Baurecht

Gebührenbedarfsberechnung für Abfallentsorgung; Bemessung nach Einwohnergleichwerten; nachträgliche Kalkulation; Zugangsfiktion bei einfachen Schreiben

Aktenzeichen  7 A 526/20 MD

Datum:
17.3.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG Magdeburg 7. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:VGMAGDE:2022:0317.7A526.20MD.00
Normen:
§ 2 Abs 2 KAG ST
§ 5 Abs 1 KAG ST
§ 5 Abs 2 KAG ST
§ 122 Abs 2 Nr 1 AO 1977
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

1. Grundsätzlich ist es nicht zu beanstanden, wenn sich die für die Abfallentsorgung zuständige Körperschaft bei der Bestimmung von Einwohnergleichwerten für Erzeuger/Besitzer von überlassungspflichtigem Abfall aus anderen Herkunftsbereichen einer Differenzierung nach der Art des Gewerbebetriebes bzw. der öffentlichen Einrichtung bedient, da in Abhängigkeit von dem ausgeübten Gewerbe oder der öffentlichen Einrichtung nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine unterschiedliche Menge von überlassungspflichtigem Abfall anfallen kann. Die Berechnung auf der Grundlage von sog. Einwohnergleichwerten stellt einen anerkannten Wahrscheinlichkeitsmaßstab nach § 5 Abs. 3 Satz 2 KAG LSA (juris: KAG ST) dar. (Rn.48)
2. Auch bei einer rückwirkenden Gebührensatzung, die eine aus materiellen Gründen nichtige Gebührensatzung ersetzt, ist für die gerichtliche Prüfung auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Satzungserlasses abzustellen. Soweit der Gültigkeitszeitraum der Gebührensatzung allerdings in der Vergangenheit liegt, kommt für die Berechnung des Gebührensatzes keine echte Vorauskalkulation mehr in Betracht. Demnach ist der angegriffene Gebührensatz mit Blick auf das Kostenüberschreitungsverbot auf der Grundlage der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Satzungserlasses unter Heranziehung der bis dahin bekannt gewordenen tatsächlichen Betriebsergebnisse und Maßstabseinheiten („harte Zahlen“) zu beurteilen. (Rn.54)
(Rn.66)

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben.
Im Übrigen wird der Bescheid des Beklagten vom 28.04.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2020 aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 199,20 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung von Abfallgebühren für den Erhebungszeitraum vom 01.01.2020 bis 31.12.2020.
Bei dem Kläger handelt es sich um einen eingetragenen Verein, welcher ein privates Museum betreibt, in welchem in der ehemaligen DDR hergestelltes bzw. vertriebenes Spielzeug ausgestellt wird.
Mit Bescheid vom 28.04.2020, dem Kläger nach eigenen Angaben am 12.05.2020 zugegangen, setzte der Kreiswirtschaftsbetrieb des Beklagten gegenüber dem Kläger für den Erhebungszeitraum 2020 Abfallgebühren in Höhe von 199,20 € fest. Der Festsetzung lagen die Abfallentsorgungssatzung und die Abfallgebührensatzung des Beklagten jeweils in der Fassung vom 28.10.2019 zugrunde. Bei der Berechnung ging der Kreiswirtschaftsbetrieb des Beklagten von einem Einwohnergleichwert von 4 aus. Ein Einwohnergleichwert entspreche einer Grundgebühr in Höhe von 49,80 €, weshalb sich ein Gesamtbetrag in Höhe von 199,20 € ergebe.
Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 12.06.2020 Widerspruch und führte zur Begründung aus, der Einwohnergleichwert in Höhe von 4 könne nicht nachvollzogen werden. Auf dem Grundstück falle kein überlassungspflichtiger Abfall an. Die entsprechenden Restabfalltonnen habe der Kläger bereits an den Kreiswirtschaftsbetrieb zurückgegeben.
Mit Bescheid vom 09.09.2020 wies der Kreiswirtschaftsbetrieb des Beklagten den Widerspruch als unzulässig zurück und führte zur Begründung aus, der streitgegenständliche Bescheid sei am 28.04.2020 zur Post gegeben worden, weshalb dieser am 02.05.2020 als zugestellt und bekanntgegeben gelte. Die Frist zur Einlegung des Widerspruches habe daher am 03.05.2020 begonnen und am 02.06.2020 geendet. Der Widerspruch vom 12.06.2020 sei daher verfristet.
Dagegen hat der Kläger am 09.10.2020 Klage erhoben und unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens aus dem Widerspruchsverfahren zur Begründung weiter ausgeführt, der Widerspruch sei unzutreffend als unzulässig zurückgewiesen worden. Das Museum sei seit Anfang März 2020 geschlossen. Ob der Kläger das Museum noch einmal eröffne, sei ungewiss. Es entziehe sich der Kenntnis des Klägers, ob der Eigentümer des Grundstückes A-Straße ebenfalls einen Abfallgebührenbescheid erhalten habe. Darüber hinaus sei bei gewerblich genutzten Grundstücken die Gebühr nach dem tatsächlichen Anfall des Abfalls zu bemessen. Bei dem Kläger falle kein Abfall an.
In der mündlichen Verhandlung am 17.03.2022 hat der Beklagte den Bescheid vom 28.04.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2020 insoweit aufgehoben, als dort eine Abfallgebühr von mehr als 49,80 € erhoben worden ist. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit dann übereinstimmend für erledigt erklärt, soweit in dem streitgegenständlichen Bescheid für den Erhebungszeitraum vom 01.01.2020 bis 31.12.2020 eine höhere Gebühr als 49,80 € festgesetzt worden ist.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 28.04.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2020 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er tritt der Klage ebenfalls unter Wiederholung und Vertiefung des Vorbringens im Widerspruchsverfahren entgegen und führt ergänzend aus, die Klage sei nicht nur unzulässig, sondern wäre auch unbegründet. Es werde bestritten, dass bei dem Kläger kein Abfall anfallen würde. Zudem werde mit der festgesetzten Gebühr von 49,80 € je Einwohnergleichwert nicht gegen das Kostenüberschreitungsverbot verstoßen.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Gerichts.

Entscheidungsgründe

Das Verfahren war in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 S. 1 VwGO einzustellen, nachdem die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, soweit mit dem streitgegenständlichen Bescheid gegenüber dem Kläger Gebühren von mehr als 49,80 € für die Abfallentsorgung in der Zeit vom 01.01.2020 bis 31.12.2020 festgesetzt worden sind.
Die im Übrigen noch aufrechterhaltene Klage ist zulässig, insbesondere fehlt es nicht an der ordnungsgemäßen Durchführung eines Widerspruchsverfahrens nach §§ 68 f. VwGO. Anders als der Beklagte meint, war der am 12.06.2020 erhobene Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid des Beklagten vom 28.04.2020 nicht verfristet bei dem Beklagten eingegangen. Gemäß § 70 S. 1 VwGO ist der Widerspruch innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Abs. 2 VwVfG oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat.
Hinsichtlich der Zugangsfiktion des § 13 Abs. 1 Nr. 3 b KAG LSA i. V. m. § 122 Abs. 1 Nr. AO hat der Bundesfinanzhof ausgeführt (BFH, Beschl. v. 26.06.2006 – II B 99/05 -, juris):
„Wird die Einspruchsentscheidung durch die Post übermittelt, gilt sie nach § 365 Abs. 1 i.V.m. § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Diese Dreitagesfrist verlängert sich, wenn das Fristende auf einen Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder Samstag fällt, bis zum nächstfolgenden Werktag mit der Folge, dass die Einspruchsentscheidung an diesem Werktag als bekannt gegeben gilt ( … ). Der Ablauf der Frist des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 ist auch dann für den Beginn der Klagefrist maßgebend, wenn die Einspruchsentscheidung dem Adressaten bereits früher zugeht ( … ).
Das Finanzamt trägt die Feststellungslast (objektive Beweislast) für den Tag der Aufgabe der Einspruchsentscheidung zur Post. Aus dem Datum einer Einspruchsentscheidung lässt sich nicht auf den Tag der Aufgabe zur Post schließen ( … ). Der Beweis der Aufgabe einer Einspruchsentscheidung zur Post an einem bestimmten Tag kann nicht nach den Regeln des Anscheinsbeweises geführt werden, wenn die Absendung des Bescheids nicht in einem Absendevermerk der Poststelle des Finanzamtes festgehalten ist ( … ).
