Baurecht

Klage gegen naturschutzrechtliche Anordnung zur Bewirtschaftung von Grünland

Aktenzeichen  W 4 K 15.1162

Datum:
10.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BNatSchG BNatSchG § 3 Abs. 2, § 14 Abs. 1, § 17 Abs. 8
BayNatSchG BayNatSchG Art. 3 Abs. 3
VwGO VwGO § 86 Abs. 2

 

Leitsatz

Die Bezugnahme in Art. 3 Abs. 3 BayNatSchG auf § 17 Abs. 8 BNatSchG stellt eine Rechtsfolgeverweisung für den Fall dar, dass der Betroffene die den Regelfall bildende “Betreiberpflicht” des Erhalts von Grünland nicht einhält. Hieraus folgt, dass das behördliche Einschreiten gegen eine Rückumwandlung nicht voraussetzt, dass es sich um einen Eingriff im Sinn des § 14 Abs. 1 BNatSchG handelt. (redaktioneller Leitsatz)
Eine Beeinträchtigung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts im Sinn des § 14 Abs. 1 BNatSchG kann insbesondere dann angenommen werden, wenn Populationen von Tier- oder Pflanzenarten die Lebensgrundlage entzogen wird, die Artenvielfalt abnimmt oder sich die Individuenzahl der Arten verringert. (redaktioneller Leitsatz)
Das alleinige Bestreiten und der Verweis auf diverse Veröffentlichungen reicht nicht aus, um die fachliche Einschätzung der Naturschutzbehörde zu widerlegen. Der Naturschutzbehörde ist grundsätzlich eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zuzubilligen. (redaktioneller Leitsatz)
Beweisermittlungsanträge lösen keine Pflicht zur Entscheidung durch das Gericht aus. Derartige Anträge sind nicht lediglich den formellen Anforderungen nicht genügende und folglich unzulässige Beweisanträge, sondern wegen Fehlens der konstituierenden Merkmale überhaupt keine Beweisanträge im Sinn des § 86 Abs. 2 VwGO. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

1.
Über die Verwaltungsstreitsache konnte das Gericht aufgrund mündlicher Verhandlung vom 10. Mai 2016 entscheiden, obwohl der Kläger zu diesem Termin nicht erschienen ist. Nach § 102 Abs. 2 VwGO kann beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden. Hierauf wurde der Kläger bei der Ladung zur mündlichen Verhandlung ausdrücklich hingewiesen.
Der Kläger hat auch keine erheblichen Gründe i. S. d. § 227 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 173 VwGO glaubhaft gemacht, die es nach dem Grundsatz der Gewährung des rechtlichen Gehörs geboten hätten, seinem Antrag auf Terminsverschiebung vom 2. Mai 2016 zu entsprechen. Der Kläger ist anwaltschaftlich vertreten, so dass es auf die Frage, ob die vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 29. April 2016 eine Verlegung hätte rechtfertigen können, nicht ankommt.
2.
Die zulässige Klage, die vorliegend allein Ziffer 1.3 des ursprünglichen Bescheids des Landratsamts Rhön-Grabfeld vom 9. Oktober 2015 samt der unter Ziffer 4 des Bescheids ausgesprochenen Zwangsgeldandrohung zum Gegenstand hat, ist jedenfalls unbegründet. Die Anordnung des Landratsamts Rhön-Grabfeld ist ebenso wie die Androhung des Zwangsgelds rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
3.
Der Zulässigkeit der Klage steht nicht die Bestandskraft des Änderungsbescheids vom 1. Dezember 2015 entgegen. Die dort unter Ziffer 1.2 getroffene Anordnung, die vom Wortlaut her identisch ist mit der vom Kläger angefochtenen Ziffer 1.3 des Bescheids vom 9. Oktober 2015, stellt allenfalls eine wiederholende Verfügung ohne insoweit noch einmal selbstständig anfechtbaren Regelungscharakter dar, nicht jedoch einen, eine neue Sachprüfung eröffnenden Zweibescheid, der zur Hinfälligkeit der streitgegenständlichen Anordnung führen könnte.
