Baurecht

Naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht zugunsten einer Gemeinde

Aktenzeichen  14 BV 19.1075

Datum:
1.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NuR – 2021, 497
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BNatSchG § 20 Abs. 2, § 32 Abs. 2, § 33 Abs. 1, § 66
BayNatSchG Art. 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2
BV Art. 3 Abs. 2, Art. 141 Abs. 1
GRCh Art. 17, Art. 51 Abs. 1

 

Leitsatz

Art. 39 BayNatSchG sieht ein naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht nicht allein deshalb vor, weil das verkaufte Grundstück in einem FFH-Gebiet im Sinne der FFH-Richtlinie liegt. Eine Pflicht, ein solches Vorkaufsrecht vorzusehen, folgt insbesondere nicht aus zwingendem Unionsrecht. (Rn. 27 – 29, 52 und 55)
1. Die Klagebefugnis des Erstkäufers ergibt sich aus der privatrechtsgestaltenden Wirkung des Vorkaufsrechtsbescheids, der unter anderem bewirkt, dass der Übereignungsanspruch des Erstkäufers nicht mehr erfüllt werden kann, unabhängig davon, ob es sich bei diesem um eine Privatperson oder eine öffentlich-rechtliche Körperschaft handelt. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach bayerischem Landesrecht kann ein naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht wegen Fehlens einer zwingenden tatbestandlichen Voraussetzung nicht entstehen, wenn keine der in Art. 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1–3 BayNatSchG bezeichneten Fallgruppen gegeben ist. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. Weder aus Bundesrecht noch aus der Bayerischen Verfassung noch aus dem Naturschutzrecht anderer Bundesländer ergeben sich weitergehende Vorgaben für die Ausgestaltung der Vorkaufsregelungen dahingehend, dass auch für FFH-Gebiete naturschutzrechtliche Vorkaufsrechte vorgesehen werden müssten. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Annahme eines naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts aufgrund der Flora-Fauna-Habitat-RL scheitert auch am unionsrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes. Die Ausübung von Vorkaufsrechten stellt nämlich einen Eingriff in das unionsrechtliche Eigentumsgrundrecht des Verkäufers dar und bedarf einer gesetzlichen Grundlage (Rn. 68 – 70) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 19 K 18.472 2018-12-04 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Beigeladene zu 2 trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1, die dieser selbst trägt.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

1. Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung, womit sich alle Beteiligten einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO). Hierfür reicht das persönliche Schreiben des zu 1 beigeladenen Verkäufers aus, ohne dass es insoweit einer Vertretung i.S.v. § 67 Abs. 4 VwGO bedürfte (BVerwG, U.v. 31.1.1969 – IV C 21.65 – juris Rn.10 m.w.N.; HessVGH, U.v. 9.3.2015 – 10 A 1084/14 – juris Rn. 24 ff. m.w.N.).
2. Die zulässige Berufung bleibt in der Sache erfolglos und ist deshalb zurückzuweisen. Das Verwaltungsgericht hat den naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechtsbescheid, den der Beklagte gegenüber dem zu 1 beigeladenen Verkäufer zugunsten der zu 2 beigeladenen Gemeinde erlassen hatte, zurecht aufgehoben. Die dagegen von der städtischen GmbH & Co KG (nachfolgend: Stadtwerke) erhobene Klage ist zulässig (siehe 3.) und begründet (siehe 4. bis 7.).
3. Die Anfechtungsklage ist zulässig, insbesondere sind die klagenden Stadtwerke als Käufer hier aufgrund Art. 39 BayNatSchG klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO).
Zwar können sich kommunale Unternehmen, von deren Anteilen wie hier mehr als 50% von juristischen Personen des öffentlichen Rechts gehalten werden, nicht auf Grundrechte berufen (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 18.8.2020 – 1 BvQ 82/20 – NVwZ 2020, 1500 Rn. 8 ff. m.w.N.), weswegen insbesondere der vertragliche Übereignungsanspruch der klagenden Stadtwerke nicht über Art. 14 GG geschützt ist.
Jedoch ergibt sich die Klagebefugnis schon aus der privatrechtsgestaltenden Wirkung des Vorkaufsrechtsbescheids, der unter anderem bewirkt, dass der vertragliche Übereignungsanspruch des Erstkäufers nicht mehr erfüllt werden kann, und zwar ungeachtet des Umstands, dass der Vorkaufsrechtsbescheid an den zu 1 beigeladenen Verkäufer und nicht an die Stadtwerke als Käufer adressiert ist, sowie unabhängig davon, ob es sich beim betroffenen Erstkäufer um eine Privatperson oder eine öffentlich-rechtliche Körperschaft handelt und ob die Vorschriften über das öffentliche Vorkaufsrecht selbst drittschützend im Sinne der Schutznormtheorie sind (vgl. BVerwG, B.v. 15.2.2000 – 4 B 10.00 – NVwZ 2000, 1044 unter II.1.a) zu §§ 24 ff. BauGB).
Unabhängig davon ist Art. 39 BayNatSchG eine Schutznorm zugunsten des Erstkäufers, weswegen sich die klagenden Stadtwerke jedenfalls auf eine Verletzung dieser einfachgesetzlichen öffentlich-rechtlichen Vorschrift in gleicher Weise wie jeder andere private Käufer eines Grundstücks berufen können (vgl. VGH BW, U.v. 27.10.1999 – 8 S 1281/99 – NVwZ-RR 2000, 761/762 unter 1. zu §§ 24 ff. BauGB).
4. Die Anfechtungsklage ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO begründet, weil der Vorkaufsrechtsbescheid rechtswidrig ist und die dagegen klagenden Stadtwerke in ihren Rechten verletzt. Nach nationalem Recht (siehe 5.) ergibt sich die Rechtswidrigkeit des Vorkaufsrechtsbescheids daraus, dass er einer gesetzlichen Grundlage entbehrt, weil keine der in Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BayNatSchG genannten Tatbestandsvarianten vorliegt, ohne die nach bayerischem Naturschutzrecht kein naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht entstehen kann (siehe 5.1.). Weder aus Bundesrecht noch aus der Bayerischen Verfassung noch aus dem Naturschutzrecht anderer Bundesländer ergeben sich weitergehende Vorgaben für die Ausgestaltung der Vorkaufsrechtsregelungen (siehe 5.2.). Eine analoge Anwendung des Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG über dessen Wortlaut hinaus auf in FFH-Gebieten liegende Grundstücke scheidet nach nationalem Recht aus (siehe 5.3.). Auch der Anwendungsvorrang des Unionsrechts führt zu keinem anderen Ergebnis (siehe 6.). Der somit rechtswidrige Vorkaufsrechtsbescheid verletzt die Stadtwerke als Käufer insbesondere in ihrem einfach-gesetzlichen Abwehrrecht aus Art. 39 BayNatSchG (siehe 7.).
5. Nach nationalem Recht ist der Vorkaufsrechtsbescheid mangels gesetzlicher Grundlage rechtswidrig.
5.1. Der Vorkaufsrechtsbescheid findet keine Grundlage in Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BayNatSchG – keine der dort genannten Tatbestandsvarianten liegt vor, wobei nach bayerischem Landesrecht ein naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht wegen Fehlens einer zwingenden tatbestandlichen Voraussetzung nicht entstehen kann, wenn keine der in Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BayNatSchG bezeichneten Fallgruppen gegeben ist.
