Baurecht

Klage auf Erteilung einer naturschutzrechtlichen Erlaubnis mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig, wenn Vorhaben materiell-baurechtswidrig ist und erstrebte naturschutzrechtliche Erlaubnis für Kläger daher nutzlos ist, keine naturschutzrechtliche Erlaubnisfähigkeit eines Fahrsilos im Außenbereich nach der einschlägigen Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet „S …“

Aktenzeichen  W 4 K 20.679

Datum:
8.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11124
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1
BauGB § 35 Abs. 2, 3
Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet „S …“

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens gesamtschuldnerisch zu tragen. 
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet. 

Gründe

Über die vorliegende Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten hierauf im Rahmen des durchgeführten Augenscheintermins verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
1. Die Klage ist bereits unzulässig.
Ungeschriebene Voraussetzung für die Zulässigkeit einer jeden Inanspruchnahme eines Gerichts, ob durch Klage oder Antrag, ist das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis bzw. Rechtsschutzinteresse (vgl. BVerfGE 61, 126/135). Für eine unnötige Ausübung von Klagemöglichkeiten brauchen die Gerichte nicht zur Verfügung zu stehen. Anders als die Klagebefugnis schützt das Rechtschutzinteresse nicht den Gegner, sondern das Gericht. Das allgemeine Rechtschutzinteresse bzw. -bedürfnis ist insbesondere dann nicht gegeben, wenn der Kläger sein Ziel auf einem anderen Weg schneller und einfacher erreichen oder wenn ein Erfolg seine Rechtstellung nicht verbessern kann (vgl. hierzu etwa Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, Vorbem. zu §§ 40 bis 53 Rn. 11). Das Rechtsschutzbedürfnis kann insbesondere fehlen, wenn der Verwertung einer mit der Klage begehrten Erlaubnis sonstige Hindernisse entgegenstehen oder eine weitere Genehmigung fehlt (Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, Vorbem. zu §§ 40 bis 53 Rn. 16 und 18 m.w.N. zur Rechtsprechung).
Ein solcher Fall ist hier gegeben, denn mit der begehrten naturschutzrechtlichen Erlaubnis können die Kläger ihre Rechtstellung nicht verbessern, da das Vorhaben mit Bauplanungsrecht nicht vereinbar ist, worauf die zuständige Bauaufsichtsbehörde im vorangegangenen Verwaltungsverfahren bereits hingewiesen hat (vgl. Blatt 41 f. BA). Die Kläger müssten damit jederzeit mit einer Baueinstellungsverfügung im Sinne Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO, einer Nutzungsuntersagung gem. Art. 76 Satz 2 BayBO sowie einer Beseitigungsanordnung nach Art. 76 Satz 1 BayBO rechnen, auch wenn das geplante Fahrsilo nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 6 f) BayBO genehmigungsverfahrensfrei ist. Denn die Genehmigungsfreiheit nach Art. 57 BayBO entbindet nicht von der Verpflichtung zur Einhaltung der Anforderungen, die durch öffentlich-rechtliche Vorschriften an bauliche Anlagen gestellt sind und lassen bauaufsichtliche Eingriffsbefugnisse unberührt, wie Art. 55 Abs. 2 BayBO unmissverständlich klarstellt.
Die rechtliche Einschätzung der Bauaufsichtsbehörde, dass das Vorhaben der Kläger nicht mit den Vorgaben des Bauplanungsrechts vereinbar ist, ist nicht zu beanstanden. Denn das Vorhaben dient nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb der Kläger (siehe hierzu unter 1.1.) und ist auch als sonstiges Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 2 BauGB bauplanungsrechtlich nicht zulässig ist (siehe hierzu unter 1.2.).
1.1. Das geplante Fahrsilo dient nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb der Kläger.
Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung dient ein Vorhaben einem landwirtschaftlichen Betrieb gem. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB nur dann, wenn (1.) ein vernünftiger Landwirt – auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs – dieses Vorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde und (2.) das Vorhaben durch diese Zuordnung zu dem konkreten Betrieb auch äußerlich erkennbar geprägt wird (ständige Rechtsprechung seit BVerwG, U.v. 3.11.1972 – 4 C 9.70 – juris).
Diese Voraussetzungen liegen bei dem von den Klägern geplanten Fahrsilo jedoch nicht vor.
Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in K … hat mehrfach zum geplanten Vorhaben der Kläger Stellung genommen (vgl. Schreiben des AELF vom 5.7.2017, vom 26.7.2017, vom 29.1.2019 und vom 5.6.2020, vgl. hierzu Blatt 16 f., 18 f., 27 f., 32 ff. der BA sowie Blatt 30 ff. GA) und ist mit nachvollziehbaren Gründen zu der Einschätzung gelangt, dass das geplante Fahrsilo nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb der Kläger dient. Bei der Größe des beantragten Silos wäre ein sog. Mindestvorschub von einem Meter pro Woche nötig, damit das Silo nach dem Öffnen nicht verdirbt (vgl. hierzu insbesondere Blatt 30 BA). Damit müssten rund fünf Tonnen Grassilage pro Woche verfüttert werden, wobei ein Kubikmeter Grassilage rund 666 kg entspricht (100 Tonnen (Grassilage) : 150 m3 (Silo-Fassungsvermögen) = 666 kg/m3; vgl. Blatt 30 BA). Hierzu wären über 43 Rinder mit einem Gewicht von 400 kg notwendig, wobei ein solches Rind rund 16 kg Grassilage am Tag frisst (Blatt 30 BA). Die Kläger hielten zuletzt jedoch nur 24 Rinder und 5 Pferde (vgl. Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 26.10.2021, Blatt 51 GA). Zudem wären 30 – 40 ha Grünflächen notwendig, um das geplante Silo zu befüllen (vgl. Blatt 30 BA). Die Betriebsfläche der Kläger bemisst jedoch nur knapp 20 ha (vgl. Blatt 32 BA). Ein vernünftiger Landwirt würde bei dieser Sachlage – auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs – statt eines Fahrsilos zu bauen Grassilage-Wickelballen machen (lassen), so die Ausführungen des AELF, die sich das Landratsamt zu eigen gemacht hat, weiter (vgl. Blatt 19, 28 und 31 BA).
Diesen nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des AELF sind die Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Insbesondere gehen die Kläger selbst davon aus, dass eine Kuh am Tag rund 16 kg Grassilage frisst und ein 1 Kubikmeter Grassilage ca. 666 kg entsprechen (vgl. Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 11.9.2019, Blatt 45/46 GA). Die Kläger kommen nur deswegen zu einem geringeren Mindestvorschub pro Woche, weil sie bei Ihrer Berechnung zwar eine Breite von 5 m des Silos zugrunde legen, hinsichtlich der Höhe jedoch nur auf 1 m statt auf 1,5 m abstellen. Denn bei einer Silohöhe von 1,5 m, einer Silobreite von 5 m und einer Vorschubtiefe von 1 m pro Woche müssen 4.995 kg/Woche verfüttert werden (1 m (Vorschubtiefe) x 5 m (Silobreite) x 1,5 m (Silohöhe) x 666 kg/m3 (Gewicht pro Kubikmeter Grassilage)). Die Annahmen des AELF werden damit von den Klägern im Grunde bestätigt. Sie gelangen nur deswegen zu einem geringeren Mindestvorschub von 3.330 kg/Woche, weil sie lediglich von 5 Kubikmetern bei 1 m Mindestvorschub ausgehen, also nur 1 m Silohöhe zugrunde legen (1 m (Vorschubtiefe) x 5 m (Silobreite) x 1, m (Silohöhe) x 666 kg/m3 (Gewicht pro Kubikmeter Grassilage) = 3330 kg).
Die Berechnung des AELF wird schließlich auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass eine Kuh am Tag 35 kg Futter benötige (vgl. hierzu Anlage zum Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 11.1.2022, Blatt 95 GA), da in den eingereichten Unterlagen zugleich angegeben wird, dass eine Kuh 17 kg Grassilage am Tag fressen würde, also ein Kilogramm mehr als vom AELF und ursprünglich auch von den Klägern selbst zugrunde gelegt. Aber selbst dann würden die 24 Rinder der Kläger pro Woche nur 2856 kg Grassilage fressen (24 x 17 kg x 7 Tage), so dass man immer noch weit vom berechneten Mindestvorschub von 5 Tonnen die Woche entfernt wäre. Gleiches gilt bezüglich der eigenen Berechnung der Kläger, die 3.330 kg Grassilage errechnet haben, die in einer Woche verfüttert werden müsste (vgl. Blatt 46 BA).
