Baurecht

Heilung einer unzureichenden Information nach Zuschlagserteilung

Aktenzeichen  Z3-3-3194-1-51-11/19

Datum:
31.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 5027
Gerichtsart:
Vergabekammer
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GWB § 97 Abs. 6, § 122 Abs. 4, § 134, § 135 Abs. 1 Nr. 1, § 168 Abs. 2 S. 1, § 167 Abs. 2 S. 2, § 182 Abs. 3 S.1

 

Leitsatz

1. Eine Heilung einer unzureichenden Information nach Zuschlagserteilung kommt nicht in Frage, da hierdurch der Sinn und Zweck der Information nach § 134 GWB unterlaufen würde.
2. Eine Berufung des Auftraggebers auf § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB kann jedenfalls dann rechtsmissbräuchlich sein, wenn dieser gezielt versucht, durch die wahrheitswidrige Zusage, den Zuschlag vor einem bestimmten Zeitpunkt nicht zu erteilen, den Bieter über die tatsächlich früher beabsichtigte Zuschlagserteilung zu täuschen und so seinen Primärrechtsschutz zu vereiteln.
3. Bei der Bewertung der Frage der Vergleichbarkeit von Referenzen kommt der Vergabestelle ein nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (OLG München, Beschluss vom 27.07.2018 – Verg 2/18). Der Auftraggeber muss dabei aber alle wertbaren Referenzen berücksichtigen und seine Erwägungen nachvollziehbar begründen und dies dokumentieren.
4. Bei der Bewertung der Frage der Vergleichbarkeit von Referenzen kommt der Vergabestelle ein nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (OLG München, Beschluss vom 27.07.2018 – Verg 2/18). Der Auftraggeber muss dabei aber alle wertbaren Referenzen berücksichtigen und seine Erwägungen nachvollziehbar begründen und dies dokumentieren.

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass der mit Zuschlag vom 22.11.2019 geschlossene Vertrag zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen von Anfang an unwirksam ist.
2. Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Eignungsprüfung in Bezug auf das Angebot der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu widerholen.
3. Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen die Kosten des Nachprüfungsverfahrens (Gebühren und Auslagen) gesamtschuldnerisch sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin jeweils zur Hälfte. Der Antragsgegner ist von der Zahlung der Gebühr befreit.
4. Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von …,00 Euro festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.
5. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.

Gründe

I.
Der Antragsgegner beabsichtigt, im Rahmen des Bauvorhabens über Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit der JVA N… die Lieferung und Montage einer Schiebetoranlage mit Fahrzeugschleuse im Wege eines Offenen Verfahrens EUweit zu vergeben. Eine entsprechende Veröffentlichung erfolgte im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union. Nebenangebote wurden nicht zugelassen. Einziges Zuschlagskriterium war nach Ziffer II.2.5) der Preis.
Im Leistungsverzeichnis war unter Position 01.02.0001 aufgeführt:
„Toranlage Schiebetor einflg. B 4500 mm H 4500 mm RC5 FB7 Rahmen Stahl verz nasslackbesch Flügel Stahl verz nasslackbesch

Einbruchhemmung RC5 DIN EN 1627, Durchschusshemmung FB7 DIN EN 1522 […]“
In der Bekanntmachung befanden sich unter III.1.1; II.1.2 und II.1.3 mehrere Direktlinks auf das Formblatt 124 (Eigenerklärung zur Eignung). Im Formblatt 124 fand sich folgende Regelung:
„Ich erkläre / Wir erklären, dass ich / wir in den letzten x 5 Jahren vergleichbare Leistungen ausgeführt habe / haben.
Falls mein/unser Angebot in die engere Wahl kommt, werde ich/werden wir für 3 Referenzen je eine Referenzbescheinigung mit Angaben in Anlehnung an das Formblatt 444 vorlegen.“
Als Schlusstermin für den Eingang der Angebote wurde der 22.10.2019, 09:00 Uhr festgelegt. Bis zum Schlusstermin reichten insgesamt sechs Bieter fristgerecht Angebote ein, darunter die Antragstellerin mit dem niedrigsten Angebotspreis. Am 25.10.2019 forderte der Antragsgegner von der Antragstellerin bis zum 04.11.2019 u.a. drei Referenzbescheinigungen über vergleichbare Leistungen sowie zur Aufklärung des Angebots Prüfzeugnisse für die Ausführung der vergabegegenständlichen Schiebetoranlage in den Widerstandsklassen RC5 und FB7.
Die Antragstellerin teilte daraufhin dem Antragsgegner mit Schreiben vom 30.10.2019 mit, dass Prüfzeugnisse für Sonderanfertigungen wie die gegenständliche Schiebetoranlage nicht im Vorfeld, sondern erst nachträglich beantragt und erteilt werden könnten, so dass eine Vorlage zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich sei. Als Anlage wurden mehrere Referenzbescheinigungen vorgelegt, die jedoch keine Schiebetoranlage für eine JVA umfassten bzw. keine Aussage zu möglichen Zertifizierungen enthielten. Außerdem reichte die Antragstellerin einen Prüfbericht der „ift R… GmbH“ vom 09.04.2019 ein, in der ein Kfz-Schleusentor der JVA H… nach Widerstandsklasse RC 4 zertifiziert wurde.
Ausweislich eines internen handschriftlichen Prüfvermerks des Antragsgegners vom 07.11.2019 seien die Unterlagen der Antragstellerin nicht vollständig, da keine geeigneten Referenzen sowie keine Prüfzeugnisse vorgelegt worden seien.