Art. 39 BayNatSchG knüpft ein naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht an mehrere kumulative Voraussetzungen. Gemäß Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG besteht eine dieser kumulativen Voraussetzungen darin, dass das jeweils betroffene Grundstück – oder zumindest ein Teil des Grundstücks (vgl. Art. 39 Abs. 1 Satz 3 und 4 BayNatSchG) – zumindest eine der in Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BayNatSchG genannten Besonderheiten aufweist, nämlich dass entweder ein oberirdisches Gewässer auf dem Grundstück liegt oder daran angrenzt i.S.v. Nummer 1 oder das Grundstück im Naturschutzgebiet oder Nationalpark i.S.v. Nummer 2 oder auf dem Grundstück ein Naturdenkmal oder ein geschützter Landschaftsbestandteil i.S.v. Nummer 3 liegt. An den bloßen Umstand des Biotopschutzes gemäß § 30 BNatSchG knüpft Art. 39 Abs. 1 BayNatSchG kein naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht. Hier ist unstreitig zum maßgeblichen Zeitpunkt der Vorkaufsrechtsausübung (vgl. BayVGH, U.v. 1.10.2019 – 14 BV 17.419 – NVwZ-RR 2020, 593 Rn. 35 m.w.N.) keine der Tatbestandsvarianten des Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BayNatSchG erfüllt.
Der unstreitige Umstand, dass die drei hier verkauften Grundstücke im FFH-Gebiet „Innauen und Leitenwälder“ liegen, erfüllt als solcher keine der drei besagten Fallgruppen des Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BayNatSchG. Es ist auch sonst im bayerischen Landesrecht kein naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht allein deshalb vorgesehen, weil das jeweils verkaufte Grundstück in einem Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung (FFH-Gebiet) i.S.v. § 1 Nr. 1 i.V.m. Anlage 1 der Bayerischen Verordnung über die Natura 2000-Gebiete (Bayerische Natura 2000-Verordnung – BayNat2000V) liegt.
5.2. Weder aus Bundesrecht (siehe 5.2.1.) noch aus der Bayerischen Verfassung (siehe 5.2.2.) noch aus dem Naturschutzrecht anderer Bundesländer (siehe 5.2.3.) ergeben sich weitergehende Vorgaben für die Ausgestaltung der Vorkaufsrechtsregelung in Bayern dahingehend, dass auch für FFH-Gebiete naturschutzrechtliche Vorkaufsrechte vorgesehen werden müssten. Deshalb bleibt es dabei, dass der Vorkaufsrechtsbescheid mangels Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BayNatSchG nach bayerischem Recht rechtswidrig ist.
5.2.1. In den bundesrechtlichen Vorschriften zur Unterschutzstellung von (in Umsetzung der FFH-Richtlinie) gelisteten FFH-Gebieten (§ 32 Abs. 2 i.V.m. § 20 Abs. 2 BNatSchG) findet sich gerade keine direkte Vorgabe, FFH-Gebiete mittels naturschutzrechtlicher Vorkaufsrechte zu schützen.
Der Bundesgesetzgeber hat sich in § 32 Abs. 2 BNatSchG dagegen entschieden, schematisch für FFH-Gebiete einen speziellen Schutzgebietstypus zu schaffen. Vielmehr ordnet er – vorbehaltlich § 32 Abs. 4 BNatSchG, vor dessen Hintergrund die anderweitige Unterschutzstellung nach § 1 Nr. 1 BayNat2000V (i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Satz 2 BayNatSchG) zu sehen ist (BayVGH, U.v. 28.7.2016 – 14 N 15.1870 – BayVBl 2017, 125 Rn. 61) – an, dass gelistete FFH-Gebiete zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft i.S.v. § 20 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 BNatSchG zu erklären sind, und zwar „entsprechend den jeweiligen Erhaltungszielen“, die sich in Bayern aus Anlage 1a der Bayerischen Natura 2000-Verordnung ergeben (vgl. § 1 Nr. 1 BayNat2000V). Damit wird bundesrechtlich eine Palette möglicher Schutztypen zur Verfügung gestellt, was den hierfür verantwortlichen Stellen eine situationsgerechte Auswahl für ihre bundesrechtlich vorgesehenen Schutzerklärungen ermöglicht.
Innerhalb dieser Palette zur Auswahl stehender Schutztypen – von denen sich nicht alle für einen „Gebietsschutz“ eignen (vgl. BayVGH, U.v. 28.7.2016 – 14 N 15.1870 – BayVBl 2017, 125 Rn. 77 ff.) – sieht § 32 Abs. 2 i.V.m. § 20 Abs. 2 BNatSchG mit Nummer 2 (bezüglich des Nationalen Naturmonuments), Nummer 3 (Biosphärenreservat), Nummer 4 (Landschaftsschutzgebiet) und Nummer 5 (Naturpark) Schutztypen vor, die nach Art. 39 BayNatSchG nicht zu einem naturschutzrechtlichen Vorkaufsrecht führen können (siehe 5.1.).
Aus § 66 BNatSchG ergibt sich insoweit nichts Anderes. Im Bereich des Naturschutzrechts hat der Landesgesetzgeber gemäß Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Satz 3 i.V.m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG die Möglichkeit, von Bundesrecht abzuweichen, soweit es insbesondere nicht um die allgemeinen Grundsätze des Naturschutzes geht (vgl. Art. 72 Abs. 3 Satz 1 GG). Außerdem lässt speziell für das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht § 66 Abs. 5 BNatSchG abweichende Vorschriften der Länder unberührt, wovon mit Art. 39 BayNatSchG gegenüber § 66 BNatSchG vollumfänglich Gebrauch gemacht worden ist (Regierungsentwurf zu Art. 39 BayNatSchG, LT-Drs. 16/5872 S. 28), sodass es vorliegend – abgesehen von dem Umstand, dass § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BNatSchG ebenfalls kein Vorkaufsrecht für Grundstücke in FFH-Gebieten als solche vorsehen – auf die im Detail bestehenden Unterschiede zwischen Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BayNatSchG einerseits und § 66 BNatSchG andererseits nicht ankommt. Dabei sieht auch § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BNatSchG (nicht anders als Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BayNatSchG) gerade nicht für alle der in § 20 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 BNatSchG genannten möglichen Schutztypen ein naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht vor, sondern nur für die in § 20 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 6 BNatSchG genannten.
Angesichts dieses Befunds ist keine bundesrechtliche Vorschrift ersichtlich, die der in Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BayNatSchG vorgenommenen Eingrenzung auf die dort abschließend genannten Vorkaufsrechtskonstellationen entgegenstehen würde.
5.2.2. Aus der Bayerischen Verfassung ergibt sich ebenfalls keine Vorgabe, dass FFH-Gebiete einem naturschutzrechtlichen Vorkaufsrecht zu unterliegen hätten.
Insbesondere lässt sich Derartiges nicht der in Art. 3 Abs. 2 BV i.V.m. Art. 141 Abs. 1 und 2 BV enthaltenen Staatszielbestimmung des Umweltschutzes, welche den Natur- und Landschaftsschutz umfasst (BayVerfGH, E.v. 15.7.2002 – Vf. 10-VII-00 u.a. – VerfGHE 55, 98/119), entnehmen, und zwar weder als Vorgabe für den Gesetzgeber noch (erst recht) nicht als mögliche Rechtsgrundlage für Vorkaufsrechtsausübungen der Verwaltung.