Die Stellungnahmen des AELF sind nachvollziehbar und überzeugend. Mangels substantiierter Einwände hiergegen hat das Gericht eine weitere Beweisaufnahme nicht für erforderlich gehalten.
Da das Vorhaben der Kläger somit nicht ihrem landwirtschaftlichen Betrieb dient, weil ein vernünftiger Landwirt – auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs – dieses Vorhaben mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb nicht errichten würde, handelt es sich beim geplanten Fahrsilo nicht um ein privilegiertes, sondern ein sonstiges Vorhaben gem. § 35 BauGB.
1.2. Als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB ist das geplante Fahrsilo unzulässig, weil es öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB jedenfalls in Form der „Belange des Naturschutzes“ und der „natürlichen Eigenart der Landschaft“ beeinträchtigt, zumal das Baugrundstück im Landschaftsschutzgebiet „S …“ liegt, wonach die Schönheit, Vielfalt und Eigenart des für den Spessart typischen Landschaftsbildes bewahrt und die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes gewährleistet werden soll (vgl. § 3 der Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet „S …“ i.d.F. der Bekanntmachung vom 3. Dezember 2001, Nr. 00234/01-4/01; Amtsblatt der Regierung von Unterfranken Nr. 23/2001, S. 321 ff.).
1.2.1. Nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange vor, wenn das Vorhaben die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet. Diese Belange haben eine eigenständige bodenrechtliche Bedeutung neben den entsprechenden bundes- und landesrechtlichen Vorschriften zum Naturschutz und zur Landschaftspflege sowie zum Denkmalschutz (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.2001 – 4 C 3.01 – NVwZ 2002, 1112; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: 08/2021, § 35 Rn. 91 f.).
Das Vorhaben mindert nach den nachvollziehbaren Angaben der unteren Naturschutzbehörde (vgl. Blatt 21 BA und Blatt 89 f. GA) aufgrund der damit einhergehenden Bodenversiegelung die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes. Denn durch eine Bodenversiegelung von 100 m2 (5 m Breite x 20 m Länge) durch das Fahrsilo wird die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG), hier also das Naturgut Boden und das Wirkungsgefüge zwischen Boden und Grundwasser gemindert (vgl. Blatt 21 BA sowie Blatt 89 f. GA). Dass diese Auswirkungen mit dem Bau des Vorhabens einhergingen, haben die Kläger selbst nicht (substantiiert) in Abrede gestellt. Belange des Naturschutzes werden daher durch das geplante Fahrsilo beeinträchtigt.
Zudem stellt das geplante Silo einen Eingriff in Natur und Landschaft dar (vgl. § 14 Abs. 1 BNatSchG, ein Fall des § 14 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG liegt bei der Errichtung einer baulichen Anlage gerade nicht vor, vgl. BVerwG, U.v. 18.6.1997 – 6 C 3.97 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 22.12.14 – 1 ZB 13.2596 – juris Rn. 8). Nach § 15 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BNatSchG hat der Verursacher eines Eingriffs vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen, wobei Beeinträchtigungen vermeidbar sind, wenn zumutbare Alternativen gegeben sind. Eine solche besteht hier mit der möglichen Alternative von Grassilage-Wickelballen, wie das AELF nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt hat. Damit stehen dem Vorhaben auch die allgemeinen Schutzbestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes entgegen.
Nur ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass das geplante Fahrsilo, das im Landschaftsschutzgebiet „S …“ errichtet werden soll, auch den speziellen naturschutzrechtlichen Vorgaben der Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet „S …“ widerspricht (vgl. unten unter 2), ohne dass es hierauf an dieser Stelle bereits entscheidungserheblich ankäme.
Dem geplanten, nicht privilegierten Vorhaben der Kläger steht damit der öffentliche Belang des Naturschutzes im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB entgegen.
1.2.2. Das geplante Vorhaben beeinträchtigt als nicht-privilegiertes Vorhaben zudem die natürliche Eigenart der Landschaft im Sinne von§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB.
