Baurecht

Festsetzung des Straßenausbaubeitrages für vorhandene historische Straße

Aktenzeichen  M 2 K 15.192

Datum:
12.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, Abs. 3
BauGB BauGB § 242 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Eine vorhandene (historische) Straße im Sinne des § 242 Abs. 1 BauGB liegt vor, wenn sie zu irgendeinem Zeitpunkt vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes Erschließungsfunktion besessen hat und für diesen Zweck endgültig hergestellt war. Erschließungsfunktion erhält eine Straße nicht schon dadurch, dass vereinzelt Grundstücke an ihr bebaut sind; erforderlich ist vielmehr, dass an ihr eine gehäufte Bebauung vorhanden ist, also zumindest für eine Straßenseite bauplanungsrechtlich eine Innenbereichslage zu bejahen ist.   (redaktioneller Leitsatz)
2 Welche Merkmale eine Straße aufweisen musste, um nach dem bis zum 29. Juni 1961 geltenden Recht als endgültig hergestellt gelten zu können, bestimmt sich nach den landesrechtlichen und örtlichen straßenbaurechtlichen Vorschriften sowie städtebaulichen Regelungen, nach etwaigen Richtlinien für den Abschluss von Straßenkostensicherungsverträgen, nach der erkennbar gewordenen Straßenplanung der Gemeinde und, falls es an dahingehenden Unterlagen fehlt, nach den örtlichen Verkehrsbedürfnissen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 28. Januar 2014 ist – im Ergebnis – rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Festsetzung des Straßenausbaubeitrags stützt sich auf Art. 2 und 5 KAG i. V. m. der Ausbaubeitragssatzung der Beklagten vom 19. März 2008 (ABS). Danach können die Gemeinden zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen (Investitionsaufwand) Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG). Für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen sollen solche Beiträge erhoben werden, soweit nicht Erschließungsbeiträge nach dem Baugesetzbuch zu erheben sind (Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG).
1. Wie der Kläger im Ergebnis zu Recht vortragen lässt, ist als hinsichtlich seines Grundstücks maßgebliche Ortsstraße (Anlage) die … Straße von der Einmündung in die … Straße (…) im Osten bis zur Verkehrsinsel mit Mariensäule im Westen anzusehen. Soweit die Beklagte bei ihrer Beitragserhebung ursprünglich davon ausgegangen war, die maßgebliche Anlage sei die „… Straße von Kilometer 0 bis 0,395 bis Haus Nr. 19“, die Anlage reiche also im Westen über die Verkehrsinsel hinaus bis etwa zum Ortsende …, trifft dies nicht zu.
Wo eine Ortsstraße beginnt und wo sie – auch in der Form des Übergangs in eine andere Ortsstraße – endet, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermitteln. Zu fragen ist dabei, inwieweit sich die zu beurteilende Einrichtung als augenfällig eigenständiges Element des örtlichen Straßennetzes darstellt. Deshalb hat sich der ausschlaggebende Gesamteindruck nicht an Straßennamen oder Grundstücksgrenzen, sondern, ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise, an der Straßenführung, der Straßenlänge, der Straßenbreite und der Ausstattung mit Teileinrichtungen auszurichten. Zugrunde zu legen ist dabei der Zustand im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten, also nach Durchführung der Ausbaumaßnahme (ständige Rechtsprechung; statt vieler: BayVGH, B. v. 24.3.2015 – 6 CS 15.389 – juris Rn. 11 m. w. N.).
Daran gemessen beginnt die maßgebliche Anlage in Osten an der Einmündung in die … Im Westen endet sie an der Verkehrsinsel mit Mariensäule. Dieses westliche Ende der Anlage ergibt sich aus dem Gesamteindruck der tatsächlichen Verhältnisse, den die Kammer insbesondere aufgrund des gerichtlichen Augenscheins gewonnen hat: Im Einzelnen zu nennen ist zunächst die trennende Wirkung, welche von der platzartigen Verkehrsinsel (Grünfläche mit mittiger Mariensäule, ca. 100 Jahre alter Eiche und Blumenbeet; Ausdehnung in Nordsüdrichtung 8,20 m, in Ostwestrichtung 8,15 m) ausgeht. Hinsichtlich der Straßenführung kommt Folgendes hinzu: Die … Straße knickt an der Verkehrsinsel ab, bis zur Verkehrsinsel verläuft sie in nordwestliche Richtung, ab der Verkehrsinsel schwenkt sie in südwestliche Richtung um. Ferner führt ab der Verkehrsinsel nach Norden die Schulstraße. Blickt man von Osten kommend in Richtung der Verkehrsinsel, stellt sich die Fortsetzung der … Straße nach Südwesten und deren Fortsetzung in die …-straße nach Norden als gleichwertig dar: Beide Abzweigungen verlaufen im gleichen Winkel und scheinen gleich breit zu sein. Aus dieser Perspektive kann bei natürlicher Betrachtungsweise nicht festgestellt werden, dass sich die … Straße nach Südwesten oder dass sie sich nach Norden fortsetzte. Vielmehr wirkt es so, dass auf die Verkehrsinsel aus drei Richtungen jeweils selbstständige Straßen zulaufen und dort enden. Hinsichtlich der Straßenbreite ist zudem festzustellen, dass die … Straße im Bereich östlich der Verkehrsinsel eine Fahrbahnbreite von 6,05 m ausweist, hingegen die Fahrbahn im Bereich westlich der Verkehrsinsel nur mehr 5,55 m breit ist. Signifikant unterschiedlich ist schließlich die Ausstattung mit Teileinrichtungen: Östlich der Verkehrsinsel sind beidseits der … Straße breite Gehwege (auf der Südseite ca. 2,20 m, auf der Nordseite einschließlich eines Grünstreifens mit Bäumen ca. 3,35 m) vorhanden. Hingegen befinden sich im Bereich westlich der Verkehrsinsel – von kleineren Bereichen wie z. B. südseitig bis zur …-straße abgesehen – keine Gehwege. Auch setzt sich der den östlichen Bereich prägende, nordseitige Grünstreifen mit Straßenbäumen im Bereich westlich der Verkehrsinsel nicht fort. Bei einer Gesamtschau all dieser tatsächlichen Umstände – maßgeblich ist der Gesamteindruck, nicht der einzelne, für sich allein betrachtet möglicherweise nicht hinreichende Gesichtspunkt – ist davon auszugehen, dass die … Straße im Bereich von der Einmündung in die … Straße bis zur Verkehrsinsel mit Mariensäule ein augenfällig eigenständiges Element des örtlichen Straßennetzes darstellt und somit als die vorliegend maßgebliche Anlage anzusehen ist.
