Baurecht

Private Belange unter Drittschutz

Aktenzeichen  4 BN 68/09

Datum:
4.2.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 1 Abs 7 BauGB
Spruchkörper:
4. Senat

Verfahrensgang

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 27. Juli 2009, Az: 2 N 06.2397, Urteil

Gründe

I.
1
Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag mit dem Hauptantrag, den Bebauungsplan Nr. 1919 a der Antragsgegnerin insoweit für unwirksam zu erklären, als er den im Eigentum der Antragsteller stehenden Baumgraben von der Planung ausschließt, mangels Antragsbefugnis als unzulässig, hilfsweise als unbegründet angesehen. Die Hilfsanträge, die auf die Verpflichtung der Antragsgegnerin gerichtet waren, den Baumgraben planerisch verbindlich auszuweisen oder in den umstrittenen Bebauungsplan einzubeziehen, hat er als unzulässig erachtet. Mit ihrer auf sämtliche Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützten Beschwerde wenden sich die Antragsteller insoweit gegen die Nichtzulassung der Revision, als das Normenkontrollurteil ihrem Hauptantrag den Erfolg versagt hat. Die Ablehnung der Hilfsanträge greifen sie nicht mit einem Grund für die Zulassung der Revision an.
II.
2
Die Beschwerde bleibt erfolglos.
3
Für das Beschwerdeverfahren gilt: Ist die vorinstanzliche Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt (vgl. Beschluss vom 9. Dezember 1994 – BVerwG 11 PKH 28.94 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4; stRspr). Wenn nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben ist, kann diese Begründung nämlich hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert. Das gilt auch bei Hilfsbegründungen im Verhältnis von Zulässigkeit und Begründetheit (Beschluss vom 19. September 1991 – BVerwG 2 B 108.91 – juris Rn. 4). Vorliegend scheidet die Zulassung der Revision aus, weil die Antragsteller in Bezug auf die Behandlung ihres Hauptantrags als unzulässig einen Grund für die Zulassung der Revision nicht aufzeigen. Es braucht deshalb nicht entschieden zu werden, ob es ihnen gelingt, die Ablehnung des Antrags auch als unbegründet mit einem Zulassungsgrund zu erschüttern.
4
1. Die von den Antragstellern aufgeworfenen Fragen,
– ob eine Gemeinde einen kleinen Teilbereich innerhalb eines verbindlich festgesetzten Planbereichs unbeplant lassen darf, um sich hierdurch auf Kosten der Grundeigentümer des unbeplanten Teilbereichs Vorteile zu verschaffen,
– ob sich das Planungsermessen einer Gemeinde dann zur Planungspflicht verdichtet, wenn die Nichtplanung für die betroffenen Grundeigentümer enteignende Wirkung hat und die Grenze des Vertretbaren überschreitet, obwohl qualifizierter Handlungsbedarf für die Planung besteht,
nötigen nicht zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Soweit sie der fallübergreifenden Klärung zugänglich sind, einen Bezug zur Antragsbefugnis haben und sich nicht in einer Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung erschöpfen, lässt sich auf sie auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens antworten.
5
Der Senat hat sich im Urteil vom 30. April 2004 – BVerwG 4 CN 1.03 – (NVwZ 2004, 1120) zu den Voraussetzungen geäußert, unter denen das Interesse, mit einem Grundstück in den Geltungsbereich eines Bebauungsplans einbezogen zu werden, ein abwägungserheblicher Belang ist, der die Antragsbefugnis für eine Normenkontrolle (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO) vermitteln kann. Seine Ausführungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die mögliche Verletzung eines subjektiven Rechts, von dem die Antragsbefugnis abhängt, kann aus einem Verstoß gegen das in § 1 Abs. 7 BauGB enthaltene Abwägungsgebot folgen. Dieses Gebot hat hinsichtlich solcher privater Belange drittschützenden Charakter, die für die Abwägung erheblich sind. Nicht abwägungserheblich sind insbesondere geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Bebauungsplan nicht erkennbar waren.
6