Zweck dieses öffentlichen Belangs ist die Wahrung der natürlichen Eigenart der Landschaft, um eine wesensfremde Bebauung des Außenbereichs zu verhindern. Die natürliche Eigenart der Landschaft wird geprägt von der naturgegebenen Art der Bodennutzung, einschließlich von Eigentümlichkeiten der Bodenformation und ihrer Bewachsung. Die Landschaft soll in ihrer natürlichen Funktion und Eigenart bewahrt bleiben. Aus diesem Grund sollen bauliche Anlagen abgewehrt werden, die der Landschaft wesensfremd sind oder die der Allgemeinheit Möglichkeiten der Erholung entziehen (so bereits BVerwG, U.v. 27.1.1967 – 4 C 33.65 – juris; siehe hierzu auch Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: 08/2021, § 35 Rn. 96 m.w.N. zur Rechtsprechung). Die natürliche Eigenart der Landschaft ist dabei bezogen auf das Baugrundstück zu prüfen. Wenn dieses selbst als Teil der Landschaft noch in der Lage ist, die Freiraumfunktion des Außenbereichs zu erfüllen, ist der Belang regelmäßig beeinträchtigt (vgl. hierzu etwa BVerwG, U.v. 25.1.1985 – 4 C 29.81 – juris). Aufgrund dieses öffentlichen Belanges sind Vorhaben mit anderer als privilegierter Zweckbestimmung regelmäßig unzulässig (auch Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: 08/2021, § 35 Rn. 96).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben und der im Rahmen des Augenscheintermins gewonnenen Eindrücke von den Gegebenheiten vor Ort beeinträchtigt das geplante Fahrsilo die natürliche Eigenart der Landschaft (insoweit wird auf die beim Augenschein angefertigten Lichtbilder auf Blatt 84 der GA verwiesen). Eine solche Beeinträchtigung scheidet vorliegend auch nicht etwa deswegen aus, weil sich auf den westlich gelegenen Nachbargrundstücken (Fl.Nrn. …9 u. …9/0 der Gemarkung L … ) bereits ein Aussiedlerhof bestehend aus Stallgebäude, Maschinenhalle und Wohnhaus befindet. Denn das Baugrundstück der Kläger kann mit den südlich, westlich und nördlich gelegenen Grundstücken die Freiraumfunktion des Außenbereichs weiter erfüllen, wie der Augenschein ergeben hat (vgl. hierzu insbesondere das obere Bild auf Blatt 84 der GA). Durch das geplante Vorhaben würde vielmehr ein weiteres Grundstück im Außenbereich der natürlichen Eigenart der Landschaft entzogen (vgl. hierzu auch BVerwG, B.v. 1.4.1993 – 7 B 148.92 – juris Rn. 20; VGH BW, U.v. 8.10.1993 – 8 S 1760.93 – NuR 1994, 194).
Aus diesen Gründen beeinträchtigt das geplante Vorhaben der Kläger auch den öffentlichen Belang der natürlichen Eigenart der Landschaft im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB.
Mit der hier begehrten naturschutzrechtlichen Erlaubnis ist den Klägern daher nicht geholfen, weil dem nicht privilegierten Vorhaben die Vorgaben des Bauplanungsrechts entgegenstehen. Die Kläger müssten daher jederzeit mit einer Baueinstellungsverfügung im Sinne von Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO, einer Nutzungsuntersagung gem. Art. 76 Satz 2 BayBO sowie einer Beseitigungsanordnung nach Art. 76 Satz 1 BayBO rechnen, zumal das Landratsamt als hier zuständige Baubehörde bereits auf die bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens hingewiesen hat (vgl. Blatt 41 f. BA).
Die Klage ist damit mangels Rechtschutzbedürfnisses bereits unzulässig.
2. Aber selbst wenn man entgegen der Auffassung des Gerichts die Zulässigkeit der Klage hier bejahen wollte, wäre die Klage vorliegend jedenfalls nicht begründet, da die Kläger keinen Anspruch auf die beantragte naturschutzrechtliche Erlaubnis haben (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
2.1. Das geplante Fahrsilo der Kläger ist naturschutzrechtlich erlaubnispflichtig gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet „S …“ (LSGVO S … ) i.d.F. der Bekanntmachung vom 3. Dezember 2001 (Nr. 00234/01-4/01; Amtsblatt der Regierung von Unterfranken Nr. 23/2001, S. 321 ff.).
Das Grundstück (Fl.Nr. …1 der Gemarkung L … ), auf dem die Kläger das Fahrsilo errichten möchten, liegt unstreitig im Bereich des Landschaftsschutzgebiets „S …“.
Auch handelt es sich bei dem Fahrsilo zweifelsfrei um eine bauliche Anlage im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayBO, die die Kläger im Landschaftsschutzgebiet errichten wollen (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 LSGVO S …).