4.
Die verfahrensgegenständliche Verpflichtung zur Entwicklung des vorherigen artenreichen Grünlandbestands während der nächsten mindestens fünf Jahre unter Verzicht auf den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln eine Bewirtschaftung in Form einer zweimaligen Mahd im Jahr vorzunehmen, findet ebenso wie die weiteren Anordnungen, das Mähgut jeweils von der Fläche zu entfernen und die Duldung einer Prüfung durch die Untere Naturschutzbehörde nach Ablauf des Zeitraums, ob das Entwicklungsziel bereits erreicht ist, ihre Rechtsgrundlage in Art. 3 Abs. 3 Satz 3 BayNatSchG i. V. m. § 17 Abs. 8 BNatSchG. Danach soll auf erosionsgefährdeten Hängen, in Überschwemmungsgebieten, auf Standorten mit hohem Grundwasserstand sowie auf Moorstandorten Grünland erhalten bleiben. Nach Satz 3 dieser Vorschrift gilt § 17 Abs. 8 BNatSchG entsprechend. Gemäß § 17 Abs. 8 BNatSchG soll die zuständige Behörde die weitere Durchführung des Eingriffs untersagen, wenn ein Eingriff ohne die erforderliche Zulassung oder Anzeige vorgenommen wird. Soweit nicht auf andere Weise ein rechtmäßiger Zustand hergestellt werden kann, sollen entweder Maßnahmen nach § 15 BNatSchG oder die Wiederherstellung des früheren Zustands angeordnet werden. Da die Beseitigung von Grünland auf den in Art. 3 Abs. 3 BayNatSchG genannten Standorten den Tatbestand des Eingriffs i. S. d. § 14 BNatSchG erfüllen kann, aber auch kleinere Veränderungen, die für sich gesehen keinen Eingriff darstellen, unterbunden werden sollen, enthält die Bezugnahme auf § 17 Abs. 8 BNatSchG keine Rechtsgrundverweisung, sondern eine Rechtsfolgeverweisung für den Fall, dass der Betroffene die den Regelfall bildende „Betreiberpflicht“ des Erhalts von Grünland nicht einhält (vgl. Engelhardt/Brenner/Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt, Naturschutzrecht in Bayern, Stand: April 2015, Art. 3 Rn. 15; VG Regensburg v. 8.4.2014 – RO 4 K 13.1557 – juris Rn. 51; VG Augsburg v. 13.5.2015 – AU 3 K 13.1642 – juris Rn. 26). Hieraus folgt, dass unabhängig davon, ob ein Eingriff i. S. d. § 14 Abs. 1 BNatSchG vorliegt oder nicht, Art. 3 Abs. 3 BayNatSchG die Erhaltung von Grünland fordert und das behördliche Einschreiten gegen eine Rückumwandlung nicht voraussetzt, dass es sich um einen Eingriff handelt.
Das Umweltamt des Landratsamts Rhön-Grabfeld hat insbesondere mit Stellungnahme vom 26. November 2015 substantiiert und für das Gericht gut nachvollziehbar dargelegt, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Grundstück des Klägers um einen Standort mit hohem Grundwasserstand i. S.v. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 BayNatSchG handelt, auf dem Grünland erhalten bleiben soll. Dieser fachlichen Einschätzung der Naturschutzbehörde wird klägerseits nichts Maßgebliches entgegengesetzt. Namentlich unterbleibt eine substantiierte Auseinandersetzung des Klägers mit den Stellungnahmen des Umweltamts, wonach eine Verifizierung des Grundwasserstands durch einen einfachen Bodenaufschluss, wie vom Kläger durchgeführt, aufgrund jahreszeitlicher Schwankungen nur sehr bedingt zur Bestimmung des mittleren Grundwasserhochstands herangezogen werden könne. Wesentlich differenziertere Aussagen, so die Naturschutzbehörde weiter, lassen sich aus der vorhandenen standorttypischen Vegetation ableiten, da sie relativ unbeeinflusst von der Grundwasseramplitude die tatsächliche Grundwassernähe des Standorts widerspiegele. Auf dem streitgegenständlichen Grundstück trete der Ackerschachtelhalm großflächig auf. Zudem seien Pflanzenreste von Kohl-, Kratzdistel und Wiesenknöterich im Rahmen einer Standortbegehung gefunden worden. Diese seien charakteristische Arten feuchter bis nasser Standorte.