Mit Informationsschreiben nach § 134 GWB vom 11.11.2019 wurde die Antragstellerin daraufhin vom Antragsgegner darüber informiert, dass ihr Angebot von der Wertung ausgeschlossen wird, weil ein Prüfzeugnis für die Widerstandsklasse RC5 nach DIN EN 1627 sowie FB7-NS nach DIN EN 1522/1523 trotz Aufforderung nicht vorgelegt worden sei.
Daraufhin rügte die Antragstellerin am 15.11.2019 den Ausschluss ihres Angebots und beantragte die Rücknahme ihres Ausschlusses bis zum 18.11.2019 unter Androhung auf Anrufung der Vergabekammer. Sie verwies darauf, dass entsprechende Prüfzeugnisse weder in den Ausschreibungsunterlagen noch in der Auftragsbekanntmachung gefordert worden seien. Die Ausschreibung hätte nur so verstanden werden können, dass ein Prüfzeugnis erst nach Konstruktion, Fertigung und Aufbau der Toranlage vorzulegen gewesen wäre. Eine Zertifizierung im Vorfeld scheide – wie bereits im Schreiben vom 30.10.2019 dargelegt – aufgrund der Sonderanfertigung aus, was im Übrigen auch für die Mitbewerber gelte. Mit Email vom 18.11.2019 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit:
„Nach Rücksprache mit dem Fachbereich wird Ihr Anliegen einer erneuten Prüfung und Wertung unterzogen.
Bis zum Abschluss einer erneuten Prüfung wird unsererseits kein Zuschlag erteilt. Über das Ergebnis werden wir Sie zeitnah informieren.“
Am 21.11.2019 forderte der Antragsgegner von der Antragstellerin bis zum 28.11.2019 nunmehr die folgenden Unterlagen:
„- 3 Referenzbescheinigungen für eine vergleichbare Ausführung der Schiebetoranlagen laut Ausschreibungsunterlagen.
– Schriftliche Stellungnahme zur Eignung des eigenen Betriebs für die Fertigung und Montage der Schiebetoranlagen laut Ausschreibungsunterlagen.“
Am 26.11.2019 wurde die Rüge durch den Antragsgegner zurückgewiesen. Das Nachforderungsverlangen der Fachabteilung vom 25.10.2019 in Beug auf die Vorlage von Prüfzeugnissen für RC5 nach DIN EN 1627 und FB7-NS nach DIN EN 1522/1523 sei als unbeachtlich anzusehen, da diese weder in der Auftragsbekanntmachung noch in den Vergabeunterlagen enthalten gewesen seien. Das Informationsschreiben nach § 134 GWB vom 11.11.2019 sei daher insoweit zu korrigieren, als der Ausschluss der Antragstellerin nunmehr auf der nicht nachgewiesenen Eignung bei den vorgelegten Referenzen beruhe. Die Referenzbescheinigungen wiesen nämlich keine Leistungen aus, die dem vorliegenden Auftragsgegenstand entsprächen und somit nicht in ausreichendem Maß vergleichbar seien. Eine Nachforderung infolge ungeeigneter Referenzen sei vergaberechtlich unzulässig. Unabhängig davon sei die Auftragserteilung wirksam, da im Zuge des Informationsschreibens nach § 134 GWB kein Nachprüfungsantrag gestellt worden sei.
Mit Schreiben vom 27.11.2019 widersprach die Antragstellerin der Rügezurückweisung und wies darauf hin, dass der beabsichtigte Ausschluss ihres Angebots unzulässig sei, da mit ihren vorgelegten Referenzen alle für die streitgegenständliche Baumaßnahme wesentlich benötigten Eignungen nachgewiesen seien.
Mit weiterem Schreiben vom 28.11.2019 rügte die Antragstellerin, dass ihr kein neuerliches Informationsschreiben nach § 134 GWB zugeleitet worden sei, so dass der Zuschlag nicht wirksam sein könne. Zudem sei durch die Zusage der erneuten Prüfung und Wertung die ursprüngliche Absage im Informationsschreiben vom 11.11.2019 als hinfällig anzusehen.
Da der Antragsgegner auf das neuerliche Vorbringen nicht reagierte, stellte der zwischenzeitlich bestellte Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin mit Schreiben vom 29.11.2019 einen Nachprüfungsantrag und beantragte,
1.Ein Nachprüfungsverfahren wegen Verstoßes gegen Vergabevorschriften bei der Ausschreibung der Antragsgegnerin zur Vergabe des Auftrags N… …Metallbauarbeiten Schiebetoranlage Fahrzeugschleuse Vergabenummer … wird eingeleitet.
2.Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, den Ausschluss des Angebots der Antragstellerin zurückzunehmen und die Angebotswertung unter Einbeziehung der Angebote der Antragstellerin zu wiederholen.
3.Festzustellen, dass der von der Antragsgegnerin mit dem Bieter S… GmbH geschlossene Bauvertrag zum Bauvorhaben: N… …, Metallbauarbeiten Schiebetoranlage Fahrzeugschleuse unwirksam ist.
Hilfsweise:
Für den Fall der Erledigung des Nachprüfungsverfahrens durch wirksame Erteilung des Zuschlags an die Fa. S… GmbH festzustellen, dass eine Rechtsverletzung vorgelegen hat.
4. Der Antragstellerin wird Akteneinsicht gewährt.
5. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Aufwendungen der Antragstellerin.
6. Die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wird für notwendig erklärt.
Der Nachprüfungsantrag sei u.a. deshalb zulässig, da mangels eines ordnungsgemäßen Informationsschreibens nach § 134 GWB der bereits an die Beizuladende erfolgte Zuschlag unwirksam und unbeachtlich sei, hilfsweise rechtswidrig, wodurch die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt worden sei.