Das bloße Interesse eines Eigentümers, das Plangebiet entgegen den bisherigen planerischen Vorstellungen auf sein Grundstück ausgedehnt zu sehen, muss von der Gemeinde nicht in die Abwägung einbezogen werden. Ein derartiges Interesse an der Verbesserung des bauplanungsrechtlichen Status quo und damit an der Erweiterung des eigenen Rechtskreises ist eine bloße Erwartung, die nicht schutzwürdig und damit auch nicht abwägungserheblich ist. Anders ist es, wenn der Bebauungsplan oder seine Ausführung nachteilige Auswirkungen auf das nicht einbezogene Grundstück und seine Nutzung haben kann (Erschwerung der Erschließung, Einschnürung, Schaffung einer “Insellage” etc.). Solche planungsbedingten Folgen müssen, wenn sie mehr als geringfügig, schutzwürdig und erkennbar sind, ebenso wie jeder vergleichbare Konflikt innerhalb des Plangebiets im Rahmen des Abwägungsgebots bewältigt werden.
7
Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass, diese Rechtsprechung zu modifizieren oder gar zu korrigieren. Nach ihren Maßstäben hat der Verwaltungsgerichtshof den Antragstellern zu Recht die Antragsbefugnis abgesprochen; denn nach seinen Feststellungen schafft der umstrittene Bebauungsplan keine bewältigungsbedürftigen städtebaulichen Konflikte oder Probleme; vielmehr lässt die Nichteinbeziehung des Baumgrabens die bisherige – situationsbedingt – stark eingeschränkte Nutzung dieses schmalen Grundstücksstreifens unberührt (UA S. 11).
8
Der Senat hat seinerzeit offen gelassen, ob eine Antragsbefugnis jedenfalls in Fällen in Betracht kommt, in denen ein Grundstück “willkürlich” nicht in einen Bebauungsplan einbezogen wird. Er könnte dies auch in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klären. Den gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Normenkontrollurteils lassen sich Anhaltspunkte für eine willkürliche Grenzziehung nicht entnehmen, auch wenn die Antragsteller den Sachverhalt anders würdigen mögen.
9
2. Eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO scheidet ebenfalls aus.
10
Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht (vgl. Beschluss vom 20. Dezember 1995 – BVerwG 6 B 35.95 – NVwZ-RR 1996, 712 ; stRspr). § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt, dass der Tatbestand der Divergenz nicht nur durch die Angabe der höchstrichterlichen Entscheidung, von der abgewichen sein soll, sondern auch durch Gegenüberstellung der miteinander unvereinbaren Rechtssätze dargelegt wird. Hieran lässt es die Beschwerde fehlen. Sie benennt zwar die Entscheidungen des Senats vom 20. November 1995 – BVerwG 4 NB 23.94 – (BRS 57 Nr. 3), 17. September 2003 – BVerwG 4 C 14.01 – (BVerwGE 119, 25) und vom 17. März 1992 – BVerwG 4 B 230.91 – (BRS 54 Nr. 8), arbeitet aber keine Rechtsätze aus dem Normenkontrollurteil heraus, die von Rechtssätzen aus den zitierten Senatsentscheidungen abweichen. Vielmehr moniert sie, dass die Vorinstanz Rechtssätze des Bundesverwaltungsgerichts im Einzelfall rechtsfehlerhaft angewandt oder daraus nicht die rechtlichen Folgerungen gezogen hat, die sie für die Sachverhalts- und Beweiswürdigung für geboten hält. Das erfüllt nicht den Tatbestand des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (stRspr; vgl. nur Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328).
11
3. Die Revision kann schließlich nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensfehlers zugelassen werden. Die Antragsteller äußern zwar konkrete Vorstellungen, welche Umstände der Verwaltungsgerichtshof noch hätte nach § 86 Abs. 1 VwGO klären müssen. Sie zeigen aber nicht auf, inwiefern die (unterstellten) Ergebnisse der vermissten Sachverhaltsermittlung auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des vorinstanzlichen Gerichts, auf die es insoweit ankommt (Urteil vom 25. März 1987 – BVerwG 6 C 10.84 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183 S. 4 ff.; stRspr), zu einer ihnen günstigeren Entscheidung hätten führen können. Der Verfahrensmangel der lückenhaften Sachverhaltsklärung ist daher nicht ordnungsgemäß bezeichnet (vgl. Urteil vom 12. Februar 1998 – BVerwG 3 C 55.96 – BVerwGE 106, 177 ).

Die gegen diese Entscheidung erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 10.05.2010 – 1 BvR 792/10 – nicht zur Entscheidung angenommen.


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