Da das Finanzamt D. den Tag der Aufgabe der Einspruchsentscheidung zur Post nicht festgehalten hat, lässt sich nicht feststellen, wann dies der Fall war. Die „Rückseite des Rubrums der in der Akte verbliebenen Ausfertigung der Einspruchsentscheidung“, auf der nach der Vorentscheidung der zuständige Mitarbeiter die Aufgabe zur Post vermerkt haben soll, enthält keinen entsprechenden Vermerk. Andere Beweismittel, wie etwa ein Postausgangsbuch, wurden nicht vorgelegt.“
Zur Parallelregelung des § 41 Abs. 2 VwVfG hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht ausgeführt (SächsOVG, Beschl. v. 01.02.2016 – 3 B 355/15 –, juris):
„Nach § 1 SächsVwVfZG i. V. m. § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. Diese Vermutung greift jedoch nach § 1 SächsVwVfZG i. V. m. § 41 Abs. 2 Satz 3 VwVfG nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; in diesen Fällen hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
Regelmäßig wird mit dem durch den zuständigen Behördenmitarbeiter zu dokumentierenden Zeitpunkt der Aufgabe zur Post ein typischer Geschehensablauf dahingehend in Gang gesetzt, dass im Inland eine Postbeförderung innerhalb von drei Tagen an den Bestimmungsort erwartet werden kann. Diese Dokumentation erfolgt gewöhnlich durch ein Postausgangsbuch. Durch den Eintrag im Postausgangsbuch wird bestätigt, dass der schriftliche Verwaltungsakt tatsächlich einem Postdienstleister übergegeben wurde und nicht auf dem Weg vom Sachbearbeiter zur Poststelle verloren gegangen oder aus anderen Gründen nicht zur Versendung gelangt ist. Insbesondere in Massenverfahren kann dieser Nachweis jedoch auch auf andere Weise erfolgen, soweit daraus hervorgeht, dass sich der schriftliche Verwaltungsakt nicht nur bei den Akten befindet, sondern tatsächlich zum Postausgang gelangt ist.
Ist der Postausgang in geeigneter Weise dokumentiert und kommt das Schreiben nicht als unzustellbar zurück, sind Zweifel am Zugang und am Zugangszeitpunkt – soll die Zugangsfiktion nicht ihren Sinn verlieren – nur gerechtfertigt, wenn der Adressat einen atypischen Geschehensablauf schlüssig vorträgt (st. Rspr., SächsOVG, Beschl. v. 9. Juni 2015 a. a. O. Rn. 8.; Beschl. v. 21. April 2015 – 3 B 109/15 -, juris Rn. 7 ff. m. w. N.; Beschl. v. 12. August 2014 – 3 B 498/13 -, juris Rn. 9 ff; Beschl. v. 26. März 2003 – 5 B 638/02 -, juris Rn. 57). Die Grundsätze des ersten Anscheins sind auf den Zugang eines schriftlichen Verwaltungsakts hingegen nicht anwendbar (SächsOVG, Beschl. v. 16. Januar 2016 a. a. O.). Vielmehr ist die Frage des Zugangs nach den allgemeinen Beweisregeln, insbesondere denjenigen des Indizienbeweises zu beurteilen (SächsOVG, Beschl. v. 16. Januar 2016 a. a. O.; zu § 122 Abs. 2 AO: BFH, Urt. v. 14. März 1989 – VII R 75/85 -, juris Rn. 13 ff.). Liegen jedoch die für die Fiktion des Zugangs der Mahnschreiben entsprechend anzuwendenden Voraussetzungen des § 1 SächsVwVfZG i. V. m. § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG schon deshalb nicht vor, weil die Behörde die Absendung des Mahnschreibens nicht hinreichend nachweisen kann, reicht es aus, wenn der Adressat dessen Zugang wie hier schlicht bestreitet.“
In der dem Gericht vorgelegten Verfahrensakte ist hinsichtlich des Bescheides vom 28.04.2020 kein Versandvermerk enthalten. Lediglich hinsichtlich der Schreiben vom 15.06.2020 (Bestätigung des Eingangs des Widerspruchs), vom 23.07.2020 (Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung) und vom 09.09.2020 (Widerspruchsbescheid und Kostenfestsetzungsbescheid) ist die Aufgabe zur Post in der Verfahrensakte vermerkt. Der Nachweis der Absendung des Ausgangsbescheides am 28.04.2020 ist bislang nicht geführt.
Gemessen daran kann sich der Beklagte nicht auf die Zugangsfiktion des § 13 Abs. 1 Nr. 3 b KAG LSA i. V. m. § 122 Abs. 1 Nr. AO berufen, weil diesem der Nachweis der Absendung des streitgegenständlichen Bescheides vom 28.04.2020 nicht gelungen ist. Weder enthält die im Verwaltungsvorgang des Beklagten abgeheftete Abschrift des streitgegenständlichen Bescheides einen Vermerk über die tatsächliche Abgabe des Bescheides zur Post, noch findet sich in dem Verwaltungsvorgang ein Auszug aus einem Postausgangsbuch wieder, aus dem sich die tatsächliche Absendung des Bescheides ergibt. Inwiefern der Bescheid tatsächlich am 29.04.2020 zur Post gegeben wurde, lässt sich damit nicht nachvollziehen. Aus diesem Grund genügt das schlichte Bestreiten des Klägers, den Bescheid spätestens am 02.05.2020 erhalten zu haben. Nach den Angaben des Klägers, denen der Beklagte im Klageverfahren auch nicht substantiiert entgegengetreten ist, ist dieser der Bescheid am 12.05.2020 bekannt gegeben worden, weshalb die einmonatige Widerspruchsfrist gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB mit Ablauf des 12.06.2020 endete. Der an diesem Tag bei dem Beklagten eingegangene Widerspruch des Klägers war damit fristgemäß.
Die noch aufrechterhaltene Klage ist auch begründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 28.04.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2020 über die Festsetzung von Abfallgebühren für die Zeit vom 01.01.2020 bis 31.12.2020 ist auch soweit nunmehr nur noch eine Gebühr von 49,80 € erhoben wird rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Er war daher aufzuheben.
Rechtsgrundlage für die Erhebung von Abfallgebühren ist §§ 4 und 6 Abfallgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (AbfG LSA) in der Fassung vom 01.02.2010 (GVBl. 2010, 44), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.12.2015 (GVBl. 2015, 610) i.V.m. §§ 2 Abs. 1 und 2, 5 Kommunalabgabengesetz des Landes Sachsen-Anhalt (KAG LSA) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.12.1996 (GVBl. LSA 1996, 405), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15.12.2020 (GVBl. LSA 2020, 712) i.V.m. §§ 5, 21 der Satzung über die Abfallentsorgung im C. (Abfallentsorgungssatzung) in der Fassung vom 22.07.2021 (Amtsblatt für den C. vom 26.07.2021, Nr. 49) i.V.m. §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 2, 3, 5 Abs. 1 und 2, 6 der Satzung über die Erhebung von Abfallgebühren im C. (Abfallgebührensatzung) in der Fassung vom 14.03.2022 (Amtsblatt für den C. vom 14.03.2022, Nr. 13). Die auf der Sitzung des Kreistages vom 09.03.2022 beschlossene Abfallentsorgungssatzung (Beschluss Nr. B/0350/2022/5) war im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts noch nicht im Amtsblatt des Beklagten veröffentlicht. Im Amtsblatt des Beklagten vom 16.03.2022 (Nr. 14) ist nur ein Hinweis auf die Beschlussfassung veröffentlicht.
Anders als noch in dem streitgegenständlichen Bescheid vom 28.04.2020 angegeben, findet sich die Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung nicht mehr in der Abfallentsorgungssatzung und Abfallgebührensatzung des Beklagten jeweils in der Fassung vom 28.10.2019. Nach der bestehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Erschließungsbeitragsrecht kann eine wirksame Beitragssatzung einen vor Inkrafttreten einer wirksamen Satzung erlassenen und damit zunächst rechtswidrigen Bescheid auch dann mit einer ex-nunc-Wirkung heilen, wenn die Satzung ohne eine Rückwirkungsanordnung erlassen worden ist. Denn die Frage, auf welche Sach- und Rechtslage bei der Beurteilung einer Anfechtungsklage abzustellen ist, zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung oder zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, beantwortet nicht das Prozessrecht, sondern das jeweilige materielle Recht. Ein noch nicht bestandskräftiger Bescheid, der bei seinem Erlass wegen einer nichtigen Satzung rechtswidrig ist, kann also auch durch eine wirksame neue Satzung, der keine Rückwirkung zukommt, rechtmäßig werden, womit durch eine solche Rechtsänderung im gerichtlichen Verfahren ein zunächst vorhandener Aufhebungsanspruch entfällt. Eine Beitragspflicht entsteht nämlich erst in dem Zeitpunkt, in dem alle gesetzlichen Voraussetzungen für ihre Entstehung erfüllt sind, d.h. in der Regel mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen sowie mit der Geltung einer Beitragssatzung (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.11.1981 – 8 C 14.81 -; Urt. v. 27.04.1990 – 8 C 87.88 -, jeweils zitiert nach juris).
Die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätze zum Erschließungsbeitragsrecht beanspruchen auch für das hier maßgebliche Abfallgebührenrecht Anwendung, da wie Erschließungsbeiträge auch Abfallgebühren kommunale Abgaben im Sinne von § 1 Abs. 1 KAG LSA darstellen und nach § 2 Abs. 1 KAG LSA nur aufgrund einer Satzung erhoben werden dürfen, weshalb die Rechtmäßigkeit der Erhebung von Abfallgebühren ebenfalls von der Wirksamkeit der Gebührensatzung abhängt. Aus diesem Grund ist maßgeblicher Zeitpunkt der Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts. Zu prüfen ist daher die Rechtmäßigkeit des Bescheides des Beklagten vom 28.04.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2020 anhand der Regelungen in der Abfallentsorgungssatzung in der Fassung vom 22.07.2021 und der Abfallgebührensatzung des Beklagten in der Fassung vom 14.03.2022, da diese Satzungen ausweislich deren Regelungen in § 24 Abs. 4 UAbs. 2 bzw. § 11 Abs. 2 UAbs. 2 für den Erhebungszeitraum vom 01.01.2020 bis 31.12.2020 Geltung beanspruchen. Deshalb war der Beklagte auch nicht gehalten, zunächst den streitgegenständlichen Bescheid aufzuheben und unter Berücksichtigung der neu erlassenen Satzungen einen neuerlichen Gebührenbescheid zu erlassen.
