Baurecht

Nachbar, Rücksichtnahmegebot, Hinterliegergrundstück, Stellplätze im rückwärtigen Bereich

Aktenzeichen  M 8 SN 22.1605

Datum:
20.4.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 10528
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34
BauNVO § 12 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 5.000…. festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich als Nachbarin gegen eine der Beigeladenen durch die Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Doppelhauses sowie von drei Reihenhäusern auf dem Grundstück Fl.Nr. … Gemarkung … (im Folgenden: Baugrundstück).
Die Antragstellerin ist Miteigentümerin des nach dem Wohnungseigentumsgesetz aufgeteilten Grundstücks Fl.Nr. … Gemarkung … (im Folgenden: Nachbargrundstück) verbunden mit Sondereigentum an der Doppelhaushälfte mit Garage Nr. 1 lt. Aufteilungsplan. Das Nachbargrundstück liegt unmittelbar östlich angrenzend an das Baugrundstück. Ein als Zufahrt zum Baugrundstück genutzter Grundstücksteil des Baugrundstücks verläuft im Norden entlang der Grundstücksgrenze des Nachbargrundstücks. Er weist eine Breite von ca. 3 m (abgegriffen) auf.
Vgl. zur Lage der Grundstücke und ihrer Bebauung anliegenden Lageplan, der eine Darstellung des Vorhabens enthält (nach dem Einscannen möglicherweise nicht mehr maßstabsgerecht):
 
Mit Bescheid vom 12. November 2021 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen aufgrund ihres Bauantrags vom 20. August 2021 nach PlanNr. … mit Handeintragungen vom 13. Oktober 2021 die Baugenehmigung zur Errichtung eines Doppelhauses und drei Reihenhäusern mit einer Garage und zwei Doppelparkern auf dem Baugrundstück. Die Planung sieht die Errichtung eines Doppelhauses mit einer Einzelgarage im westlichen Bereich des Baugrundstücks vor. Daneben soll im östlichen Bereich ein weiterer Baukörper mit drei Reihenhäusern errichtet werden. Dieser dem Nachbargrundstück näher liegende Baukörper ist mit einer Geschossigkeit von E + 1 + DG, einer Wandhöhe von 6 m und einer Firsthöhe von ca. 9,15 m in einer Entfernung von 7,38 m zur westlichen Grundstücksgrenze des Nachbargrundstücks geplant. Unmittelbar an der westlichen Grenze des Nachbargrundstücks ist die Errichtung einer Doppelgarage mit jeweils einem Duplex-Parker zur Unterbringung von insgesamt vier Fahrzeugen vorgesehen.
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2021 Klage gegen die Baugenehmigung vom 12. November 2021 erhoben. Über die Klage wurde bisher nicht entschieden (M 8 K 21.6494).
Mit Schriftsatz vom 17. März 2022 beantragt die Antragstellerin:
Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage vom 16. Dezember 2021 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. November 2021 wird angeordnet.