Mit seiner Bezugnahme auf § 17 Abs. 8 BNatSchG gibt der Gesetzgeber zu erkennen, dass er die Sollverpflichtung in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 BayNatSchG als Regelverpflichtung zur Erhaltung des Grünlands vorbehaltlich einer Ausnahme im Einzelfall versteht (vgl. Engelhardt/Brenner/Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt, a. a. O., Art. 3 Rn. 14). Für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls i. S. d. genannten Vorschrift ist vorliegenden allerdings nichts ersichtlich und vom Kläger wird insoweit auch nichts substantiiert vorgetragen.
Entgegen der Auffassung des Klägervertreters ist die Regelung auch nicht unverhältnismäßig, obwohl sie das gesamte Grundstück betrifft. Angesichts des Gesetzesziels, Grünland zu erhalten und angesichts der glaubhaften und für die Kammer überzeugenden Aussage des Fachreferenten für Naturschutz in der mündlichen Verhandlung am 10. Mai 2016, wonach eine starre Grenze zwischen grundwassernahem Standort und nicht grundwassernahem Standort auf dem streitgegenständlichen Grundstück nicht gezogen werden könne, widerspricht es nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wenn der Beklagte die streitgegenständliche Anordnung auf das gesamte Grundstück erstreckt hat.
Zu einer anderen Bewertung führt auch nicht das Vorbringen des Klägervertreters, die vom Beklagten getroffene Anordnung sei für den Kläger faktisch mit einer enteignenden Wirkung verbunden. Denn naturschutzrechtliche Bestimmungen, die die Nutzung von Grundstücken aus Gründen des Natur- oder Landschaftsschutzes beschränken, sind keine Enteignungen i. S. d. Art. 14 Abs. 3 GG, sondern Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums, die als Ausdruck der Sozialpflichtigkeit des Eigentums vom Eigentümer grundsätzlich hinzunehmen sind (vgl. BVerwG v. 13.1.2001 – 6 CN 2.00 -, NuR 2001, 351).
5.
Daneben kommt als weitere Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Anordnung aber auch § 3 Abs. 2 i. V. m. § 14 Abs. 1 BNatSchG in Betracht. Voraussetzung hierfür ist, dass der vom Kläger vorgenommene konkrete Grünlandumbruch einen Eingriff i. S.v. § 14 Abs. 1 BNatSchG darstellt. Eingriffe in Natur- und Landschaft sind danach u. a. Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können. Gemäß § 17 Abs. 1 BNatSchG wird die Eingriffsregelung grundsätzlich im Rahmen von fachrechtlichen Anzeige- oder Zulassungsverfahren geprüft. Zwar ist die landwirtschaftliche Bodennutzung, die der Kläger plant, nach Art. 6 Abs. 4 Satz 1 BayNatSchG nicht als Eingriff anzusehen, soweit dabei die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege berücksichtigt werden. Der Begriff der Bodennutzung ist dabei auf die unmittelbare Urproduktion beschränkt und begünstigt nur eine bereits bestehende bzw. vorhandene landwirtschaftliche Nutzung, ermöglicht aber weder ihre erstmalige Aufnahme noch einen Wechsel in der Nutzungsart eines Grundstücks; der Umbruch von Grünland zu Ackerland ist demnach nicht von der Landwirtschaftsklausel gedeckt (vgl. Engelhardt/Brenner/Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt, a. a. O., Art. 6 Rn. 24; BayVGH v. 1.8.1988 – 9 N 87.01708 – NuR 1989, 182; HessVGH v. 6.9.1991 – 3 TH 1077/91 – NuR 1992, 86).