Das geplante Vorhaben ist auch nicht nach § 7 LSGVO S … von einer Erlaubnispflicht nach § 6 LSGVO S … ausgenommen. Nach § 7 Nr. 1 LSGVO S … ist die ordnungsgemäße land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung oder der Bau von Forststraßen oder -wegen mit einer Fahrbahnbreite von nicht mehr als 3,50 m und ohne landschaftsstörenden Belag von den Beschränkungen dieser Verordnung ausgenommen.
Der Ausnahmetatbestand des § 7 Nr. 1 LSGVO S … ist vorliegend jedoch nicht erfüllt, wie sich aus einer systematischen und teleologischen Auslegung dieser Vorschrift ergibt. Denn unter dem Begriff „landwirtschaftliche Bodennutzung“ wird sowohl im Bundesnaturschutzgesetz als auch im Bayerischen Naturschutzgesetz die unmittelbare Urproduktion pflanzlicher oder tierischer Erzeugnisse auf einer zu diesem Zweck bewirtschafteten Fläche, nicht aber der Umbruch von Dauergrünland oder die Errichtung von baulichen Anlagen verstanden (vgl. hierzu etwa BVerwG, U.v. 18.6.1997 – 6 C 3.97 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 22.12.14 – 1 ZB 13.2596 – juris Rn. 8; Schrader in BeckOK Umweltrecht, Stand: 1.10.21, § 14 BNatSchG Rn. 28; Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt/Mühlbauer, Naturschutzrecht in Bayern, Stand: 10/2021, Art. 6 BayNatSchG Rn. 22). Anhaltspunkte dafür, dass dieser Begriff in der LSGVO Spessart in einem anderen Sinne verstanden bzw. ausgelegt werden müsste, sind nicht ersichtlich. Für die hier vertretene Auslegung spricht auch der Wortlaut des § 7 Nr. 1 LSGVO S … mit seinen beiden Alternativen, der ordnungsgemäßen land- und forstwirtschaftlichen Bodennutzung und dem Bau von Forststraßen oder -wegen. Die Vorschrift unterscheidet also bewusst zwischen der land- und forstwirtschaftlichen Bodennutzung einerseits und dem Bau gewisser Anlagen andererseits. Schließlich sprechen auch teleologische Erwägungen für eine Auslegung des Begriffs „landwirtschaftliche Bodennutzung“ als unmittelbare Urproduktion pflanzlicher oder tierischer Erzeugnisse. Denn andernfalls wären sämtliche landwirtschaftliche Tätigkeiten, die mit der Nutzung von Boden in Zusammenhang stehen, also auch die Nutzung von Boden zum Zwecke der Errichtung baulicher Anlagen für die Landwirtschaft, von den Beschränkungen der LSGVO S … ausgenommen, so dass der Schutzzweck der Verordnung (vgl. § 3 LSGVO S … ) insoweit weitestgehend leerliefe.
Auf den Ausnahmetatbestand des § 7 Nr. 1 LSGVO S … können sich die Kläger daher nicht berufen. Da auch die sonstigen Ausnahmetatbestände des § 7 LSGVO S … hier offensichtlich nicht einschlägig sind, ist vorliegend keine Ausnahme nach § 7 LSGVO S … gegeben. Das Fahrsilo bedarf daher gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 LSGVO S … der naturschutzrechtlichen Erlaubnis, zumal das geplante Vorhaben keiner sonstigen behördlichen Gestattung bedarf, insbesondere keiner Baugenehmigung (vgl. Art. 57 Abs. 1 Nr. 6 f) BayBO sowie Art. 18 Abs. 1 BayNatSchG).
2.2. Das geplante Vorhaben ist jedoch nicht erlaubnisfähig nach § 6 Abs. 2 LSGVO S … Danach ist die Erlaubnis zu erteilen, wenn das Vorhaben keine der in § 5 LSGVO S … genannten Wirkungen hervorrufen kann oder diese Wirkungen durch Nebenbestimmungen ausgeglichen werden können. Nach § 5 LSGVO S … ist es im Landschaftsschutzgebiet verboten, Veränderungen vorzunehmen, die geeignet sind, die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes zu vermindern, den Naturgenuss zu beeinträchtigen oder das Landschaftsbild zu verunstalten.
Das Vorhaben ist vorliegend jedoch geeignet, die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes zu vermindern und das Landschaftsbild zu beeinträchtigen.