2. Zu Recht hat die Beklagte nach Straßenausbaubeitragsrecht abgerechnet. Bei der … Straße handelt es sich im gesamten vorliegend maßgeblichen Bereich östlich der Verkehrsinsel um eine sog. historische Straße, also um eine vorhandene Straße, die gemäß § 242 Abs. 1 BauGB dem Anwendungsbereich des Erschließungsbeitragsrechts (Art. 5a Abs. 1 i. V. m. §§ 127 ff. BauGB) entzogen ist und dem Straßenausbaubeitragsrecht (Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 3 KAG) unterfällt.
Eine vorhandene (historische) Straße im Sinne des § 242 Abs. 1 BauGB liegt vor, wenn sie zu irgendeinem Zeitpunkt vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes am 30. Juni 1961 Erschließungsfunktion besessen hat und für diesen Zweck endgültig hergestellt war (ständige Rechtsprechung; statt vieler: BayVGH, U. v. 27.1.2015 – 6 ZB 13.1128 – juris Rn. 6 m. w. N.). Erschließungsfunktion erhält eine Straße nicht schon dadurch, dass vereinzelt Grundstücke an ihr bebaut sind; erforderlich ist vielmehr, dass an ihr eine gehäufte Bebauung vorhanden ist, also zumindest für eine Straßenseite bauplanungsrechtlich eine Innenbereichslage im Sinne von § 34 Abs. 1 BBauG/BauGB zu bejahen ist. Das verlangt, dass die maßgeblichen Grundstücke in einem Bebauungszusammenhang liegen, der einem Ortsteil angehört (BayVGH, a. a. O., m. w. N.). Welche Merkmale eine Straße aufweisen musste, um nach dem bis zum 29. Juni 1961 geltenden Recht als endgültig hergestellt gelten zu können, bestimmt sich nach den landesrechtlichen und örtlichen straßenbaurechtlichen Vorschriften sowie städtebaulichen Regelungen, nach etwaigen Richtlinien für den Abschluss von Straßenkostensicherungsverträgen, nach der erkennbar gewordenen Straßenplanung der Gemeinde und, falls es an dahingehenden Unterlagen fehlt, nach den örtlichen Verkehrsbedürfnissen (BayVGH, U. v. 10.4.2001 – 6 B 96.2239 – juris Rn. 26).
Vorliegend hatte die … Straße im gesamten vorliegend maßgeblichen Bereich östlich der heutigen Verkehrsinsel bereits vor der Jahrhundertwende (1900) Erschließungsfunktion erlangt: Wie aus der von der Beklagten vorgelegten Flurkarte für den Zeitraum 1865 – 1900 hervorgeht, war die … Straße in diesem Bereich bereits damals beidseitig durchgehend bebaut, so dass für beide Straßenseiten von einer Innenbereichslage auszugehen ist. Aus der genannten Flurkarte geht auch hervor, dass die maßgeblichen Grundstücke bereits damals zu einem Ortsteil gehörten, also einem Bebauungskomplex, der trotz vorhandener Baulücken geschlossen und zusammengehörig wirkt, nach der Zahl der vorhandenen Gebäude ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (vgl. zu diesem Maßstab grundlegend: BVerwG, U. v. 6.11.1968 – IV C 2.66 – und – IV C 31.66 – juris). Die … Straße genügte in ihrem damaligen Ausbauzustand auch den Anforderungen, die an eine Erschließungsanlage zu stellen waren: Zwar ist aufgrund der von der Beklagten mit Schreiben vom 6. Mai 2015 vorgelegten Unterlagen zu den Baumaßnahmen in den Jahren 1967/1968 und den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 12. Mai 2015 zu diesen Baumaßnahmen davon auszugehen, dass die … Straße bis zu diesen Baumaßnahmen lediglich eine Schotterstraße war. Indes genügte eine solche Schotterstraße vor der Jahrhundertwende und selbst noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts jedenfalls in einem kleinen Dorf wie … dem Anforderungsprofil einer Erschließungsstraße (BayVGH, U. v. 10.4.2001 – 6 B 96.2239 – juris Rn. 26 m. w. N.; Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand Januar 2016, Rn. 181 c m. w. N.).
