Baurecht

Nachbarklage gegen Vorbescheid für ein Einfamilien- und ein Doppelhaus

Aktenzeichen  M 9 K 18.4355

Datum:
2.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
DWW – 2020, 272
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34 Abs. 1, Abs. 2
BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Das Gebot der Rücksichtnahme ist nur dann verletzt, wenn durch das geplante Vorhaben die Nutzung des Nachbargrundstücks unzumutbar beeinträchtigt wird. (redaktioneller Leitsatz)
Bei einer  Gesamthöhe von unter 10 m, was der üblichen Höhe eines Ein- bzw. Zweifamilienhauses entspricht, und einem erheblichen Abstand zwischen dem Wohnhaus auf dem klägerischen Grundstück und dem zwar auf dem Nachbargrundstück, jedoch deutlich weiter östlich situierten nächstgelegenen Bauvorhaben ist ein Bedrängen des Nachbargrundstücks durch die Bebauung mit der Folge einer einmauernden Wirkung oder Verschattung nicht erkennbar. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kostenschuldner kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da der Sachverhalt geklärt ist, die Rechtslage es zulässt und die Beteiligten dem zugestimmt haben, § 84 VwGO.
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Der Vorbescheid vom 30. Juli 2018 für ein Einfamilienhaus und ein Doppelhaus auf der nordöstlichen Teilfläche des Grundstücks verletzt keine eigenen Rechte des Klägers (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Anfechtungsklage eines Dritten gegen eine Baugenehmigung kann nur dann Erfolg haben, wenn die Baugenehmigung Vorschriften verletzt, die dem Schutz des Dritten zu dienen bestimmt sind. Dementsprechend findet im vorliegenden Verfahren nur eine Prüfung beschränkt darauf statt, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln, verletzt sind (VG München, U.v. 27.11.2019 – M 9 K 19.792 m.w.N.). Der hier angefochtene Vorbescheid, der entsprechend der im Vorbescheidsverfahren gestellten Frage die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung eines Einfamilienhauses und zweier Doppelhaushälften mit Garage betrifft, verletzt den Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in eigenen Rechten.
Vorliegend ist nicht erkennbar, dass durch das geplante Bauvorhaben das aus § 34 Abs. 1 BauGB und § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO folgende Gebot der bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahme verletzt sein könnte. Das Gebot der Rücksichtnahme soll einen angemessenen Interessenausgleich gewährleisten und vermittelt Drittschutz, soweit die Genehmigungsbehörde in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Belange eines erkennbar abgrenzbaren Kreises Dritter zu achten hat. Diese Interessenabwägung hat sich daran zu orientieren, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und was dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage der Dinge zumutbar ist. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Begünstigten ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständiger und unabweisbarer die Interessen des Bauherren sind, desto weniger muss er Rücksicht nehmen (z.B. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017). Das Gebot der Rücksichtnahme ist nur dann verletzt, wenn durch das geplante Vorhaben die Nutzung des Nachbargrundstücks unzumutbar beeinträchtigt wird.
Die von dem Kläger vorgetragene erdrückende, einmauernde oder abriegelnde Wirkung sowie die Verursachung unzumutbarer Lichtimmissionen sind nicht erkennbar. Im vorliegenden Fall besteht ein erheblicher Abstand zwischen dem Wohnhaus auf dem klägerischen Grundstück und dem zwar auf dem Nachbargrundstück, jedoch deutlich weiter östlich situierten nächstgelegenen Bauvorhaben. Die Neubauten haben darüber hinaus eine Gesamthöhe von unter 10 m und entsprechen damit der üblichen Höhe eines Ein- bzw. Zweifamilienhauses. Nach dieser Sachlage und unter Berücksichtigung der Bebauung auf den dem geplanten Vorhaben gegenüberliegenden Grundstücken ist ein Größenmissverhältnis oder Bedrängen des Nachbargrundstücks durch die angrenzende Bebauung mit der Folge einer einmauernden Wirkung oder Verschattung nicht erkennbar. Welche Lichtimmissionen von Wohnhäusern ausgehen sollten erschließt sich nicht; insbesondere ist das Licht, das durch die Fenster aus beleuchteten Innenräumen nach draußen fällt nicht unzumutbar, sondern sozialüblich. Auch das Wohnhaus des Klägers dürfte eine entsprechende Quelle für solche Lichtemissionen sein.
Unzumutbare Belästigungen oder Störungen gehen von dem Vorhaben auch nicht in der Form von Schallimmissionen auf das klägerische Grundstück aus. Es handelt sich um eine Wohnbebauung.
Soweit der Kläger vorträgt, die beabsichtigte Bebauung füge sich hinsichtlich Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche nicht in die Umgebung ein, liegt keine Verletzung des Gebots der Würdigung nachbarlicher Interessen vor. Die Art der baulichen Nutzung entspricht dem Gebietscharakter und vermittelt daher keinen Abwehranspruch; eine Verletzung des nachbarschützenden Gebietswahrungsanspruchs besteht daher nicht. Die übrigen Kriterien des Einfügensgebotes dienen der städtebaulichen Ordnung und nicht dem Schutz der Nachbarn. Ungeachtet dessen trifft es schlicht nicht zu, dass die Vorhaben sich nach dem Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche nicht in die Umgebung einfügen. Nördlich an das geplante Vorhaben angrenzend befindet sich eine vergleichbar intensive Nutzung. Auch das Wohnhaus des Klägers wurde zur Beurteilung des Maßes der baulichen Nutzung herangezogen. Die vorgetragene unzumutbare Versiegelung entspricht nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Bereits jetzt ist das gewerblich genutzte Grundstück in hohem Maße versiegelt. Die Einschätzung des Beklagten, dass diese Versiegelungssituation sich durch die Bebauung mit Grünflächen ändert, ist schlüssig.
Soweit der Kläger vortragen lässt, dass Abstandsflächen nicht eingehalten seien, betrifft dies eine bauordnungsrechtliche Frage, die im vorliegenden Vorbescheidsverfahren nicht Prüfungsgegenstand war. Der Vorbescheidsantrag bezog sich auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit. Bauordnungsrecht ist damit auch nicht Gegenstand des Vorbescheides.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1, 3 VwGO abzuweisen.
Die Beigeladene hat ihre außergerichtlichen Kosten selber zu tragen, da sie keinen Antrag gestellt hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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