Baurecht

Nachbarschutz bei Immissionen von Stellplätzen einer zulässigen Wohnbebauung

Aktenzeichen  2 M 165/21

Datum:
15.2.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt 2. Senat
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:OVGST:2022:0215.2M165.21.00
Normen:
§ 12 Abs 2 BauNVO
§ 917 Abs 1 BGB
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

1. Nachbarn haben die von den Stellplätzen einer rechtlich zulässigen Wohnbebauung ausgehenden Emissionen im Regelfall hinzunehmen.(Rn.10)
2. Das planungsrechtliche Erfordernis einer gesicherten Erschließung dient grundsätzlich nur den öffentlichen Interessen und hat keine nachbarschützende Funktion.(Rn.20)
3. Zur Frage, wann sich ein Abwehrrecht des Grundstückseigentümers dadurch ergeben kann, dass die fehlende Erschließung des Nachbargrundstücks ein Notwegerecht nach § 917 Abs. 1 BGB über das eigene Grundstück bewirken könnte.(Rn.20)

Verfahrensgang

vorgehend VG Halle (Saale) 2. Kammer, 8. Dezember 2021, 2 B 229/21 HAL, Beschluss

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die denkmalpflegerische Sanierung, Änderung und Umnutzung eines Gebäudes auf dem Nachbargrundstück.
Er ist Eigentümer des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks Flur …, Flurstücke … und … (T-Straße …). Der Antragsteller und die Beigeladene sind – mit anderen Anwohnern – Miteigentümer des Flurstücks …. Bei dem Flurstück … handelt es sich um eine Privatstraße, mit der die nördlich und westlich des Grundstücks des Antragstellers gelegenen Grundstücke T-Straße … bis … an die öffentliche T-Straße angebunden sind.
Die Beigeladene ist Eigentümerin des unmittelbar südlich an das Grundstück des Antragstellers (T-Straße …) angrenzenden Grundstücks Flur…, Flurstück … (frühere Bezeichnung: …). Das Grundstück grenzt nicht unmittelbar an die Privatstraße an. Auf diesem Grundstück liegt das Gebäude „K.“, das als Baudenkmal in das Denkmalverzeichnis eingetragen ist. Es handelt sich um ein zweigeschossiges Wohnhaus, das im Jahr 1685 als Adelssitz errichtet wurde. Dieses Gebäude steht seit mehreren Jahren leer und ist sanierungsbedürftig.
Unter dem 30. April 2021 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die Baugenehmigung für die „denkmalpflegerische Sanierung einschließlich Umnutzung zu Wohnen und neuer Grundriss-Aufteilung, Anbau von eingeschossigen Anbauten und Errichtung von Dachgauben“ dieses Gebäudes. Genehmigt wurde die Nutzung durch insgesamt 14 Wohneinheiten, davon 10 mit einer Grundfläche von mehr als 120 m2. Die Erschließung soll im Norden über die bereits erwähnte Privatstraße und über das südlich hiervon gelegene Flurstück … (früher: …) erfolgen. Das Flurstück … grenzt östlich an Grundstück des Antragstellers an. Das Vorhaben soll außerdem im Süden über die südlich aller genannten Grundstücke gelegene P-Straße erschlossen werden. Im nordöstlichen Bereich des Vorhabengrundstücks, an der Grenze zum Flurstück …, an das sich östlich in einer Entfernung von ca. 7 m das Gebäude des Landeskriminalamts anschließt, sind zwölf Stellplätze vorgesehen. Weitere fünf Stellplätze sind über die P-Straße erreichbar und liegen südlich des Gebäudes „K.“.
Die Baugenehmigung wurde dem Antragsteller nicht bekannt gegeben. Nachdem der Antragsteller von der Baugenehmigung erfahren hatte, erhob er dagegen Widerspruch und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Über den Widerspruch und den Antrag wurde noch nicht entschieden.