Handelt es sich somit bei der … Straße im gesamten vorliegend maßgeblichen Bereich östlich der Verkehrsinsel um eine vorhandene Erschließungsanlage im Sinne des § 242 Abs. 1 BauGB, scheidet bereits deshalb eine Abrechnung der verfahrensgegenständlichen Baumaßnahmen nach Erschließungsbeitragsrecht aus. Es kommt nicht mehr darauf an, inwieweit die früheren Straßenbaumaßnahmen in den Jahren 1967/1968 oder spätere Baumaßnahmen zu einer erstmaligen und endgültigen Herstellung im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts geführt haben.
3. Es liegt auch eine beitragsfähige Erneuerung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG vor. Die insoweit vom Kläger vorgebrachten Einwände sind nicht berechtigt.
Unter einer beitragsfähigen Erneuerung ist die – über eine bloße Instandsetzung hinausgehende – Ersetzung einer infolge bestimmungsgemäßer Nutzung nach Ablauf der üblichen Nutzungszeit abgenutzten Ortsstraße durch eine gleichsam „neue“ Ortsstraße von gleicher räumlicher Ausdehnung, gleicher funktioneller Aufteilung der Fläche und gleichwertiger Befestigungsart zu verstehen, also eine Maßnahme, durch die eine erneuerungsbedürftige Straße bzw. Teileinrichtung nach Ablauf der für sie üblichen Nutzungsdauer in einen Zustand versetzt wird, der mit ihrem ursprünglichen Zustand im Wesentlichen vergleichbar ist; nach ständiger Rechtsprechung beträgt die übliche Nutzungsdauer von Straßen im Allgemeinen 20 bis 25 Jahre (BayVGH, U. v. 11.12.2015 – 6 BV 14.584 – juris Rn. 17 m. w. N.).
Vorliegend ist aufgrund der von der Beklagten mit Schreiben vom 6. Mai 2015 nachgereichten Unterlagen zu den Baumaßnahmen in den Jahren 1967/1968 und unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 12. Mai 2015 zu diesen Baumaßnahmen mittlerweile hinreichend nachgewiesen, dass die zuvor lediglich als Schotterstraße vorhandene … Straße im Zuge dieser Baumaßnahmen in den Jahren 1967/1968 im technischen Sinne erstmals ausgebaut wurde, d. h. insbesondere erstmals asphaltiert und mit einem frostsicherem Unterbau sowie Gehwegen, Entwässerungseinrichtungen und Beleuchtung ausgestattet wurde. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 12. Mai 2015 vorgetragen hat, über die Baumaßnahmen im Jahr 1967/1968 hinaus sei im Jahr 1977 der Abwasserkanal verlegt worden und die Straße anschließend neu asphaltiert worden, sowie in der mündlichen Verhandlung am 12. Januar 2016 gänzlich neu und unsubstantiiert behauptet hat, die Straße sei Mitte der 1990er Jahre nach Setzungen und Asphaltbeschädigungen, welche durch einen unsachgemäßen Kanalbau entstanden seien, abermals saniert worden, ist von bloßen Instandsetzungsmaßnahmen zur Schadensbeseitigung auszugehen. Derartige Instandsetzungsmaßnahmen stellen gerade keine beitragsfähige Erneuerung dar. Sie sind auch kein Indiz dafür, dass nach Ablauf der üblichen Nutzungszeit dennoch kein Erneuerungsbedarf besteht, weil solche Instandsetzungsmaßnahmen zur Schadensbeseitigung naturgemäß hinter der für eine beitragsfähige Erneuerung erforderlichen umfassenden Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands zurückbleiben. So wurde etwa auch vorliegend im Rahmen der Instandsetzungsmaßnahmen der frostsichere Unterbau nicht erneuert, was zu erwarten war und von der im Erläuterungsbericht des Ingenieurbüros vom 17. August 2011 erwähnten Baugrunduntersuchung auch belegt wird. Es ist deshalb mit Blick auf den in den Jahren 1967/1968 erfolgten erstmaligen Ausbau der … Straße (im technischen Sinn) davon auszugehen, dass die übliche Nutzungsdauer von allgemein 20 bis 25 Jahren zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Baumaßnahmen in den Jahren 2011 bis 2013 bereits abgelaufen war.
Hinzu kommt, dass die … Straße hinsichtlich aller Teileinrichtungen auch tatsächlich erneuerungsbedürftig war: Dies belegen die von der Beklagten vorgelegten Unterlagen wie der Erläuterungsbericht des Ingenieurbüros vom 17. August 2011 zur Straßenbaumaßnahme, die Auskunft des Ingenieurbüros vom 16. Januar 2015 zur Frostsicherheit, die Stellungnahme des Ingenieurbüros vom 28. Januar 2015 zu den vor der abgerechneten Baumaßnahme bestehenden Mängeln sowie die Fotos zum früheren Zustand der … Straße. Letztlich ergibt sich der Erneuerungsbedarf auch aus dem Vortrag des Klägers, in dem u. a. auf die verlorengegangene Frostsicherheit des Unterbaus sowie auf erhebliche Straßenbeschädigungen durch Schwerlastverkehr im Rahmen des Ausbaus der ICE-Strecke … in den Jahren 2002 – 2003 hingewiesen wird.