Zwar enthalten Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Art. 141 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 BV nicht nur Programmsätze, sondern – auch für den Gesetzgeber bindendes (BayVerfGH, E.v. 15.7.2002 a.a.O.) – objektives Verfassungsrecht, das durch Bundesrecht insoweit nicht verdrängt wird, als dieses dem landesgesetzlichen Normgeber – wie in § 66 Abs. 5 BNatSchG – einen Rahmen für verschiedene Lösungen belässt (vgl. BayVerfGH, E.v. 18.2.2016 – Vf. 5-VII-14 – VerfGHE 69, 52 Rn. 83 m.w.N.).
Jedoch sind zur Verwirklichung des Staatsziels Umweltschutz durch den Normgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums vielfältige Gewichtungen, Abwägungen und Konkretisierungen erforderlich (BayVerfGH, E.v. 15.7.2002 – Vf. 10-VII-00 u.a. – VerfGHE 55, 98/120), was gegen eine unmittelbare Verfassungsvorgabe aus Art. 3, 141 BV hinsichtlich derartiger Vorkaufsrechte spricht.
5.2.3. Schließlich ist jedenfalls nach nationalem Recht (zur unionsrechtlichen Seite siehe 6.1.4.) der seitens der zu 2 beigeladenen Gemeinde betonte Umstand, dass andere Bundesländer naturschutzrechtliche Vorkaufsrechte bereits an die Belegenheit in FFH-Gebieten als solche knüpfen, nicht geeignet, dem streitgegenständlichen Vorkaufsrechtsbescheid zu einer gesetzlichen Grundlage zu verhelfen. Denn der bayerische Landesgesetzgeber hat eine derartige Erweiterung gerade nicht vorgesehen. Im föderalen Bundesstaat ist ein Bundesland – abgesehen von staatsvertraglichen Konstellationen, um die es hier nicht geht – nicht an das Recht anderer Bundesländer, sondern nur an die eigene Landesverfassung, höherrangiges abweichungsfestes Bundesrecht und unionsrechtliche Vorgaben gebunden (Art. 23, 28 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, Art. 30 GG).
5.3. Eine analoge Anwendung des Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG über dessen Wortlaut hinaus auf in FFH-Gebieten liegende Grundstücke scheidet im Bereich des nationalen Rechts aus drei jeweils voneinander unabhängigen Gründen aus, (1.) weil damit gegen das im Bereich der Eingriffsverwaltung (hier jedenfalls im Verhältnis zum privaten Verkäufer) geltende verfassungsrechtliche Analogieverbot verstoßen würde (siehe 5.3.1.), (2.) weil selbst bei Annahme einer vom Gesetzgeber „nicht beabsichtigten Lücke“ im Gesetz die Belegenheit im FFH-Gebiet als solche nach § 32 Abs. 2, § 20 Abs. 2 BNatSchG gerade noch nicht zu einer „vergleichbaren Interessenlage“ führt (5.3.2.) und (3.) weil (im Fall einer versehentlichen Lücke) jedenfalls nicht feststellbar wäre, welche Regelung der Gesetzgeber getroffen haben würde, wenn er den zu regelnden Sachverhalt bedacht hätte (siehe 5.3.3.).
5.3.1. Eine analoge Anwendung des Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG allein wegen Belegenheit in einem FFH-Gebiet würde dem Vorbehalt und dem Vorrang des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) jedenfalls hinsichtlich des Eingriffs in die Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) des zu 1 beigeladenen Verkäufers nicht genügen.
Die Vorkaufsrechtsausübung stellt vorliegend jedenfalls hinsichtlich des zu 1 beigeladenen Verkäufers einen Eingriff in dessen Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Schon wegen dieser Grundrechtsrelevanz jedenfalls im Verhältnis zum Verkäufer gebietet das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in seiner Ausprägung als Vorbehalt des Gesetzes (vgl. Sachs in Sachs, Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 20 Rn. 113 m.w.N.), dass ein naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht nur aufgrund einer gesetzlichen Rechtsgrundlage entstehen kann. Zum gleichen Ergebnis führt der Vorrang des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG), weil bei einer analogen Anwendung auch die Gefahr einer Umgehung der gesetzlichen, in Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BayNatSchG genannten tatbestandlichen Voraussetzungen drohen würde.
Nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung bedarf ein gegenüber den Vertragsparteien eines Grundstückskaufvertrags hoheitlich erzwungener „Austausch“ der Kaufvertragspartei als Eingriff in die Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG; hier jedenfalls des privaten Verkäufers, siehe oben) einer gesetzlichen Grundlage. Art. 20 Abs. 3 GG (Rechtsstaatsprinzip) und damit insbesondere der Vorbehalt des Gesetzes erfordern dabei, dass Ermächtigungen der Exekutive zur Vornahme belastender Verwaltungsakte nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß im ermächtigenden Gesetz (Befugnisnorm) bestimmt und begrenzt sind; die Eingriffe müssen für den Einzelnen in gewissem Umfang vorhersehbar und berechenbar sein (BayVGH, U.v. 23.2.2016 – 10 BV 14.2353 – VGH n.F. 69, 27 Rn. 21 m.w.N.). Dieser im Bereich der Eingriffsverwaltung allgemein geltende Grundsatz dient auch dem Schutz der durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten allgemeinen Handlungsfreiheit. Gegen diese Anforderungen verstößt es, eine fehlende gesetzliche Grundlage im Wege einer Analogie zu gewinnen, d.h. hier ein naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht durch belastenden Verwaltungsakt im Wege der analogen Anwendung von Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BayNatSchG zu ermöglichen (vgl. BVerfG, B. v. 14.8.1996 – 2 BvR 2088/93 – NJW 1996, 3146 zur analogen Anwendung einer Aufrechnungsvorschrift gegenüber einem Strafgefangenen; BayVGH, U.v. 23.2.2016 – 10 BV 14.2353 – VGH n.F. 69, 27 Rn. 21). Angesichts der besagten rechtsstaatlichen Anforderungen (Art. 20 Abs. 3 GG) an eine gesetzliche Grundlage für Grundrechtseingriffe hat vielmehr der Gesetzgeber selbst abzugrenzen, welche Bereiche der Rechtssphäre des Individuums einer staatlichen Eingriffsmöglichkeit unterliegen sollen und Inhalt, Zweck und Ausmaß der möglichen Eingriffe zu bestimmen (BayVGH, U.v. 23.2.2016 a.a.O. m.w.N.). Der Umstand, dass der bayerische Landesgesetzgeber bislang keine ausdrückliche Ermächtigung für die hier vorliegende Konstellation geschaffen hat, schließt deshalb nach nationalem Recht eine im Wege der Analogie begründete Vorkaufsrechtsausübung und den damit verbundenen Eingriff der Exekutive jedenfalls in grundrechtliche Positionen des zu 1 beigeladenen Verkäufers aus.