Der Umstand, dass die Abfallentsorgungssatzung und die Abfallgebührensatzung rückwirkend jeweils zum 01.01.2020 in Kraft getreten und damit gleichzeitig die Abfallentsorgungssatzung vom 28.10.2019 und die Abfallgebührensatzung vom 22.07.2021 außer Kraft getreten sind, begegnet auch aus anderen Gründen keinen rechtlichen Bedenken. Gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 KAG LSA können Satzungen nur innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen rückwirkend erlassen werden. Nach S. 2 kann eine Satzung insbesondere rückwirkend erlassen werden, wenn sie ausdrücklich eine Satzung ohne Rücksicht auf deren Wirksamkeit ersetzt, die eine gleiche oder gleichartige Abgabe regelte. Ein solcher Fall liegt hier vor, da Regelungsgegenstände der bisher geltenden Satzungen sowie der diese ersetzenden Satzungen die Entsorgung von Abfällen beziehungsweise die Erhebung von Gebühren für die Entsorgung von Abfällen waren bzw. sind. Um den Anforderungen des § 2 Abs. 2 S. 2 KAG LSA gerecht zu werden, ist erforderlich und auch ausreichend, dass die satzungsrechtliche Bestimmung unmissverständlich deutlich macht, dass die ersetzende Satzung anstelle des bis zu ihrer Verkündung geltenden Satzungsrechts Geltung auch für die Vergangenheit beansprucht (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 31.03.2000 – 1 K 12/00 -, juris). In den Regelungen des § 24 Abs. 4 UAbs. 2 Abfallentsorgungssatzung und § 11 Abs. 2 UAbs. 2 Abfallgebührensatzung kommt unmissverständlich zum Ausdruck, dass das gesamte in dem Jahr 2020 geltende Recht über die Abfallentsorgung und die Gebührenerhebung rückwirkend zum 01.01.2020 durch die Satzungen vom 22.07.2021 und 14.03.2022 ersetzt werden sollen. Vernünftige Zweifel darüber, welches Satzungsrecht ab dem 01.01.2020 Geltung beanspruchen sollte, sind deshalb nicht gerechtfertigt und werden auch vom Kläger nicht vorgetragen. Mit der Rückwirkung der Satzung bis zum 01.01.2020 liegt auch kein Verstoß gegen § 2 Abs. 2 S. 4 KAG LSA vor. Danach darf die Gesamtheit der Abgabepflichtigen durch die rückwirkend erlassende Satzung nicht ungünstiger gestellt werden als nach der ersetzten Satzung. Dieses Schlechterstellungsverbot soll verhindern, dass die Kommune einen im Nachhinein erkannten Fehler nutzt, um sich Mehreinnahmen im Vergleich zu der ersetzten Regelung zu verschaffen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 31.03.2000, a.a.O.). Regelungen, die die Abgabepflichtigen ungünstiger stellen, sind in der neu erlassenen Abfallentsorgungssatzung und Abfallgebührensatzung nicht enthalten.
Nach der maßgeblichen Ermächtigungsgrundlage werden vom Gebührenschuldner für die Inanspruchnahme der öffentlichen Abfallentsorgung des Landkreises und zur Deckung der Kosten für die Durchführung der Abfallentsorgung einschließlich der damit verbundenen abfallwirtschaftlichen Maßnahmen Gebühren nach dem satzungsrechtlich festgelegten Gebührenmaßstab und festgelegten Gebührensätzen erhoben. Die Gebührenpflicht entsteht mit dem Tag des Anschlusses an die öffentliche Abfallentsorgung durch Bereitstellung der Abfallbehälter.
Der streitgegenständliche Bescheid ist zwar formell rechtmäßig, insbesondere lässt dieser den Kreiswirtschaftsbetrieb des Salzlandkreises als erlassende Behörde erkennen. Die Betriebsleitung des war für den Erlass des angefochtenen Gebührenbescheides auch sachlich gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 EigBG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Betriebssatzung „Kreiswirtschaftsbetrieb des Salzlandkreises“ in der Fassung vom 06.03.2019 zuständig, da dieser als Organ für den Beklagten, welcher hinter dem Kreiswirtschaftsbetrieb des Salzlandkreises steht, handelt (dazu ausführlich: OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23.02.2021 – 4 M 154/20 -, juris).
Der streitgegenständliche Bescheid ist jedoch materiell rechtswidrig.
Zwar unterliegt der Kläger mit dem im streitgegenständlichen Gebührenbescheid bezeichneten Grundstück dem Anschluss- und Benutzungszwang an die öffentliche Abfallentsorgung des Beklagten (dazu unter 1.). Die Abfallgebührensatzung erweist sich wegen einer nicht plausiblen Kalkulation jedoch als nichtig (dazu unter 2.)
1. Da der Anschlusszwang gemäß § 19 des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsgesetz – KrWG) in der Fassung vom 24.02.2012 (BGBl. I S. 212), zuletzt geändert durch Gesetz vom 09.12.2020 (BGBl. I S. 2873) und der Benutzungszwang gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 KrWG hinsichtlich des „Ob“ bereits bundesrechtlich abschließend geregelt sind, obliegt dem Ortsgesetzgeber lediglich die Ausgestaltung („Wie“) des so grundsätzlich vorgegebenen Anschluss- und Benutzungszwanges. Er kann insbesondere bestimmen, in welcher Art und Weise, an welchem Ort und zu welcher Zeit ihm die Abfälle zu überlassen sind (§ 4 Abs.1 S.2 AbfG LSA). Im Rahmen dieser Ermächtigung besteht auch die Befugnis, die zugelassenen Abfallbehältergrößen und das vom Anschlusspflichtigen vorzuhaltende Mindestbehältervolumen und die Leerungshäufigkeit zu regeln (so u. a. VG Schwerin, Urt. v. 20.04.2006 – 4 A 2543/03 -, juris).
Eine hiernach getroffene Bestimmung des Satzungsgebers ist wegen des diesem zustehenden Regelungsspielraums gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar; und zwar grundsätzlich nur dahingehend, dass die Regelung vom Einrichtungszweck gedeckt sein muss und weder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch Grundrechte der Betroffenen verletzen darf. Das Gericht darf dagegen nicht überprüfen, ob die vom Satzungsgeber gewählte Regelung die zweckmäßigste oder vernünftigste ist (so VG Schwerin, Urt. v. 20.04.2006, a.a.O.).
Gemessen daran besteht gegen den in der Abfallentsorgungssatzung geregelten Anschluss- und Benutzungszwang für Abfälle zur Beseitigung auch für Grundstücke wie das des Klägers, welche nicht zu Wohnzwecken genutzt werden, keinen rechtlichen Bedenken.