Der Antrag sei aufgrund des fehlerhaften Informationsschreiben nach § 134 GWB vom 11.11.2019 auch begründet. Der darin angegebene Ausschlussgrund der fehlenden Prüfzeugnisse sei nach Rüge durch die Antragstellerin seitens des Antragsgegners nicht länger aufrechterhalten worden, so dass das darauf gestützte Informationsschreiben insgesamt keine rechtliche Relevanz mehr entfalte. Unter Verweis auf den weiteren ausgetauschten Schriftverkehr werde das Handeln des Antragsgegners als derart grob widersprüchlich angesehen, dass ein Berufen auf das Informationsschreiben vom 11.11.2019 als rechtsmissbräuchlich und daher unwirksam zu bewerten sei. Dies gelte ebenso für den in der Rügezurückweisung angeführten Ausschlussgrund, der sich von dem im Informationsschreiben genannten unterscheide. Die Rechtsprechung habe überdies mehrfach festgestellt und anerkannt, dass eine Vorabinformation ihre Bedeutung verliere, wenn die Vergabestelle in eine erneute Prüfung und Wertung eintrete. In jedem Fall müsse eine neue Vorabinformation nach § 134 GWB erfolgen, da die bisherige ihre Rechtskraft verliere (so etwa VK Brandenburg, Beschluss v. 12.03.2019, Az.: VK 1/19). Mehrmals, letztmalig am 27.11.2019, habe der Antragsgegner bestätigt, eine erneute Prüfung und Wertung vorzunehmen, so dass für einen wirksamen Zuschlag eine neue Vorabinformation notwendig gewesen wäre. Ein derart benachteiligter Bieter könne sich auf die Unwirksamkeit des Zuschlags berufen (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 12.06.2019, Az.: Verg 54/18).
Was die pauschale Behauptung des Antragsgegners hinsichtlich der nicht ausreichenden Referenzen beträfe, seien nach Auffassung der Antragstellerin alle für die Baumaßnahme wesentlich benötigten Eignungen nachgewiesen worden. Zur Bewertung der vorgelegten Referenzen werde zudem auf die Entscheidung des OLG Celle, Beschluss v. 03.07.2018, Az.: 13 Verg 8/17 verwiesen. Danach dürfe bei einer Forderung nach vergleichbaren Referenzen deren Bewertung nicht nach zu engen Maßstäben erfolgen. Besondere Anforderungen an die Referenzen müsse der Auftraggeber eindeutig benennen. Eine Referenzleistung sei bereits dann vergleichbar, wenn sie der ausgeschriebenen Leistung insoweit ähnele, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung eröffne. Der Beurteilungsspielraum sei dann überschritten, wenn der Auftraggeber bei der Entscheidung über den Angebotsausschluss Anforderungen an die Referenzen stelle, die sich der Vergabebekanntmachung (in Verbindung mit den Vergabeunterlagen) nicht mit der notwendigen Eindeutigkeit entnehmen ließen.
Hilfsweise sei unter der Prämisse eines wirksamen Zuschlags Schadensersatz zu fordern, was der Feststellung bedürfe, dass der Zuschlag rechtswidrig an die Beizuladende anstelle der Antragstellerin erteilt worden sei.
Die Vergabekammer informierte den Antragsgegner über den Nachprüfungsantrag mit Schreiben vom 29.11.2019 und forderte die Vergabeunterlagen an, die bei der Vergabekammer eingereicht wurden.
Am 05.12.2019 teilte die Antragstellerin mit, dass ausweislich der beigefügten Bekanntmachung vom 27.11.2019 der Zuschlag bereits am 22.11.2019 erteilt worden sei, obwohl die Antragstellerin vom Antragsgegner noch eine Frist zur Übersendung nachgeforderter Unterlagen bis zum 28.11.2019 erhalten habe. Mit Antragserwiderung vom 11.12.2019 beantragte der Antragsgegner, die Anträge der Antragstellerin abzuweisen.
Entgegen dem Vortrag der Antragstellerin sei es durchaus möglich gewesen, die geforderten Prüfzeugnisse vorzulegen, wie es etwa die Beizuladende getan habe.
Der Nachprüfungsantrag sei unbegründet, da der Ausschluss der Antragstellerin rechtmäßig erfolgt sei.
Der Vertrag mit der Beizuladenden sei nicht gem. § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB unwirksam. Der Ausschluss der Antragstellerin sei aus dem Grund erfolgt, der auch in der Vorabinformation angegeben worden sei, nämlich dem fehlenden Prüfzeugnis für die Ausführung des Schiebetores in RC5 und FB7. Dieses Prüfzeugnis sei im Rahmen der Nachforderung als Ergänzung zu den Referenzen gefordert worden, um so einen Nachweis für die Leistungsfähigkeit der Antragstellerin zu erhalten. Zwar entspräche der in der Rügezurückweisung vom 26.11.2019 genannte Ausschlussgrund der ungeeigneten Referenzen nicht dem genauen Wortlaut des Informationsschreibens vom 11.11.2019, sei jedoch inhaltlich deckungsgleich. Dies wäre für die Antragstellerin erkennbar gewesen. Die Vorabinformation habe trotz erneuter Prüfung und Wertung – die sich im Übrigen nur auf die vorgebrachte Rüge beschränkt habe – nicht ihre rechtliche Wirkung verloren. Da eine Neubewertung nicht verpflichtend gewesen sei und daher als rein interner Vorgang zu bewerten sei, könne diese eine erneute Informationspflicht nicht auslösen. Schließlich sei das wiederholte Nachfordern von Referenzen am 21.11.2019 irrtümlich erfolgt und vergaberechtlich unzulässig. Dies hätte daher keine rechtliche Wirkung entfaltet, so dass die durch das Informationsschreiben vom 11.11.2019 ausgelöste 10-Tages-Frist weiter wirksam gewesen sei.