Dass die Erneuerungsbedürftigkeit der Straße gemäß dem Vortrag des Klägers und auch der Klägerin im Parallelverfahren M 2 K 14.4558 unter anderem auch auf eine besondere Belastung der … Straße durch den Schwerlastverkehr im Rahmen des ICE-Streckenneubaus … zurückzuführen ist, steht der Annahme einer beitragsfähigen Erneuerung nicht entgegen. Ein solcher Schwerlast- oder Baustellenverkehr gehört zum bestimmungsgemäßen Gebrauch der Straße, darf also (Mit-)Ursache der Verschlissenheit sein (vgl. dazu BayVGH, U. v. 14.7.2010 – 6 B 08.2254 – juris Rn. 31 m. w. N.).
Nicht weiterhelfen kann dem Kläger schließlich auch sein Vorbringen, die gemäß dem Erläuterungsbericht von 2011 fehlende Frostsicherheit sei darauf zurückzuführen, dass bei den Instandsetzungsmaßnahmen Ende der 1970er Jahre oder Mitte der 1990er Jahre mangelhafter Untergrund eingebracht worden sei. Deshalb könne gemäß einer Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen vom 5. Juli 1990 kein Straßenausbaubeitrag erhoben werden. Zum einen handelt es sich hierbei in tatsächlicher Hinsicht lediglich um eine unsubstantiierte Vermutung des Klägers. Gegen diese spricht, dass die laut Erläuterungsbericht vom 17. August 2011 bei der Baugrunduntersuchung festgestellte fehlende Frostsicherheit gemäß der Auskunft des Ingenieurbüros vom 16. Januar 2015 darauf zurückgeführt werden kann, dass sich der Feinkornanteil durch Kornzerstörung infolge der Verkehrsbelastung im Laufe der Jahre kontinuierlich erhöht hat, wodurch die anfangs bestehende Frostsicherheit nach und nach verloren gegangen ist. Zum andern übersieht der Kläger, dass das OVG Nordrhein-Westfalen in der von ihm angeführten Entscheidung (U. v. 5.7.1990 – 2 A 1483/87 – juris) lediglich entschieden hat, dass es hinsichtlich einer Straßenbaumaßnahme an dem für eine Erneuerung typischen Vorteil fehle, wenn infolge Verwendung mangelhaften Materials keine intakte und auf lange Zeit haltbare Anlage zur Verfügung gestellt worden sei. Vorliegend werden aber gar nicht die Straßenbaumaßnahmen Ende der 1970er Jahre oder Mitte der 1990er Jahre abgerechnet, bei denen laut Kläger angeblich mangelhafter Untergrund eingebracht worden sein soll. Vielmehr erhebt die Beklagte den Straßenausbaubeitrag für Baumaßnahmen in den Jahren 2011 bis 2013. Hinsichtlich jener hat weder der Kläger vorgetragen noch gibt es sonst Anhaltspunkte, dass für den Unterbau mangelhaftes Material verwendet worden ist.
4. Auch hinsichtlich der Erforderlichkeit des abgerechneten Aufwands bestehen keine rechtlichen Bedenken. Eine Gemeinde hat hinsichtlich des Inhalts des Bauprogramms einer Straßenausbaumaßnahme einen weiten Gestaltungsspielraum. Sie ist auch nicht gehalten, die kostengünstigste Ausbaumöglichkeit zu wählen. Die Erforderlichkeit entstandener Kosten kann nur verneint werden, wenn sich die Gemeinde offensichtlich nicht an das Gebot der Wirtschaftlichkeit gehalten hat und dadurch augenfällige Mehrkosten entstanden sind, d. h. wenn die Kosten in für die Gemeinde erkennbarer Weise eine grob unangemessene Höhe erreichen und sachlich schlechthin unvertretbar sind (BayVGH, B. v. 4.6.2014 – 6 CS 14.716 – juris Rn. 15 m. w. N.). Vorliegend hat der Kläger keine konkreten Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass die Beklagte ihren Gestaltungsspielraum überschritten hätte (obwohl das Gericht die von der Beklagten mit Schreiben vom 27. April 2015 übersandten Unterlagen zum Aufwand bereits mit Schreiben vom 28. April 2015 dem Bevollmächtigten zur Akteneinsicht übermittelt hatte), auch sonst ist hierfür nichts ersichtlich.
5. Hinsichtlich des gemeindlichen Eigenanteils ist die … Straße im vorliegend maßgeblichen Bereich östlich der Verkehrsinsel – anders als die Beklagte bei Erlass des streitgegenständlichen Bescheids noch meinte – nicht als Hauptverkehrsstraße, sondern als Haupterschließungsstraße anzusehen:
Kommt die Einrichtung neben den Beitragspflichtigen nicht nur unbedeutend auch der Allgemeinheit zugute, so ist in der Abgabesatzung (Art. 2 KAG) eine Eigenbeteiligung vorzusehen. Die Eigenbeteiligung muss die Vorteile für die Allgemeinheit angemessen berücksichtigen. Satzungen nach Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG haben eine vorteilsgerecht abgestufte Eigenbeteiligung einheitlich für das gesamte Gemeindegebiet vorzusehen (Art. 5 Abs. 3 Sätze 1-3 KAG). Aus diesen Vorgaben erwächst das Gebot, die Ortsstraßen nach ihrer Verkehrsbedeutung typisierend zu gliedern und zumindest nach den Straßenkategorien der Wohnstraße, der Straße mit starkem innerörtlichen Verkehr und Durchgangsstraßen zu differenzieren (BayVGH, B. v. 9.3.2015 – 6 ZB 14.124 – juris Rn. 6; BayVGH, U. v. 9.2.2012 – 6 B 10.865 – juris Rn. 18). Dementsprechend hat die Beklagte in § 7 Abs. 2 Nr. 1 ABS für Maßnahmen an Ortsstraßen eine nach Straßenkategorien differenzierte Eigenbeteiligung vorgesehen. Diese beträgt bei Anliegerstraßen 20%, bei Haupterschließungsstraßen für die Fahrbahn 50% und im Übrigen 30% sowie bei Hauptverkehrsstraßen für die Fahrbahn 70% und im Übrigen 40%.