Nach § 5 Abs. 1 Abfallentsorgungssatzung ist jeder Eigentümer eines im Gebiet des Salzlandkreises liegenden Grundstückes, auf denen überlassungspflichtige Abfälle anfallen, verpflichtet, sein Grundstück an die kommunale Abfallentsorgungseinrichtung anzuschließen, wenn das Grundstück von privaten Haushaltungen zu Wohnzwecken genutzt wird (Anschlusszwang). Zu dieser Fallgruppe gehört das Grundstück des Klägers, auf welchem das private Museum betrieben wird, indes nicht, da dies gerade nicht zu Wohnzwecken genutzt wird. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Jedoch haben gemäß § 5 Abs. 2 S. 1 Abfallentsorgungssatzung auch Eigentümer von Grundstücken und Abfallerzeuger/Abfallbesitzer auf Grundstücken, die nicht zu Wohnzwecken, sondern beispielsweise gewerblich genutzt werden, gleichermaßen die Verpflichtung nach Abs. 1, soweit auf diesen Grundstücken überlassungspflichtige Abfälle anfallen. Überlassungspflichtige Abfälle sind nach § 17 Abs. 1 S. 1 KrWG Abfälle aus privaten Haushaltungen, soweit sie zu einer Verwertung auf den von dem Erzeuger oder Besitzer von Abfällen im Rahmen seiner privaten Lebensführung genutzten Grundstücken nicht in der Lage sind oder diese nicht beabsichtigen. Diese Regelung gilt nach § 17 Abs. 1 S. 2 KrWG auch für Erzeuger und Besitzer von Abfällen zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen, soweit sie diese nicht in eigenen Anlagen beseitigen. Anders als der Kläger meint, kann er sich nicht darauf zurückzuziehen, im Rahmen des Museumsbetriebes würden Abfälle zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen nicht anfallen, weshalb für den Museumsbetrieb ein Anschluss- und Benutzungszwang für diese Abfälle nicht bestehe. Gemäß § 7 Abs. 1 der Verordnung über die Bewirtschaftung von gewerblichen Siedlungsabfällen und von bestimmten Bau- und Abbruchabfällen (Gewerbeabfallverordnung – GewAbfV) in der Fassung vom 18.04.2017 (BGBl. I S. 896), zuletzt geändert durch Verordnung vom 09.07.2021 (BGBl. I S. 2598), haben Erzeuger und Besitzer von gewerblichen Siedlungsabfällen, die nicht verwertet werden, diese dem zuständigen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nach Maßgabe des § 17 Abs. 1 S. 2 KrWG zu überlassen. Danach enthält § 7 Abs. 1 GewAbfV – um die Überlassungspflichten nach § 17 Abs. 1 S. 2 KrWG umfassend durchzusetzen – eine widerlegliche Vermutung, dass bei jedem Erzeuger und Besitzer gewerblicher Siedlungsabfälle, wozu auch die Restabfälle eines privat betriebenen Museums zählen, auch Abfälle zur Beseitigung anfallen. Die Adressaten der Norm können jedoch im Einzelfall nachweisen, dass bei ihnen keine Beseitigungsabfälle anfallen; in diesem Fall unterliegen sie keiner Behälterbenutzungspflicht. Für den Fall, dass sich nicht beweisen lässt, dass bei einem Erzeuger oder Besitzer von gewerblichen Siedlungsabfällen entgegen der allgemeinen Lebenserfahrung keinerlei Abfall zur Beseitigung anfällt, geht dies zu Lasten des Abfallerzeugers und -besitzers mit der Folge, dass grundsätzlich Restabfallgefäße der kommunalen Abfallentsorgung nach § 7 Abs. 1 GewAbfV bereitzuhalten sind (so zur seinerzeit geltenden inhaltsgleichen Regelung in § 7 S. 4 GewAbfV a.F.: BVerwG, Urt. v. 17.02.2005 – 7 C 25.03 -, juris). Korrespondierend dazu bestimmt § 7 Abs. 1 GewAbfV, dass die Erzeuger und Besitzer von gewerblichen Siedlungsabfällen, die nicht verwertet werden, diese dem zuständigen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nach Maßgabe des § 17 Abs. 1 Satz 2 KrWG zu überlassen haben. Bei gewerblichen Siedlungsabfällen handelt es sich gemäß § 2 Nr. 1 lit. a GewAbfV dabei um Siedlungsabfälle aus anderen Herkunftsbereichen als privaten Haushaltungen, die in Kapitel 20 der Anlage der AVV aufgeführt sind, insbesondere gewerbliche und industrielle Abfälle sowie Abfälle aus privaten und öffentlichen Einrichtungen, die Abfällen aus privaten Haushaltungen aufgrund ihrer Beschaffenheit oder Zusammensetzung ähnlich sind. Darüber hinaus gehören hierzu gemäß § 2 Nr. 1 lit. b GewAbfV weitere nicht in Kapitel 20 der Anlage der AVV aufgeführte gewerbliche und industrielle Abfälle, die nach Art, Zusammensetzung, Schadstoffgehalt und Reaktionsverhalten Abfällen aus privaten Haushaltungen vergleichbar sind. Abfälle aus privaten Haushaltungen sind gemäß § 2 Nr. 2 GewAbfV Abfälle, die in privaten Haushalten im Rahmen der privaten Lebensführung anfallen, insbesondere in Wohnungen und zugehörigen Grundstücks- oder Gebäudeteilen sowie in anderen vergleichbaren Anfallorten, wie Wohnheimen oder Einrichtungen des betreuten Wohnens (vgl. zu § 17 KrWG Landmann/Rohmer, UmweltR/Beckmann, 92. EL Februar 2020, KrWG § 17 Rdnr. 27; BVerwG, Urt. v. 07.08.2008 – 7 C 51.07 -, juris).
Gemessen daran richtet sich die Überlassungspflicht hinsichtlich der streitgegenständlichen Siedlungsabfälle nach § 17 Abs. 1 Satz 2 KrWG und § 7 Abs. 1 GewAbfV, denn es handelt sich um Abfälle aus anderen Herkunftsbereichen als privaten Haushaltungen bzw. um gewerbliche Siedlungsabfälle im Sinne von § 2 Nr. 1 lit. a GewAbfV. Es ist davon auszugehen, dass auf dem vom Kläger genutzten Grundstück, auf welchem das private Museum betrieben wird, grundsätzlich auch Abfälle zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen anfallen. Nach allgemeiner Lebenserfahrung fallen auch bei einem Betrieb eines Museums grundsätzlich nicht verwertbare Abfälle zur Beseitigung wie sog. Sozialabfall, Küchenabfälle und Büroabfälle an. Dass der Kläger in der Lage ist, sämtliche Abfälle zur Beseitigung vollständig und ordnungsgemäß zu verwerten, hat er bereits nicht vorgetragen. Die nur zeitweilige Einstellung des Museumsbetriebes infolge der gesetzlichen Maßnahmen zur Pandemieeindämmung seit März 2020 führt nicht zu einem Entfallen der Gebührenpflicht. Eine endgültige Aufgabe des Museumsbetriebes hat der Kläger nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich.
Der somit für den Kläger bestehende Anschluss- und Benutzungszwang seines Grundstückes an die Abfallentsorgung des Beklagten verstößt weder gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz noch gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fordert der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, dass wesentlich Gleiches nicht willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches nicht willkürlich gleichbehandelt werden darf. Mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG ist danach bei festgestellter Ungleichbehandlung nur zu fragen, ob für die Differenzierung sachlich einleuchtende Gründe bestehen (u.a. BVerfG, Beschl. v. 17.01.1978 – 1 BvL 13/76 -, juris). Die Ungleichbehandlung, die darin liegt, dass von jedem Gebührenschuldner eine Mindestabfallmenge von 15 Liter pro Woche zugewiesen wird (§ 9 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Abfallentsorgungssatzung), obwohl die Füllmenge der Abfallgefäße von Mal zu Mal durchaus unterschiedlich ausfallen wird, ist mit Blick auf den Gleichheitsgrundsatz schon dadurch gerechtfertigt, dass die Bereitstellung einer betriebsbereiten Abfallentsorgungseinrichtung Vorhaltekosten verursacht, die bei einer geringeren Inanspruchnahme durch einzelne Gebührenpflichtige nicht in gleichem Maße abnehmen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.08.1981 – 8 B 20.81 – und Urt. v. 20.12.2000 – 11 C 7.00 -, beide zitiert nach juris). Nach der Lebenserfahrung kann bereits nicht davon ausgegangen werden, dass Abfälle zur Beseitigung bei Gewerbebetrieben oder ihnen gleichgestellten öffentlichen oder privaten Einrichtungen nur ausnahmsweise anfallen. Vielmehr ist anzunehmen, dass die Vorhalteleistung der Abfallabfuhr ganzjährig uneingeschränkt in Anspruch genommen wird, denn auch die gewerblich genutzten Grundstücke müssen vom Abfallfahrzeugen auf den Sammeltouren zwecks Leerung des Abfallbehälters ganzjährig angefahren werden, und zwar unabhängig davon, ob auf dem Grundstück gerade Restabfall angefallen ist oder nicht. Für die Annahme, dass eine nennenswerte Kostenersparnis eintritt, wenn von dem vom Kläger genutzten Grundstück des Öfteren kein oder nur wenig Abfall abzuholen ist, fehlt jeder Anhaltspunkt.
Es kommt hinzu, dass eine derart individuelle Betrachtung des jeweiligen Nutzerverhaltens dem Beklagten als kommunaler Satzungsgeber nicht zumutbar ist. Bei der gebührenmäßigen Erfassung der Nutzer einer Abfallentsorgungseinrichtung geht es um die Regelung von Massenerscheinungen, die eine weitgehende Typisierung erfordern. Der Satzungsgeber kann es als unpraktikabel ansehen, für gewerblich genutzte Grundstücke eine Sonderregelung einzuführen, die etwa berücksichtigt, wann und wie oft das einzelne Grundstück tatsächlich genutzt wird. Dies ist ein Grund, der es i.S.v. Art. 3 Abs. 1 GG sachlich rechtfertigt, an sich ungleiche Sachverhalte gleich zu behandeln (so auch zur Heranziehung von Ferienhausbesitzern zur vollen Abfallgebühr: BVerwG, Beschl. v. 05.11.2001 – 9 B 50.01 –, juris).
Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Heranziehung von gewerblich genutzten Grundstücken, auf denen vergleichsweise weniger Abfälle zur Beseitigung als bei privaten Haushalten anfallen, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Das Äquivalenzprinzip ist zwar – unabhängig von seiner landesrechtlichen Ausgestaltung – als ein auf die Gebührenerhebung bezogener Ausdruck des bundesrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit anzusehen. Es besagt aber lediglich, dass die Gebühr nicht in einem groben Missverhältnis zu der vom Träger öffentlicher Verwaltung erbrachten Leistung stehen darf (vgl. z.B. BVerwG, Urt. v. 19.01.2000 – 11 C 5.99 -, juris). Deswegen verbleibt dem kommunalen Satzungsgeber bei Beantwortung der Frage, wie eine sachgerechte Verknüpfung zwischen dem Wert dieser Leistung und der Gebührenhöhe herzustellen ist, ein weiter Ermessensspielraum. Bei der Abfallabfuhr bestimmt der regelmäßige Abholdienst entscheidend den Wert der vom Gebührenschuldner in Anspruch genommenen Leistung. Denn er garantiert ihm, sich jederzeit in rechtmäßiger Weise seines Abfalls entledigen zu können (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.12.2000 – 11 C 7.00 – a.a.O.). Um den Wert dieser Leistung in Geld zu bestimmen, kann ein auf den Nutzer entfallender Anteil der für die kommunale Abfallentsorgung aufzuwendenden Kosten angesetzt werden. Eine auf Kostendeckung abzielende Gebühr – wie sie hier von der Beklagten erhoben wird – ist mit dem Äquivalenzprinzip vereinbar, solange der Verteilungsmaßstab dem Gleichheitsgrundsatz Rechnung trägt. Die nach Art. 3 Abs. 1 GG anzustrebende Belastungsgleichheit gewährleistet im Fall einer Aufwandgebühr zugleich ein angemessenes Verhältnis zwischen Wert der Leistung und Gebührenhöhe. Wie zuvor ausgeführt wurde, fehlt es im vorliegenden Fall an einem greifbaren Anhaltspunkt für eine Verletzung des Gleichheitsprinzips, so dass damit auch ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausscheidet.
2. Nach § 6 Abs. 1 AbfG LSA erheben die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger für die Leistungen der kommunalen Abfallentsorgung auf der Grundlage von Satzungen nach den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes und unter Beachtung der nachfolgenden Absätze Gebühren, soweit nicht ein privatrechtliches Entgelt gefordert wird. Nach dem somit auch maßgeblichen § 2 Abs. 1 S. 2 KAG LSA hat eine Abgabensatzung einerseits den Maßstab, nach dem eine Abgabe erhoben werden wird, zu regeln und diesen andererseits hinreichend auszugestalten (sog. Satzungsvorbehalt). Der Sinn und Zweck dieses Satzungsvorbehaltes, mithin der allgemeinen Ausgestaltungspflicht für den Maßstab, besteht darin, vorzugeben, welche für die Abgabenerhebung wesentlichen Merkmale durch Rechtssatz zu regeln und damit einer Regelung durch die Verwaltung im Wege des Ermessens zu entziehen sind (so OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 11.03.2004 – 1 M 34/04 – nicht veröffentlicht). Aus diesem Grund und unter Berücksichtigung des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot aus Art. 20 GG muss der Gebührenpflichtige dem Wortlaut der Gebührensatzung zweifelsfrei entnehmen können, welcher Maßstab gelten soll, auf welche Weise die Gebühr berechnet wird, wie hoch die auf ihn entfallende Gebühr sein wird und wie die Leistung der öffentlichen Einrichtung zur Abfallentsorgung beschaffen sein muss, für die die Gebühr zu entrichten ist (vgl. zuletzt dazu: OVG Niedersachsen, Urt. v. 03.05.2021 – 9 KN 162/17 -, juris). Der Adressat der Satzung soll somit in die Lage versetzt werden, ohne spezielle Rechts- oder sonstige Kenntnisse aus der Satzung heraus zu erkennen, aus welchem Grund und unter welchen Voraussetzungen er abgabenpflichtig ist (vgl. dazu: VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 22.03.2001 – 2 S 2043/2000 -, juris). In diesem Zusammenhang darf keine wesentliche Maßstabsbestimmung der Entscheidung dem Einzelfall überlassen bleiben (vgl. Sächsisches OVG, Urt. v. 14.02.2018 – 5 A 598/15 -, juris).
Bei der volumenbezogenen Restabfallgebühr des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Abfallgebührensatzung handelt es sich zunächst nicht um eine Grundgebühr i. S. d. § 5 Abs. 3 S. 4 KAG LSA, da, wie sich aus § 4 Abs. 1 Abfallgebührensatzung ergibt, nicht nur die verbrauchsunabhängigen Kosten der öffentlichen Einrichtung Abfallentsorgung, sondern auch die mengenabhängigen Kosten der öffentlichen Einrichtung abgegolten werden. Eine solche sog. „Pauschalgebühr bzw. „Festgebühr“ ist ungeachtet einer fehlenden speziellen Regelung im Kommunalabgabengesetz des Landes Sachsen-Anhalt grundsätzlich zulässig (vgl. zum insofern vergleichbaren Landesrecht: SächsOVG, Urt. v. 18.06.2009 – 5 A 67/08 -, juris).
Die Kammer lässt offen, ob die Regelung in § 5 Abs. 1 Nr. 2 Abfallgebührensatzung den Vorgaben des Kommunalabgabengesetzes noch gerecht wird. Nach dieser Regelung wird für Grundstücke, auf denen überlassungspflichtige Abfälle anfallen und die nicht zu Wohnzwecken genutzt werden, die Gebühr für die Entsorgung nach der Zahl der dem Gebührenschuldner zu zurechnenden Einwohnergleichwerten (EWG) bei einer 14-täglichen Abholung entsprechend der Tabelle in Anlage 2 zu § 5 Abs. 1 Nr. 2 Abfallgebührensatzung bemessen.
Grundsätzlich ist nicht zu beanstanden, wenn sich der Beklagte bei der Bestimmung von Einwohnergleichwerten für Erzeuger/Besitzer von überlassungspflichtigem Abfall aus anderen Herkunftsbereichen einer Differenzierung nach der Art des Gewerbebetriebes bzw. der öffentlichen Einrichtung bedient, da in Abhängigkeit von dem ausgeübten Gewerbe oder der öffentlichen Einrichtung nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine unterschiedliche Menge von überlassungspflichtigem Abfall anfallen kann. Die Berechnung auf der Grundlage von sog. Einwohnergleichwerten stellt einen anerkannten Wahrscheinlichkeitsmaßstab nach § 5 Abs. 3 Satz 2 KAG LSA dar (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 26.07.2002 – 2 L 86/02 –, juris).
Die Anlage 2 zu § 5 Abs. 1 Nr. 2 Abfallgebührensatzung enthält eine tabellarische Übersicht, die Grundstücke, auf denen überlassungspflichtige Abfälle anfallen, in 12 verschiedene Kategorien einteilt (beispielsweise Krankenhäuser, Beherbergungsbetriebe, Speisewirtschaften, Lebensmitteleinzel- und Großhandel, Bildungseinrichtungen sowie Kleingartenanlagen) und für jede Kategorie einen Maßstab und einen Einwohnergleichwert festgelegt. Danach ergibt sich unter anderem für Krankenhäuser ein Maßstab von einem EWG je 4 Betten/Pflegeplätze, jedoch mindestens ein EWG und je 4 Beschäftigte, jedoch mindestens ein EWG; für öffentliche Verwaltungen, Museen, Geldinstitute, Verbände, Krankenkassen, Versicherungen, selbständig Tätige der freien Berufe, selbständige Handels-, Industrie und Versicherungsvertreter, Apotheken, Einrichtungen von Vereinen, politischen Parteien und Religionsgemeinschaften, je vier Beschäftigte, jedoch mindestens ein EWG. Für Sport- und Freizeitstätten, Erholungszentren sind für je vier Beschäftigte, jedoch mindestens ein EWG anzusetzen.
Eine nähere Definition des Begriffs des „Beschäftigten“, welche in der aufgehobenen Satzung vom 22.07.2021 noch enthalten war, und welche insbesondere auf die Frage eingeht, ob auch solche Beschäftigte, die außerhalb der jeweiligen Betriebsstätte, z. B. als Fahrer, Monteure, Bauarbeiter oder landwirtschaftliche Beschäftigte tätig sind, bei der Erfassung der Einwohnergleichwerte zu berücksichtigen sind, fehlt allerdings in der Abfallgebührensatzung vom 14.03.2022. Bei dem Einwohnergleichwert handelt es sich um einen auf einen Einwohner bezogenen Umrechnungswert, der die pro Zeiteinheit von gewerblichen, industriellen und sonstigen nicht aus privaten Haushalten stammenden Abfällen ausgehende Belastung der öffentlichen Einrichtung im Vergleich zur anfallenden Restabfallmenge im häuslichen Bereich angibt. Hierbei wird hinsichtlich der Bildung der Vergleichsgruppe pauschalierend auf das typische Abfallverhalten eines privaten Haushaltes abgestellt, in welchem die dort gemeldeten Personen ihren Lebensmittelpunkt haben. Hieran anknüpfend wird für die Ermittlung des Einwohnergleichwertes bei gewerblich genutzten anschlusspflichtigen Grundstücken auf die Zahl der auf dem Grundstück beschäftigten Personen abgestellt (vgl. hierzu BVerwG, Beschl. v. 19.12.2007 – 7 BN 6.07 -, juris). Die Kammer lässt es offen, ob auch eine Einbeziehung z. B. von Außendienstmitarbeitern eines Unternehmens, die keinen physischen Kontakt zum anschlusspflichtigen Betriebsgrundstück haben, in die Bemessung der Zahl der Einwohnergleichwerte sich noch hinreichend am Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert.
Vorliegend erweist sich die hier maßgebliche Gebührenkalkulation des Beklagten für die Zeit vom 01.01.2020 bis 31.12.2022 aber jedenfalls als rechtswidrig, weil der in der Gebührenkalkulation ausgewiesene Einwohnergleichwert für Anfallorte von Restabfall, welche nicht private Haushalte darstellen, nicht nachvollziehbar ist.