Denn durch die Bodenversiegelung von 100 m2 (5 m Breite x 20 m Länge) durch das Fahrsilo und die optisch sichtbare Höhe von 1,5 m des Silos wird die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG), hier also das Naturgut Boden und das Wirkungsgefüge zwischen Boden und Grundwasser, gemindert und das Landschaftsbild, insbesondere durch seine Ausrichtung von Süden nach Norden und die damit einhergehende weitläufige Sichtbarkeit des Silos (vgl. hierzu Blatt 2 der BA sowie die im Rahmen des Augenscheintermins angefertigten Lichtbilder auf Blatt 84 GA), beeinträchtigt. Dass diese Auswirkungen mit dem Bau des Vorhabens einhergingen, haben die Kläger selbst nicht (substantiiert) in Abrede gestellt.
Unter Berücksichtigung der ergänzenden Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde vom 4. Januar 2022 (vgl. Blatt 89 f. der GA) sowie der im Augenscheintermin gewonnenen Erkenntnisse über die Gegebenheiten vor Ort ist das Gericht zur Überzeugung gelangt, dass die genannten Auswirkungen des geplanten Vorhabens auch nicht durch Nebenbestimmungen ausgeglichen werden können (vgl. § 6 Abs. 2 letzter Halbsatz LSGVO S … ). Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass das geplante Vorhaben bereits nach den überzeugenden Ausführungen des AELF (siehe hierzu oben unter 1.1.) dem Schonungs- und Vermeidungsgebot in § 2 BNatSchG zuwiderläuft und keine Maßnahme einer natur- und landschaftsverträglichen Landwirtschaft im Sinne des § 5 Abs. 1 BNatSchG darstellt. Das geplante Fahrsilo stellt einen Eingriff in Natur und Landschaft dar (vgl. § 14 Abs. 1 BNatSchG, ein Fall des § 14 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG liegt bei der Errichtung einer baulichen Anlage gerade nicht vor, siehe oben unter 2.1.). Nach § 15 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BNatSchG hat der Verursacher eines Eingriffs vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen, wobei Beeinträchtigungen vermeidbar sind, wenn zumutbare Alternativen gegeben sind. Eine solche besteht hier mit der gegebenen Alternative in Form von Grassilage-Wickelballen, wie das AELF überzeugend ausgeführt hat. Damit stehen dem Vorhaben schon die allgemeinen Schutzbestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes entgegen.
Eine naturschutzrechtliche Unvereinbarkeit des geplanten Vorhabens gilt dementsprechend erst recht mit Blick auf die Belegenheit des Baugrundstücks im Landschaftsschutzgebiet „S …“.
Nach § 26 BNatSchG sind Landschaftsschutzgebiete rechtsverbindlich festgesetzte Gebiete, in denen ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft erforderlich ist. Schutzzweck der LSGVO S … ist es (1.) die Schönheit, Vielfalt und Eigenart des für den S … typischen Landschaftsbildes zu bewahren und (2.) die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes zu verhindern oder zu beheben (§ 3 LSGVO S … ). Die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes sowie die Schönheit des Landschaftsbildes werden durch das geplante Vorhaben jedoch über das erforderliche Maß beeinträchtigt.
An dieser Einschätzung vermag auch die fachtechnische Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde vom 26. Juli 2017 (Blatt 20 f. der BA) nichts zu ändern, da diese Stellungnahme nach Einschätzung des Gerichts an erheblichen Mängeln leidet. So ist schon nicht nachvollziehbar, wie die Beeinträchtigung des Bodenhaushaltes durch die durch das Fahrsilo versiegelte Fläche von 100 m2 durch einen einzigen, großkronigen Laubbaum ausgeglichen werden können soll. Zudem geht diese Stellungnahme offensichtlich von falschen Grundannahmen aus, da die Kläger offensichtlich ein Fahrsilo bauen möchten, das durchgängig befahrbar ist, also nur an den Längsseiten baulich durch Mauern begrenzt ist. Denn die Klägerseite hat selbst angegeben, dass beim Fahrsilo vorne und hinten die Rampe zum Auf- und Abfahren bei der Berechnung des Fassungsvermögens abzuziehen sind (vgl. Blatt 46 BA). Ein auf drei Seiten geschlossenes Fahrsilo möchten die Kläger somit gar nicht bauen. Unter Berücksichtigung dessen wurde bei der fachtechnischen Stellungnahme vom 26. Juli 2017 zudem nicht die Süd-Nord-Ausrichtung des Silos berücksichtigt, womit das Silo noch von weitem aus sichtbar wäre, wie das Gericht vor Ort feststellen konnte (vgl. hierzu insbesondere das untere Bild auf Blatt 84 der GA).