§ 7 Abs. 3 Nr. 1 ABS definiert Anliegerstraßen als Straßen, die ganz überwiegend der Erschließung der Grundstücke dienen. Haupterschließungsstraßen sind gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 2 ABS Straßen, die der Erschließung von Grundstücken und gleichzeitig dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr dienen und nicht Hauptverkehrsstraßen sind. Hauptverkehrsstraßen sind Straßen, die ganz überwiegend dem durchgehenden innerörtlichen und/oder überörtlichen Durchgangsverkehr dienen (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 ABS). Diese Kategorien sollen Straßentypen mit signifikanten Unterschieden hinsichtlich des Vorteils der Allgemeinheit gegeneinander abgrenzen. Das Verständnis der Einzelbestimmung kann sich somit von vorneherein nicht isoliert an deren Wortlaut, sondern muss sich am Verhältnis zu den anderen Straßenkategorien orientieren. Da nach den Definitionen der Ausbaubeitragssatzung des Beklagten Anliegerstraßen ganz überwiegend dem Anliegerverkehr und Hauptverkehrsstraßen ganz überwiegend dem Durchgangsverkehr dienen, drängt sich auf, dass sich bei Haupterschließungsstraßen Anlieger- und Durchgangsverkehr in etwa als gleichgewichtig erweisen. Daraus folgt auch mit Blick auf die gesetzlichen Vorgaben, dass die Begriffswahl „ganz überwiegend“ verdeutlichen soll, dass es nicht um rechnerisch exakte Größenordnungen, sondern, wie es dem Grundsatz der Typengerechtigkeit entspricht, um einen Schwerpunkt gehen soll (st. Rspr.: BayVGH, B. v. 9.3.2015 – 6 ZB 14.124 – juris Rn. 6; BayVGH, U. v. 9.2.2012 – 6 B 10.865 – juris Rn. 18; BayVGH, U. v. 20.2.2009 – 6 BV 07.615 – juris Rn. 19). Bei der Einordnung einer Straße in die Kategorien der Ausbaubeitragssatzung ist dabei ausgehend von den Definitionen der Satzung auf die Zweckbestimmung abzustellen, wie sie sich aus einer Gesamtbewertung von Art und Größe der Gemeinde, deren weiterreichenden Verkehrsplanungen, der Lage und Führung der Straße im gemeindlichen Straßennetz und dem gewählten Ausbauprofil ergibt. Lediglich daneben, gewissermaßen als Bestätigungsmerkmal, können auch die tatsächlichen Verkehrsverhältnisse von Bedeutung sein (st. Rspr.: BayVGH, B. v. 9.3.2015 – 6 ZB 14.124 – juris Rn. 6; BayVGH, B. v. 8.1.2015 – 6 ZB 13.577 – juris Rn. 12; BayVGH, B. v. 27.7.2012 – 6 ZB 12.796 – juris Rn. 10; BayVGH, U. v. 9.2.2012 – 6 B 10.865 – juris Rn. 18).
An diesen Maßstäben gemessen ist die … Straße im maßgeblichen Bereich östlich der Verkehrsinsel als Haupterschließungsstraße zu klassifizieren. Den vorliegenden Plänen und Luftbildern ist zweifelsohne zu entnehmen, dass diese Anlage gemessen an der Verkehrsplanung der Beklagten sowie der Lage und Führung der Straße im gemeindlichen Straßennetz eine Haupterschließungsstraße darstellt. Andere Aspekte, wie etwa das gewählte Ausbauprofil, stehen dieser Einschätzung nicht entgegen:
Die … Straße im Bereich östlich der Verkehrsinsel hat zwei Funktionen: Zum einen dient sie zusammen mit der … Straße im Bereich westlich der Verkehrsinsel dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr vom Ortsteil … zu den kleineren Ortsteilen …, … und … sowie dem überörtlichen Durchgangsverkehr zu einem östlich gelegenen Baugebiet der Nachbargemeinde …. Zum anderen dient die … Straße im Bereich östlich der Verkehrsinsel zunächst der Erschließung der beidseits an ihr anliegenden Grundstücke sowie darüber hinaus zusammen mit der …-straße, der … Straße westlich der Verkehrsinsel und der …-straße vor allem der Binnenerschließung der überschaubaren, nur wenige Wohnstraßen umfassenden nordwestlichen und südwestlichen Bereiche des Ortsteils …. Bei diesem kleinräumigen Ziel- und Quellverkehr innerhalb des Ortsteils bzw. Bauquartiers handelt es sich nicht um durchgehend innerörtlichen Verkehr, sondern um Anliegerverkehr (vgl. dazu BayVGH, B. v. 31.7.2014 – 6 ZB 13.2270 – juris Rn. 7; BayVGH, B. v. 4.6.2014 – 6 CS 14.716 – juris Rn. 11; BayVGH, B. v. 27.7.2012 – 6 ZB 12.796 – juris Rn. 11; BayVGH, U. v. 9.2.2012 – 6 B 10.865 – juris Rn. 20).
