Baurecht

öffentliche Grünfläche als Straßenbestandteil

Aktenzeichen  Au 2 K 18.54

Datum:
6.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 4638
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 8
BayStrWG Art. 51 Abs. 4
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 124, § 124a, § 167
SRGebS § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 1
SSVO § 3 Abs. 2
BauGB § 131

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 27. Dezember 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheids der Regierung von … vom 11. Dezember 2017 ist – soweit er Gegenstand der Klage ist – rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Gegenstand der Anfechtungsklage ist dabei der Bescheid vom 27. Dezember 2016, soweit er Straßenreinigungsgebühren für die …-Allee festsetzt. Der Bevollmächtigte des Klägers hat dies in der mündlichen Verhandlung entsprechend klargestellt. Auch das Klagevorbringen bezog sich im Wesentlichen nur auf die Gebührenpflicht hinsichtlich der …-Allee.
2. Rechtsgrundlage für die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren ist vorliegend die Satzung über die Erhebung einer Straßenreinigungsgebühr in der Stadt … (Straßenreinigungsgebührensatzung) vom 26. Juli 1994 (im Folgenden: SRGebS) in Verbindung mit der der Satzung über die Straßenreinigung der Stadt … (Straßenreinigungssatzung) vom 28. April 1972 in der Fassung der Änderungssatzung vom 4. Februar 2013 (im Folgenden: SRS) und der Verordnung über die Reinhaltung und Reinigung der öffentlichen Straßen sowie der Sicherung der Gehwege in der Stadt … (Straßenreinigungs- und Sicherungsverordnung) vom 30. März 2012 (im Folgenden: SSVO). Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Straßenreinigungsgebührensatzung ist Art. 8 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) i.V.m. Art. 51 Abs. 4 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes (BayStrWG).
a) Nach Art. 51 Abs. 4 BayStrWG können die Gemeinden zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Reinlichkeit Rechtsverordnungen über die Reinhaltung und Reinigung der öffentlichen Straßen erlassen und darin Eigentümer von Grundstücken, die innerhalb der geschlossenen Ortslage an öffentlichen Straßen angrenzen oder über sie erschlossen werden, zu Leistungen auf eigene Kosten verpflichten. Dabei genügt es, dass die Grundstücke an öffentlichen Straßen angrenzen. Insoweit unterscheidet sich das bayerische Landesrecht von anderen Landesrechten, bei denen Anliegern eine Reinigungspflicht nur auferlegt werden kann, wenn ihre Grundstücke an die Straße angrenzen und (kumulativ) durch die Straße erschlossen werden (vgl. z.B. § 4 StrReinG NRW). Diese gesetzgeberische Entscheidung ist im Grundsatz verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Im Hinblick auf den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) ist jedoch – wenn bereits das Angrenzen nach dem Gesetz als Voraussetzung ausreichend ist – über das Angrenzen hinaus eine vernünftige objektive Beziehung der Grundstücke zur Straße zu fordern, an die jedoch keine überhöhten Anforderungen zu stellen sind. Es genügt, dass eine Zufahrt oder ein Zugang geschaffen werden kann (BVerwG, U.v. 10.5.1974 – VII C 56.72 – juris Rn. 11). Die erforderliche Beziehung des Grundstücks zur Straße ist nur in extremen Ausnahmefällen zu verneinen (VG München, U.v. 12.11.2009 – M 10 K 08.2677 – juris Rn. 135). Dafür ist in der Regel nicht einmal erforderlich, dass bereits eine Zufahrt oder ein Zugang besteht. Das Angrenzen genügt, auch wenn keine Zufahrt, wohl aber ein Zugang geschaffen werden kann (VG Augsburg, U.v. 9.11.2005 – Au 6 K 03.486 – juris Rn. 51). Die Zugangsmöglichkeit ist ausreichend, weil nach Art. 2 Nr. 1 Buchst. b BayStrWG auch ein unselbständiger Geh- und Radweg Teil der Straße ist (VG Augsburg a.a.O. Rn. 53). Auf die Möglichkeit der Schaffung einer Zufahrt kommt es damit nicht an; es genügt, wenn eine wenigstens fußläufige Zugangsmöglichkeit zur Straße besteht (s. dazu OVG NW vom 26.2.2003 – 9 A 2355/00 – NVwZ-RR 2004, 68/69; VG Köln, U.v. 9.1.2009 – 27 K 3406/07 – juris Rn. 29, 31).