Die Gebührensatzkalkulation ist der Berechnungsvorgang zur Bestimmung der Gebührensätze. Erforderlich ist dabei die Ermittlung der voraussichtlich anfallenden ansatzfähigen Kosten und der voraussichtlichen Anzahl der maßstabsbezogenen Einheiten. Da die im Rahmen einer Vorabentscheidungskalkulation zugrunde gelegten ansatzfähigen Kosten sowie die zugrunde gelegte Zahl der Leistungseinheiten letztlich zumindest teilweise auf Schätzungen, Prognosen und Werturteilen beruhen, kann bei der Überprüfung der Kalkulation auch nur der Wissensstand zum Zeitpunkt ihrer Erstellung zugrunde gelegt werden. Die gerichtliche Kontrolle eines Gebührensatzes ist insofern lediglich eine Rechtmäßigkeitsüberprüfung und beschränkt sich darauf, ob der festgelegte Gebührensatz im Ergebnis mit höherrangigen Recht vereinbar ist. Dem kommunalen Satzungsgeber steht bei der Kalkulation ein Prognosespielraum zu, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. Die Prognose kann insofern gerichtlich nur darauf überprüft werden, ob im Zeitpunkt der Billigung der Gebührenkalkulation durch den Satzungsgeber die Berechnungsfaktoren vertretbar angenommen werden konnten (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.04.2002 – 9 CN 1.01 -, juris). Der Gebührensatz für die einzelne Maßstabseinheit ergibt sich aus der Teilung der ansatzfähigen Gesamtkostenmasse durch die Anzahl der Maßstabseinheiten (vgl. insgesamt dazu: HessVGH, Beschl. v. 10.05.2012 – 5 C 3180/09.N -, juris). Der Ermittlung der Kosten kann ein mehrjähriger Kalkulationszeitraum zugrunde gelegt werden, der drei Jahre allerdings nicht überschreiten soll (§ 5 Abs. 2b S. 1 KAG LSA). Der Beklagte hat als Satzungsgeber seiner Kalkulation einen Zeitraum vom 01.01.2020 bis 31.12.2022 zugrunde gelegt.
Bei der Gebührenkalkulation sind nicht allein die tatsächlich angeschlossenen Grundstücke maßgeblich, auf denen Abfälle zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen als privaten Haushalten anfallen. Vielmehr ist hinsichtlich der hier in Rede stehenden öffentlichen Einrichtung der Kreis der normativ Anschlusspflichtigen zu berücksichtigen (vgl. zu diesem Ansatz der Sachverhalt in BVerwG, Urt. v. 01.12.2005 – 10 C 4.04 – zitiert nach juris). Eine andere Betrachtungsweise mag möglich sein, wenn die Kosten der öffentlichen Einrichtung proportional zum tatsächlichen Maß der Inanspruchnahme steigen, da in einem solchen Fall für den einzelnen Gebührenschuldner im Ansatz unerheblich ist, ob eine Divergenz zwischen den tatsächlichen Nutzern der öffentlichen Einrichtung und den normativ Anschlusspflichtigen vorliegt. Vorliegend ist jedoch eine öffentliche Einrichtung streitgegenständlich, bei welcher deutlich mehr als 50 % der Kosten, also Vorhaltekosten bzw. Fixkosten, unabhängig vom Maß der Inanspruchnahme anfallen, mithin es für die vom Beklagten erhobene Pauschalgebühr relevant ist, ob der Kreis der normativ Anschlusspflichtigen mit den in der Gebührenkalkulation für die Ermittlung des Einwohnergleichwertes tatsächlich berücksichtigten Anschlusspflichtigen – unter Berücksichtigung der in Kalkulationsperioden typischerweise auftretenden Schwankungen in den Bestandszahlen – zumindest weitgehend deckungsgleich ist.
Für diese Annahme spricht auch, dass es nach den Regelungen der hier maßgeblichen Abfallentsorgungssatzung des Beklagten gerade nicht in dessen Ermessen steht, inwieweit dieser von der Durchsetzung des Anschlusszwanges Gebrauch macht. Sofern die satzungsrechtlichen Voraussetzungen des Anschlusszwanges vorliegen, ist das betreffende Grundstück an die öffentliche Abfallentsorgung anzuschließen. Diese zwingend anzuschließenden Grundstücke haben daher auch Eingang in die Gebührenkalkulation zu finden.
Auch bei einer rückwirkenden Gebührensatzung, die eine aus materiellen Gründen nichtige Gebührensatzung ersetzt, ist für die gerichtliche Prüfung auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Satzungserlasses abzustellen. Soweit der Gültigkeitszeitraum der Gebührensatzung allerdings in der Vergangenheit liegt, kommt für die Berechnung des Gebührensatzes keine echte Vorauskalkulation mehr in Betracht. Mangels im Wege der Prognose zu überwindender Unsicherheiten für den Satzungsgeber besteht hinsichtlich bekannter Einnahmen und Ausgaben auch kein Bedarf mehr für den Rückgriff auf frühere Schätzwerte. Deren Heranziehung ist nicht mehr gerechtfertigt, sondern es sind die mittlerweile bekannt gewordenen tatsächlichen Betriebsergebnisse und Zahl der Maßstabseinheiten zu Grunde zulegen. Dementsprechend hatte der Beklagte seiner Gebührenbedarfsberechnung für die Jahre 2020 und 2021 bei den Betriebsergebnissen und der Zahl der Maßstabseinheiten die „Ist-Mengen“ für diese Jahre zu Grunde zu legen. Demnach ist der angegriffene Gebührensatz mit Blick auf das Kostenüberschreitungsverbot auf der Grundlage der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Satzungserlasses unter Heranziehung der bis dahin bekannt gewordenen tatsächlichen Betriebsergebnisse und Maßstabseinheiten („harte Zahlen“) zu beurteilen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 24.11.2010 – 4 L 115/09 –, juris).
Die mit dem streitgegenständlichen Bescheid festgesetzte Abfallgebühr erweist sich als rechtswidrig, weil aufgrund fehlender Angaben des Beklagten nicht festgestellt werden konnte, ob die maßgeblichen Gebührensätze wirksam festgesetzt worden sind (zur Rechtswidrigkeit einer Satzung aus diesem Grund: OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 27.07.2006 – 4 K 253/05 -, juris).
In seiner Entscheidung vom 27.07.2006 hat das OVG Sachsen-Anhalt zu den Anforderungen an eine gerichtlich überprüfbare Gebührenkalkulation folgendes ausgeführt:
„Zur rechtlichen Prüfung des Gebührensatzes durch die Verwaltungsgerichte ist die gebührenerhebende Körperschaft jedoch aus verwaltungsprozessualen Gründen dazu verpflichtet, spätestens im gerichtlichen Verfahren eine prüffähige Gebührenbedarfsberechnung, d.h. eine Veranschlagung bzw. Ermittlung der gebührenfähigen Kosten und Maßstabseinheiten im Kalkulationszeitraum, vorzulegen und die zur Überprüfung dieser Berechnung notwendigen tatsächlichen Angaben zu machen (vgl. auch OVG Brandenburg, Urt. v. 27. März 2003 – 2 D 46/99.NE -, zit. nach JURIS; Driehaus, a.a.O. Bd. I, § 6 Rdnr. 124). Denn eine Gebührenbedarfsberechnung darf das Gericht schon im Hinblick auf den Gewaltenteilungsgrundsatz nicht selbst vornehmen. Eine solche Berechnung ist kein bloßer Rechenvorgang, sondern in vielfältiger Hinsicht von Schätzungen, Prognosen und Wertungen sowie anderen Entscheidungen abhängig, bei denen der gebührenerhebenden Körperschaft Spielräume eingeräumt sind (vgl. dazu im Einzelnen Driehaus, a.a.O. Bd. II, § 6 Rdnr. 727, 729; vgl. auch OVG LSA, Beschl. v. 9. März 2004 – 2 L 259/03 -; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 25. Februar 1998 – 4 K 8/97, 4 K 18/97 -, zit. nach JURIS). Dies gilt nicht nur für eine (Voraus)Kalkulation vor Beginn des Kalkulationszeitraumes bzw. eine während des Kalkulationszeitraumes erstellte Nachkalkulation, sondern auch – wenngleich in geringerem Umfang – für eine Nachberechnung bei der Festsetzung eines Gebührensatzes für einen in der Vergangenheit liegenden Kalkulationszeitraum, hier der Zeiträume 1999 bis 2001 sowie 2002 bis 2003 und teilweise 2004 bis 2006. Zwar besteht mangels im Wege der Prognose zu überwindender Unsicherheiten für den Satzungsgeber hinsichtlich bekannter Einnahmen und Ausgaben kein Bedarf mehr für den Rückgriff auf frühere Schätzwerte, sondern es sind die mittlerweile bekannt gewordenen tatsächlichen Betriebsergebnisse („harte Zahlen”) zugrunde zu legen (so auch VGH Bayern, Urt. v. 2. April 2004 – 4 N 00.1645 -, NVwZ-RR 2005, 281 ff.; OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 9. Oktober 2002 – 2 L 111/00 -, zit. nach JURIS; OVG Niedersachsen, Urt. v. 8. August 1990 – 9 L 182/89 -, NVwZ-RR 1991, 383, 384). Selbst dann bleiben aber immer noch Entscheidungsspielräume der gebührenerhebenden Körperschaft, die nicht vom Gericht ausgefüllt werden dürfen.