Die vom geplanten Vorhaben ausgehenden Wirkungen können damit zur Überzeugung des Gerichts auch nicht durch Nebenbestimmungen ausgeglichen werden, zumal mit dem geplanten Vorhaben vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft einhergehen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG) und es bereits dem naturschutzrechtlichen Schonungs- und Vermeidungsgebot zuwiderläuft (§ 2 BNatSchG).
Einen Anspruch auf die beantragte naturschutzrechtliche Erlaubnis haben die Kläger somit nicht.
2.3. Auch kann zugunsten der Kläger keine Befreiung nach § 8 LSGVO S … erteilt werden, unabhängig davon ob ein solcher Befreiungsantrag von den Klägern bislang überhaupt gestellt wurde.
Nach § 8 LSGVO kann von den Verboten nach § 5 LSGVO S … gem. Art. 49 BayNatSchG im Einzelfall eine Befreiung erteilt werden. Die Regelung des Art. 49 BayNatSchG (Befreiungen), die zum Zeitpunkt der Bekanntmachung der LSGVO S … am 3. Dezember 2001 galt, findet sich nunmehr in Art. 56 BayNatSchG i.V.m. § 67 BNatSchG wieder.
Danach kann u.a. von Geboten und Verboten nach dem Naturschutzrecht der Länder (vgl. hierzu etwa Gellermann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht; Stand: 09/2021, § 67 BNatSchG Rn. 8) auf Antrag eine Befreiung gewährt werden, wenn (1.) dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist oder (2.) die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Anhaltspunkte für eine entsprechende Befreiung aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Aber auch eine Befreiung aufgrund einer unzumutbaren Belastung der Kläger (§ 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG) scheidet hier aus. Denn zum einen haben die Kläger anstelle des Baus eines Fahrsilos die Alternative der Wickelballensilage. Dass diese Alternative in finanzieller Hinsicht unzumutbar wäre für die Kläger, ist schon nicht substantiiert dargetan. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Errichtung des hier geplanten Fahrsilos gerade einen nicht unvermeidbaren Eingriff in die hier durch die Landschaftsschutzgebietsverordnung „Spessart“ besonders geschützte (vgl. § 26 Abs. 1 BNatSchG) Natur und Landschaft darstellt, so dass auch die Vereinbarkeit mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege zu verneinen ist (vgl. § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 letzter Halbsatz BNatSchG).
Auch eine Befreiung nach § 8 LSGVO Spessart i.V.m. Art. 56 BayNatSchG und § 67 BNatSchG kommt daher für das geplante Vorhaben der Kläger nicht in Betracht.
2.4. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass die von den Klägern geltend gemachte Ungleichbehandlung gegenüber dem auf dem Nachbargrundstück angesiedelten Aussiedlerhof (Fl.Nrn. …9 u. …9/0 der Gemarkung L … ) bestehend aus Stallgebäude, Maschinenhalle und Wohnhaus nicht durchgreift.
Denn nach Einschätzung des AELF ist dieser Aussiedlerhof mit den dazugehörigen Gebäuden ein privilegierter Betrieb (vgl. Blatt 59 BA), d.h. die vorgenannten baulichen Anlagen dienen dem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. Damit liegt schon keine Ungleichbehandlung wesentlich gleicher Sachverhalte vor.
Ob die diesbezügliche Einschätzung des AELF inhaltlich richtig ist, kann hier mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen. Denn eine sog. „Gleichheit im Unrecht“ ist dem Verwaltungsrecht grundsätzlich fremd (vgl. hierzu etwa BVerfG, B.v. 9.10.00 – 1 BvR 1627/95 – juris Rn. 52; BVerwG, U.v. 13.12.06 – 6 C 17.06 – juris Rn. 25 a.E.; BayVGH, B.v. 8.2.22 – 15 ZB 21.2602 – juris Rn. 18 a.E.), d.h. auch in diesem Fall könnten die Kläger keinen entsprechenden Anspruch für sich ableiten.
Die Klage wäre damit auch unbegründet gewesen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 159 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.


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