Der vom Kläger vorgenommene Grünlandumbruch auf dem Grundstück Fl.Nr. *40 der Gemarkung Aubstadt ist auch geeignet, die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts erheblich zu beeinträchtigten i. S.v. § 14 Abs. 1 BNatSchG. Die naturschutzfachliche Eingriffsregelung verlangt insofern eine auch für das Gericht nachvollziehbare quantifizierende Bewertung von Eingriff und Kompensation (vgl. Niedersächsisches OVG v. 28.5.2015 – 4 LA 275/14 – juris Rn. 10). Da die Anzahl der Tier- und Pflanzenarten für das ungestörte Funktionieren eines Ökosystems und seine Stabilität von entscheidender Bedeutung ist, kann eine Beeinträchtigung insbesondere dann angenommen werden, wenn Populationen von Tier- oder Pflanzenarten die Lebensgrundlage entzogen wird, die Artenvielfalt abnimmt oder sich die Individuenzahl der Arten verringert (vgl. Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Kommentar II Stand: Dezember 2015, § 14 BNatSchG Rn. 13). Dies ist nach Überzeugung der Kammer vorliegend der Fall. Der Fachreferent für Naturschutz hat in seiner Stellungnahme vom 26. November 2015 aber auch in der mündlichen Verhandlung für die Kammer nachvollziehbar dargelegt, dass auf der gesamten Fläche auch nach dem Umbruch noch Exemplare des großen Wiesenknopfs (Sanguisorba officinalis) festgestellt wurden. Diese krautige Pflanze wechselfeuchter bis nasser Standorte sei die Wirtspflanze des dunklen Wiesenknopfameisenbläulings (Maculinea nausithous), einer streng geschützten Tagfalterart (Anhang IV der FFH-Richtlinie). Die Art sei im Naturraum Grabfeld nur sehr lückig und stets in kleinen Populationen verbreitet. Der Talraum des Riedbächleins stelle ein eigenständiges Vorkommen dar, das durch angrenzende Wälder und Ackerlagen zu anderen Vorkommen klar abgegrenzt sei. Hier komme die Art in geringer Dichte auf geeigneten Wiesen regelmäßig vor. Der letzte Nachweis sei am 28. Juli 2015 ca. 250 m südwestlich der ungebrochenen Fläche erfolgt. Bei dieser Vorkommenssituation sei jeder Verlust einzelner Habitate als unmittelbare Gefährdung für den Fortbestand der lokalen Population i. S. d. § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG zu werten, weil deren Aussterbewahrscheinlichkeit erhöht werde. Zudem könne aufgrund des zweijährigen Entwicklungszyklus der Raupe nicht ausgeschlossen werden, dass beim Umbruch der Wiese durch die damit verbundene Zerstörung der Wirtsameisennester auch Individuen (= Larven) des Wiesenknopfbläulings getötet würden.
Nach alldem stellt der vom Kläger vorgenommene Grünlandumbruch einen Eingriff i. S. d. § 14 Abs. 1 BNatSchG dar, so dass die Wiederherstellungspflege auch auf § 3 Abs. 2 BNatSchG gestützt werden kann.
6.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des klägerischen Vortrages, mit dem im Wesentlichen allein die Aussagen des Fachreferenten für Naturschutz bestritten werden.