Mit Beschluss vom 8. Dezember 2021 hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die Baugenehmigung mit folgender Begründung abgelehnt: Die genehmigte Wohnnutzung verletzte nicht einen etwaigen Anspruch des Antragstellers auf Gebietserhaltung. Die Wohnnutzung sei in dem Bereich allgemein zulässig, auch wenn die nähere Umgebung angesichts des östlich gelegenen Landeskriminalamts und des Bootshauses der Universität als diffus bebaut anzusehen wäre. Das Vorhaben verstoße auch hinsichtlich der genehmigten Stellplätze und der Zufahrt nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass es sich nicht um eine ruhige Parkanlage handele, sondern um einen Randbereich zwischen dem Baudenkmal K. und dem grenzständigen Nachbargebäude des Landeskriminalamts. Der Park (vormaliger „L-Garten“) habe sich dort befunden, wo jetzt die Neubauten lägen, die von der Privatstraße (Flurstück …) erschlossen seien. Diese Neubauten lösten ihrerseits Zu- und Abgangsverkehr aus, der über die Privatstraße erfolge. Im Übrigen sei der Park – gerichtsbekannt – (nur) noch in dem Bereich zwischen der Saale und dem Baudenkmal ansatzweise vorhanden. Es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass es bei der klaren Anordnung der Stellplätze zu einem vermehrten Rangieraufwand komme. Zwar führe die Zufahrt vom vorderen bis zum hinteren Bereich entlang dem Grundstück des Antragstellers. Die damit verbundene Verschlechterung der Situation sei jedoch nicht unzumutbar im Sinne eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot. Dabei werde berücksichtigt, dass die Neubauten entlang der Privatstraße, und damit auch das Gebäude des Antragstellers, im vormaligen großzügigen Gartenbereich des Denkmals „K.“ errichtet worden seien, während das Baudenkmal seinerseits über Jahre hinweg unsaniert leer gestanden habe. Ein schützenswertes Vertrauen dahingehend, dass das Baudenkmal nicht mehr einer Nutzung zugeführt werde, bestehe nicht. Außerdem befinde sich auf der anderen Seite des Grundstücks des Antragstellers die Zufahrt zu dem Gebäude T-Straße …, das ebenfalls mit einem Wohngebäude im ehemaligen Gartenbereich des Baudenkmals bebaut worden sei. Damit sei das Grundstück des Antragstellers bereits mit einer Zufahrt vorbelastet. Die fünf Stellplätze, die über die P-Straße erschlossen seien, wirkten sich auf das Grundstück des Antragstellers nicht aus. Die Zweifel, die der Antragsteller hinsichtlich der Breite der Zufahrt für Feuerwehrfahrzeuge an der Zulässigkeit des Vorhabens äußere, seien nachbarrechtlich irrelevant. Soweit der Antragsteller die Aufstellflächen für die Feuerwehr auf dem Baugrundstück rüge, komme dem kein Drittschutz zu, weil dieser Gesichtspunkt nur den Schutz der Bewohner des Gebäudes betreffe und nicht auch die Gefahr des Übergreifens von Bränden auf die Nachbarschaft. Ungeachtet dessen gehe aus dem Lageplan zum Brandschutzkonzept hervor, dass die Feuerwehrzufahrt eine Breite von 3 m aufweisen solle. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot folge auch nicht aus der Erschließung des Vorhabengrundstücks (auch) über eine Privatstraße. Die Beigeladene sei Miteigentümerin der Privatstraße. Wie es sich auswirke, dass der Antragsteller als anderer Miteigentümer der Nutzung widerspreche, sei eine zivilrechtliche Frage.
II.
A. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
1. Der Antragsteller trägt vor: Sein Grundstück befinde sich inmitten der Parkanlage, die an der östlichen Grenze von einem Gebäude in U-Form sowie dem Grundstück des Landeskriminalamts begrenzt werde. Vom Gebäude des Landeskriminalamts sei ein Blick auf sein Grundstück nicht möglich, weil es in diese Richtung keine Fenster gebe. Der hintere Bereich südlich seines Grundstücks sei völlig ruhig und ohne jede Vorbelastung. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts führe auch keine Straße zur Erschließung des Grundstücks T-Straße … an seinem Grundstück entlang. Nur zu dem Bereich der Garage auf diesem Grundstück unmittelbar neben dem Wendekreis erfolge eine Nutzung durch Pkw. Zu keinem Zeitpunkt habe damit gerechnet werden können, dass zwischen seinem Grundstück und dem Grundstück des Landeskriminalamts eine Straße errichtet werden würde, über die das vormals ausschließlich über die P-Straße erreichbare und seit Jahren leerstehende Vorhabengebäude erschlossen werden solle. Erst recht habe nicht damit gerechnet werden können, dass in diesem Bereich zwölf Stellplätze errichtet werden sollten. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme komme insbesondere dann in Betracht, wenn sich die Erschließungssituation eines Grundstücks durch eine vorhabenbedingte Überlastung eines das Grundstück des Betroffenen erschließenden Straße oder durch unkontrollierten Parksuchverkehr erheblich verschlechtere. Auch eine unzureichende Stellplatzzahl könne rücksichtslos sein. Das sei hier der Fall. Allein die Anzahl der 12 Stellplätze für die Wohnungen, deren Zuwegung über die Privatstraße erfolge, habe zur Folge, dass sich die Intensität der Nutzung der Privatstraße verdoppele. Die Zahl der Stellplätze dürfte auch nicht ausreichend sein. Es sei davon auszugehen, dass in den größeren Wohneinheiten mindestens zwei Pkw vorhanden seien. Laut Erhebungen des Statistischen Bundesamts seien im Jahr 2009 bei 100 Haushalten der untersten Einkommensklasse lediglich 138 Pkw, in Haushalten der höchsten Einkommensklasse jedoch 190 Pkw vorhanden gewesen seien. Die Nutzer der geplanten Wohneinheiten würden den höheren bzw. höchsten Einkommensgruppen zuzurechnen sein. Daher würden entweder Wohnungsnutzer zum Stellplatz fahren in der Hoffnung, dass dieser frei sei und, falls dieser belegt sei, sich einen anderen Stellplatz außerhalb des Stellplatzareals suchen. Ebenso würden Nutzer, selbst wenn ihnen bekannt sei, dass der Stellplatz besetzt sei, zum Haupteingang fahren, um z.B. ihren Einkauf abzuladen. Hinzu komme, dass der gesamte Be- und Versorgungsverkehr (z.B. für Möbellieferungen, Wartungs- und Installationsarbeiten, Post und Pakete, ambulante Pflegedienste und Lieferdienste) direkt an seinem Grundstück vorbeiführe. Dies werde mit erheblichem Lärm verbunden sein. Erschwerend komme hinzu, dass direkt an der Grundstücksgrenze auch der Mülltonnenplatz errichtet werden solle, was ebenfalls – durch das Einwerfen des Abfalls und das Rollen der Mülltonnen zur Privatstraße – mit erheblichem Lärm und mit Geruchsbeeinträchtigungen verbunden sei. Angesichts der großen Zahl von Wohneinheiten sei mit Beeinträchtigungen über den ganzen Tag von früh bis spät zu rechnen. Da es aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht möglich sei, dass zwei Fahrzeuge aneinander vorbeikommen, sei zwingend davon auszugehen, dass es zu einem erheblichen Rangier- und Parkplatzsuchverkehr komme, durch den sein Grundstück unzumutbar belastet werde.
Auch unter Berücksichtigung dieses Vorbringens lässt sich nicht feststellen, dass das Bauvorhaben der Beigeladenen das Gebot der Rücksichtnahme gegenüber dem Antragsteller verletzt.