Im Hinblick auf die somit festzustellende Funktion hinsichtlich des durchgehenden innerörtlichen Verkehrs und des überörtlichen Durchgangsverkehrs kann die … Straße östlich der Verkehrsinsel nicht als Anliegerstraße eingeordnet werden. Indes hat dieser durchgehende innerörtliche Verkehr und überörtliche Durchgangsverkehr neben dem Anliegerverkehr kein solches Gewicht, dass davon gesprochen werden könnte, die Anlage diene „ganz überwiegend“ dem durchgehenden innerörtlichen und/oder überörtlichen Durchgangsverkehrs und sei deshalb als Hauptverkehrsstraße einzustufen: Gemessen an der Verkehrsplanung der Beklagten sowie der Lage und Führung der … Straße östlich der Verkehrsinsel im gemeindlichen Straßennetz ist festzustellen, dass sich der durchgehende innerörtliche Verkehr auf die Verbindungsfunktion mit den kleineren Ortsteilen …, … und … und der überörtliche Durchgangsverkehr auf die Verbindungsfunktion mit dem einem östlich gelegenen Baugebiet der Nachbargemeinde … beschränkt. Hingegen liegt mit Blick auf das umgebende Straßennetz – von … aus führen die … und dann weiter die … in die Nachbargemeinde …, die Staatstraße … in den Hauptort der Beklagten und dann weiter in die Kreisstadt … sowie die Staatstraße … in die Nachbargemeinde … – auf der Hand, dass der … Straße östlich der Verkehrsinsel keineswegs eine zentrale und wesentliche Funktion für den durchgehenden innerörtlichen Verkehr oder gar den überörtlichen Durchgangsverkehr zugewiesen ist (vgl. dazu auch die Fallgestaltung bei BayVGH, B. v. 9.3.2015 – 6 ZB 14.124 – juris Rn. 8). Daran gemessen kann die … Straße östlich der Verkehrsinsel nicht als Hauptverkehrsstraße, vielmehr muss sie als Haupterschießungsstraße eingestuft werden. Der gemeindliche Eigenanteil beträgt mithin hinsichtlich der Fahrbahn 50% und im Übrigen 30%.
6. Hinsichtlich der Frage, auf welche Grundstücke der Aufwand mit welchem Maß zu verteilen ist (Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 KAG) ist auf Folgendes besonders hin-zuweisen:
Das klägerische Grundstück Fl. Nr. … ist zweifellos beitragspflichtig, da es unmittelbar an der Anlage „… Straße östlich der Verkehrsinsel“ anliegt, mithin eine vorteilsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit besteht. Der Hinweis des Klägerbevollmächtigten auf den zwischen dem klägerischen Grundstück und der Fahrbahn liegenden Grünstreifen liegt schon deshalb neben der Sache, weil dieser Grünstreifen durch die ca. 8,00 m breite Zufahrt von der … Straße zum klägerischen Grundstück unterbrochen ist (siehe die von der Beklagten vorgelegten Fotos und die Feststellungen des Gerichts beim Augenschein am 26. Juni 2015).
Auch das Grundstück Fl. Nr. … war heranzuziehen, nachdem beim gerichtlichen Augenschein festgestellt wurde, dass dieses Grundstück von der Anlage „… Straße östlich der Verkehrsinsel“ im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG erschlossen wird.
Wie der Kläger zu Recht hat vorgetragen lassen, war ferner auch das Grundstück Fl. Nr. … zu berücksichtigen. Bei diesem im Eigentum der Beklagten stehenden Grundstück handelt es sich trotz seiner geringen Größe entgegen der ursprünglichen Auffassung der Beklagten nicht um ein nur unterwertig bebaubares und damit außer Betracht zu lassendes Grundstück, da z. B. ein Stellplatz problemlos errichtet werden könnte. Allerdings liegt hierin lediglich eine untergeordnete bauliche Nutzungsmöglichkeit im Sinne des § 8 Abs. 4 ABS, so dass dieses Grundstück nur mit 50% der Grundstücksfläche in die Verteilung einzubeziehen war.
Weder beim klägerischen Grundstück Fl. Nr. …, noch bei einem anderen Grundstück war eine Tiefenbegrenzung auf 50 m vorzunehmen, weil die sich auf diese beziehenden Teile der Satzungsbestimmung in § 8 Abs. 3 Nr. 2 ABS nichtig sind: Eine satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung muss zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der bevorteilten von den nicht mehr bevorteilten Flächen ausgerichtet werden und auf einer sorgfältigen Ermittlung der örtlichen Bebauungsverhältnisse durch den Satzungsgeber beruhen. Dieser muss prüfen, ob er eine für alle Grundstücke im Gemeindegebiet gleichermaßen geltende Tiefenbegrenzung festlegen kann. Die gewählte Tiefenbegrenzung muss die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegeln und sich an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientieren (BayVGH, U. v. 23.4.2015 – 6 BV 14.1621 – juris Rn. 31 m. w. N.; diese Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist zwar – wie der Kläger zu Recht vorträgt – zu einer Tiefenbegrenzungsregelung in einer Erschließungsbeitragssatzung ergangen, indes ist nicht ersichtlich, warum im Falle einer straßenausbaubeitragsrechtlichen Tiefenbegrenzung etwas anderes gelten sollte). Vorliegend genügt die in § 8 Abs. 3 Nr. 2 ABS angeordnete Tiefenbegrenzung auf 50 m diesen Anforderungen nicht: Die Beklagte hat beim Augenschein am 26. Juni 2015 auf Frage des Gerichts ausdrücklich erklärt, dass sie – wie gerichtsbekanntermaßen viele andere Gemeinden auch – die satzungsmäßige Tiefenbegrenzungsregelung aus der Mustersatzung des Bayerischen Gemeindetags übernommen und keine Berechnung nach den örtlichen Verhältnissen angestellt hat. Ohne wirksame Tiefenbegrenzung kann und muss der räumliche Umfang des Erschlossenseins bei übermäßig tiefen Grundstücken im Einzelfall bestimmt werden (BayVGH, a. a. O., juris Rn. 33). Vorliegend ist das klägerische Grundstück und sind auch alle anderen Grundstücke, bei denen die Beklagte ursprünglich die Tiefenbegrenzungsregelung angewandt hatte, dem bauplanungsrechtlichen Innenbereich zuzuordnen, weshalb jeweils die tatsächliche Grundstücksfläche anzusetzen war.