Das Bauvorhaben verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme, da die Zufahrt für die Anlieger unzumutbar sei. Nach früher geltenden Regelungen der Bayerischen Bauordnung hätten überlange Zufahrten auf den Baugrundstücken vermieden werden sollen. Diese grundsätzliche Aussage beanspruche heute noch aufgrund Art. 3 Abs. 1 BayBO in Verbindung mit der Garagen- und Stellplatzverordnung Geltung. Die Länge der Zufahrt bis zur hinteren Garage betrage hier mehr als 80 m. Im Zusammenhang mit dem Gebot der Rücksichtnahme bestehe ein Nachbarschutz. Sowohl das Bundesverwaltungsgericht als auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hätten entschieden, dass aufgrund besonderer örtlicher Verhältnisse die Errichtung von Stellplätzen im rückwärtigen Wohnbereich nicht möglich sei. Für eine Unzumutbarkeit der Stellplätze spreche im vorliegenden Fall das hier bestehende reine Wohngebiet. Aufgrund der besonderen Lage des Vorhabens im bislang nahezu unbebauten Gartenbereich sei das Gebot der Rücksichtnahme verletzt. Die Zufahrt habe aufgrund ihrer Länge und ihrem Verlauf entlang einer Mehrzahl von Wohnbaugrundstücken erhebliche immissionsschutzrechtliche Auswirkungen. Es sei davon auszugehen, dass die Bewohner nicht nur mit einem Fahrzeug, sondern gegebenenfalls mit mehreren Fahrzeugen die Wegefläche nutzen würden und noch weitere Stellplätze errichtet werden. Zudem sei zu berücksichtigen, dass das Ein- und Ausfahren aus den Garagen aufgrund der beengten Verhältnisse Rangiervorgänge erfordere und aufgrund der langen Zufahrt Begegnungsverkehr mit Rückwärtsfahren stattfinde. Auf der Zufahrt zur öffentlichen Verkehrsfläche sei mit Behinderungen zu rechnen. Die Doppelparker-Anlage grenze im Westen unmittelbar an das Wohnhausgrundstück der Antragstellerin. Dort sei von erheblichen lärmtechnischen Beeinträchtigungen durch die Mechanik der Fahrzeugbrücken zu rechnen.
Mit Schriftsatz vom 4. April 2022 beantragt die Antragsgegnerin,
den Antrag abzulehnen.
Die Nachbarn hätten die von Stellplätzen und Garagen einer rechtlich zulässigen Wohnbebauung ausgehenden Störungen im Regelfall hinzunehmen. Dies gelte auch bei einer Pfeifenstielzufahrt, die der Erschließung einer Bebauung mit Einfamilienhäusern in zweiter Reihe diene.
Mit Schriftsatz vom 4. April 2022 beantragt die Beigeladene,
den Antrag abzulehnen.
Die Errichtung notwendiger Stellplätze – wie im vorliegenden Fall – sei von den Nachbarn als sozialadäquat hinzunehmen. Es handle sich bei den mit der Baugenehmigung zugelassenen Stellplätzen um notwendige Stellplätze nach der Stellplatzsatzung, mit denen nicht erstmals erhebliche Unruhe in den Ruhebereich des Bauquartiers getragen werde. Bei Betrachtung des gesamten Quartiers sei festzustellen, dass das Innere desselben bereits mit Garagen bebaut sei. Es sei hier nicht mit übermäßigen Rangierbewegungen zu rechnen. Erforderlich sei lediglich ein einfaches Wendemanöver im Innenhof. Angesichts von fünf Stellplätzen sei nicht mit Problemen beim Begegnungsverkehr zu rechnen. Zudem sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin durch die Stellplatzsituierung nicht in eigenen Rechten verletzt sei. Es sei anzunehmen, dass es sich bei dem Nachbargrundstück um ein nach dem Wohnungseigentumsgesetz geteiltes Grundstück handle und die Antragstellerin die östliche Gebäudehälfte zum Sondereigentum habe. Der Antragstellerin stehe somit wohl nur die östliche Gartenfläche zu, weshalb sie durch die an der westlichen Grundstücksgrenze geplanten Garagen nicht beeinträchtigt werden könne.
Zum weiteren Vorbringen der Parteien und zu den übrigen Einzelheiten wird auf die beigezogenen Behördenakten sowie die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren sowie im Verfahren M 8 K 21.6494 Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO hat in der Sache keinen Erfolg, da die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.
1. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist die Antragstellerin antragsbefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog).
