Baurecht

Nachbarklage, Unzulässige Klage mangels Rechtsschutzinteresses, Nichtbetreiben des Verfahren, Nichterscheinen zur mündlichen Verhandlung

Aktenzeichen  M 9 K 18.6018

Datum:
29.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 42554
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 102 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 und 2 zu tragen. Der Beigeladene zu 3 trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. 
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Das Gericht konnte trotz Nichterscheinens der Klagepartei im Termin am 29. September 2021 im vorliegenden Fall entscheiden, da die Beteiligten ordnungsgemäß zum Termin geladen wurden (Bl. 42 ff. GA) und in der Ladung darauf hingewiesen wurde, dass im Falle des Ausbleibens eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO).
2. Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist bereits unzulässig, da ihr zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
In Einklang mit Art. 19 Abs. 4 GG setzt jede an einen Antrag gebundene gerichtliche Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis voraus. Nur derjenige, der mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt, hat einen Anspruch auf die gerichtliche Sachentscheidung. Die Prozessvoraussetzung ist Ausfluss des allgemeinen Verbots eines Rechtsmissbrauchs und vom Gericht von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen. Fehlt es daran, so ist das prozessuale Begehren als unzulässig abzuweisen (BVerfG, B.v. 27.10.1998 – 2 BvR 2662/95 – juris Rn. 16 m.w.N.; Sodan in ders./Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 42 Rn. 33; BayVGH, B.v. 10.12.2001 – 21 B 00.31685 – juris Rn. 20). Das erforderliche Rechtsschutzinteresse kann im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens entfallen. Vom Wegfall eines ursprünglich gegebenen Rechtsschutzbedürfnisses kann das Gericht im Einzelfall ausgehen, wenn das Verhalten eines rechtsschutzsuchenden Verfahrensbeteiligten Anlass zu der Annahme bietet, dass ihm an der Sachentscheidung des Gerichts nicht mehr gelegen ist (OVG NRW, B.v. 1.2.2002 – 21 A 1550/01.A – juris Rn. 5; BVerfG, B.v. 27.10.1998 – 2 BvR 2662/95 – juris Rn. 17 ff.; BayVGH, B.v. 20.12.1999 – 10 ZC 99.1418 – juris Rn. 3).
Gemessen an diesen Grundsätzen kommt das Gericht nach den Gesamtumständen im vorliegend Fall zu dem Schluss, dass seitens der Klägerin kein Interesse an der Fortführung des Klageverfahrens und einer Sachentscheidung des Gerichts mehr besteht. Diese Schlussfolgerung ist zwingende Folge des Verhaltens der Klägerin während der gesamten Dauer des Gerichtsverfahrens. Das Gericht hatte mit Schreiben vom 17. Dezember 2018, 25. August 2020 sowie 1. Oktober 2020 um Klagebegründung für den Fall der Verfahrensfortführung bzw. Erledigterklärung unter Fristsetzung gebeten. Eine Beantwortung der Schreiben erfolgte nicht. Auch eine mit Schreiben vom 8. Januar 2021 folgende Aufforderung des Gerichts nach § 92 Abs. 2 VwGO, die Klage zu begründen, blieb erfolglos. Das angeforderte Empfangsbekenntnis wurde seitens des Klägerbevollmächtigten trotz nochmaliger Aufforderung nicht an das Gericht zurückgeschickt. Eine anderweitige Reaktion mit Blick auf die Bitte des Gerichts, das Verfahren in irgendeiner Weise weiter zu betreiben blieb ebenfalls aus. In diesem Zusammenhang ist erschwerend zu berücksichtigen, dass der Bevollmächtigte der Klägerin in seinem Klageschriftsatz vom 10. Dezember 2018 selbst angeführt hatte, dass eine Klagebegründung einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten bleibe. Die Klägerin hat das Verfahren über einen Zeitraum von über zweieinhalb Jahren, mindestens jedoch seit der Aufforderung des Gerichts mit Schreiben vom 25. August 2020 nicht betrieben. Zuletzt sind die Klägerin und ihr Bevollmächtigter trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht zur mündlichen Verhandlung am 29. September 2021 erschienen. Die Klagepartei hat damit zu erkennen gegeben, dass kein Interesse an der Fortführung des Verfahrens und einer Sachentscheidung des Gerichts besteht. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
3. Ohne dass es noch entscheidungserheblich darauf ankommt ist die Klage im Übrigen auch unbegründet. Die Anfechtungsklage eines Dritten gegen eine Baugenehmigung kann nur dann Erfolg haben, wenn die Baugenehmigung Vorschriften verletzt, die dem Schutz des Dritten zu dienen bestimmt sind. Dementsprechend findet im gerichtlichen Verfahren keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt. Die Prüfung beschränkt sich vielmehr darauf, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die dem Kläger als Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln, verletzt sind (vgl. statt aller z. B. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris). Die Verletzung von derart drittschützenden Vorschriften ist im vorliegenden Fall jedoch weder vorgetragen noch sonst ansatzweise ersichtlich. Die Abstandsflächen sind ausweislich der gestempelten Planunterlagen eingehalten und der Gebietserhaltungsanspruch sowie das Rücksichtnahmegebot gewahrt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Durch ihre Antragstellung hat sich die Beigeladene einem Kostenrisiko ausgesetzt. Es entspricht der Billigkeit ihre außergerichtlichen Kosten der Klägerin aufzuerlegen. Der Beigeladene zu 3 hat keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt. Er trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. Dies entspricht der Billigkeit.
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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