b) Von der Möglichkeit, die Grundstückseigentümer zur Reinigung von Straßen zu verpflichten, hat die Beklagte mit Erlass der Verordnung über die Reinhaltung und Reinigung der öffentlichen Straßen sowie der Sicherung der Gehwege in der Stadt … (Straßenreinigungs- und Sicherungsverordnung) Gebrauch gemacht und die Anlieger in § 6 SSVO dazu verpflichtet, auf ihre Kosten die öffentlichen Straßen und Gehwege zu reinigen. Anlieger sind dabei Eigentümer und dinglich Berechtigte von angeschlossenen Grundstücken innerhalb der geschlossenen Ortslage (§ 3 Abs. 1 SSVO). Nach § 3 Abs. 4 SSVO gelten Grundstücke, die an eine öffentliche Straße angrenzen, nicht als Anliegergrundstücke, wenn aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ein Zugang oder eine Zufahrt zur Straße nicht möglich ist und vom Grundstück aus die Straße nur unerheblich verschmutzt werden kann. Der Anschluss eines Grundstückes im Sinne der SSVO setzt dabei nicht voraus, dass das Grundstück durch die jeweilige Straße im bauplanungs- oder beitragsrechtlichen Sinn erschlossen wird. Es genügt – wie § 3 Abs. 2 bis Abs. 4 SSVO zeigen -, dass das Grundstück an die Straße angegrenzt. Dementsprechend begründet § 4 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 SRS einen Anschluss und Benutzungszwang hinsichtlich der städtischen Straßenreinigung für Grundstücke, die an die Straße angrenzen oder von ihr erschlossen werden (Hervorhebung nicht im Original).
c) Art. 8 Abs. 1 KAG ermöglicht den Gemeinden, für die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen und ihres Eigentums Benutzungsgebühren zu erheben. Erforderlich dafür ist nach Art. 2 Abs. 1 KAG eine besondere Abgabensatzung, im vorliegenden Fall die SRGebS der Beklagten. Wenn § 3 Abs. 1 SRGebS dabei die Eigentümer und Erbbauberechtigten der „angeschlossenen Grundstücke“ als Gebührenschuldner bestimmt, knüpft er an den entsprechenden Begriff der SSVO und der StRS an (§ 1 Abs. 2 SRGebS). Gebührenschuldner ist damit insbesondere der Eigentümer eines Grundstücks, das an die Straße angrenzt oder von der Straße erschlossen wird (Anlieger). Die Gebührenschuldnerschaft setzt damit gerade – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht voraus, dass das Grundstück von der in Frage stehenden Straße erschlossen wird. Diese Regelung steht mit der Gesetzeslage im Freistaat Bayern in Einklang (s.o.) und ist auch sonst nicht zu beanstanden, zumal die Beklagte mit der Regelung des § 3 Abs. 4 SSVO dafür Sorge getragen hat, dass die vernünftige objektive Beziehung der Grundstücke zur Straße Voraussetzung für die Reinigungspflicht und damit auch für die Gebührenpflicht bleibt. Insofern ist es auch zulässig, von einer Anliegereigenschaft auszugehen, wenn das betroffene Grundstück durch Zwischenflächen von der eigentlichen Fahrbahn getrennt wird (vgl. § 3 Abs. 2 SSVO).
3. Gemessen an den so umrissenen gesetzlichen und satzungsrechtlichen Vorgaben, hat die Beklagte den Kläger zu Recht zu Straßenreinigungsgebühren für die …-Allee herangezogen. Das Grundstück des Klägers stellt sich straßenreinigungsgebührenrechtlich grundsätzlich als Vorderliegergrundstück dar, da es – für die Vorderliegereigenschaft unschädlich – lediglich durch eine Zwischenfläche und Geh- und Radwege von der eigentlichen Fahrbahn getrennt ist (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2, § 4 Abs. 5 SSVO, § 4 Abs. 1 SRS i.V.m. § 3 Abs. 1 SRGebS).
a) Das Grundstück des Klägers grenzt an die …-Allee an. Dies gilt ohne weiteres für das südliche Ende der süd-östlichen Grundstückgrenze, wo das Grundstück des Klägers auf einer Länge von ungefähr 10 Metern unmittelbar an den kombinierten Geh- und Radweg als straßenrechtlichem Teil der …-Allee (vgl. Art. 2 Nr. 1 Buchst. b BayStrWG) angrenzt. Aber auch im weiteren Verlauf wird das Angrenzen nicht durch die keilförmig zulaufende öffentliche Grünflache ausgeschlossen, denn bei dieser Fläche handelt es sich straßenrechtlich um einen Teil der Straße selbst und straßenreinigungsgebührenrechtlich um eine bloße Zwischenfläche im Sinne des § 3 Abs. 2 und § 4 Abs. 5 SSVO.