Wie bereits im Rahmen des Eilrechtsschutzes im Beschluss der Kammer vom 8. Januar 2016 (Az. W 4 S 15.1163) ausgeführt, reicht das alleinige Bestreiten und der Verweis auf diverse Veröffentlichungen nicht aus, um die fachliche Einschätzung der Naturschutzbehörde zu widerlegen. Im Übrigen betont das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung (vgl. BVerwG v. 9.7.2008, 9 A 14.07, NuR 2009, 112; U.v. 14.4.2010, 9 A 5.08, NVwZ 2010, 1225), dass der Naturschutzbehörde grundsätzlich eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zuzubilligen sei (vgl. auch OVG Lüneburg, B.v. 18.4.2011, 12 ME 274/10, NVwZ-RR 2011, 597, 598). Dieser Befund sei, so das Bundesverwaltungsgericht, auf allen Ebenen der naturschutzfachlichen Prüfung von Belang und brächte es mit sich, dass sowohl die Bestandsaufnahme aber auch die Bewertung gerichtlicherseits nur daraufhin überprüft werden könne, ob die Einschätzung naturschutzfachlich vertretbar sei und nicht auf einem unzugänglichen oder gar ungeeigneten Bewertungsverfahren beruhe.
7.
Die vom Klägervertreter in diesem Zusammenhang mit Schriftsatz vom 6. Mai 2016 gestellten „Beweisanträge“ ändern an der Einschätzung der Kammer nichts. Sie stellen allesamt unzulässige Beweisermittlungsanträge dar, nennen sie doch noch nicht einmal ein klares Beweisthema. Nur wenn Beweistatsachen und Beweismittel bestimmt sind, ist das Gericht in der Lage, das Bestehen von Ablehnungsgründen zu überprüfen. Dass der Beweisantrag substantiiert ist, ist nach der Rechtsprechung notwendige Voraussetzung dafür, dass es sich überhaupt um einen Beweisantrag i. S. d. § 86 Abs. 2 VwGO handelt. Die Substantiierung ist nicht lediglich Voraussetzung seiner Zulässigkeit als Prozesshandlung. Sie besteht außer in der Nennung eines bestimmten Beweismittels in der Behauptung einer bestimmten Tatsache. Das Substantiierungsgebot soll zum einen ganz generell der missbräuchlichen Einleitung von Beweisverfahren wehren. Zum anderen soll es das Gericht in den Stand setzen, die Frage der Ablehnbarkeit des Antrags nach den Kriterien des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO analog zu beurteilen. Deshalb ergibt sich das Mindestmaß an Bestimmtheit aus dem, was das Gericht wissen muss, um diese Frage entscheiden zu können. „Bestimmt“ meint die Individualisierbarkeit der Tatsache als einer in örtlicher, zeitlicher usw. Hinsicht fassbaren. Es genügt nicht, dass vom Gericht mittels eines völlig vagen und unbestimmten Antrags die Beschaffung von Material verlangt wird, aus dessen Sichtung und Durchforschung sich die zu behauptende und zu beweisende Tatsache gegebenenfalls erst ergeben soll. Bei einem derartigen „Beweisermittlungsantrag“ zielt der Beweisantragsteller letztlich darauf ab, dass die gerichtliche Ermittlungstätigkeit, die wegen der Unsubstantiiertheit des formulierten Beweisthemas einen nicht ganz genau abgegrenzten Sachverhalt aufklären soll, Anhaltspunkte für Einzeltatsachen zu Tage fördert, von denen er dann eine „aufgreifen“ und verwerten bzw. gegebenenfalls in einem weiteren Beweisantrag unter Beweis stellen kann (vgl. zum Ganzen Dawin in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, § 86 Rn. 92). Das Substantiierungsgebot verlangt weiter, dass die Tatsache vom Antragsteller mit einem gewissen Maß an Bestimmtheit i. S.v. Nachdrücklichkeit als wahr und als mit dem angegebenen Beweismittel beweisbar behauptet wird. Mit dem Beweisantrag ist darzulegen, welches Ergebnis von der Beweisaufnahme erwartet