Die Antragstellerin habe zudem nur unzureichende Referenzen vorgelegt, da sich diese nicht auf die Herstellung einer Schleusenanlage als Schiebetor bezogen hätten. Die Wertung des Antragsgegners, wonach sich die Eignung der Antragstellerinn nicht ausreichend nachweisen ließe, habe sich innerhalb des zulässigen Beurteilungsspielraums bewegt. Die im Rahmen der Nachforderung ausdrücklich geforderten Prüfzeugnisse für das Schiebetor nach RC5 und FB7 habe lediglich die Beizuladende vorlegen können, nicht jedoch die Antragstellerin.
Mit Verfügung vom 19.12.2019 wurde die Frist bis zur Entscheidung der Vergabekammer gemäß § 167 Abs. 1 S. 2 GWB bis 27.02.2020 verlängert.
Die Antragstellerin erwiderte hierauf mit Schriftsatz vom 06.01.2020 und widersprach der Darstellung des Antragsgegners, wonach der Ausschluss ihres Angebots aus dem gleichen Grund erfolgt sei, wie in der Vorabinformation dargelegt. Während nämlich in der Vorabinformation auf fehlende Prüfzeugnisse nach RC5 und FB7 verwiesen wurde, sei in der Rügezurückweisung vom 26.11.2019 nunmehr der Ausschluss mit unzureichenden Referenzen begründet worden. Dies beträfe entgegen der Auffassung des Antragsgegners zwei völlig unterschiedliche Sachverhalte, die inhaltlich keineswegs übereinstimmten. Eine Rechtswirkung dahingehend, dass der Angebotsausschluss vom 26.11.2019 zu Recht erfolgt sei, könne daher das Informationsschreiben vom 11.11.2019 nicht entfalten.
Außerdem sei der Antragsgegner entgegen dessen Darstellung durch den Wechsel seiner Begründung in eine neue Angebotswertung der Antragstellerin eingetreten, so dass ein neues Informationsschreiben nach § 134 GWB erforderlich gewesen wäre. Von einem rein internen Vorgang könne indes keine Rede sein. Ein fehlerhaftes Informationsschreiben nach § 134 GWB führe zur Unwirksamkeit des Zuschlags an die Beigeladene und damit zur Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags.
Die Ausführungen des Antragsgegners seien auch insofern sachlich und rechtlich fehlerhaft, als die Eignung eines Bieters nur anhand von Kriterien abgelehnt werden dürfe, die er nach § 122 Abs. 4 GWB, § 45 ff. VgV bekannt gemacht habe. Derartige Mindestanforderungen seien im vorliegenden Fall nicht aufgestellt worden, so dass seitens der Antragstellerin davon ausgegangen worden sei, die anfallenden zugehörigen Leistungen zum Objekt darzulegen und mit den vorgelegten Referenzen zu bestätigen. Eine Vergleichbarkeit sei gegeben, da ein tragfähiger Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit der Antragstellerin möglich sei. Soweit der Antragsgegner nunmehr nachträglich Eignungskriterien einführen wolle, wäre dies für die Fälle ausgeschlossen, bei denen der Auftraggeber nicht schon vorher ausdrücklich Eignungskriterien mitgeteilt habe (s. VK Rheinland, Beschluss v. 02.12.20119 – Az.: VK 42/19).
Der ehrenamtliche Beisitzer hat mit Schreiben vom 07.01.2020 die Entscheidung über die Beiladung, den Umfang der Akteneinsicht sowie im Falle eines Rücknahmebeschlusses auf den Vorsitzenden und den hauptamtlichen Beisitzer übertragen.
Die Beteiligten wurden mit Schreiben vom 09.01.2020 bzw. 10.01.2020 (Beigeladene) zur mündlichen Verhandlung am 28.01.2020, 10:00 Uhr in den Räumen der Regierung von Oberbayern geladen.
Mit Beschluss vom 10.01.2020 wurde die für den Zuschlag vorgesehene Bieterin zum Verfahren beigeladen.
Mit Beschluss vom 14.01.2020 wurde der Umfang der Akteneinsicht festgelegt und der Antragstellerin entsprechende Akteneinsicht gewährt.
Mit Schriftsatz vom 14.01.2020 nahm der Antragsgegner zum Vorbringen der Antragstellerin Stellung. Er wies eingangs darauf hin, dass nicht explizit gefordert worden sei, ein Prüfzeugnis für das streitgegenständliche Tor vorzulegen, sondern generell ein Prüfzeugnis über ein Tor, das den Anforderungen der Klassen RC5 und FB7 entspräche. Damit sollte die besondere Fachkenntnis belegt werden, die für die Herstellung eines solchen Tores erforderlich wäre.
Hinsichtlich der für die Absage vorgebrachten unterschiedlichen Begründungen und einem dadurch möglichen Verstoß gegen § 134 GWB könne dies im Verfahren durch Nachschieben von Gründen geheilt werden. Der Informationspflicht könne dadurch Genüge getan werden, dass die tatsächlichen Gründe des Ausschlusses erst während des Verfahrens ersichtlich würden (OLG Celle, Beschluss v. 12.05.2016, Az.: 13 Verg 10/15). Dies müsse erst recht gelten, wenn dies bereit unmittelbar auf die Rüge hin erfolgte, wie anhand des Schreibens vom 26.11.2019 dokumentiert sei, wonach der Ausschluss nunmehr auf die ungeeigneten Referenzen gestützt werde.