Straßenrechtlich stellt die streitgegenständliche Grünfläche einen Rand- und Seitenstreifen im Sinne des Art. 2 Nr. 1 Buchst. a BayStrWG und damit einen Teil der …-Allee dar (vgl. auch BayVGH, B.v. 12.7.2012 – 4 ZB 11.1556 – juris Rn. 10). Es handelt sich bei dem Grünstreifen um eine Anlage, die üblicherweise beim Bau von Straßen nach modernen Gesichtspunkten als Seiten- oder Randstreifen für die Sicherheit der eigentlichen Verkehrsfläche oder zum Schutz der Anliegergrundstücke vor Lärm und Geruchsimmissionen bzw. zu beiden Zwecken als bepflanzte Freifläche belassen wurde. Solche Streifen zählten seit jeher zu den Bestandteilen der Straße. Sie unterscheiden sich ihrer Funktion nach von anderen in erster Linie den Erholungsbedürfnissen oder als Kinderspielplatz bestimmten Flächen. Dementsprechend hat die Beklagte diese Fläche im Bebauungsplan Nr. … „…“ dem Straßenkörper zugeordnet und die Fläche – die zum Straßengrundstück Fl.Nr. … Gemarkung … gehört – entsprechend gewidmet. Die Grünfläche dient – auch unter Berücksichtigung der bei der Ortseinsicht am 15. Juli 2019 gefertigten Bilder – auf Grund ihres Zuschnitts, ihrer Lage und ihres Baum- und Strauchbestandes keinen darüberhinausgehenden öffentlichen Zwecken. Eine gärtnerische Gestaltung der Fläche ist nicht erfolgt, für Erholungsflächen typisches Inventar (Bänke etc.) ist auf der Fläche nicht vorhanden. Die Lage zwischen der vielbefahrenen …-Allee und dem klägerischen Grundstück lässt es fernliegend erscheinen, dass die Grünfläche zu Erholungszwecken genutzt werden könnte. Auch der Umstand, dass die Grünfläche eine ökologische Funktion erfüllt und ausweislich der textlichen Festsetzungen im Bebauungsplan (deshalb) als Grünfläche zu erhalten ist, nimmt ihr nicht den Charakter eines Straßenbestandteils, da dem sog. Straßenbegleitgrün regelmäßig (auch) eine ökologische Funktion zukommt.
Der Umstand, dass die Grünfläche an ihrer breitesten Stelle eine Breite von rund 18,5 m hat, macht sie ebenfalls nicht zu einer eigenständigen Grünfläche. Eine feste Breite, von der ab nicht mehr von einem zur Straße gehörenden Grünstreifen ausgegangen werden könnte, gibt es nicht (BayVGH, B.v. 12.7.2012 – 4 ZB 11.1556 – juris Rn. 11). Angesichts des keilförmigen Zuschnitts der Grünfläche, der dazu führt, dass deren durchschnittliche Breite unter 10 m liegen dürfte, bewegt sich der Grünstreifen noch im Rahmen dessen, was als sog. Straßenbegleitgrün angesehen werden kann (vgl. BayVGH, a.a.O., für einen 10-12 m breiten Grünstreifen). Wird das klägerische Grundstück aber nur durch einen Geh- und Radweg und/oder einen Rand- und Seitenstreifen von der Straße getrennt, bleibt es straßenreinigungs(gebühren) rechtlich ein Anliegergrundstück (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2, § 4 Abs. 5 SSVO, § 4 Abs. 1 SRS i.V.m. § 3 Abs. 1 SRGebS).
Der Verweis des Klägers darauf, dass das streitgegenständliche Grundstück für die …-Allee nicht zu Erschließungsbeiträgen herangezogen wurde, verfängt schon deshalb nicht, weil die Erhebung von Erschließungsbeiträgen anders als die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren eine Erschließung (§ 131 BauGB) durch die entsprechende Straße zwingend voraussetzt.
b) Der Erhebung der Gebühren für die Straßenreinigung steht die Vorschrift des § 3 Abs. 4 SSVO nicht entgegen. Nach § 3 Abs. 4 SSVO gelten Grundstücke, die an eine öffentliche Straße angrenzen, nicht als Anliegergrundstücke, wenn aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ein Zugang oder eine Zufahrt zur Straße nicht möglich ist und vom Grundstück aus die Straße nur unerheblich verschmutzt werden kann. Das Grundstück des Klägers stellt ein Anliegergrundstück im Sinne des § 3 Abs. 4 SSVO dar. Auch wenn keine Zufahrtmöglichkeit zur …-Allee besteht, könnte die …-Allee zumindest fußläufig unmittelbar von Grundstück des Klägers aus erreicht werden. Jedenfalls an der südlichen Grundstückecke besteht auf einer Länge von ca. 10 m die Möglichkeit eines ungehinderten Zugangs vom Straßengrundstück zum Grundstück des Klägers. Der oben beschriebene Grünstreifen beginnt erst weiter nord-östlich. Soweit der Kläger darauf hinweist, dass die südöstliche Außenmauer der Tiefgarage ein tatsächliches Zugangshindernis darstelle, ist dies unbehelflich. Unabhängig davon, dass an der südlichen Grundstückecke durch einen Treppenabgang vom Parkdeck o.ä. eine Zugangsmöglichkeit auch ohne eine vom Kläger befürchtete Beeinträchtigung des Grünstreifens zumutbar geschaffen werden könnte, führen sog. selbst geschaffene Zugangshindernisse nicht dazu, dass ein Eigentümer von der Straßenreinigungs(gebühren) pflicht ausgenommen wäre (vgl. etwa OVG NW, B.v. 26.9.2013 – 9 A 1809/11 – juris Rn. 55).
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 124, § 124a VwGO).

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