Im Rahmen der Antrags- bzw. Klagebefugnis ist es ausreichend, wenn die Möglichkeit einer Rechtsverletzung geltend gemacht wird (Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, § 42 Rn. 59). Die Antragstellerin hat im Rahmen der Klage und des Antrags nicht offengelegt, dass es sich bei dem Nachbargrundstück um ein nach dem Wohnungseigentumsgesetz geteiltes Grundstück handelt und welche Bereiche in ihrem Sondereigentum stehen. Durch Grundbucheinsicht konnte das Gericht indes ermitteln, dass die Miteigentümer des Nachbargrundstücks als Wohnungseigentümer nach dem WEG verbunden sind, weshalb die Antragstellerin die nur der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zustehenden Rechte nicht geltend machen kann. Der einzelne Wohnungseigentümer kann indes gem. § 13 Abs. 1 Halbs. 2 WEG baurechtliche Nachbarrechte aus eigenem Recht geltend machen, wenn eine konkrete Beeinträchtigung seines Sondereigentums in Frage steht (BVerwG, U.v. 20.8.1992 – 4 B 92/92 – juris Rn. 7 ff., BayVGH, B.v. 8.7.2013 – 2 CS 13.807 – juris Rn. 5, B.v. 24.11.16 – 1 CS 16.2011 – juris Rn. 4, U.v. 12.7.2012 – 2 B 12.1211 – juris Rn. 22). Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot das Sondereigentum betrifft (BayVGH, U.v. 12.7.2012 – 2 B 12.1211 – juris Rn. 23; B.v. 8.7.2013 – 2 CS 13.807 – juris Rn. 6). Die Antragstellerin macht hier einen Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme geltend. Nachdem auch bei einer Beschränkung des Sondereigentums auf die östliche Doppelhaushälfte nicht von vorneherein ausgeschlossen ist, dass sie hinsichtlich des Rücksichtnahmegebotes in öffentlich-rechtlichen Vorschriften verletzt ist, die gerade dem Schutz ihres Sondereigentums dienen, ist jedenfalls eine Antragsbefugnis gegeben.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Nach § 212a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Erhebt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Baugenehmigung eine Anfechtungsklage, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die bundesgesetzlich gemäß § 212a Abs. 1 BauGB ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen. Hierbei trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind – die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht alleiniges Indiz zu berücksichtigen.
Bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten ist hier zu berücksichtigen, dass sich Dritte gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen können, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B.v. 21.07.2020 – 2 ZB 17.1309 – juris Rn. 4; B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20). Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind. Hinzu kommt, dass ein Nachbar eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg anfechten kann, wenn die Genehmigung rechtswidrig ist und die Rechtswidrigkeit sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20).
2.1 Bei Berücksichtigung dieser Maßgaben ist zunächst festzustellen, dass sich eine Verletzung von Rechten der Antragstellerin nicht aus einem nach Auffassung der Antragstellerin über Art. 3 BayBO in Verbindung mit den Vorschriften der Garagen- und Stellplatzverordnung (GaStellV) geltenden Grundsatz über die Vermeidung überlanger Zufahrten ableiten lässt. Nachdem die Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren gemäß Art. 59 Satz 1 BayBO erteilt wurde, gehören bauordnungsrechtliche Vorschriften wie Art. 3 BayBO nicht zum Prüfungsumfang der Baugenehmigung. Nachdem die Baugenehmigung deshalb keine Aussage über die Einhaltung dieser Vorschriften trifft, kommt eine Verletzung der Rechte der Antragstellerin – unabhängig davon, ob man Art. 3 BayBO den behaupteten Inhalt entnehmen kann – nicht in Betracht.
Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung ausweislich des genehmigten Freiflächengestaltungsplans lediglich die Errichtung von fünf Stellplätzen in Garagen zulässt. Die von der Antragstellerin unterstellte Entstehung weiterer Stellplätze zwischen den Gebäuden ist daher nicht Gegenstand der Baugenehmigung und deshalb auch bei der rechtlichen Beurteilung derselben nicht zu berücksichtigen.
2.2 Eine Rechtsverletzung der Antragstellerin ergibt sich nicht aus einem Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot.