Am 17.01.2020 erteilte die Vergabekammer dem Antragsgegner einen rechtlichen Hinweis, wonach der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin nach vorläufiger Rechtsauffassung der Vergabekammer wegen Verstoßes gegen § 134 GWB als zulässig anzusehen sei. Im Rahmen der Prüfung der Begründetheit sei streitentscheidend, ob die Bewertung des Antragsgegners über die fehlende Vergleichbarkeit der von der Antragstellerin eingereichten Referenzen vertretbar sei. Diese Beurteilung könne derzeit nach Aktenlage von der Vergabekammer nicht nachvollzogen werden und bedürfe der Erläuterung, wozu der Antragsgegner unter Fristsetzung aufgefordert wurde. Der Antragsgegner erhielt dazu eine Frist zur Stellungnahme bis spätestens 24.01.2020 – 12:00 Uhr. Die Vergabekammer wies in diesem Zusammenhang auf § 167 Abs. 2 S. 2 GWB hin.
Mit Schreiben vom 17.01.2020 beantragte die zwischenzeitlich bestellte Verfahrensbevollmächtigte der Beigeladenen Akteneinsicht.
Mit Beschluss vom 20.01.2020 wurde der Umfang der Akteneinsicht festgelegt und der Beigeladenen entsprechende Akteneinsicht gewährt.
Mit Schriftsatz vom 20.01.2020 teilte die Beigeladene mit, dass aus ihrer Sicht der Nachprüfungsantrag unzulässig sei, da der Zuschlag an die Beigeladene ordnungsgemäß erteilt worden sei und ein Verstoß gegen § 134 GWB nicht vorliege. Ein fehlerhaftes Informationsschreiben allein reiche herfür nicht aus (2. VK Bund, Beschluss v. 24.04.2007, Az.: VK 2-21/07). Unter Zugrundelegung des Prüfungsmaßstabs, dass die Vergabestelle nicht bewusst unzutreffende Angaben über den Grund der Nichtberücksichtigung machen dürfe, sei der Argumentation des Antragsgegners zu folgen, wonach die Prüfzeugnisse nicht für die streitgegenständliche Anlage, sondern für bereits ausgeführte Referenzanlagen vorzulegen gewesen wären, um so die eigene Fachkunde zu belegen.
Die Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit der Zusicherung des Antragsgegners vom 18.11.2019 könne dahinstehen. Eine im Vergabeverfahren nicht vorgesehene Zusicherung gegenüber der Antragstellerin könne zwar möglicherweise Schadensersatzansprüche durch die Antragstellerin bewirken, jedoch nicht, dass der rechtmäßig erteilte Zuschlag an die Beigeladene unwirksam werde.
Darüber hinaus sei die vom Antragsgegner bewertete fehlende Vergleichbarkeit der Referenzen der Antragstellerin zutreffend. So lasse sich generell eine hinreichende Leistungsfähigkeit für den streitgegenständlichen Auftragsgegenstand anhand früherer Referenzobjekte belegen, die durch Vorlage entsprechender Prüfzeugnisse die geforderte Einbruchs- und Durchschusshemmung beweisen könnten. Dies erfüllten die Referenzen der Antragstellerin jedoch nicht, da beide Referenzobjekte über keinerlei Schutz vor Einbruch und Beschuss verfügten, der aber in hohem Maße von der streitgegenständlichen Schiebetoranlage verlangt werde, so dass die Referenzen nicht vergleichbar seien. Der Antragsgegner teilte mit Schriftsatz vom 21.01.2020 auf den rechtlichen Hinweis der Vergabekammer vom 17.01.2020 mit, dass die von der Antragstellerin vorgelegten Referenzen aus Sicht des Antragsgegners keinen Rückschluss auf deren Leistungsfähigkeit zuließen.
So seien die ausgeschriebenen Tore der Fahrzeugschleuse als Fortsetzung der Anstaltsmauer zu sehen und müssten demzufolge auch deren spezifischen Anforderungen an Sichtschutz, Durchschuss- und Einbruchhemmung sowie Anprallschutz gerecht werden. Während der Anprallschutz durch eingebaute Poller vor den Toren gewährleistet werde, seien die Anforderungen an Durchschuss- und Einbruchhemmung durch den Einbau eines Tores nach den Widerstandsklassen RC5 und FB7 erfüllt.
Die Referenzen der Antragstellerin wiesen zwar eine Eignung für den Bau eines Sicherheitszaunes nach, nicht jedoch in Bezug auf die besonderen Eigenschaften, die an die Schiebetoranlage einer Fahrzeugschleuse in einer Anstaltsmauer zu stellen seien.
Am 28.01.2020 fand in den Räumen der Regierung von Oberbayern die mündliche Verhandlung statt. Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Auf die Niederschrift über die Verhandlung wird verwiesen Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i.V.m. §§ 1 und 2 BayNpV.
Gegenstand der Vergabe ist ein Bauauftrag i.S.d. § 103 Abs. 1, 3 GWB. Der Antragsgegner ist Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert in Höhe von 5.248.000 Euro.
Eine Ausnahmebestimmung der §§ 107 – 109 GWB liegt nicht vor.
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
1.1 Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt.
Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Die Antragstellerin hat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB insbesondere durch die Rügen des Ausschlusses ihres Angebots vom 30.10.2019, 15.11.2019 und 27.11.2019 geltend gemacht.
1.2 Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht auch keine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB entgegen, da die Antragstellerin sowohl die Anforderung der Prüfzeugnisse für die Ausführung der Schiebetoranlage in den Widerstandsklassen RC5 und FB7-NS vom 25.10.2019, als auch den Ausschluss ihres Angebots vom 15.11.2019, als auch die Erteilung des Zuschlags durch den Antragsgegner jeweils innerhalb von 10 Kalendertagen nach ihrer Kenntnis gerügt hat.