Dabei ist von dem Grundsatz auszugehen, dass Nachbarn die von den Stellplätzen einer rechtlich zulässigen Wohnbebauung ausgehenden Emissionen im Regelfall hinzunehmen haben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. März 2003 – 4 B 59.02 – juris Rn. 7). Gemäß § 12 Abs. 2 BauNVO wird den Anwohnern in einem allgemeinen Wohngebiet grundsätzlich zugemutet, das mit einer zulässigen Grundstücksnutzung verbundene Abstellen und Einparken von Kraftfahrzeugen und den damit einhergehenden Lärm hinzunehmen (vgl. Beschluss des Senats vom 20. Oktober 2020 – 2 M 71/20 – juris Rn. 16 m.w.N.). Besondere örtliche Verhältnisse können aber zu dem Ergebnis führen, dass die Errichtung von Stellplätzen auf dem Baugrundstück nicht oder nur mit Einschränkungen genehmigt werden kann. Das gilt insbesondere für Stellplätze, die im Inneren von Wohnkomplexen oder in ruhigen rückwärtigen Gartenbereichen hinter Wohnhäusern gelegen sind. Die Nutzung von Stellplätzen kann im Einzelfall etwa dann unzumutbar sein, wenn sie durch ihre Lage, Anzahl, Zuwegung und sonstige Besonderheiten des Einzelfalles zu Beeinträchtigungen führen, die über das als sozialadäquat hinzunehmende Maß hinausgehen. Das kann der Fall sein, wenn die Zufahrt besonders steil ist, ungünstige Höhenverhältnisse zu Wohnräumen auftreten, eine beengte Situation (beengte Hoflage) zu vermehrtem Rangieraufwand führt oder eine Massierung von Stellplätzen auf der dem ruhigen und besonders schützenswerten Bereich des Grundstücks des Nachbarn zugewandten Seite erfolgt. Eine generelle, für alle Standorte von Stellplätzen im rückwärtigen Bereich geltende Beurteilung ist jedoch nicht möglich; sie hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2000 – 4 C 3.00 – juris Rn. 19; Beschluss vom 20. März 2003, a.a.O. Rn. 6 ff.; Beschluss vom 15. August 2019 – 4 B 31.19 – juris Rn. 3). Bei der Bewertung der Zumutbarkeit von in rückwärtigen Grundstücksbereichen errichteten Stellplätzen und Garagen sowie ihrer Zuwegungen kommt es maßgeblich darauf an, was die Betroffenen in dem Bereich, in dem sich die Stellplätze auswirken werden, bereits hinzunehmen oder zu erwarten haben. Maßgebend ist nicht allein das aktuell gegebene Ausmaß an Beeinträchtigungen durch Stellplatz- und Garagenanlagen, sondern auch der Umstand, inwieweit der betreffende rückwärtige Grundstücksbereich bereits durch andere Grundstücke im näheren Umfeld als Standort für Stellplätze oder auf andere Weise durch kraftfahrzeugbedingte Immissionen vorgeprägt ist (vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. April 2019 – 7 A 3284/17 – juris Rn. 35; Beschluss des Senats vom 20. Juli 2021 – 2 M 67/21 – juris Rn. 22).
Nach diesen Maßstäben ist die Genehmigung von 12 Stellplätzen auf dem Vorhabengrundstück mit einer Zufahrt entlang des Grundstücks des Antragstellers voraussichtlich nicht zu beanstanden. Dabei ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass es sich in dem Bereich, in dem das Bauvorhaben mit den zwölf Stellplätzen sowie der Zufahrt zu den zwölf Stellplätzen liegt, nicht um eine ruhige Parkanlage handelt, sondern um einen Randbereich zwischen dem Baudenkmal K. und dem grenzständigen Nachbargebäude des Landeskriminalamts. Durch die Einfamilienhäuser, die entlang der Privatstraße errichtet wurden (T-Straße … bis …), hat der Bereich nördlich des Vorhabengrundstücks den Charakter einer Einfamilienhaussiedlung mit den für die Größe der Grundstücke typischen Gartenflächen gewonnen. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass diese Neubauten mit Zu- und Abfahrtsverkehr verbunden ist, der über die Privatstraße zu den jeweiligen Grundstücken erfolgt. Auch der Bereich östlich und südlich des Grundstücks des Antragstellers, in dem die zwölf Stellplätze und die Zufahrt zu den Stellplätzen errichtet werden sollen, ist nicht als Parklandschaft zu qualifizieren. Es handelt sich um einen Bereich, der durch die neue Einfamilienhaussiedlung, das Vorhabengrundstück und das in unmittelbarer Nähe gelegene Grundstück des Landeskriminalamts geprägt wird. Demgegenüber wird der Bereich durch den Park, der westlich der Einfamilienhaussiedlung und des Vorhabengrundstück noch vorhanden sein mag, nicht mehr entscheidend beeinflusst.
Da die Stellplatzfläche südlich des Grundstücks des Antragstellers in der Nähe des rückwärtigen Gartenbereichs errichtet werden und die Zufahrt östlich an dem Grundstück entlangführen soll, ist allerdings der Ruhebereich des Grundstücks von dem Vorhaben betroffen. Dieser Umstand allein begründet aber keinen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot, weil – wie ausgeführt – den Anwohnern in einem allgemeinen Wohngebiet das mit einer zulässigen Grundstücksnutzung verbundene Abstellen und Einparken von Kraftfahrzeugen und der damit einhergehende Lärm grundsätzlich zuzumuten ist.
Der Umstand, dass auf dem Vorhabengrundstück eine Fläche von 12 Parkplätzen vorgesehen ist, während es sich bei den Grundstücken entlang der Privatstraße um Einfamilienhäuser handelt, die jeweils nur von einzelnen Fahrzeugen angefahren werden, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass kein schützenswertes Vertrauen dahingehend begründet werden konnte, dass das Baudenkmal „K.“ künftig keiner Nutzung mehr zugeführt werden würde. Daher war auch damit zu rechnen, dass dort im Zuge einer Sanierung Wohnungen geschaffen würden, die – entsprechend der Größe des Bestandsgebäudes – auch eine größere Anzahl von Stellplätzen auf dem – unmittelbar an das Grundstück des Antragstellers angrenzenden – Vorhabengrundstück erfordern. Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die nutzbare Fläche erweitert worden ist, war nicht zu erwarten, dass bei einer Sanierung die Anzahl der Wohneinheiten und der damit verbundenen Stellplätze niedriger ausfallen würde. Dies ergibt sich schon aus dem Umstand, dass die Wohnungen großzügig geschnitten sind; 10 von den 14 Wohneinheiten verfügen über eine Fläche von mehr als 120 m2. Im Hinblick auf die Lage des Bestandsgebäudes unmittelbar an der südlichen Grenze des Vorhabengrundstücks und die im Norden auf dem Grundstück vorhandenen Freiflächen konnte der Antragsteller auch nicht davon ausgehen, dass der nördliche, seinem Grundstück zugewandte Bereich nicht oder in geringerem Umfang für Stellplätze genutzt werden würde.
Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass die Anzahl der Stellplätze und die Zuwegung entlang dem Grundstück des Antragstellers nicht mit unzumutbarem Lärm verbunden sein werden. Der Senat greift in diesem Zusammenhang auf die Parkplatzlärmstudie des Bayerischen Landesamts für Umwelt (6. Aufl. 2007) zurück, nach der für oberirdische Stellplätze stündlich tagsüber (6 – 22 Uhr) mit 0,22 und nachts (22 – 6 Uhr) mit 0,03 Bewegungen pro Stellplatz zu rechnen ist (Seite 28, Tabelle 6, vgl. auch Beschluss des Senats vom 20. Juli 2021, a.a.O. Rn. 24). Daraus ergibt sich bei 12 Stellplätzen über den Zeitraum eines Tages eine Häufigkeit von tagsüber ca. 42 Bewegungen (stündlich weniger als 3) und nachts (über 8 Stunden) ca. 3 Bewegungen. Die damit verbundenen Geräusche – auch durch Rangiervorgänge, Be- und Entladen, Ein- und Aussteigen, Türenschlagen, Gespräche am Stellplatz – sind zwar mit einer Beeinträchtigung des Grundstücks des Antragstellers verbunden. Sie dürften jedoch im Hinblick darauf, dass sich sein Grundstück und das Vorhabengrundstück in einem durch Wohnnutzung geprägten Gebiet befinden und der Antragsteller mit einer größeren Zahl von Wohneinheiten auf dem Vorhabengrundstück verbunden mit einer entsprechenden Zahl von Pkw-Stellplätzen rechnen musste, nicht unzumutbar sein.
Unzumutbare Lärmimmissionen sind auch nicht im Hinblick darauf zu erwarten, dass die Zahl der Stellplätze – wie der Antragsteller meint – für die Anzahl der zu erwartenden Pkw pro Bewohner zu niedrig sei. Die Zahl der Kfz-Stellplätze wurde anhand der Stellplatzsatzung der Antragsgegnerin ermittelt. Dabei wurden für die 10 Wohneinheiten über 120 m2 je 1,5 Stellplätze und für die Wohneinheiten zwischen 35 m2 bis 120 m2 je 1 Stellplatz berechnet. Es ist davon auszugehen, dass sich die Antragsgegnerin bei dem Erlass der Satzung an Erfahrungswerten für den Stellplatzbedarf speziell in ihrem Stadtgebiet orientiert hat, so dass demgegenüber die vom Antragsteller herangezogenen Erhebungen des Statistischen Bundesamts aus dem Jahr 2009, bei denen es sich um Durchschnittswerte für das gesamte Bundesgebiet handelt, weniger aussagekräftig sein dürften. Im Übrigen ist die Übertragbarkeit der vom Antragsteller herangezogenen Durchschnittswerte des Statistischen Bundesamts auf die speziellen Verhältnisse vor Ort auch deshalb zu bezweifeln, weil die Anzahl der Pkw bezogen auf die Einwohnerzahl in den Großstädten in der Regel deutlich niedriger als im Bundesschnitt ist. So hat die Stadt Halle (Saale) mit 400 Pkw pro 1.000 Einwohner die geringste „Pkw-Dichte“ aller Landkreise und kreisfreien Städte in Sachsen-Anhalt (vgl. Pressemitteilung des Statistischen Landesamts vom 9. Juli 2021, https://statistik.sachsen-anhalt.de/fileadmin/Bibliothek/Landesaemter/StaLa/startseite/Daten_und_Veroeffentlichungen/Pressemitteilungen/2021/g_juli/219-Pkw-Dichte_2021.pdf, abgerufen am 15. Februar 2022). Zudem könnte der Bedarf an Pkw auch deshalb geringer ausfallen, weil das Vorhabengebäude nur wenige Gehminuten von einer Straßenbahnhaltestelle entfernt liegt. Selbst wenn aber die Zahl der Stellplätze im Verhältnis zur Zahl der von den Bewohnern gehaltenen Pkw zu niedrig sein sollte, würde es sich um eine überschaubare Anzahl „fehlender“ Stellplätze handeln, so dass von einem etwaigen Parkplatzsucherverkehr ein größerer Geräuschpegel nicht ausgehen dürfe. Auch die Zahl der Fälle, in denen es zu Rangierfahrten kommt, weil zwei Fahrzeuge auf dem Zufahrtsweg nicht aneinander vorbeikommen, wird sich im Hinblick auf die zu erwartende Anzahl von Fahrzeugbewegungen in Grenzen halten.
Bei den Geräuschen, die durch die Nutzung der Zufahrt und der Fläche in der Nähe der Stellplätze zum Be- und Entladen, für Möbellieferungen, Wartungs- und Installationsarbeiten, Post und Pakete, ambulante Pflegedienste, Lieferdienste und ähnlichen Verkehr verursacht werden, handelt es sich um Emissionen, die typischerweise mit einem Wohnen im allgemeinen Wohngebiet verbunden und von den Nachbarn grundsätzlich hinzunehmen sind. Im Hinblick auf die überschaubare Zahl der Wohneinheiten, die von entsprechenden An- und Abfahrten betroffen sind, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die angesprochene Nutzung Lärm versursacht, der die Zumutbarkeitsschwelle überschreitet.
Entsprechendes gilt für die Emissionen, die von der Nutzung der Mülltonnen auf dem Vorhabengrundstück ausgehen.
2. Weiter wendet der Antragsteller ein: Das Verwaltungsgericht habe entgegen einem vorherigen Hinweis eine nachbarschützende Funktion der Erschließung, die hier nicht über eine öffentliche Straße, sondern über eine Privatstraße erfolge, verneint. Nachbarn könnten sich jedoch auf das Erfordernis einer gesicherten Erschließung berufen, wenn eine infolge Fehlens der Erschließung rechtswidrige Baugenehmigung für den Nachbarn mit einer unmittelbaren Rechtsverschlechterung in Richtung auf die Duldung eines Notwegerechts bewirke. Der Nachbar müsse sich bereits gegen die Baugenehmigung zur Wehr setzen, wenn er zivilrechtliche Einwände gegen die Inanspruchnahme seines Grundstücks auf der Grundlage von § 917 Abs. 1 BGB erfolgreich geltend machen wolle. Aus den von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen gehe nicht hervor, dass die Beigeladene als Miteigentümerin des Flurstücks … ins Grundbuch eingetragen worden sei. Das Verwaltungsgericht habe ihn daher nicht auf den Zivilrechtsweg verweisen dürfen.
Mit diesem Vorbringen kann sich der Antragsteller nicht mit Erfolg auf eine fehlende Erschließung des Vorhabengrundstücks berufen.
Das planungsrechtliche Erfordernis einer gesicherten Erschließung dient grundsätzlich nur den öffentlichen Interessen und hat keine nachbarschützende Funktion. Ein sich unmittelbar aus der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) ergebendes Abwehrrecht des Nachbarn ist nur für den Fall anerkannt, dass eine rechtswidrige Baugenehmigung dadurch in sein durch Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes Eigentumsrecht eingreift, dass sie infolge Fehlens der Erschließung in Richtung auf die Duldung eines Notwegrechts nach § 917 Abs. 1 BGB eine unmittelbare Rechtsverschlechterung bewirkt (BVerwG, Urteil vom 26. März 1976 – 4 C 7.74 – juris Rn. 20; Beschluss vom 11. Mai 1998 – 4 B 45.98 – juris Rn. 8). Eine solcher Fall liegt nicht vor. Die hier interessierende nördliche Erschließung des Vorhabengrundstücks soll nach den genehmigten Bauunterlagen über die Privatstraße auf dem Flurstück … und über eine Zuwegung auf dem Flurstück … (früher …) erfolgen. Das Flurstück … steht nicht im Eigentum des Antragstellers und kann diesen deshalb nicht in seinem Eigentumsrecht beeinträchtigen. Für die Erforderlichkeit eines Notwegerechts über das Grundstück des Antragstellers (Flurstücke … und …) für die Zuwegung gibt es keinerlei Ansatzpunkte. Sollte die Eigentumsübertragung des Flurstücks … an die Beigeladene – trotz des Verkaufs und trotz der entsprechenden Auflassung vom 12. Oktober 2021 – scheitern oder gescheitert sein (wofür der Antragsteller keinerlei Anhaltspunkte vorgetragen hat), dürfte für ein dann gebotenes Notwegerecht in erster Linie das Flurstück … in Betracht kommen. Aus dem Miteigentum an dem Flurstück … kann der Antragsteller einen Eingriff in Rechte aus Art. 14 Abs. 1 GG nicht ableiten. Die Beigeladene ist (wie sich aus dem von ihr vorgelegten Grundbuchauszug ergibt) ebenfalls Miteigentümerin des Grundstücks und kann – soweit nichts Abweichendes vereinbart ist – gemäß § 743 Abs. 2 BGB den Gebrauch des gemeinschaftlichen Gegenstandes insoweit beanspruchen, als nicht der Mitgebrauch der übrigen Teilhaber beeinträchtigt wird. Anhaltspunkte für eine abweichende Nutzungsvereinbarung, etwa in dem Sinne, dass dem Antragsteller das Recht eingeräumt ist, der Nutzung durch einen anderen Miteigentümer zu widersprechen, sind nicht ersichtlich. Geht man von der Anwendbarkeit des § 743 Abs. 2 BGB aus, gibt es keinen Grund zur Annahme, dass der Antragsteller hinsichtlich des Gebrauchs an dem Privatweg beeinträchtigt sein könnte, wenn der Weg nunmehr auch als Zufahrtsweg zum Vorhabengrundstück genutzt wird. Selbst wenn es zu Nutzungskonflikten kommen sollte, kommen hierfür zivilrechtliche Lösungen, etwa ein Anspruch auf Zustimmung der übrigen Miteigentümer zu einer Verwaltungs- und Benutzungsregelung nach Maßgabe des § 745 Abs. 2 BGB in Betracht, der auch auf Nutzungsentschädigung gerichtet sein kann (vgl. zum Ganzen: BayVGH, Beschluss vom 6. Februar 2017 – 15 ZB 16.398 – juris Rn. 69 m.w.N.). Daher kann von einer „Automatik“ hinsichtlich der Entstehung eines Notwegerechts i.S. des § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB keine Rede sein.
B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden nicht nach § 162 Abs. 3 VwGO als Billigkeitsgründen für erstattungsfähig erklärt, weil die Beigeladene keinen Antrag stellt und sich damit auch keinem Kostenrisiko nach § 154 Abs.3 VwGO ausgesetzt hat.
C. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Der Senat folgt der erstinstanzlichen Entscheidung.
D. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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