Daran ändert es nichts, dass sich hier der Käufer (Stadtwerke) als kommunales Unternehmen nicht auf Grundrechte berufen kann und dass regelmäßig die Vorkaufsrechtsausübung den Käufer stärker treffen wird als den Verkäufer, weil dieser – anders ist dies allerdings im Fall einer sog. limitierten Vorkaufsrechtsausübung gemäß Art. 39 Abs. 8 Satz 1 BayNatSchG – zumindest den Kaufpreis (vom Vorkaufsrechtsbegünstigten) erhält. Denn für die Auslösung der Anforderungen des Vorbehalts des Gesetzes genügt es jedenfalls, dass auch der Verkäufer sich gerade den Käufer und eben nicht den Vorkaufsrechtsausübenden als Vertragspartner ausgesucht hat, weswegen die Vorkaufsrechtsausübung jedenfalls im Hinblick auf den damit verbundenen Eingriff in die Vertragsfreiheit des Verkäufers nicht ohne eine entsprechende gesetzliche Grundlage zulässig ist.
Offen lässt der Senat – angesichts des hinsichtlich des Verkäufers ohnehin unzweifelhaften, dem Vorbehalt des Gesetzes unterfallenden Grundrechtseingriffs – die Frage, inwieweit im Hinblick auf die Stadtwerke als Käufer der Vorbehalt des Gesetzes auch einschlägig ist, wenn Rechtspositionen mangels Grundrechtsfähigkeit der jeweils Betroffenen nicht vom Grundrechtsschutz umfasst sind (vgl. Sachs in Sachs, Grundgesetz, Art. 20 Rn. 114 m.w.N.), sodass auch nicht geklärt werden muss, ob die privatrechtsgestaltende Wirkung des Vorkaufsrechtsbescheids hinsichtlich des vertraglichen Übereignungsanspruchs des Erstkäufers oder der mit der Vorkaufsrechtsausübung verbundene Eingriff in das „einfach-gesetzliche“ subjektive öffentliche Recht aus Art. 39 BayNatSchG der Stadtwerke als Käufer (siehe 2.) für sich betrachtet den Vorbehalt des Gesetzes gemäß Art. 20 Abs. 3 GG auslösen, obwohl die Stadtwerke selbst nicht der formale Adressat des Vorkaufsrechtsbescheids sind.
5.3.2. Unabhängig von dieser verfassungsrechtlich bedingten Unzulässigkeit einer Analogie jedenfalls zu Lasten des zu 1 beigeladenen Verkäufers (siehe 5.3.1.) scheidet eine analoge Anwendung von Art. 39 BayNatSchG auch deshalb aus, weil die für eine Analogie erforderliche vergleichbare Interessenlage nicht besteht, und zwar selbst dann nicht, wenn mit der Berufungsbegründung eine planwidrige Regelungslücke – entgegen dem Verwaltungsgericht (UA S. 12 f.) – angenommen wird.
Eine Analogie setzt – wie jede Art der gesetzesimmanenten richterlichen Rechtsfortbildung – nicht nur eine „Regelungslücke“ im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus, sondern darüber hinaus auch eine „vergleichbare Sach- und Interessenlage“ (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 6.11.2014 – 5 C 36.13 – NVwZ-RR 2015, 428 Rn. 22 m.w.N.; BayVGH, U.v. 23.2.2016 – 10 BV 14.2353 – VGH n.F. 69, 27 Rn. 20, 23 ff., 26 ff.).
Die vorkaufsrechtliche Lage ist dabei im Kontext des Gesamtkonzepts zu sehen, mit dem der Bundesgesetzgeber in § 32 BNatSchG den Schutz gelisteter FFH-Gebiete geregelt hat (siehe 5.2.1.). Wegen § 32 Abs. 2 i.V.m. § 20 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 BNatSchG ist die Interessenlage bei der Einräumung naturschutzrechtlicher Vorkaufsrechte wegen Belegenheit im FFH-Gebiet „als solcher“ mit der Interessenlage in den von Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BayNatSchG genannten Vorkaufsrechtsfallgruppen gerade nicht vergleichbar. Wie gezeigt (siehe 5.2.1.) gibt es in Deutschland gerade keine pauschale Schutzkategorie „FFH-Gebiet“ als solche und ist mit der Einstufung als FFH-Gebiet der jeweils zugehörige Schutztypus gerade noch nicht bestimmt, sondern vielmehr – vorbehaltlich § 32 Abs. 4 BNatSchG – von den dazu berufenen Stellen noch aus der Palette des § 20 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 BNatSchG ein jeweils passender Schutztypus auszuwählen, und zwar „entsprechend den jeweiligen Erhaltungszielen“ (§ 32 Abs. 2 BNatSchG). Weil aber gerade nicht für alle, sondern nur für einen Teil der in § 20 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 BNatSchG genannten Schutztypen ein naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht in Art. 39 BayNatSchG (i.V.m. § 66 Abs. 5 BNatSchG) vorgesehen ist, führt der Umstand der Belegenheit in einem FFH-Gebiet gerade noch nicht zu einer vergleichbaren Interessenlage. Vielmehr wird eine Vergleichbarkeit erst nach (pflichtgemäßer) Einordnung des jeweiligen FFH-Gebiets in den Katalog des § 20 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 BNatSchG möglich. Mit der Auswahl eines Schutztyps entfällt aber sogleich jegliches Analogiebedürfnis, weil dann völlig klar ist, ob ein nach Art. 39 BayNatSchG vorkaufsrechtsfähiger Schutztypus vorliegt oder nicht.
5.3.3. Unabhängig von der rechtsstaatlichen Unzulässigkeit einer Analogie zu Lasten des zu 1 beigeladenen Verkäufers (siehe 5.3.1.) und der nicht vergleichbaren Interessenlage (siehe 5.3.2.) scheidet eine analoge Anwendung von Art. 39 BayNatSchG schließlich auch deshalb aus, weil – selbst dann, wenn mit der Berufungsbegründung eine planwidrige Regelungslücke angenommen wird – jedenfalls nicht feststellbar wäre, welche Regelung der Gesetzgeber getroffen haben würde, wenn er die Frage von Vorkaufsrechten allein wegen Belegenheit im FFH-Gebiet bedacht hätte (BVerwG, U.v. 13.12.1978 – 6 C 46.78 – BVerwGE 57, 183/186 m.w.N.).
Daran mangelt es vorliegend, weil sich der mutmaßliche Wille des Gesetzgebers hinsichtlich naturschutzrechtlicher Vorkaufsrechte allein wegen Belegenheit im FFH-Gebiet insbesondere aus den spezifischen Erwägungen im Gesetzgebungsverfahren, etwa denjenigen zu Art. 39 BayNatSchG (LT-Drs. 16/5872 S. 28; siehe 5.3.2. a.E.), nicht eindeutig ablesen lässt. Es kann weder eindeutig gesagt werden, dass – wenn das Thema im bayerischen Gesetzgebungsverfahren näher diskutiert worden wäre – der bayerische Gesetzgeber auf ein naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht allein wegen Belegenheit im FFH-Gebiet verzichtet hätte (siehe 5.3.2.), noch ob er ähnliche Erwägungen wie die in der Berufungsbegründung betonten Erwägungen in anderen Bundesländern angestellt hätte. Dabei ist zu sehen, dass selbst bei grundsätzlicher Entscheidung für ein naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht allein wegen Belegenheit im FFH-Gebiet dem Gesetzgeber nach nationalem Recht (§ 66 Abs. 5 BNatSchG) noch viele Regelungsvarianten im Detail offen gestanden hätten, beispielsweise ob dies „pauschal“ für sämtliche gelisteten FFH-Gebiete oder nur für FFH-Gebiete mit „prioritären“ Arten und/oder Lebensräumen (vgl. etwa Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 FFH-Richtlinie) erfolgt.
