Baurecht

Normenkontrolle gegen Freiflächengestaltungssatzung, Statthaftigkeit

Aktenzeichen  15 N 21.433

Datum:
3.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 10973
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 1 Nr. 2
AGVwGO Art. 5 S. 2
BayBO Art. 81 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I.Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.
II.Die Antragstellerin trägt die Kosten des Normenkontrollverfahrens.
III.Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags sofort vollstreckbar.
IV.Die Revision wird nicht zugelassen.  

Gründe

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten mit Schriftsätzen vom 14. und 21. April 2021 gemäß § 101 Abs. 2 VwGO darauf verzichtet haben.
Der Normenkontrollantrag ist unzulässig, da er nach Art. 5 Satz 2 AGVwGO nicht statthaft ist. Danach entscheidet der Verwaltungsgerichtshof über Normenkontrollanträge gegen Satzungen nach Art. 81 Abs. 1 BayBO nur, wenn (1.) der Antrag von einer Behörde gestellt wird und (2.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Dies ist hier nicht der Fall.
1. Ob Art. 5 Satz 2 AGVwGO gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes verstößt, da damit Regelungen zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren getroffen werden, die nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegen und die der Bundesgesetzgeber mit der Verwaltungsgerichtsordnung abschließend geregelt hat, kann dahinstehen (vgl. zum Streitstand Oestreicher/Decker in Praxis der Kommunalverwaltung, Band A 17 Bay, Stand Januar 2016, Art. 5 AGVwGO Nr. 4.2), denn Ergebnis einer solchen Teilnichtigkeit wäre nur, dass Normenkontrollanträge gegen die genannten bauordnungsrechtlichen Satzungen überhaupt nicht statthaft wären (vgl. Panzer in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2020, § 47 VwGO Rn. 22). Art. 5 Satz 2 AGVwGO kann durch Auslegung entnommen werden, dass der Landesgesetzgeber eine Normenkontrolle nach § 47 VwGO gegen diese Vorschriften nicht uneingeschränkt anordnen wollte. Sollte die Einschränkung nicht zulässig sein, müsste daher davon ausgegangen werden, dass es an einer ordnungsgemäßen Bestimmung nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO hinsichtlich der Satzungen nach Art. 81 Abs. 1 BayBO fehlt und diese damit insgesamt nicht der Normenkontrolle unterliegen.
2. Der Normenkontrollantrag ist auch nicht deshalb statthaft, weil die Freiflächengestaltungssatzung zugleich auf Art. 23 GO gestützt ist. Danach können die Gemeinden zur Regelung ihrer Angelegenheiten Satzungen erlassen. Zwar erstreckt sich damit die Satzungsgewalt der Gemeinden auf alle Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises (vgl. Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Stand Februar 2020, Art. 23 Rn. 2). Bei grundrechtsrelevanten Eingriffen ist aber wegen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts ein förmliches Gesetz als Rechtsgrundlage erforderlich (vgl. Glaser a.a.O. Rn. 7). Im vorliegenden Fall hat die Antragsgegnerin die Satzung nicht alleine auf Art. 23 GO, sondern zugleich auf Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 und 5 BayBO gestützt und damit zum Ausdruck gebracht, dass Art. 23 GO nur als allgemeine Ermächtigungsgrundlage und Art. 81 BayBO als speziellere Regelung eingreifen soll. Es muss daher nicht darüber entschieden werden, ob ein Normenkontrollantrag entgegen Art. 5 Satz 2 AGVwGO zulässig wäre, wenn es sich zwar materiell um eine Satzung nach Art. 81 Abs. 1 BayBO handelt, als Rechtsgrundlage aber nur Art. 23 GO angegeben ist.