1.3 Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht auch § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB nicht entgegen, weil der Zuschlag vom 22.11.2019 unter Verstoß gegen die Informationspflichten nach § 134 Abs. 1 GWB ergangen ist und deshalb die Unwirksamkeit des geschlossenen Vertrags mit der Beigeladenen von der Vergabekammer aufgrund des gestellten Antrags der Antragstellerin gem. § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB festzustellen ist.
Nach § 134 Abs. 1 GWB haben öffentliche Auftraggeber die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden soll, über die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots und über den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses unverzüglich in Textform zu informieren. Die notwendigen Informationsbestandteile des § 134 Abs. 1 Satz 1 GWB umfassen neben dem Namen des Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden soll und dem frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses auch die vollständigen und aus Sicht des Auftraggebers zutreffenden Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung eines Angebots (vgl. Dreher/Hoffmann in Burgi/Dreher, Beck’scher Vergaberechtskommentar § 135 GWB Rn. 22 f.). Die Vergabestelle muss alle ihr zum Zeitpunkt der Absendung des Informationsschreibens nach § 134 GWB bekannten Gründe der Nichtberücksichtigung in diesem Schreiben benennen. Ansonsten besteht die Gefahr der Vereitelung des effektiven Rechtsschutzes der Bieter, da die Vergabestelle sonst taktisch nur diejenigen Gründe der Nichtberücksichtigung benennen könnte, die Bieter erfahrungsgemäß akzeptieren (wie z.B. hier die Nichtvorlage von Unterlagen) und Gründe der Nichtberücksichtigung, die eher angegriffen werden (wie z.B. die nach Auffassung der Vergabestelle mangelnde Eignung) zurückhalten könnte.
Das Informationsschreiben nach § 134 GWB vom 11.11.2019 enthielt keine zutreffende und keine vollständige Angabe der Gründe der Nichtberücksichtigung des Angebots der Antragstellerin. Die Nichtberücksichtigung wurde der Antragstellerin gegenüber ausschließlich mit den fehlenden Prüfzeugnisse für die Widerstandsklasse RC5 nach DIN EN 1627 sowie FB7-NS nach DIN EN 1522/1523 begründet. Dass diese fehlenden Prüfzeugnisse einen Ausschluss des Angebots der Antragstellerin nicht tragen können, hat der Antragsgegner inzwischen selbst erkannt und eingeräumt.
Den weiteren vom Antragsgegner angenommenen Ausschlussgrund, dass die von der Antragstellerin eingereichten Referenzen möglicherweise mit dem Auftragsgegenstand nicht vergleichbar sind, kannte das Staatliche Bauamt laut einem handschriftlichen Vermerk schon seit dem 07.11.2019. Trotzdem wurde dieser Grund in der Information nach § 134 GWB nicht erwähnt.
Die unzureichende Information über die Gründe der Nichtberücksichtigung konnte auch nicht mit dem klarstellenden Schreiben vom 26.11.2019 geheilt werden, da zu diesem Zeitpunkt der Zuschlag bereits erteilt war. Eine Heilung einer unzureichenden Information nach Zuschlagserteilung kommt nicht in Frage, da hierdurch der Sinn und Zweck der Information nach § 134 GWB unterlaufen würde (vgl. Dreher/Hoffmann a.a.O. Rn. 27 f.; Maimann in Kulartz/Kus/Portz/Prieß GWB-Vergaberecht § 134 GWB Rn. 33).
Die Frist des § 134 Abs. 2 GWB hat dadurch gar nicht zu laufen begonnen und die Nichtigkeit des durch den Zuschlag mit der Beigeladenen geschlossenen Vertrags konnte – im Falle der sonstigen Begründetheit des Nachprüfungsverfahren – von der Vergabekammer gem. § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB festgestellt werden.
Auf die Frage, ob eine Berufung des Auftraggebers auf § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB aufgrund des Zuschlags vom 22.11.2019 rechtsmissbräuchlich wäre, weil das Staatliche Bauamt Augsburg der Antragstellerin mit E-Mail vom 18.11.2019 zugesichert hatte, bis zum Abschluss der erneuten Prüfung keinen Zuschlag zu erteilen und noch am Tag vor der Zuschlagserteilung von der Antragstellerin Unterlagen angefordert hat, kommt es deshalb nicht an. Die Vergabekammer Südbayern weist darauf hin, dass eine Berufung des Auftraggebers auf § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB jedenfalls dann rechtsmissbräuchlich sein kann, wenn dieser gezielt versucht, durch die wahrheitswidrige Zusage, den Zuschlag vor einem bestimmten Zeitpunkt nicht zu erteilen, den Bieter über die tatsächlich früher beabsichtigte Zuschlagserteilung zu täuschen und so seinen Primärrechtsschutz zu vereiteln.
2. Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Nachdem das Angebot der Antragstellerin mittlerweile unstreitig nicht nach § 16aEU Abs. 5 VOB/A wegen Nichtvorlage der Prüfzeugnisse für RC5 nach DIN EN 1627 und FB7-NS nach DIN EN 1522/1523 ausgeschlossen werden durfte, hat der Antragsgegner bislang auch keine ausreichenden Erwägungen dafür angestellt und dokumentiert, dass aus den von der Antragstellerin vorgelegten Referenzen kein tragfähiger Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit der Antragstellerin für die ausgeschriebene Leistung zu ziehen war.