Daraus folgt, dass das Gericht bei einer fehlenden oder unzureichenden (nicht prüffähigen) Gebührenbedarfsberechnung von vornherein nicht in der Lage ist, selbst oder mit Hilfe eines Sachverständigen zu ermitteln, ob der festgesetzte Gebührensatz den rechtlichen Vorgaben, insbesondere denen des § 5 Abs. 1 Satz 2 KAG LSA, entspricht (so aber wohl OVG LSA, Beschl. v. 24. Oktober 2003 – 1 L 301/03 -). Die Verpflichtung der gebührenerhebenden Körperschaft zur Erstellung einer Gebührenbedarfsberechnung wird nicht dadurch eingeschränkt, dass die Verwaltungsgerichte bei der Prüfung, ob der festgesetzte Gebührensatz die rechtlichen Vorgaben erfüllt, dem Grundsatz der Amtsermittlung (§ 86 Abs. 1 VwGO) unterliegen. Danach hat das Gericht alle vernünftigerweise zu Gebote stehenden Möglichkeiten zur Aufklärung des für seine Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts auszuschöpfen, die geeignet erscheinen, die für eine Entscheidung erforderliche Überzeugung zu gewinnen. Der Amtsermittlungsgrundsatz wird aber durch die Pflicht der Beteiligten begrenzt, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 HS 2 VwGO). Davon ist nicht nur die Weitergabe von Daten umfasst, die allein der Körperschaft bekannt sind, sondern auch die Vornahme von Handlungen, die es erst dem Gericht ermöglichen, eine rechtliche Prüfung vorzunehmen. Von der prozessualen Mitwirkungspflicht der Körperschaft, an deren Verletzung verfahrensrechtliche Wirkungen geknüpft sind, wird weiterhin auch die sachgerechte Erläuterung einer erstellten Gebührenbedarfsberechnung in der mündlichen Verhandlung erfasst, falls das Gericht eine solche für notwendig erachtet (vgl. auch OVG LSA, Beschl. v. 18. April 2006 – 4 O 332/05 -, zit. nach JURIS). Ohne eine solche Erläuterung ist es dem Gericht ebenfalls nicht möglich, seinem Prüfauftrag nachzukommen. Dem steht nicht entgegen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich gehalten sind, im Rahmen der Prüfung einer Gebührenkalkulation keine sog. „ungefragte Fehlersuche“ vorzunehmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 17. April 2002 – 9 CN 1.01 -, BVerwGE 116, 188, 196 f. für ein Normenkontrollverfahren). Unabhängig davon, dass ein Normenkontrollantragsverfahren nach § 47 VwGO nicht nur dem subjektiven Rechtsschutz, sondern auch der objektiven Rechtskontrolle dient (vgl. BVerwG, Beschl. v. 6. Dezember 2000 – 4 BN 59.00 -, NVwZ 2001, 431 f. m.w.N.), ist es dem Gericht bei der Prüfung eines Gebührensatzes jedenfalls nicht verwehrt, auch bei Fehlen entsprechender Rügen zumindest eine Prüfung wichtiger Eckpunkte der Kalkulation vorzunehmen und sich aufdrängenden Mängeln nachzugehen (vgl. auch OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 2. Juni 2004 – 4 K 38/02 -, zit. nach JURIS).”
Gemessen an diesen Ausführungen, denen das Gericht vollumfänglich folgt und sich diese zu Eigen macht, ist keine plausible, rechnerisch nachvollziehbare Kalkulation vorgelegt worden.
Es ist zunächst festzuhalten, dass die im Bürgerinformationssystem des Kreistages des Salzlandkreises veröffentlichte Anlage 3 (Gebührenkalkulation für den Kalkulationszeitraum 2020 bis 2022) zur Beschlussvorlage B/0351/2022, welche Grundlage der Satzung vom 14.03.2022 ist, identisch mit der Anlage 3 zur Beschlussvorlage B/0264/2021/1 ist, welche den Entwurf der Abfallgebührensatzung vom 22.07.2021 enthielt.
Auch nach den Ausführungen im Schriftsatz vom 16.03.2022 und den ergänzenden Erläuterungen im Termin der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte nicht plausibel dargelegt, dass die in der Gebührenbedarfsberechnung für die Jahre 2020 bis 2022 genannte Zahl von 63.912 EWG für Abfallerzeuger aus anderen Herkunftsbereichen die nach Maßgabe der Berechnungsmethode in Anlage 2 zu § 5 Abs. 1 Nr. 2 der Abfallgebührensatzung vom 14.03.2022 ermittelten tatsächlichen Zahlen für die Jahre 2020 und 2021 (im Sinne von „harten Zahlen“) sowie die prognostische Zahl für das Jahr 2022 wiedergibt.
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 16.03.2022 eine tabellarische Übersicht vorgelegt, welche entsprechend der Systematik in Anlage 2 zu § 5 Abs. 1 Nr. 2 der Abfallgebührensatzung den 12 dort aufgeführten Gruppen von Abfallerzeugern aus anderen Herkunftsbereichen jeweils eine bestimmte Summe von Einwohnergleichwerten zuordnet und welche eine Gesamtsumme von 63.912 EWG ausweist. Der Beklagte hat auch bestätigt, dass die Kalkulation, welche der Satzung vom 14.03.2022 zugrunde liegt und am 03.02.2022 dem Kreistag des Salzlandkreises vorgelegt worden ist, hinsichtlich der angesetzten Maßstabseinheiten, der ansatzfähigen Aufwendungen und der Erträge dieselben Zahlen aufweist wie die im Jahr 2021 dem Kreistag zur Vorgängersatzung vom 22.07.2021 vorgelegte Gebührenbedarfsberechnung für die Jahre 2020 bis 2022. Soweit in einem vom Gericht vorgelegten Artikel der Schönebecker Volksstimme vom 17.02.2022 davon die Rede sei, dass die Kosten neu hätten kalkuliert werden müssen, sei damit die bereits vorliegende Kalkulation für die Jahre 2020 bis 2022 gemeint, die im Zusammenhang mit den anhängigen Verfahren im vergangenen Jahr bereits erstellt worden sei. Da dies erst wenige Monate her sei, habe vorliegend kein Anlass bestanden, eine erneute Nachberechnung vorzunehmen. Eine solche würde im Übrigen insbesondere aufgrund der bekanntermaßen erheblich gestiegenen Energie- und Kraftstoffkosten wie auch höherer Personalkosten unzweifelhaft als Ergebnis ergeben, dass der festgesetzte Gebührensatz nicht überhöht sei. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat im Termin der mündlichen Verhandlung noch ausgeführt, dass in die vorgelegte Gebührenbedarfsberechnung für die Jahre 2020 bis 2022 die „harten Zahlen“ für das Jahr 2020 eingeflossen seien.
Eine Mitarbeiterin des Beklagten hat im Termin der mündlichen Verhandlung ergänzend ausgeführt, dass im Dezember 2021 die in der Anlage 2 zu § 5 Abs. 1 Nr. 2 der Abfallgebührensatzung aufgeführten Parameter (z. B. Betten/Pflegeplätze, Beschäftigte sowie Stellplätze) bei den Abfallerzeugern erhoben worden sind. Es seien anhand der Veranlagungsdatenbank die Betroffenen angeschrieben worden und gebeten worden, einen Fragebogen auszufüllen und zu übersenden, welcher Angaben zu den Parametern zu enthalten hat. Nach Auskunft der Mitarbeiterin sind die aktuellen Daten abgefragt worden. Es seien mittlerweile 80 % der übersandten Fragebögen zurückgesandt und auch ausgewertet worden.
Diese Angaben sind aus mehreren Gründen nicht geeignet, die vorgelegte Gebührenbedarfsberechnung hinreichend zu plausibilisieren.
Wie oben bereits ausgeführt, hätten für die Jahre 2020 und 2021 die „harten Zahlen“, also die tatsächlichen Betriebsergebnisse (Einnahmen und Ausgaben) sowie die tatsächliche Zahl der Einwohnergleichwerte für diese beiden Jahre in der Gebührenbedarfsberechnung für die Satzung vom 14.03.2022 berücksichtigt werden müssen. Der Beklagte hat jedoch selbst erklärt, dass er nur die Betriebsergebnisse für das Jahr 2020 berücksichtigt habe und zudem Erhebungen hinsichtlich der Zahl der Einwohnergleichwerte erst im Dezember 2021 durchgeführt und dort auch nur die aktuellen Daten abgefragt hat. Eine Erhebung der Zahl der Einwohnergleichwerte für das Jahr 2020 ist nach den Erklärungen des Beklagten nicht durchgeführt worden.