6. Das nach nationalem Recht gefundene Ergebnis, dass der Vorkaufsrechtsbescheid mangels gesetzlicher Grundlage rechtwidrig ist, ist nicht mit Rücksicht auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts zu modifizieren.
Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts – insbesondere des Art. 6 FFH-Richtlinie – führt nicht dazu, dass in Bayern über den in Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BayNatSchG vorgesehenen Kreis von Vorkaufsrechtskonstellationen hinaus naturschutzrechtliche Vorkaufsrechte entstehen könnten (im Ergebnis ebenso: Fischer-Hüftle in Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt/Mühlbauer, BayNatSchG, Stand: Oktober 2020, Art. 39 Rn. 8; Gellermann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: August 2020, § 66 BNatSchG Rn. 6; Kraft in Lütkes/Ewer, BNatSchG, 2. Aufl. 2018, § 66 Rn. 5; Sauthoff in Schlacke, GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 66 Rn. 7; a.A. Konrad in Lorz/Konrad/Mühlbauer/Müller-Walter/Stöckel, BNatSchG, 3. Aufl. 2013, § 66 Rn. 12; VG München, U.v. 15.9.2009 – M 1 K 09.2240 – juris Rn. 20, allerdings lediglich in einem obiter dictum).
Dies ergibt sich aus zwei voneinander unabhängigen Erwägungen.
Zum einen verpflichtet die FFH-Richtlinie die Mitgliedstaaten von vornherein weder, die Ziele der FFH-Richtlinie mittels naturschutzrechtlicher Vorkaufsrechte zu verfolgen, noch dazu, jedes FFH-Gebiet in gleicher Weise zum Gegenstand möglicher naturschutzrechtlicher Vorkaufsrechte zu machen, wobei der bundesrechtliche Grundansatz, der für gelistete FFH-Gebiete eine Palette möglicher Schutzgebietstypen für naturschutzrechtliche Vorkaufsrechte zur Verfügung stellt (§ 32 Abs. 2 i.V.m. § 20 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 BNatSchG), nicht in Konflikt mit der FFH-Richtlinie steht (siehe 6.1.). Zum anderen würde jedenfalls – selbst dann, wenn man annehmen wollte, die FFH-Richtlinie gebe den Mitgliedstaaten vor, in FFH-Gebieten naturschutzrechtliche Vorkaufsrechte vorzusehen – wegen des mit der Vorkaufsrechtsausübung verbundenen Eingriffs in Unionsgrundrechte (hier jedenfalls des privaten Verkäufers) der Erlass eines Vorkaufsrechtsbescheids ohne ein explizites mitgliedstaatliches Umsetzungsgesetz wegen des unionsrechtlichen Vorbehalts des Gesetzes ausscheiden (siehe 6.2.).
6.1. Die FFH-Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten weder dazu, überhaupt naturschutzrechtliche Vorkaufsrechte für FFH-Gebiete vorzusehen, noch dazu – ist ein solches Vorkaufsrecht als solches einmal eingeführt -, dieses Vorkaufsrecht einheitlich auf alle FFH-Gebiete zu erstrecken.
6.1.1. Ausgangspunkt ist der Wortlaut der FFH-Richtlinie, wo der Begriff des Vorkaufsrechts nicht erwähnt, geschweige denn eine mitgliedstaatliche Pflicht zur Vorkaufsrechtsbegründung explizit aufgestellt wird.
Vielmehr bestimmt Art. 6 FFH-Richtlinie abstrakter, dass die Mitgliedstaaten die „nötigen Erhaltungsmaßnahmen“ festlegen (Art. 6 Abs. 1 FFH-Richtlinie) und die „geeigneten Maßnahmen“ zur Vermeidung von Verschlechterungen und Störungen mit erheblichen Auswirkungen treffen (Art. 6 Abs. 2 FFH-Richtlinie). Dabei ist zu den Modalitäten der Durchführung derartiger Schutzregelungen geklärt, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, hierzu alle erforderlichen Durchführungsmaßnahmen zu ergreifen (EuGH, U.v. 14.9.2006 – C-244/05 – ECLI:ECLI:EU:C:2006:579 Rn. 49).
6.1.2. Zwar bezweifelt der Senat – anders als das Verwaltungsgericht (UA S. 9 letzter Absatz) – nicht, dass auch naturschutzrechtliche Vorkaufsrechte geeignet sein könnten, zur Erfüllung der Ziele der FFH-Richtlinie beizutragen und sich durchaus in das Schutzregime der Richtlinie (insbesondere Art. 6 FFH-Richtlinie) einfügen könnten.
Jedoch gibt die FFH-Richtlinie die konkrete Ausgestaltung der Mittel, mit denen die Richtlinienziele verfolgt werden, dem innerstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten gerade nicht vor (EuGH, U.v. 14.9.2006 – C-244/05 – ECLI:ECLI:EU:C:2006:579 Rn. 49 f.). Außerdem ist zu sehen, dass gerade unter Effektivitätsgesichtspunkten mit der bloß normativen Schaffung des Instituts eines naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts in FFH-Fällen noch nicht viel gewonnen wäre, sondern die eigentliche unionsrechtliche Schwierigkeit im Folgeproblem liegt, ob und inwieweit die zwecks Umsetzung unionsrechtlich verbindlicher Vorgaben zum Vorkauf berechtigten Stellen dann – anders als nach der Fassung des Art. 39 BayNatSchG, wonach Ermessen besteht – aus unionsrechtlichen Gründen verpflichtet sein könnten, derartige Vorkaufsrechte auch auszuüben, was unter haushalterischen Gesichtspunkten problematisch werden könnte und insbesondere dann, wenn mangels Haushaltsmitteln für alle Verkäufe ökologisch wertvoller Grundstücke vom Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht werden soll, entsprechende gesetzliche Regelungen erforderlich machen könnte, für die aber jedenfalls in der FFH-Richtlinie nicht ansatzweise unionsrechtliche Vorgaben ersichtlich sind.
6.1.3. Daran ändert es – entgegen der Einschätzung der Berufungsbegründung – auch nichts, dass die innerstaatlichen Verfahrensmodalitäten für FFH-Gebiete „nicht ungünstiger“ sein dürfen als die, die für „gleichartige“ innerstaatliche Situationen gelten (EuGH, U.v. 14.9.2006 – C-244/05 – ECLI:ECLI:EU:C:2006:579 Rn. 50).
Denn auch unionsrechtlich muss insoweit die vorkaufsrechtliche Lage im Kontext des Gesamtkonzepts gesehen werden, mit dem der Bundesgesetzgeber die Vorgaben der FFH-Richtlinie umgesetzt hat (siehe dazu 5.2.1. und 5.3.2.), wonach – vorbehaltlich § 32 Abs. 4 BNatSchG – gelistete FFH-Gebiete einem naturschutzrechtlichen Vorkaufsrecht nur unterliegen, wenn „entsprechend den jeweiligen Erhaltungszielen“ (§ 32 Abs. 2 BNatSchG) innerhalb des Schutztypkatalogs des § 20 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 BNatSchG einer derjenigen möglichen Schutztypen gewählt wird, für den ein naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht gesetzlich vorgesehen ist (vgl. § 20 Abs. 2 Nr. 1, 2 [bezüglich des Nationalparks], 6 und 7 BNatSchG i.V.m. Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BayNatSchG; siehe 5.1. und 5.2.1.).