Bauplanungsrechtlicher Nachbarschutz ist vorliegend, da das Baugrundstück im Geltungsbereich eines einfachen Bebauungsplans und im Übrigen im Innenbereich liegt, aus § 30 Abs. 3 BauGB i.V.m. § 34 BauGB herzuleiten. Es kann dabei dahinstehen, ob sich das Gebot der Rücksichtnahme aus dem Begriff des „Einfügens“ des § 34 Abs. 1 BauGB oder aus § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 BauNVO ableitet, da im Ergebnis dieselbe Prüfung stattzufinden hat (vgl. BayVGH, B.v.12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 4).
Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist, an (BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 C 1.04 – juris, Rn. 22; U.v. 29.11.2012 – 4 C 8.11 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 4). Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position innehat (BVerwG, B.v. 6.12.1996 – 4 B 215.96 – juris Rn. 9). Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (BayVGH, B.v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101 – juris Rn. 17).
Die Anzahl und die Situierung der Stellplätze auf dem Baugrundstück sowie der damit einhergehende Verkehr lassen keine für die Antragstellerin unzumutbaren Auswirkungen erwarten. Gleiches gilt für die ca. 46 m an der gemeinsamen Grundstücksgrenze verlaufende Zufahrt. Dabei kann offenbleiben, ob die Antragstellerin als Sondereigentümerin nur die auf die Doppelhaushälfte … straße 12 einwirkenden Beeinträchtigungen geltend machen kann, da auch bei Betrachtung des gesamten Nachbargrundstücks keine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes vorliegt.
Nach § 12 Abs. 2 BauNVO sind in Wohngebieten Stellplätze und Garagen für den durch die zugelassene Nutzung notwendigen Bedarf zulässig. Die Vorschrift begründet für den Regelfall auch hinsichtlich der durch die Nutzung verursachten Lärmimmissionen eine Vermutung der Nachbarverträglichkeit. Der Grundstücksnachbar hat deshalb die Errichtung notwendiger Garagen und Stellplätze für ein Bauvorhaben und die mit ihrem Betrieb üblicherweise verbundenen Immissionen der zu- und abfahrenden Kraftfahrzeuge des Anwohnerverkehrs grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen (vgl. BVerwG, B.v. 20.3.2003 – 4 B 59.02 – juris Rn. 6 ff.; BayVGH, B.v. 29.1.2016 – 15 ZB 13.1759 – juris Rn. 23 m.w.N.). Die hier vorgesehenen Stellplätze, die in Garagen errichtet werden, entsprechen dem Stellplatzbedarf nach der Stellplatzsatzung der Antragsgegnerin (vgl. Art. 47 Abs. 2 Satz 2 BayBO i.V.m. Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO i.V.m. § 2 Abs. 1 i.V.m. Nr. 1.1 der Anlage 1 der Satzung der Antragsgegnerin über die Ermittlung und den Nachweis von notwendigen Stellplätzen für Kraftfahrzeuge vom 19. Dezember 2007, MüAbl. Sondernummer 1, S. 1), sodass regelmäßig keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass rücksichtslose Immissionen zu erwarten sind.
Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass die typischen Immissionen zulässiger Stellplätze und Garagen zumutbar und grundsätzlich von den Nachbarn hinzunehmen sind, ist vorliegend nicht angezeigt. Garagen und Stellplätze können im rückwärtigen Gartenbereich in seltenen Ausnahmefällen bedenklich sein, wenn erstmalig Parkverkehr in einen bisher geschützten Ruhebereich im maßgeblichen Bauquartier hineingetragen wird. Es ist indes festzustellen, dass ein solcher Ausnahmefall in der Rechtsprechung kaum angenommen wird. So hatte auch die von der Antragstellerin als Bezugsfall genannte Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. Mai 2014 (B.v. 10.4.2014 – 1 CS 14.397 – juris) im Hauptsacheverfahren keinen Bestand (vgl. BayVGH, U.v. 16.7.2015 – 1 B 15.194 – juris).
