Hochwasserschutzes Prüfungsgegenstand sind (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 11.4.2018 – 2 CS 18.198 – juris Rn. 8, 9 zu einer Baugenehmigung auf der Grundlage von § 30 BauGB). Letztlich bedarf dies jedoch keiner vertiefenden Betrachtung. Eine Bürgerinitiative kann aus § 2 Abs. 1 i.V.m. § 4 UmwRG keine Klage- bzw. Antragsbefugnis ableiten, sofern sie nicht nach § 3 UmwRG anerkannt worden ist. Für eine derartige Anerkennung der vom Antragsteller vertretenen Bürgerinitiative bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte.
Auch eine weitergehende Klage- bzw. Antragsbefugnis gemäß § 2 Abs. 2 UmwRG scheidet aus, da nicht ersichtlich ist, dass die vom Antragsteller vertretene Bürgerinitiative bei Einlegung der Rechtsbehelfe die Voraussetzungen für eine Anerkennung bereits erfüllt hätte bzw. sie bereits einen Antrag auf Anerkennung gestellt hätte (vgl. zum Ganzen VG Saarland, U.v. 7.10.2015 – 5 K 846/14 – juris Rn. 31).
Schließlich verweist das Gericht darauf, dass der Antragsteller sich auch nicht auf eine Verletzung der Rechte der Mitglieder der Bürgerinitiative berufen kann, weil insoweit § 42 Abs. 2 VwGO (analog) einer gewillkürten Prozessstandschaft entgegensteht. Aus der potenziellen Verletzung von Rechten der Mitglieder der Bürgerinitiative lässt sich eine Antragsbefugnis nicht herleiten, da dies § 42 Abs. 2 VwGO widerspricht, der eine Prozessstandschaft ausschließt, bei der Bürgerinitiativen die Rechte ihrer jeweiligen Mitglieder geltend machen. Diese Einschränkung der Klage- bzw. Antragsbefugnis entspricht dem verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklichen und in § 42 Abs. 2 VwGO normierten Ausschluss von Popularklagen und damit mittelbar dem Ausschluss einer gewillkürten Prozessstandschaft im Verwaltungsprozess (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 42 Rn. 60; Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2018, § 42 Rn. 76).
Damit fehlt es nach jeglicher Betrachtungsweise an einer Antragsbefugnis des Antragstellers im streitgegenständlichen Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes. Der Antrag war daher bereits als unzulässig abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich mithin keinem Prozesskostenrisiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass der Beigeladene seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nrn. 1.5 und 9.7.1 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (BayVBl Sonderbeilage Januar 2014). Der insoweit in der Hauptsache gebotene Streitwert in Höhe von 7.500,00 EUR war nach Nr. 1.5 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs im hier anhängigen Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren.


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