Ferner hat der Beklagte in der unter dem 16.03.2022 übermittelten Tabelle nur die Zahl der Bescheidempfänger aufgeführt. Auch bei der im Dezember 2021 durchgeführten Datenerhebung sind nur die in der Veranlagungsdatenbank des Beklagten erfassten Bescheidempfänger berücksichtigt worden. Wie oben bereits ausgeführt, ist für die Gebührenbedarfsberechnung nicht (lediglich) die Zahl der Bescheidempfänger, sondern die Zahl der normativ Anschlusspflichtigen maßgeblich. Der Beklagte hat nicht näher dargelegt, welche Datenerhebungen er durchgeführt hat, um zu gewährleisten, dass der Kreis der normativ Anschlusspflichtigen möglichst vollständig erfasst worden ist (z. B. zu den im Kreisgebiet ansässigen Freiberuflern eine Abfrage bei zuständigen Kammern, eine Abfrage bei den Liegenschaftsverwaltungen von Bund, Land und kreisangehörigen Gemeinden zur Ermittlung der öffentlich genutzten Grundstücke oder eine Abfrage zu den aktiven Betriebsstätten bei den nach §§ 4, 28, 30 GewStG hebeberechtigten Gemeinden).
Vor diesem Hintergrund ist auch die unter 16.03.2022 dem Gericht übersandte Tabelle jedenfalls nicht in vollem Umfang plausibel. Die Kammer hat in dem dem Beklagten bekannten Urteil vom 27.04.2021 (7 A 187/20 MD, veröffentlicht bei juris) auf eine Statistik des Landesverbandes der Gartenfreunde Sachsen-Anhalt e.V. hingewiesen, wonach zum 31.12.2018 in der Gebietskörperschaft des Beklagten 229 Kleingartenvereine existierten, welche zu diesem Zeitpunkt insgesamt 9.369 Parzellen (bei einer Gesamtzahl von 13.172 Parzellen) tatsächlich genutzt haben. Die Kammer hatte auch darauf verwiesen, dass diese Zahl möglicherweise nicht die Gesamtzahl der im Gebiet des Beklagten tatsächlich vorhandenen Kleingartenparzellen wiedergibt, da in dieser Statistik nur die dem Landesverband angehörigen Kleingartenvereine aufgeführt sind. Zwar lässt sich die in der Tabelle aufgeführte Zahl von 1.040 EWG noch in etwa mit den oben genannten Zahlen und dem in Ziffer 11 der Anlage 2 zu § 5 Abs. 1 Nr. 2 der Abfallgebührensatzung genannten Umrechnungsfaktor von einem EWG je 10 genutzter Parzellen in einer Kleingartenanlage erklären, wobei allerdings unklar bleibt, auf welche Kalkulationsjahre sich diese Zahl bezieht. In der Tabelle werden aber nur vier Bescheidempfänger genannt, was angesichts von ca. 230 eigenständigen Kleingartenvereinen im C. nicht nachvollziehbar ist. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass in den Jahren 2020 und 2021 nur noch vier Kleingartenvereine im C. existiert haben.
Sofern der Beklagte darauf verweist, dass aufgrund der in den vergangenen Jahren gestiegenen Kosten für Energie, Kraftstoff und Personal mit dem Ansatz von 49,80 € je Einwohnergleichwert jedenfalls im Ergebnis kein Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsverbot vorliege, greift dieser Einwand nicht durch. Die vom Beklagten vorgelegte Gebührenkalkulation für die volumenbezogene Restabfallentsorgungsgebühr enthält anders als das Vergleichsbeispiel der Gebührenkalkulation des Landkreises Stendal, auf welche in der Verfügung vom 14.02.2022 hingewiesen wurde, keine nach Kalkulationsjahren aufgegliederte Darstellung der umlagefähigen Kosten und der ansatzfähigen Einwohnergleichwerte. Es kann daher nur vermutet werden, dass es sich bei den auf Seite 1 der Gebührenkalkulation aufgeführten Werten jeweils um Durchschnittswerte handelt. Es ist daher nicht ersichtlich, von welchen Kosten der Beklagte im Jahr 2020 ausgegangen ist und welche (prozentuale) Entwicklung er für die Jahre 2021 und 2022 angenommen hat. Aus diesem Grund kann auch nicht festgestellt werden, ob die tatsächlichen umlagefähigen Kosten des Beklagten von den in der Gebührenbedarfsrechnung aufgeführten Kosten dergestalt abweichen, dass unabhängig von der genauen Zahl der anzusetzenden Einwohnergleichwerte der Gebührensatz von 49,80 € je Einwohnergleichwert/Jahr nicht gegen das Kostenüberschreitungsverbot verstößt.
Im Übrigen kann nach den vom Beklagten vorgelegten Unterlagen auch nicht positiv davon ausgegangen werden, dass wenn man die umlagefähigen Kosten in Höhe von 12.505.580,- € zum Ansatz bringt, die Zahl der ansatzfähigen Einwohnergleichwerte für private Haushalte und andere Herkunftsbereiche in jedem Fall einen Wert von 251.127 EWG erreicht oder unterschreitet, was eine Einhaltung des Kostenüberschreitungsverbotes bedeuten würde. Der Beklagte hatte dem Gericht im Parallelverfahren 7 A 509/20 MD eine „Liste gewerblich veranlagter Kunden“ vorgelegt, in welcher für die dort 4.669 aufgeführten Abfallerzeuger aus anderen Herkunftsbereichen auch die bislang für die Berechnung der Restabfallgebühr jeweils herangezogene Zahl der Einwohnergleichwerte aufgeführt ist. So waren für die im Termin der mündlichen Verhandlung unter der lfd. Nummer 2.430 aufgeführte und erörterte Forschungseinrichtung 962 Einwohnergleichwerte berücksichtigt worden. Ausweislich des Internetauftritts dieser Einrichtung sind dort ca. 500 Mitarbeiter beschäftigt, was unabhängig von der Frage, ob dieses Institut der Ziffer 3 oder der Ziffer 10 der Anlage 2 zu § 5 Abs. 1 Nr. 2 der Abfallgebührensatzung zuzuordnen ist, den Ansatz von nur ca. 125 Einwohnergleichwerten rechtfertigen würde. Andererseits ist einer Vielzahl von Abfallerzeugern nur ein Einwohnergleichwert von 1 zugeordnet worden, obwohl nach den Bestimmungen der vorgenannten Tabelle mit hoher Wahrscheinlichkeit jeweils ein höherer Wert festzusetzen wäre. Eine hinreichend valide Datenbasis hinsichtlich der Einwohnergleichwerte wird daher nur nach einer möglichst vollständigen Erfassung der normativ Anschlusspflichtigen ermittelt werden können.
Der aufgezeigte Mangel in der Gebührenbedarfsberechnung für die volumenbezogene Restabfallgebühr hat zur Folge, dass die Abfallgebührensatzung insgesamt unwirksam ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (u.a. Beschl. v. 24.02.2012 – 9 B 80.11 -, juris) führt die Ungültigkeit eines Teils einer kommunalen Satzungsbestimmung dann nicht zu ihrer Gesamtunwirksamkeit, wenn die übrigen Teile auch ohne den ungültigen Teil sinnvoll bleiben (Grundsatz der Teilbarkeit) und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wären (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers). Dabei kann nicht davon ausgegangen werden, es entspreche regelmäßig dem Willen des Satzungsgebers, dass für den Fall der Unwirksamkeit eines Teils der Satzung die übrige Satzung Geltung behalte. Eine solche Regelvermutung besteht gerade nicht. Dass die Körperschaft bei Annahme einer Teilnichtigkeit befugt wäre, den nichtigen Teil der Satzung rückwirkend zu heilen, ist für die Auslegung ihres (hypothetischen) Willens ohne Bedeutung (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 17.11.2010 – 4 L 213/09 – und v. 30.11.2006 – 4 L 320/06 – sowie Urt. v. 14.04.2008 – 4 L 181/07 – alle zitiert nach juris). Da der Beklagte die Abfallgebühren mit einem in sich geschlossenen und aufeinander abgestimmten Gebührensystem erhebt, dessen wesentliche Bestandteile die Jahresgebühren für die Restabfallentsorgung aus privaten Haushalten und anderen Herkunftsbereichen sind, ist ohne deutliche Indizien gerade nicht anzunehmen, dass bei der Nichtigkeit eines Teils dieses Gesamtgefüges der restliche Teil bestehen bleiben soll. Solche Anhaltspunkte sind aber weder substantiiert geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Jahresgebühren für die Restabfallentsorgung aus privaten Haushalten sowie die jeweils einzeln kalkulierten Gebührentarife für sich betrachtet sinnvoll bleiben und eine Kostendeckung ergeben, so dass es in einem solchen Fall auch nicht dem (mutmaßlichen) Willen des Satzungsgebers entsprechen kann, zumindest die übrigen Gebührentarife gegebenenfalls gesondert zu regeln.
Da sich der streitgegenständliche Bescheid bereits aus den dargelegten Gründen als rechtswidrig erweist, war auf die übrigen Einwände des Klägers nicht mehr einzugehen und der Bescheid bereits deshalb aufzuheben.
Die einheitliche Entscheidung über die Kosten folgt aus § 161 Abs. 2 S. 1 VwGO und § 154 Abs. 1 VwGO. Hinsichtlich des für erledigt erklärten Teiles war dabei zu berücksichtigen, dass der Beklagte insoweit Kostenübernahme erklärt hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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