Diese differenzierte bundesrechtliche Herangehensweise steht in Einklang mit den Vorgaben der FFH-Richtlinie, zumal auch die FFH-Richtlinie selbst sehr wohl verschiedene Grade von ökologischen Schutzwürdigkeiten kennt und dies besonders deutlich dadurch zum Ausdruck bringt, dass bestimmte Arten und/oder Lebensräume als „prioritär“ bezeichnet werden (vgl. die in Anhang I und II der FFH-Richtlinie jeweils mit dem Zeichen „*“ gekennzeichneten Arten bzw. Lebensräume), woran wiederum andere Regelungen anknüpfen (vgl. Art. 4 Abs. 4 und Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 FFH-Richtlinie).
Angesichts der besagten nicht-schematischen Herangehensweise des Bundesgesetzgebers kann nicht die Rede davon sein, die in Bayern auf FFH-Gebiete anwendbaren Regelungen gemäß §§ 32, 20 BNatSchG, Art. 20 BayNatSchG seien „ungünstiger“ als für „gleichartige innerstaatliche Situationen“. Wird etwa ein gelistetes FFH-Gebiet in Form eines Naturschutzgebiets (§ 20 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG) unter Schutz gestellt, bewirkt dies – wie bei jedem anderen Naturschutzgebiet – ein mögliches Vorkaufsrecht gemäß Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayNatSchG; wird dagegen zwecks FFH-Schutzes ein Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen (§ 20 Abs. 2 Nr. 4 BNatSchG), bewirkt dies als solches ebenso wenig ein naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht gemäß Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG wie bei jedem anderen Landschaftsschutzgebiet.
„Ungünstiger“ wäre die vom Bundesgesetzgeber gewählte nationale Regelung etwa dann, wenn ein für ein FFH-Gebiet gewählter Schutztypus (§ 20 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 i.V.m. § 32 Abs. 2 BNatSchG) weniger gut mit naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechten versehen wäre als bei Wahl desselben Schutztyps ohne FFH-Anlass, etwa wenn in zwecks FFH-Schutz festgesetzten Naturschutzgebieten – abweichend von sonstigen Naturschutzgebieten – kein Vorkaufsrecht bestünde. Derartiges ist aber weder nach Bundesrecht noch nach bayerischem Landesrecht der Fall (vgl. § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG und Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayNatSchG).
6.1.4. Angesichts der dargestellten Unionsrechtslage (siehe 6.1.1. bis 6.1.3.) erweisen sich die von der zu 2 beigeladenen Gemeinde betonten entsprechenden Regelungen in anderen Bundesländern als landespolitische Entscheidungen der dortigen Gesetzgeber für eine nach Unionsrecht denkbare Option (siehe 6.1.2.), nicht aber als Umsetzung einer für die Mitgliedstaaten sowie alle Landesgesetzgeber und -verwaltungen zwingenden unionsrechtlichen Verpflichtung, für sämtliche FFH-Gebiete naturschutzrechtliche Vorkaufsrechte vorzusehen. Auch aus dem Unionsrecht ergibt sich deshalb für die Verwaltung keine Befugnis zur Ausübung eines in Art. 39 BayNatSchG nicht vorgesehenen naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts (zum nationalen Recht siehe 5.).
6.1.5. Der Senat verkennt nicht die vorliegende Besonderheit, dass im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Vorkaufsrechtsausübung zwar einerseits das Gebiet, in dem die verkauften Grundstücke liegen, als FFH-Gebiet gelistet war (vgl. Anlagen 1, 1a i.V.m. § 1 Nr. 1 BayNat2000V) und in der naturschutzfachlichen Stellungnahme vom 6. Dezember 2017 für ökologisch hochwertig gehalten wurde, dass jedoch andererseits eine Unterschutzstellung gemäß § 32 Abs. 2 BNatSchG in den von § 20 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 BNatSchG eröffneten Formalternativen (seinerzeit) nicht erfolgt war. Dass weder ein Naturschutzgebiet (§ 20 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG) noch ein Nationalpark (§ 20 Abs. 2 Nr. 2 BNatSchG) noch ein Naturdenkmal (§ 20 Abs. 2 Nr. 6 BNatSchG) oder geschützter Landschaftsbestandteil (§ 20 Abs. 2 Nr. 7 BNatSchG), die nach Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG ein naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht hätten begründen können, gegeben ist, liegt mithin nicht an einer Auswahlentscheidung i.S.v. § 32 Abs. 2 i.V.m. § 20 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 BNatSchG, sondern gerade am Unterlassen einer solchen Auswahl.
Zwar wirft dies an sich die Frage auf, ob vorliegend die FFH-Richtlinie eine förmliche Unterschutzstellung des gelisteten FFH-Gebiets in Form eines der in § 20 Abs. 2 BNatSchG vorgesehenen Schutztypen geboten hätte oder ob dies gemäß § 32 Abs. 4 BNatSchG, Art. 20 Abs. 1 Satz 2 BayNatSchG (siehe 5.2.1.) unterbleiben konnte. Jedoch ist dieser Problematik im Kontext des vorliegenden Streitgegenstands, der allein die Vorkaufsrechtsausübung betrifft, nicht nachzugehen, weil auch insoweit das vorliegende FFH-Gebiet nicht anders behandelt wird als jedes andere nicht besonders unter Schutz gestellte Gebiet, bei dem sich deshalb mangels Unterschutzstellung und mangels anderweitiger Vorkaufsrechtssituationen i.S.v. Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG kein naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht ergibt. Bereits Letzteres führt nämlich dazu, dass das vorliegende FFH-Gebiet hinsichtlich etwaiger naturschutzrechtlicher Vorkaufsrechte jedenfalls nicht „ungünstiger“ (siehe 6.1.3. zu EuGH, U.v. 14.9.2006 – C-244/05 – ECLI:ECLI:EU:C:2006:579 Rn. 50) behandelt würde als sonstige Gebiete, bei denen eine zum Vorkaufsrecht führende Unterschutzstellung – aus welchen Gründen auch immer – nicht erfolgt ist, und ist deshalb aus unionsrechtlicher Sicht nicht geeignet, abweichend vom nationalen Recht (siehe 5.) ein naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht zu begründen.
6.2. Unabhängig davon, dass es schon an einer zwingenden unionsrechtlichen Vorgabe fehlt, für alle FFH-Gebiete naturschutzrechtliche Vorkaufsrechte vorzusehen (siehe 6.1.), scheitert die Annahme eines Vorkaufsrechts aufgrund der FFH-Richtlinie auch am unionsrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes. Die Ausübung von naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechten stellt nämlich jedenfalls einen Eingriff in das unionsrechtliche Eigentumsgrundrecht des Verkäufers aus Art. 17 Satz 1 i.V.m. Art. 51 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Unionsgrundrechtecharta – EU-GR-Charta) dar (siehe 6.2.1.) und bedarf gemäß Art. 17 Satz 3 EU-GR-Charta einer gesetzlichen Grundlage, die vorliegend gerade fehlt, was auch bei der Frage der Anwendung von Richtlinien zu beachten ist (6.2.2.).