Zu Unrecht rügt der Kläger, die Beklagte hätte hinsichtlich des Grundstücks Fl. Nr. … keine Ermäßigung wegen Mehrfacherschließung berücksichtigt dürfen, weil dieses nicht an einer weiteren Anlage anliege. Denn zum maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten erstreckte sich dieses Grundstück noch bis zur …-gasse. Gleichzeitig musste allerdings – wie auch geschehen – auch jene Teilfläche in die Aufwandsverteilung einbezogen werden, die heute auf das später herausgeteilte Grundstück Fl. Nr. … entfällt.
Auch hinsichtlich des Grundstücks Fl. Nr. … – also des Grundstücks der Klägerin im Parallelverfahren M 2 K 14.4558 – war im Hinblick auf die … Straße (…) eine Ermäßigung wegen Mehrfacherschließung gemäß § 8 Abs. 13 ABS zu berücksichtigen. Dies gilt allerdings nur bezogen auf den Aufwand für jene Teileinrichtungen, für die bei einem Ausbau der … Straße als Ortsdurchfahrt einer Kreisstraße eine Straßenausbaubeitragspflicht ausgelöst werden kann (vgl. dazu Matloch/Wiens, a. a. O., Rn. 934 und 2161). Zu Unrecht meinte die Beklagte ursprünglich, eine solche Ermäßigung wegen Mehrfacherschließung sei für Fl. Nr. … nicht zu gewähren, da jenes nur punktförmig an der … Straße anliegt und im Übrigen durch das im Eigentum der Beklagten stehende Grundstück Fl. Nr. … von jener getrennt ist. Denn für Fl. Nr. … besteht hinsichtlich der … Straße eine vorteilsrelevante Möglichkeit der Inanspruchnahme als (nicht gefangenes) Hinterliegergrundstück: Dazu ist zunächst erforderlich, dass eine rechtlich verlässliche Benutzbarkeit der Zufahrt über das Anliegergrundstück (hier Fl. Nr. …) besteht. Anders als im Erschließungsbeitragsrecht ist hierfür keine dingliche Verfestigung erforderlich, vielmehr genügt auch eine verlässliche schuldrechtliche Gestattung. Auch wenn insoweit das bloße Vorhandensein einer Zufahrt nicht ausreicht, so kann die schuldrechtliche Gestattung etwa auch in Form eines Leihvertrags bestehen, der durch eine stillschweigende langjährige Überlassung eines Grundstücksteils als Zufahrt durch schlüssiges Verhalten zustande gekommen ist (Matloch/Wiens, a. a. O., Rn. 2163 m. w. N.). So liegt es hier: Es besteht nicht nur tatsächlich eine langjährige, mit Kraftfahrzeugen befahrbare Zufahrt von der … Straße über das Anliegergrundstück Fl. Nr. … hinweg zum Grundstück Fl. Nr. … und zu weiteren Hinterliegergrundstücken. Vielmehr ist an dieser Stelle, wie das Gericht beim Augenschein feststellen konnte, auch der Bordstein der … Straße abgesenkt. Dies kann nur so verstanden werden, dass die Beklagte mit der Benutzung der betroffenen Teilfläche des in ihrem Eigentum stehenden Grundstücks Fl. Nr. … als Zufahrt einverstanden ist, ansonsten wäre der Bordstein nicht abgesenkt worden. Dies ist als Überlassung durch schlüssiges Verhalten und damit als schuldrechtliche Gestattung zu werten. Da es sich bei Fl. Nr. … zudem um ein sog. nicht-gefangenes Hinterliegergrundstück handelt, muss hinzukommen, dass Anhaltspunkte den Schluss erlauben, die abzurechnende Straße werde über das Anliegergrundstück vom Hinterliegergrundstück aus ungeachtet dessen direkter Anbindung an seine „eigene“ Straße in nennenswertem Umfang in Anspruch genommen werden. Als Anhaltspunkt für einen solchen Schluss genügt aber eine tatsächlich angelegte Zufahrt oder ein tatsächlich angelegter Zugang über das Anliegergrundstück (BayVGH, B. v. 13.7.2015 – 6 ZB 15.585 – juris Rn. 6 m. w. N.; Matloch/Wiens, a. a. O., Rn. 2163 m. w. N.). Vorliegend ist eine solche Zufahrt vorhanden.