2.1 Das Angebot der Antragstellerin durfte nicht nach § 15EU Abs. 2 VOB/A wegen Nichtvorlage der Prüfzeugnisse für RC5 nach DIN EN 1627 und FB7-NS nach DIN EN 1522/1523 ausgeschlossen werden. Die Notwendigkeit der Vorlage dieser Prüfzeugnisse ist in den Vergabeunterlagen lediglich in Pos. 1.2.1 des Leistungsverzeichnisses genannt. Der Position ist aber kein Zeitpunkt der Vorlage zu entnehmen. Auch der Antragsgegner ging offenbar nicht davon aus, dass die Prüfzeugnisse bereits mit dem Angebot abzugeben gewesen wären, da er sie im Schreiben vom 25.10.2019 ausdrücklich „zur Aufklärung des Angebotsinhalts“ unter Setzung einer 10-tägigen Frist anforderte. Diese Anforderung hat die Antragstellerin rechtzeitig am 30.10.2019 gerügt und hat darauf hingewiesen, dass die Prüfzeugnisse zum geforderten Zeitpunkt nicht vorgelegt werden könnten, da es sich bei den auftragsgegenständlichen Toren um Sonderanfertigungen handle, die eigens für das Projekt konstruiert und durch das ift R… geprüft würden. Die einzelnen Zertifikate, die für die Toranlagen ausgestellt werden, würden nur für die exakte Bauweise des geprüften Tores gelten. Die Toranlagen der Antragstellerin würden jedoch nicht in Serie gebaut, da jedes Bauprojekt gesonderte Gegebenheiten vorweise und daher Anpassungen an jede Situation notwendig seien. Diesem Vortrag ist der Antragsgegner inhaltlich nicht entgegengetreten, sondern hat im Schreiben vom 26.11.2019 eingeräumt, dass der Ausschluss der Antragstellerin auf die Nichtvorlage der Prüfzeugnisse für RC5 nach DIN EN 1627 und FB7-NS nach DIN EN 1522/1523 für die konkrete Toranlage nicht mehr gestützt würde.
Anders als der Antragsgegner im Schriftsatz vom 13.01.2020 meint, war auch nicht gefordert, generell ein Prüfzeugnis über ein Tor mit den Anforderungen der Klassen RC5 und FB7 vorzulegen, um überprüfen zu können, ob der Bieter bereits in der Vergangenheit ein Tor dieser Klasse hergestellt hatte, da die Herstellung eines solchen Tores besondere Fachkenntnis verlangt. Bei diesem Verständnis wäre die Forderung nach einem solchen Prüfzeugnis eine Eignungsanforderung gewesen, die aber, um wirksam gestellt zu sein, nach § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB bereits in der Auftragsbekanntmachung hätte genannt sein müssen. Zudem widerspricht diese Sichtweise dem Wortlaut des Schreibens des Auftraggebers vom 25.10.2019, nach dem die Prüfzeugnisse zur Aufklärung des Angebotsinhalts des konkreten Angebots der Antragstellerin dienen sollten.
2.2 Das Angebot der Antragstellerin durfte auch nicht – ohne Durchführung und Dokumentation einer entsprechenden Ermessensentscheidung – wegen der Nichtvorlage vergleichbarer Referenzen nach § 16aEU Abs. 5 VOB/A bzw. mangels nachgewiesener Eignung ausgeschlossen werden. Da der Antragsgegner selbst auf gezielten Hinweis der Vergabekammer vom 17.01.2020 nicht nachvollziehbar dargelegt hat, aus welchen Gründen die von der Antragstellerin eingereichten Referenzen aus der Sicht des Staatlichen Bauamts Augsburg keinen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit der Antragstellerin für die ausgeschriebene Leistung eröffnen, ist insoweit eine Wiederholung der Eignungsprüfung der Antragstellerin anzuordnen.
Sowohl die Eignungskriterien als auch die zum Beleg der Eignung vorzulegenden Nachweise ergaben sich aus dem Formblatt 124 des Vergabehandbuch Bayern, auf das ordnungsgemäß mit zahlreichen gleichlautenden Direktlinks aus den Kapiteln III.1.1, III.1.2 und III.1.3 der Vergabebekanntmachung verlinkt war (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2018 – Verg 24/18; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.11.2011 – Verg 60/11).
Im der im konkreten vom Antragsgegner verwendeten Version des Formblatt 124 findet sich zu den Referenzen folgende Regelung:
„Angaben zu Leistungen, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind Wir erklären, dass wir in den letzten 5 Jahren vergleichbare Leistungen durchgeführt haben.“
Falls unser Angebot in die engere Wahl kommt, werden wir für 3 Referenzen je eine Referenzbescheinigung mit Angaben in Anlehnung an das FB444 vorlegen Aus dieser Formulierung ergibt sich zunächst nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit, dass jeder Bieter drei – jeweils für sich – vergleichbare Referenzen beibringen muss, was die Antragstellerin offensichtlich mit ihren fristgemäß am 30.10.2019 eingereichten Referenzen nicht getan hat. Vielmehr kann ein Bieter nach der hier verwendeten Formulierung eine beliebige Zahl von Referenzen einreichen, die der Auftraggeber bei der Eignungsprüfung dann auch zu berücksichtigen hat (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.09.2012 – Verg 108/11). Kommt sein Angebot in die engere Wahl hat er für drei seiner Referenzen je eine Referenzbescheinigung mit Angaben in Anlehnung an das FB444 vorzulegen. Dass mit diesen Vorgaben nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit festgelegt ist, dass der Bieter drei – jeweils für sich – vergleichbare Referenzen beibringen muss, ergibt sich insbesondere auch aus einem Vergleich mit einer anderen Version des Formblatts 124, nämlich dem Formblatt L.124 aus dem Vergabehandbuch für Lieferungen und Leistungen (VHL). Dort findet sich nämlich die Formulierung:
„Wir erklären, dass wir in mindestens 3 Fällen vergleichbare Leistungen erbracht haben.“
Diese stellt – anders als die hier verwendete Formulierung – klar, dass jeder Bieter drei – jeweils für sich – vergleichbare Referenzen beibringen muss.
Der Antragsgegner hätte daher bei der Eignungsprüfung der Antragstellerin feststellen und dokumentieren müssen, ob die von der Antragstellerin am 30.10.2019 fristgerecht vorgelegten Referenzen in ihrer Gesamtheit einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung eröffnen.
Das Verlangen nach Referenzprojekten für „vergleichbare Leistungen“ bedeutet nicht, dass das Leistungsbild der herangezogenen Aufträge mit dem ausgeschriebenen Auftrag identisch sein muss. Will der Auftraggeber sicherstellen, dass der Bieter exakt die zu beschaffende Leistung schon früher erfolgreich durchgeführt hat, dann muss er entsprechende konkretisierende Vorgaben festlegen. Tut er dies – wie hier – nicht, genügt, dass die Referenzleistung der ausgeschriebenen Leistung so weit ähnelt, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung eröffnet. Bei der Bewertung der Frage der Vergleichbarkeit der Referenz kommt der Vergabestelle, die regelmäßig über spezifisches Fachwissen und fachliche Erfahrung verfügt, ein nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. (OLG München, Beschluss vom 12.11.2012 – Verg 23/12; OLG München, Beschluss vom 27.07.2018 – Verg 2/18).
Für die Vergabekammer Südbayern ist weder aus der Dokumentation in den Vergabeakten noch aus der Stellungnahme des Antragsgegners auf den rechtlichen Hinweis der Vergabekammer und nach dem Vorbringen des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung erkennbar, dass der Antragsgegner seinen Beurteilungsspielraum korrekt und nachvollziehbar auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage ausgeübt hätte. Aus der mündlichen Verhandlung musste der Schluss gezogen werden, dass der Antragsgegner sich inhaltlich insbesondere mit den Referenzen der Antragstellerin „Bundesministerium …“ und „Toranlage der Klasse WK4 für die Kfz-Schleuse der JVA H…“ nicht auseinandergesetzt hat, die nicht lediglich die Errichtung von Sicherheitszäunen, sondern auch von Toranlagen umfassen. Die Referenz „JVA H…“ wäre bei der Eignungsprüfung durchaus zu beachten gewesen, auch wenn die Antragstellerin hierfür keine Referenzbescheinigung vorgelegt hat, da die Vergabeunterlagen keine Aussage dazu enthalten, dass nur Referenzen bei der Eignungsprüfung berücksichtigt werden, für die eine Referenzbescheinigung auf dem Formblatt 444 vorgelegt wurde.
Die für die Vergabekammer erkennbaren Feststellungen des Antragsgegners erschöpfen sich im Wesentlichen in der Feststellung, dass die Antragstellerin keine identischen Leistungen erbracht habe und die Referenzen nur eine Eignung für den Bau von Sicherheitszäunen belegen würden. Dies ist für eine ordnungsgemäße Ausfüllung des Beurteilungsspielraums des Antragsgegners zur Vergleichbarkeit der Referenzen und zum Ausschluss des Angebots der Antragstellerin nicht ausreichend.
Dem Antragsgegner war daher aufzugeben, im Rahmen seines bestehenden Beurteilungsspielraums erneut zu entscheiden, ob unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer aus den von der Antragstellerin am 30.10.2019 vorgelegten Referenzen ein tragfähiger Rückschluss auf ihre Leistungsfähigkeit für die ausgeschriebene Leistung zu ziehen war. Diese Entscheidung ist nachvollziehbar zu begründen und zu dokumentieren.
Die Ausübung seines Beurteilungsspielraums ist ureigene Aufgabe des Antragsgegners, die nicht an seiner Stelle von der Vergabekammer übernommen werden kann.
Die Vergabekammer weist darauf hin, dass es gerade unter Berücksichtigung der Argumentation der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung nicht ausgeschlossen erscheint, dass der Antragsgegner die Vergleichbarkeit der Referenzen der Antragstellerin im Rahmen seines Beurteilungsspielraums, der von den Nachprüfungsinstanzen nur auf Ermessensfehler zu überprüfen ist, vertretbar verneint. Diese Entscheidung muss er allerdings nachvollziehbar zu begründen und dies ausreichend dokumentieren.
3. Kosten des Verfahrens
Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S.1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies ist vorliegend in erster Linie der Antragsgegner. Da die Beigeladene im Verfahren auf Seiten des Antragsgegners aufgetreten ist und sich durch schriftsätzlichen und mündlichen Vortrag und die Stellung von Anträgen aktiv am Verfahren beteiligt hat und hierdurch das gegenständliche Verfahren wesentlich gefördert und ein Kostenrisiko auf sich genommen hat (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.06.2014, VII-Verg 12/03), war sie ebenfalls an der Kostentragung zu beteiligen.
Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann.
Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von …,00 Euro festgesetzt.
Der Antragsgegner ist als Bundesland von der Zahlung der Gebühr nach § 182 Abs. 1 S.2 GWB i. V. m. §°8 Abs. 1 Nr.2 VwKostG (Bund) vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung befreit.
Von der Antragstellerin wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraft erstattet.
Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin beruht auf § 182 Abs. 4 S. 1 GWB.
Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i.S.v. § 182 Abs. 4 S.4 GWB i.V.m. Art. 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG angesehen. Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da eine umfassende Rechtskenntnis und damit eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nach dem GWB nicht erwartet werden kann. Zur Durchsetzung ihrer Rechte war die Antragstellerin hier aufgrund der komplexen Rechtsmaterie auf anwaltliche Vertretung angewiesen. Für Bieter im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren ist die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters grundsätzlich als notwendig anzusehen, da von ihnen – anders als von Vergabestellen – entsprechende Rechtskenntnisse nicht erwartet werden können.


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