Ob ein Ausnahmefall vorliegt und Stellplätze im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO unzumutbar sind, richtet sich zunächst nach der Eigenart des Baugebiets. Eine generelle, für alle Standorte von Stellplätzen im rückwärtigen (Wohn-)Bereich geltende Beurteilung ist nicht möglich, sondern hängt immer von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (BVerwG, U.v. 7.12.2000 – 4 C 3.00, ZfBR 2001, 274). Dieser Maßstab ist entsprechend auf die Zulässigkeit von zulässiger Wohnnutzung zugeordneten Stellplätzen nach § 34 Abs. 1 BauGB zu übertragen.
Um einen Ansatzpunkt für die ausnahmsweise Unzulässigkeit der Stellplatzsituierung zu finden, wäre Voraussetzung, dass das Baugrundstück bzw. die Stellplätze in einem Bereich liegen, der als rückwärtige Ruhezone gelten kann, die bisher von Kraftfahrzeugverkehr freigeblieben ist. Schon dies ist hier nicht der Fall. Eine innenliegende, allen Grundstücken dienende Ruhezone ist im vorliegenden Fall nicht auszumachen. Das Baugrundstück selbst war ausweislich des Lageplans mit Luftbild im Geoinformationssystem der Bayerischen Vermessungsverwaltung („BayernAtlasPlus“) bisher mit einem Gebäude bebaut, das über die Zufahrt anfahrbar war, die nunmehr auch für das streitgegenständliche Vorhaben genutzt werden soll. Selbst bei isolierter Betrachtung des Baugrundstücks ist daher schon aufgrund der Bestandsbebauung keine von Fahrzeugverkehr freie Ruhezone festzustellen. Dies gilt umso mehr, wenn – wie ihm Rahmen der Beurteilung nach § 34 BauGB geboten – die nähere Umgebung mit in den Blick genommen wird. Eine Hinterliegerbebauung und Stellplätze im rückwärtigen Grundstücksbereich sind auch auf den benachbarten Grundstücken … straße 3, … straße 64a und … straße 68 (Garage im rückwärtigen Grundstücksbereich) vorhanden.
Eine ausnahmsweise unzumutbare Beeinträchtigung ist zudem angesichts der wenigen bei fünf Stellplätzen zu erwartenden Fahrten weder durch Lärm noch durch Staub oder Abgase zu besorgen. Die von der Antragstellerin aufgrund der Enge der Zufahrt befürchteten Probleme beim Begegnungsverkehr und an der Ausfahrt der Zuwegung in die öffentliche Straße stellen sich in erster Linie für die Nutzer der Zufahrt. Eine über die als sozialadäquat hinzunehmende Lärmbelastung durch Zufahrtsverkehr in Wohngebieten ergibt sich daraus nicht. Vielmehr bedingt die schmale Zufahrt eine sehr reduzierte Geschwindigkeit mit entsprechend geringen Lärmemissionen der Fahrzeuge. Die Antragstellerin kann aus den Belangen der Verkehrssicherheit für die Nutzer des Baugrundstücks keinen Nachbarschutz ableiten (vgl. BayVGH, U.v. 14.2.2018 – 9 BV 16.1694 – juris Rn. 38, 44). Eine ausnahmsweise unzumutbare Lärmbelastung ergibt sich auch nicht aus der Ausstattung der Garagen mit Duplex-Parkern. Die als sozialadäquat hinzunehmenden Geräusche durch mit dem Wohnen verbundenen Fahrzeugverkehr beinhalten auch die für das Abstellen der Fahrzeuge regelmäßig vorgehaltenen technischen Einrichtungen. Die befürchteten Geräusche der technischen Einrichtungen lassen sich durch Wartung ausreichend minimieren.
Eine Verletzung von anderen Rechten der Antragstellerin, die diese als Sondereigentümer rügen könnte, ist nicht ersichtlich.
3. Der Antrag war nach alldem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Es entspricht billigem Ermessen im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO, dass die Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt, da diese einen Antrag gestellt und mit dem Antrag Erfolg hat.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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