werden kann. Hierzu braucht der Antragsteller zwar nicht zum Ausdruck zu bringen, dass er die entsprechende Überzeugung besitzt. Es genügt die Artikulierung einer entsprechenden nachvollziehbaren Vermutung, sogar eines ernsthaften für Möglich-Haltens. Nicht ausreichend ist hingegen eine aufs gerade Wohl aufgestellte Behauptung bzw., was dasselbe besagt, die Behauptung einer „aus der Luft gegriffenen“ Tatsache („Ausforschungsbeweis“). Maßgebliches Abgrenzungskriterium ist das Vorhandensein tatsächlicher, eine Vermutung oder ein Für-möglich-Halten rechtfertigende Anhaltspunkte. Finden sich solche im Prozessstoff nicht und nennt auch der Antragsteller nicht die mindeste Grundlage für seine Vermutung oder verbietet sich nach seinem sonstigen Vorbringen sogar zweifelsfrei jegliche Vermutung, darf der Schluss gezogen werden, dass die Behauptung aufs gerade Wohl aufgestellt worden ist. In einem derartigen Fall geht es dem Antragsteller nur darum, ermitteln zu lassen, ob seine auf keinerlei Anhaltspunkte gestützte Behauptung nicht vielleicht doch wahr ist (Dawin, a. a. O., § 86 Rn. 93). Unsubstantiierte, als Ausforschungsbeweisanträge bzw. als Beweisermittlungsanträge zu bezeichnende Ersuchen lösen keine Pflicht zur Entscheidung durch die Kammer aus. Derartige Anträge sind nicht lediglich den formellen Anforderungen nicht genügende und folglich unzulässige Beweisanträge, sondern wegen Fehlens der konstituierenden Merkmale überhaupt keine Beweisanträge i. S. d. § 86 Abs. 2 VwGO (vgl. BVerwG, B.v. 13.1.1983 – 9 B 10527/82 -, Buchholz EntlG Nr. 30; B.v. 31.1.2002 – 7 B 29/01 -, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 318).
Unter Zugrundelegung dieser Ausführungen war der Beweisantrag, ob das Gericht aus eigener Erfahrung beim konkreten Umweltamt in der Vergangenheit die nötige Fachkompetenz, Objektivität und Sorgfalt festgestellt hat oder ob dem Verwaltungsgericht nicht selbst jüngst und zu gleicher Zeit erhebliche Mängel kundig geworden sind als unzulässiger Beweisermittlungsantrag abzulehnen, weil unklar ist, welche Tatsache der Kläger damit behaupten will. Das gilt auch für den weiteren Beweisantrag, ob es zutreffend sei, dass dem gleichen Umweltamt und dem gleichen Bearbeiter nach Akteneinsicht und Überprüfung von unabhängiger Stelle bei der Genehmigung und Umweltverträglichkeitsprüfung der Windkraftanlagen der R**** **-GmbH erhebliche Mängel unterlaufen seien: Falsche Radien beim Abstand von Milan- oder Schwarzstorchhorsten oder das komplette Übersehen derselben, was zu einem Baustopp zwei Wochen nach gegenteiligem Bescheid geführt habe. Ebenso war der Beweisantrag, den Abteilungsleiter am Landesamt für Umweltschutz als Sachverständigen zu hören, als unsubstantiiert abzuweisen, zumal es auch insoweit an einer Nennung einer Beweistatsache völlig fehlt.
8.
Die Störerauswahl erfolgte ermessensfehlerfrei, da der Kläger als Handlungsstörer, der den Umbruch vorgenommen hat, in Anspruch genommen worden ist.
9.
Die unter Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids vom 9. Oktober 2015 erfolgte Androhung von Zwangsgeld für den Fall der Nichtbefolgung der vorgenannten Verpflichtung beruht auf Art. 29 Abs. 1 und 2 Nr. 1, Art. 30 Abs. 1 Satz 1, Art. 31 i. V. m. Art. 36 VwZVG und begegnet keinen rechtlichen Bedenken, wobei klägerseits insoweit auch nichts Substantiiertes vorgetragen wurde.
10.
Nach alldem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.


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