Hingegen ist entgegen der Auffassung des Klägers bei dessen Grundstück Fl. Nr. … gemäß § 8 Abs. 13 Satz 2 ABS keine Ermäßigung wegen Mehrfacherschließung hinsichtlich der … Straße zu berücksichtigen, weil dieses zu mehr als einem Drittel gewerblich genutzt wird. Vielmehr ist aufgrund dieser gewerblichen Nutzung bei Fl. Nr. … zusätzlich ein Artzuschlag von 50% gemäß § 8 Abs. 11 ABS anzusetzen: Wie bereits aus den vorgelegten Fotos erkennbar war und das Gericht zudem beim Augenschein am 26. Juni 2015 unschwer feststellen konnte, wird Fl. Nr. … jedenfalls teilweise gewerblich genutzt. Das Gericht hatte deshalb der Beklagten mit Schreiben vom 8. Juli 2015 u. a. aufgegeben, der Frage einer gewerblichen Nutzung zu mehr als einem Drittel näher nachzugehen. Der Kläger hat hierzu mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 12. August 2015 angegeben, dass auf dem Grundstück Fl. Nr. … die Halle mit 205 qm, ein Büroraum mit 14 qm sowie diverse Parkplätze im Hofraum gewerblich genutzt würden; dies bedeute, dass bei einer Gesamtfläche von 2.980 qm weniger als 500 qm gewerblich genutzt würden. Zu Unrecht hat die Beklagte aus diesen Angaben geschlossen, dass Fl. Nr. … nicht zu mehr als einem Drittel gewerblich genutzt wird: Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist bei einem mit einem Gebäude bebauten, gemischt genutzten Grundstück für den Vergleich der jeweiligen Nutzungsanteile maßgebend allein auf die Geschossflächen abzustellen, also auf die Flächen, die den in dem Gebäude ausgeübten Nutzungen zuzurechnen sind; die Freiflächen bleiben grundsätzlich außer Betracht (BayVGH, B. v. 4.11.2014 – Az. 6 CS 14.1470 – juris Rn. 14 m. w. N.; Matloch/Wiens, a. a. O., Rn. 2161 m. w. N.). Vorliegend ergibt sich bei einem solchen Geschossflächenvergleich unter Berücksichtigung der vorliegenden Fotos und Luftbilder sowie der Angaben des Klägers, dass offensichtlich eine gewerbliche Nutzung von mehr als einem Drittel vorliegt: Gewerblich genutzt werden die auf dem Grundstück westlich gelegen Halle, die eine deutlich größere Grundfläche als das östlich gelegene Gebäude aufweist, sowie in dem östlich gelegenen Gebäude zusätzlich ein Büroraum mit 14 qm. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die westliche Halle eingeschossig und das östliche Gebäude zweigeschossig ist, ergibt sich hieraus bezogen auf die Geschossfläche zweifellos eine gewerbliche Nutzung zu mehr als einem Drittel. Zwar gibt es durchaus Ausnahmefälle, bei denen über einen reinen Geschossflächenvergleich hinaus zusätzlich die Freiflächen in den Blick zu nehmen sind. Indes handelt sich hierbei um Fälle, bei denen der reine Geschossflächenvergleich keine gewerbliche Nutzung zu mehr als einem Drittel ergibt, ein solcher aber zu kurz griffe, weil eine hinzutretende gewerbliche Freiflächennutzung im Einzelfall ein solches Gewicht hat, dass zum Zweck einer vorteilsgerechten Aufwandsverteilung ausnahmsweise eine Einbeziehung der Freiflächen erforderlich ist (vgl. dazu BayVGH, B. v. 4.11.2014 – Az. 6 CS 14.1470 – juris Rn. 14 f. m. w. N.; Matloch/Wiens, a. a. O., Rn. 2161 m. w. N.). Vorliegend ist ein solcher Ausnahmefall nicht gegeben.
7. Abschließend ist festzustellen: Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen ergibt sich für das klägerische Grundstück Fl. Nr. … ein Straßenausbaubeitrag in Höhe von 22.200,84 €. Soweit die Beklagte bei ihrer mit Schriftsatz vom 22. September 2015 vorgelegten Vergleichsberechnung mit 13.831,96 € einen niedrigeren Betrag ermittelt hat, beruht dies darauf, dass sie zu Unrecht hinsichtlich des klägerischen Grundstücks von keiner gewerblichen Nutzung zu mehr als einem Drittel ausgegangen ist und deshalb statt eines Artzuschlags eine Ermäßigung wegen Mehrfacherschließung berücksichtigt hat. Das Gericht hat die Beteiligten hierauf in der mündlichen Verhandlung am 12. Januar 2016 hingewiesen. Korrigiert man die Vergleichsberechnung insoweit, so ergibt sich für das klägerische Grundstück Fl. Nr. … eine Beitragserhöhung auf 22.200,84 €, wie das Gericht zur Vermeidung von Verzögerungen selbst berechnet hat (vgl. den Vermerk in der Gerichtsakte). Dieser Betrag (und auch schon der von der Beklagten bei ihrer Vergleichsberechnung ermittelte Betrag) liegt deutlich über dem im streitgegenständlichen Bescheid vom 28. Januar 2014 festgesetzten Straßenausbaubeitrag von 10.713,92 €, weshalb dieser Bescheid im Ergebnis rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.
Nach alldem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 709 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
ein zu reichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 10.713,92 € festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes Euro 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben