Baurecht

Keine Baugenehmigung für Nutzungsänderung und Neuerrichtung eines Boardinghauses wegen unzureichender Bauvorlagen

Aktenzeichen  M 8 K 17.1885

Datum:
8.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 28824
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 64 Abs. 2 S. 1
BauVorlV

 

Leitsatz

Mit dem Bauantrag sind alle für die Beurteilung des Bauvorhabens und die Bearbeitung des Bauantrags erforderlichen Unterlagen einzureichen. Art, Umfang und Inhalt der vorzulegenden Bauvorlagen ergeben sich dabei aus der Bauvorlagenverordnung. Die Bauvorlagen und die in ihnen enthaltenen Angaben müssen dabei vollständig, richtig und eindeutig sein. Stellt sich bei der Prüfung heraus, dass die Bauvorlagen inhaltlich unrichtige Angaben enthalten bzw. widersprüchlich oder sonst als Entscheidungsgrundlage für die Baugenehmigung ungeeignet sind (hier für Nutzungsänderung/Neuerrichtung eines Boardinghauses), darf die Baugenehmigung nicht erteilt werden.  (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg, da sie zwar zulässig, aber unbegründet ist. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 28. März 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO), weil diesem kein Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung zusteht.
1. Eine Baugenehmigung ist zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Bayerische Bauordnung (BayBO). Dies setzt voraus, dass das Bauvorhaben anhand von Bauantrag und Bauvorlagen geprüft werden kann.
Denn Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO bestimmt insofern, dass mit dem Bauantrag alle für die Beurteilung des Bauvorhabens und die Bearbeitung des Bauantrags erforderlichen Unterlagen (Bauvorlagen) einzureichen sind. Art, Umfang und Inhalt der vorzulegenden Bauvorlagen ergeben sich dabei aus der Bauvorlagenverordnung (BauVorlV), vgl. Art. 80 Abs. 4 BayBO. Die vorgelegten Bauvorlagen und die in ihnen enthaltenen Angaben müssen dabei vollständig, richtig und eindeutig sein (vgl. Gaßner in Simon/Busse, BayBO, Stand: 128. EL Dezember 2017, Art. 64 Rn. 75). Stellt sich bei der Prüfung durch die Behörde heraus, dass die Bauvorlagen inhaltlich unrichtige Angaben enthalten bzw. widersprüchlich oder sonst als Entscheidungsgrundlage für die Baugenehmigung ungeeignet sind, darf die Baugenehmigung nicht erteilt werden (vgl. Gaßner, a.a.O. Rn. 80; VG München, B.v. 28.11.2017 – M 8 SN 17.4766 – juris Rn. 57).
2. Dies zugrunde gelegt, sind die vom Kläger vorgelegten Bauvorlagen unvollständig, fehlerhaft und in sich widersprüchlich. Eine Baugenehmigung durfte die Beklagte daher nicht erteilen.
2.1 Dies gilt zunächst in Bezug auf die Betriebsbeschreibung.
Fraglich ist bereits, ob eine Beschreibung der Anzahl der in den einzelnen Boardingeinheiten unterzubringenden Personen mit dem unbestimmten Begriff „mehrere Personen“ den Anforderungen der Bestimmtheit an Bauvorlagen entspricht. Auch wenn man diesen Begriff anhand sonstiger, konkreter Bauvorlagen für auslegbar hielte, fehlt es auch an solchen. Denn aus den Geschossplänen geht zwar hervor, dass durch das Vorhaben 22 Zimmer mit 20 Einzelbetten und 3 Doppelbetten, also 26 Bettplätze, entstehen sollen. Diese Zahlen stimmen aber nicht mit den Angaben des Klägers in seiner Baubeschreibung überein, der von 22 Beherbergungsräumen mit insgesamt nur 19 Betten ausgeht. Wie viele Personen nun tatsächlich von dem Kläger untergebracht werden sollen, lässt sich also selbst bei Berücksichtigung der weiteren Bauvorlagen nicht zweifelsfrei ermitteln. Die Nutzeranzahl ist aber ein wesentlicher Faktor für die Beurteilung der baurechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens, etwa in Bezug auf das Rücksichtnahmegebot, den Stellplatznachweis oder den Brandschutz.
Zudem wird in der Betriebsbeschreibung der im Kellergeschoss geplante Fitness- und Saunabereich nicht erwähnt. Unklar bleibt hierdurch, ob dieser nur für die Nutzer der Boardingeinheiten offen steht oder auch von Dritten genutzt werden kann. Denn insbesondere der Eingang zum Innenhof ist auch ohne Beeinträchtigungen der Boardinghaus-Nutzer zugänglich. Im Übrigen widerspricht das Vorhandensein eines solchen Bereiches auch der Angabe des Klägers, dass „[a]llgemein[e] Räumlichkeiten“ – gemeint sind damit wohl von allen Bewohnern nutzbare Räume – nicht vorhanden seien. Mangels Angaben in den Bauvorlagen ist dieser Bereich nicht einer einzigen Boardinghauseinheit zugeordnet, sondern steht aufgrund der Zugänglichkeit über das Treppenhaus jedenfalls allen Nutzern im Rückgebäude zur Verfügung und unter Umständen auch externen Nutzern (sog. Dritten). Hierfür spricht auch die in den Plänen eingezeichnete Garderobe. Eine konkrete Beschreibung des Fitness- und Saunabereichs ist dabei insbesondere im Hinblick auf das Rücksichtnahmegebot und die Stellplatzanforderungen notwendig. Gerade die Frage, ob es sich um eine selbständige gewerbliche Nutzung handelt (mit eigenem Stellplatzbedarf) oder nur um eine unselbständige Nebennutzung (ohne eigenen Stellplatzbedarf), ist für die Zulässigkeit des Vorhabens von Belang.
2.2 Aber auch der Stellplatznachweis ist fehlerhaft.
Das Gericht hält es im konkreten Fall zunächst zur Beurteilung der Frage, ob die vier noch auf dem Grundstück vorhandenen Stellplätze durch vorhandene und bestehen bleibende Nutzungen auf dem Grundstück gebunden sind, für erforderlich, dass alle Nutzungen auf dem Grundstück angegeben werden. Denn bei dem Bauvorhaben handelt es sich nicht nur (sogar nur zu einem geringen Anteil) um eine Nutzungsänderung, sondern auch um eine Neuerrichtung einer baulichen Anlage. Die Darstellung hat daher in Bezug auf die geplante zukünftige Nutzung des Grundstücks – neben den im Formular angegebenen, geplanten Boardinghauseinheiten – die Wohnnutzungen im Vordergebäude sowie die bestehen bleibenden beiden gewerblichen Nutzungen in den Erdgeschossen der derzeitigen westlichen und östlichen Rückgebäude zu umfassen. Nur so kann beurteilt werden, was der gesamte Stellplatzbedarf auf dem Grundstück ist und ob die vier vorhandenen Stellplätze bereits durch die unverändert bleibenden Nutzungen gebunden sind. Dies hat der Kläger nicht getan. Er hat insbesondere die Felder im Stellplatzformular für den Stellplatzbedarf für Wohnungen leer gelassen und keine andere Darstellung den Bauvorlagen beigefügt, aus welcher sich eine Gesamtbetrachtung des Stellplatzbedarfs des Grundstücks ergibt.
Die Angabe des Gewerbes im 1. Obergeschoss, welches durch das Bauvorhaben entfallen solle, mit 119 m² ist zudem unzutreffend. Gemäß der Erläuterungen zur Ermittlung der anzurechnenden Flächen im Anhang zu Anlage 1 der Satzung der Beklagten über die Ermittlung und den Nachweis von notwendigen Stellplätzen für Kraftfahrzeuge vom 19. Dezember 2007 (Stellplatzsatzung – StPlS) ist die anzurechnende Nutzfläche die Nutzfläche ohne Flächen für haustechnische Anlagen, Flächen für die Erschließung des Gebäudes und seine Räume sowie Flächen für sanitäre Anlagen, Abstellräume und Stellplätze. Setzt man dem folgend die Flächen der Arztpraxis für das Labor und 3 Behandlungsräume, nicht jedoch die Flächen „Warten“, Garderobe, WC, Abstellraum, Empfang, Technik und Loggia an, kommt man auf eine Fläche von 71,6 m² (alles abgegriffen aus dem Aufteilungsplan zur Abgeschlossenheitsbescheinigung vom 4.11.2003). Diese Differenz der Maße ist erheblich, da bei einem Stellplatzschlüssel von 1 Stellplatz je 30 m² anzurechnender Nutzfläche (vgl. Nr. 2.2 des Anhangs 1 der StPlS) einerseits gerundet 4 Stellplätze, andererseits abgerundet 2 Stellplätze anzusetzen sind.
Schließlich ist die Angabe im Stellplatzformular, dass der Kläger sechs Stellplätze herstellen werde, anhand der Bauvorlagen nicht nachvollziehbar. Den Plänen ist vielmehr eine Reduzierung der vorhandenen Stellplätze zu entnehmen.
Im Übrigen ist eine genaue Beurteilung des Stellplatzbedarfs anhand der unbestimmten Betriebsbeschreibung nicht möglich (s.o.).
2.3 Auf mögliche weitere formelle Fehler der Bauvorlagen kommt es darüber hinaus nicht entscheidungserheblich an. Ebenso wenig ist für diese Entscheidung maßgeblich, ob das geplante Vorhaben materiell-rechtlich überhaupt bauplanungs- und bauordnungsrechtlich zulässig ist. Es erscheint dem Gericht aber zumindest fraglich, wie bei Reduzierung der wenigen vorhandenen Stellplätze auf dem Baugrundstück (von 4 auf 3) der Stellplatznachweis geführt werden soll.
3. Die Klage war folglich mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung er-folgt gemäß § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).


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