Baurecht

Großflächige Spielothek als kerntypische Vergnügungsstätte

Aktenzeichen  M 9 K 18.2626

Datum:
5.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 13286
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34
BauNVO § 4a Abs. 3 Nr. 2, § 6 Abs. 2 Nr. 8, Abs. 3

 

Leitsatz

1 Hat eine Spielothek eine Fläche von ca. 100 m², führt dies dazu, dass es sich regelmäßig um eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte im Sinne von § 4a Abs. 3 Nr. 2 Baunutzungsverordnung (BauNVO) handelt, die im Mischgebiet unzulässig ist. Maßstab für den Schwellenwert von 100 m² ist die gesamte betriebliche Einheit, im Wesentlichen gekennzeichnet durch die bauliche Verbindung und den gemeinsamen Eingang. (Rn. 22 – 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Der Bescheid vom 9. Mai 2018 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die beantragte Nutzungsänderung in eine Spielothek (§ 113 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die Genehmigungsfähigkeit scheidet bereits deshalb aus, da der vorgelegte Bauantrag nicht den Anforderungen des § 9 der Bauvorlagenverordnung (BauVorlV) genügt. Danach sind in der Baubeschreibung das Bauvorhaben und seine Nutzung zu erläutern, soweit dies zur Beurteilung erforderlich ist und die notwendigen Angaben nicht im Lageplan und den Bauzeichnungen enthalten sind.
Im vorliegenden Fall fehlt eine Betriebsbeschreibung. Aus den vorgelegten Plänen ergibt sich lediglich, dass in dem Hauptraum acht Geldspielgeräte und TV-Geräte aufgestellt werden sollen und darin eine Theke steht. Eine Betriebsbeschreibung – insbesondere über die Öffnungszeiten, das Angebot im Thekenbereich, die Zahl der Mitarbeiter und die Zweckbestimmung der TV-Geräte – fehlt. Die Bezeichnung des Vorhabens „Spielothek mit … Café“ stammt offensichtlich aus einer früheren Bauvorlage und genügt nicht, um die Genehmigungsfähigkeit einer solchen Vergnügungsstätte beurteilen zu können.
Ungeachtet dessen hat der Beklagte die Nutzungsänderung in eine Spielothek im Ergebnis zu Recht abgelehnt, da es sich vorliegend – ausweislich des eingereichten Plans – um eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte handelt. Die Kammer folgt der in Literatur und Rechtsprechung gefestigten Rechtsauffassung, dass eine Spielothek mit einer Fläche von ca. 100 m² dazu führt, dass es sich regelmäßig um eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte im Sinne von § 4a Abs. 3 Nr. 2 Baunutzungsverordnung (BauNVO) handelt, die im Mischgebiet unzulässig ist. Die nach Inkrafttreten der Spieleverordnung 2006 im Ansatz vertretene Rechtsauffassung, dass wegen Änderung der Mindestfläche und Höchstzahl der Geräte der maßgebliche Schwellenwert niedriger festgesetzt werden müsse (so etwa VGH Mannheim, U.v. 22.2.2011 – 3 S 445/09; VG München, U.v. 30.7.2013 – M 1 K 13.1587), hat sich nicht durchgesetzt und wird nicht mehr vertreten.
Maßstab für den Schwellenwert von 100 m² ist die gesamte betriebliche Einheit, im Wesentlichen gekennzeichnet durch die bauliche Verbindung und den gemeinsamen Eingang. Danach beträgt hier die gesamte Nutzfläche ca. 150 m². Ausweislich des vorgelegten Plans und des Ergebnisses des Augenscheins ist der nördliche Lagerraum mit ca. 49 m² der Gesamtnutzfläche hinzuzurechnen, da die einzelnen Räume über einen gemeinsamen Eingang und einen gemeinsamen Flur miteinander verbunden sind. Die Angaben im Plan, es handele sich um einen weiteren Lagerraum, ist schlicht unglaubwürdig, da eine Spielothek diesen nicht benötigt und der Raum zu Aufenthaltszwecken problemlos genutzt werden kann. Es ist schlicht unglaubwürdig und wurde von der Klägerin auch nicht vorgetragen, dass über ein Drittel der Gesamtnutzfläche als Lager verwendet werden soll; die gesamte Räumlichkeit ist nicht zuletzt wegen der Toiletten im Untergeschoss und ausweislich der Pläne zweier gemeinsamer Eingänge darauf angelegt, gemeinsam genutzt zu werden. Damit liegt die beantragte Spielothek über der flächenmäßigen Grenze der Rechtsprechung für eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte, die wegen ihrer Zweckbestimmung oder ihres Umfangs nicht in einem Mischgebiet zulässig ist (§ 6 Abs. 2 Nr. 8 i.V.m. § 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO).
Ungeachtet dessen, dass unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs und der baulichen Einheit eine kerngebietstypische Spielothek vorliegt, sind vorliegend auch die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Nr. 8 i.V.m. § 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO tatbestandlich nicht erfüllt. In einem Mischgebiet sind Vergnügungsstätten nur in den Teilen des Gebiets, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sind, zulässig. Eine kleinere Spielothek mit einer Nutzungsfläche unter 100 m² ist danach nur dann in einem Mischgebiet zulässig, wenn es sich um einen Teil handelt, der überwiegend durch eine gewerbliche Nutzung geprägt ist. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Ausweislich der von der Beigeladenen vorgelegten und von den Beteiligten als zutreffend erkannten Aufstellung der Nutzungen in der Umgebung ist das Gebiet davon geprägt, dass beidseitig der H.straße im Erdgeschoss die gewerbliche Nutzung vorherrscht, während sich in den Obergeschossen der Gebäude überwiegend Wohnungen befinden. Die in den Obergeschossen ebenfalls vorhandenen Büros und Arztpraxen sind keine gewerblichen Nutzungen. Diese Nutzungsmischung besteht im Umgriff auf beiden Straßenseiten zwischen dem A./Rathaus sowie der Marina/anschließenden Café. Danach liegt hier keine überwiegende gewerbliche Prägung des Mischgebietes vor, sondern eine normale typische Mischgebietsnutzung eines innerstädtischen Mischgebiets. Da keine Prägung durch überwiegend gewerbliche Nutzung besteht, ist im verfahrensgegenständlichen Gebäude jegliche Spielothek ausgeschlossen.
Anhaltspunkte dafür, dass eine ausnahmsweise Genehmigungsfähigkeit nach § 6 Abs. 3 BauNVO für eine kleinere Spielothek in Betracht käme, sind unter Berücksichtigung der Umgebung eines kleinen Fremdenverkehrsortes und die dort im Zentrum entlang der H.straße üblichen Nutzungen nicht ersichtlich.
Auf die Frage, ob die Gebietsart tatsächlich einem Mischgebiet oder vielmehr einem Gebiet mit faktischer atypischer Gemengelage oder im Falle einer planerischen Festsetzung einem urbanen Gebiet nach § 6a Abs. 4 BauNVO entspricht, kommt es vorliegend nicht an.
In jedem Fall steht bauplanungsrechtlich der Zulässigkeit einer Spielothek als Vergnügungsstätte die fehlende gewerbliche Prägung bei überwiegend sonstiger Nutzung entgegen.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Da die Beigeladene einen Sachantrag gestellt hat, entspricht es der Billigkeit, dass die unterliegende Partei die Kosten der Beigeladenen trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).


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