3. Soweit die Antragstellerin vorträgt, die einzelnen Regelungen der Satzung würden teilweise über die Ermächtigungsgrundlage des Art. 81 BayBO hinausgehen und deshalb der Normenkontrolle unterliegen, kann dem nicht gefolgt werden. Dabei muss nicht entschieden werden, ob gegen die gesamte Satzung nach Art. 81 Abs. 1 BayBO oder einzelner Regelungen darin, ein Normenkontrollantrag zulässig ist, wenn einzelne Bestimmungen der Satzung nicht von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt sind, denn ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 FGS gilt die Satzung entsprechend der Ermächtigung in Art. 81 Abs. 1 Nr. 5 BayBO nur für die unbebauten Flächen der bebauten Grundstücke. Die Auffassung der Klägerin, die Satzung gelte demgegenüber für eine große Zahl unbebauter Grundstücke, trifft ersichtlich nicht zu. Soweit die Satzung in Form einer Pflanzliste bestimmte Formen von Bäumen ausschließt, wird damit keine von Art. 81 Abs. 1 BayBO nicht mehr gedeckte, unzulässige bodenrechtliche Regelung getroffen, denn das Bodenrecht regelt nur, welcher Nutzung der Boden zugeführt werden darf oder muss (z.B. Anpflanzen von Bäumen usw. in § 9 Abs. 1 Nr. 25 Buchst. a BauGB oder Flächen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft nach § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB). Bei der Frage, welche Pflanzen auf den unbebauten Teilen bebauter Grundstücke zulässig oder unzulässig sind, handelt es sich demgegenüber um eine Frage der Gestaltung dieser Flächen. Auch das Verbot von Abgrabungen und Aufschüttungen auf den unbebauten Flächen der bebauten Grundstücke ist von der Ermächtigungsgrundlage des Art. 81 Abs. 1 Nr. 5 BayBO gedeckt, denn dabei handelt es sich ebenfalls um Gestaltungsfragen (vgl. Decker in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand Februar 2021, Art. 81 Rn. 187). Dass damit das Bayerische Abgrabungsgesetz abgeschafft wäre, das nach seinem Art. 1 für Abgrabungen zur Gewinnung von nicht dem Bergrecht unterliegenden Bodenschätzen und sonstigen Abgrabungen Anwendung findet, ist nicht ersichtlich, denn solche Abgrabungen erfolgen regelmäßig nicht auf bebauten Grundstücken. Ein Verbot von Einfriedungen, das durch die Rechtsänderung im Jahr 2007 nicht mehr von der Satzungsermächtigung in Art. 81 BayBO (früher Art. 91 BayBO) umfasst ist, wird mit der Freiflächengestaltungssatzung nicht ausgesprochen. Nach § 6 FSG sind Einfriedungen nicht grundsätzlich verboten, sondern sie sind nach § 6 Abs. 1 Satz 1 FGS in Form von Gehölzpflanzungen (z.B. Hecken) oder als offene Zäune herzustellen. Auch die Regelung in § 7 Satz 2 FGS, dass Vorgärten nicht als Arbeits- oder Lagerflächen genutzt werden dürfen, entspricht der Ermächtigung in Art. 81 Abs. 1 Nr. 5 BayBO. Alle übrigen aufgeworfenen Fragen, insbesondere hinsichtlich der Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit einzelner Regelungen, können allenfalls in einem Verfahren vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof (ein Verfahren ist anhängig unter Vf. 27-VII-21) auf ihre Verfassungsmäßigkeit oder in konkreten Rechtsstreitigkeiten bezüglich der Rechte und Pflichten aus der Freiflächengestaltungssatzung auf ihre Rechtmäßigkeit geprüft werden. Der Antragstellerin sind damit auch keine Rechte abgeschnitten, denn auf ihre Grundstücke bezogene konkrete Anordnungen und Maßnahmen kann sie jederzeit anfechten.
Es kann daher offenbleiben, ob die Antragstellerin überhaupt antragsbefugt ist, da sie keine konkreten Grundstücke benannt hat, an denen ihr Eigentum zusteht und die in den Geltungsbereich der Satzung fallen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).


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