Angesichts dieses Grundrechtseingriffs würde selbst dann, wenn man abweichend von der Einschätzung des Senats (siehe 6.1.) zugunsten der zu 2 beigeladenen Gemeinde eine mitgliedstaatliche Pflicht zur Schaffung eines naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts annehmen wollte, dies keinesfalls ermöglichen, einen derartigen Grundrechtseingriff auf der Grundlage des Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BayNatSchG – der gerade keine entsprechende Regelung für FFH-Gebiete enthält (siehe 5. zum nationalen Recht) – vorzunehmen, und zwar weder im Wege einer unionsrechtskonformen Auslegung von bzw. einer Rechtsfortbildung oder einer Analogie zu Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG (siehe 6.2.3.) noch aufgrund einer unmittelbaren Wirkung der FFH-Richtlinie (siehe 6.2.4.).
6.2.1. Die streitgegenständliche Vorkaufsrechtsausübung stellt einen Eingriff in das unionsrechtliche Eigentumsgrundrecht des Verkäufers aus Art. 17 Satz 1 EU-GR-Charta dar, und zwar in Gestalt einer Nutzungsregelung i.S.v. Art. 17 Satz 3 EU-GR-Charta.
Die Unionsgrundrechtecharta ist für die Mitgliedstaaten gemäß Art. 51 Abs. 1 Satz 1 EU-GR-Charta (i.V.m. Art. 6 Abs. 1 und 3 EUV) bei der Durchführung des Rechts der Union – und damit auch im vorliegenden Kontext der Umsetzung der FFH-Richtlinie – der verbindliche Prüfungsmaßstab. Nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 EU-GR-Charta umfasst der Schutzbereich dieses Unionsgrundrechts unter anderem auch das Recht, über rechtmäßig erworbenes Eigentum „zu verfügen“ – die Ausübung des Vorkaufsrechts greift in dieses Unionsgrundrecht des Verkäufers ein.
Gemäß Art. 52 Abs. 3 Satz 1 und 2 EU-GR-Charta gewähren die Grundrechte der Unionsgrundrechtecharta mindestens den gleichen Schutz wie die von der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK) garantierten Rechte. Nach den unter der Verantwortung des Präsidiums des Europäischen Konvents herausgegebenen „Erläuterungen“ zur Unionsgrundrechtecharta – 2007/C 303/02 – (ABl. 2007 C, Nr. 303 S. 17 – Erl./EU-GR-Charta, nachfolgend zitiert nach der jeweiligen Seite des Amtsblatts), die von den Gerichten der Mitgliedstaaten gemäß Art. 52 Abs. 7 EU-GR-Charta (ebenso Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 EUV) gebührend zu berücksichtigen sind, erstreckt sich die Bezugnahme auf die Europäische Menschenrechtskonvention sowohl auf die Konvention als auch auf ihre Protokolle (Erl./EU-GR-Charta S. 33 dritter Absatz erster Satz). Dabei werden Bedeutung und Tragweite der Grundrechte der Unionsgrundrechtecharta nicht nur durch den Wortlaut der Europäischen Menschenrechtskonvention, sondern auch durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und den Gerichtshof der Europäischen Union (Europäischer Gerichtshof – EuGH) bestimmt (Erl./EU-GR-Charta S. 33 dritter Absatz zweiter Satz) und ist davon auszugehen, dass insbesondere Art. 17 EU-GR-Charta dem Art. 1 des Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Zusatzprotokoll – ZP-EMRK) entspricht (Erl./EU-GR-Charta S. 34 oben).
Zu Art. 1 ZP-EMRK (Schutz des Eigentums) ist in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte geklärt, dass die Ausübung eines staatlichen Vorkaufsrechts auch hinsichtlich des Verkäufers eine Regelung der Benutzung i.S.v. von Art. 1 Abs. 2 ZP-EMRK darstellt (EGMR, U.v. 28.6.2011 – 28979/07 – NJW 2012, 743 Rn. 29 f. m.w.N.). Deshalb ist auch im Kontext des Art. 17 EU-GR-Charta davon auszugehen, dass eine bei der Durchführung des Unionsrechts (wie der FFH-Richtlinie) erfolgende Vorkaufsrechtsausübung eine Nutzungsregelung des Verkäufereigentums i.S.v. Art. 17 Satz 1 und 3 EU-GR-Charta darstellt.
6.2.2. Derartige Eingriffe in Form von Nutzungsregelungen setzen aber gemäß Art. 17 Satz 3 EU-GR-Charta eine „gesetzliche“ Regelung voraus, womit die Unionsgrundrechtecharta speziell für das Unionsgrundrecht des Eigentums den allgemeinen Gedanken des Gesetzesvorbehalts in Art. 52 Abs. 1 Satz 1 EU-GR-Charta explizit aufgreift.
Eine derartige, unionsrechtlich geforderte „gesetzliche“ Regelung für die Ausübung eines naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts liegt mit Art. 39 BayNatSchG aber gerade nicht vor. Ganz im Gegenteil läge ein solches – von den in Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BayNatSchG vorgesehenen Fallgruppen losgelöstes – Vorkaufsrecht allein wegen der Belegenheit im FFH-Gebiet gerade außerhalb des gesetzlichen Regelungsmodells.
Selbst wenn man zugunsten der zu 2 beigeladenen Gemeinde davon ausgeht, dass der Begriff „Gesetz“ in Art. 17 Satz 3 ebenso wie in Art. 52 Abs. 1 Satz 1 EU-GR-Charta im „materiellen“ und nicht nur im „formellen“ Sinne zu verstehen ist und damit sowohl „geschriebenes“ als auch „ungeschriebenes“ Recht oder auch „Richterrecht“ im Sinne einer „ständigen Rechtsprechung, der die Instanzgerichte folgen“, umfassen kann (vgl. Schlussanträge von Generalanwalt Cruz Villalón vom 14.4.2011 – C-70/10 – ECLI:ECLI:EU:C:2011:771 Rn. 100 und vom 16.4.2015 – C-580/13 – ECLI:ECLI:EU:C:2015:243 Rn. 37), ergibt sich daraus jedenfalls im Fall des Art. 39 BayNatSchG keine hinreichende „gesetzliche“ Regelung, weil dies für die betroffenen Grundrechtsträger nicht deutlich genug „vorhersehbar“ wäre.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs müssen die Bestimmungen derartiger Eingriffsgesetze so genau formuliert sein, dass die Adressaten des Gesetzes ihr Verhalten darauf einrichten können – es muss dem Erfordernis der „Vorhersehbarkeit“ genügt sein (EuGH, U.v. 20.5.2003 – C-465/00 u.a. – ECLI:ECLI:EU:C:2003:294 Rn. 76 f. m.w.N.; U.v. 1.7.2010 – C-407/08 P – ECLI:ECLI:EU:C:2010:389 Rn. 91; siehe auch Generalanwalt Cruz Villalón vom 16.4.2015 – C-580/13 – ECLI:ECLI:EU:C:2015:243 Rn. 36 und 38 zu den Voraussetzungen der „Zugänglichkeit, Klarheit und Vorhersehbarkeit“). Insbesondere dieses Erfordernis der „Vorhersehbarkeit“ ergibt sich auch aus der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR, U.v. 28.6.2011 – 28979/07 – NJW 2012, 743 Rn. 33).
Die somit aus unionsgrundrechtlichen Gründen erforderliche „Vorhersehbarkeit“ eines naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts für Grundstücke wegen bloßer Belegenheit im FFH-Gebiet ist nach Bundesnaturschutzrecht und nach bayerischem Recht nicht gegeben. Denn zum einen wird schon vom Wortlaut dieser Vorschrift her ein naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht wegen bloßer Belegenheit im FFH-Gebiet als solcher gerade nicht begründet (siehe 5.1.). Und zum anderen müssen verkaufende Grundeigentümer in Deutschland schon nach dem bundesrechtlichen Konzept der Unterschutzstellung von FFH-Gebieten (§ 32 Abs. 2 i.V.m. § 20 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 BNatSchG; siehe dazu 5.2.1., 5.3.2. und 6.1.3.) nicht schon pauschal wegen der bloßen Belegenheit in einem FFH-Gebiet mit einem naturschutzrechtlichen Vorkaufsrecht rechnen, sondern erst dann, wenn für dieses FFH-Gebiet gerade ein Schutztypus i.S.v. § 20 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 (i.V.m. § 32 Abs. 2) BNatSchG gewählt worden ist, für den ein naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht eröffnet wird, wobei weder § 66 Abs. 1 BNatSchG noch Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG für FFH-Gebiete als solche ein naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht eröffnen.
6.2.3. Angesichts der – sowohl bezüglich des Wortlauts der bayerischen Vorkaufsrechtsbestimmung (Art. 39 BayNatSchG) als auch des differenzierten Unterschutzstellungsregimes in § 32 Abs. 2 i.V.m. § 20 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 BNatSchG – fehlenden „Vorhersehbarkeit“ eines naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts allein wegen Belegenheit im FFH-Gebiet (siehe 6.2.2.) besteht – ungeachtet der im Ausgangspunkt bestehenden Pflicht der Mitgliedstaaten, alles Erforderliche zu tun, um diejenigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften auszuschalten, die unter Umständen ein wenn auch nur vorübergehendes Hindernis für die volle Wirksamkeit der Gemeinschaftsnormen bilden (EuGH, U.v. 19.6.1990 – C-213/89 – ECLI:ECLI:EU:C:1990:257 Rn. 20 m.w.N.) – eine primärrechtliche Grenze für die Ableitung einer aus der FFH-Richtlinie folgenden „Auslegungsvorgabe“ dahingehend, entgegen dem Wortlaut des Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BayNatSchG ein naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht an die bloße Belegenheit im FFH-Gebiet zu knüpfen.
Dabei betont der Europäische Gerichtshof gerade auch im Kontext der Umsetzung von Unionsrichtlinien, dass die Mitgliedstaaten bei der Durchführung der Maßnahmen zur Richtlinienumsetzung nicht nur ihr nationales Recht im Einklang mit diesen Richtlinien auszulegen, sondern auch darauf zu achten haben, dass sie sich nicht auf eine Auslegung der Richtlinien stützen, die mit Grundrechten oder anderen allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts „kollidiert“ (EuGH, U.v. 16.7.2015 – C-580/13 – ECLI:ECLI:EU:C:2015:485 Rn. 34 m.w.N.).
Davon ausgehend stehen auch einer „analogen“ Anwendung oder einer „Rechtsfortbildung“ des Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG gerade die primärrechtlichen Vorhersehbarkeitsanforderungen des Art. 17 Satz 3 i.V.m. Art. 52 Abs. 1 Satz 1 EU-GR-Charta entgegen.
Offen lässt der Senat angesichts dieser ohnehin fehlenden „Vorhersehbarkeit“ und der fehlenden „gesetzlichen“ Regelung i.S.v. Art. 17 Satz 3 EU-GR-Charta, ob eine Auslegung, Analogie oder Rechtsfortbildung des Art. 39 BayNatSchG im Sinne eines naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts allein wegen Belegenheit in einem FFH-Gebiet nicht schon derart mit dem Wortlaut des Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG in Konflikt stünde, dass sie wegen Verstoßes gegen die vom Europäischen Gerichtshof betonte „Contra-legem-Grenze“ unzulässig wäre (stRspr, vgl. EuGH [Große Kammer], U.v. 6.11.2018 – C-569/16 u.a. – ECLI:ECLI:EU:C:2018:871 Rn. 26 m.w.N.; siehe auch A.C. Wietfeld, JZ 2020, 485/494 Fußnote 107 m.w.N.).
6.2.4. Schließlich lässt sich die streitgegenständliche Vorkaufsrechtsausübung auch nicht im Wege einer sog. unmittelbaren Wirkung direkt auf die FFH-Richtlinie stützen. Denn in der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist geklärt, dass eine unmittelbare Richtlinienwirkung zu Lasten privater Einzelner ausgeschlossen ist, weil der Union Derartiges nur im Wege einer Verordnung erlaubt ist (stRspr, vgl. EuGH [Große Kammer], U.v. 10.10.2017 – C-413/15 – ECLI:ECLI:EU:C:2017:745 Rn. 31 m.w.N.).
Selbst wenn das Unterlassen einer förmlichen Unterschutzstellung i.S.v. § 32 Abs. 2 i.V.m. § 20 Abs. 2 BNatSchG auch im Hinblick auf § 32 Abs. 4 BNatSchG unzulässig gewesen sein sollte, würde dies nicht bewirken, dass Art. 6 FFH-Richtlinie oder sonstige Vorschriften der FFH-Richtlinie im Wege unmittelbarer Wirkung zu Lasten des privaten Verkäufers ein naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht begründen würden. Auch insoweit ist deshalb im vorliegenden Verfahren, das allein die Frage eines naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts betrifft, der Problematik der hier nicht erfolgten Unterschutzstellung nach § 32 Abs. 2 BNatSchG nicht weiter nachzugehen (siehe dazu 6.1.5.).
7. Der somit nach nationalem Recht und nach Unionsrecht rechtswidrige Vorkaufsrechtsbescheid (siehe oben) verletzt sowohl den vertraglichen Übereignungsanspruch der Stadtwerke als Erstkäufer als auch deren „einfach-gesetzliches“ subjektives öffentliches Recht aus Art. 39 BayNatSchG (siehe 2.).
8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 161 Abs. 1 sowie § 162 Abs. 1 und 3 VwGO. Der zu 1 beigeladene Verkäufer hat keine Anträge gestellt (§ 154 Abs. 3 VwGO), was dagegen spricht, seine außergerichtlichen Kosten billigkeitshalber der Beigeladenen zu 2, die als alleinige Rechtsmittelführerin gemäß § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Berufungsverfahrens im Übrigen trägt, aufzubürden (§ 162 Abs. 3 VwGO).
9. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO (vgl. BayVGH, U.v. 3.5.2016 – 14 B 15.206 – juris Rn. 74).
10. Die Revision ist im Hinblick auf die vorliegend im Raum stehenden unionsrechtlichen Fragen wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).


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