Baurecht

Schadensersatz, Leistungen, Berufung, Abnahme, Werkleistung, Mangel, Mangelbeseitigung, Frist, Anspruch, Wirksamkeit, Wohnung, Leistung, Mehrheitsbeschluss, Kostenvorschuss, Fortbildung des Rechts, kein Anspruch, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung

Aktenzeichen  28 U 3194/21 Bau

Datum:
22.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11710
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

8 O 12876/16 2021-05-06 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 06.05.2021, Az. 8 O 12876/16, dahingehend abgeändert, dass die Klage abgewiesen wird.
2. Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithilfe auf Beklagtenseite.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte bzw. die Streithelferin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Gründe

I.
Mit der Klage macht die Klägerin, eine WEG, Ansprüche auf Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung, hilfsweise Schadensersatz aus Kaufverträgen bzgl. gebrauchter Wohnungen mit einer zusätzlichen werkvertraglichen Vereinbarung gegen die Beklagte als Verkäuferin der Wohnungen geltend.
Die Beklagte verkaufte nach Teilungserklärung vom 17.4.2012 176 gebrauchte Wohnungseigentumswohnungen an unterschiedliche Erwerber, die gemeinsam die WEG L. in U. bilden. Es handelte sich dabei um Verkaufsverträge bezüglich gebrauchter Wohnungen, die mit jeweils gleichlautenden Kaufverträgen (wie beispielsweise der Vertrag Anlage K 3) verkauft wurden.
In § 12 der Verträge findet sich eine Regelung, bezeichnet als „Einverständnis zur Vornahme werterhaltender Maßnahmen“, in der sich die Beklagte verpflichtete, bauliche Maßnahmen zur Verschönerung und Werterhaltung auf Kosten der Verkäuferin durchzuführen. Diese Maßnahmen sollten sich vor allem auf Treppenhäuser und Hauseingangsbereiche erstrecken. Auf die Klausel in § 12 und die Anlage II des Vertrages (beispielsweise Vertrag K 3) wird Bezug genommen. Die insoweit erbrachten Maßnahmen sind nach den Feststellungen des Landgerichts nicht abgenommen worden.
Nach § 12 des Vertrages war Folgendes vorgesehen:
„Die Fertigstellung der vorbezeichneten, werterhaltenden Maßnahmen hat bis spätestens 31.12.2015 zu erfolgen (…).
Die technische Abnahme erfolgt durch den TÜV S. Industrieservice GmbH (…). Das technische Abnahmeprotokoll wird dem Käufer in Kopie zur Prüfung und rechtsgeschäftlichen Abnahme zugesandt. Teilt der Käufer innerhalb einer Frist von 14 Tagen ab Erhalt des technischen Abnahmeprotokolls keine Mängel mit, steht dies der Abnahme gleich.“
Zu dieser Vorgehensweise haben die Parteien nicht vorgetragen.
Die Klägerin begehrte erstinstanzlich die Zahlung von 151.028,50 € Kostenvorschuss für Mangelbeseitigungsmaßnahmen, da die unter § 12 in Verbindung mit der Anlage II des Vertrages vorgesehenen Leistungen nicht mangelfrei erbracht worden seien. Im übrigen wird Bezug genommen auf die Feststellungen des Landgerichts.
Das Landgericht hat auf die Klage Kostenvorschuss in Höhe von 125.069,00 € zuzüglich Zinsen zugesprochen und eine entsprechende Feststellung für weitergehende Haftung getroffen. Die vereinbarten Leistungen seien mangelhaft erbracht worden. Dies ergebe sich aus dem im selbständigen Beweisverfahren eingeholten Sachverständigengutachten. Das Landgericht ging dabei von einem Leistungsmaßstab entsprechend § 20 WEG n.F aus (vgl. S. 6 EU). Die Klägerin könne Mängelgewährleistungsansprüche auch geltend machen, da ein Abrechnungsverhältnis vorliege.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Ein Mangel liege bereits deswegen nicht vor, da das Gericht die Sollbeschaffenheit aus dem Vertrag nicht zutreffend bestimmt habe. Bei dem Begriff „werterhaltende Maßnahmen nach dem Konzept der Klägerin“ sei ein bestimmtes Leistungssoll nicht vorgegeben. Die Beklagte schulde daher nicht die vom Gericht vorgegebenen Maßnahmen, sondern habe vielmehr die vertraglich geschuldeten Verpflichtungen erfüllt. Im übrigen könne die Klägerin keine Mängelrechte vor der Abnahme geltend machen. In gleichem Maße sei der Feststellungsantrag unbegründet.
Die Beklagte beantragt,
Das Urteil des Landgerichts München I vom 06.05.2021, Az.: 8 O 12876/16 wird dahingehend abgeändert, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.
Die Klägerin beantragt,
Die Berufung wird zurückgewiesen und im Wege der Anschlussberufung:
Das Urteil des Landgerichts München I vom 6.5.2021, Az. 12876/16 wird dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 143.829,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.9.2014 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.
Der Senat hat einen Hinweis zur vorläufigen Einschätzung der Rechtslage erteilt und den Parteien einen Vergleich vorgeschlagen. Auf den Hinweis vom 13.8.2021 wird Bezug genommen. Einem Vergleichsabschluss wollten die Parteien nicht näher treten. Gegenstand des Hinweises ist vor allem die Frage nach der Abnahme und der Annahme eines Abrechnungsverhältnisses durch das Landgericht.
Auf den Hinweis hin trug die Klägerin weiter vor. Die Klägerin legte eine Abtretungserklärung des Ehepaares S. vor (Wohnungseigentümer einer Wohnung der Wohnanlage der Klägerin), wonach diese ihre Erfüllungs-, Nachfüllungs- und Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte an die Wohnungseigentümergemeinschaft abtreten (Anlage K 22). In einem weiteren Schriftsatz vom 22.11.21 führte die Klägerin zum Leistungssoll aus. Auf den Schriftsatz wird Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 13.12.21 teilte die Klägerin mit, dass dem Vergleichsvorschlag des Senats nach Durchführung einer Wohnungseigentümerversammlung nicht näher getreten werden könne. Die Klägerin habe gemeinsam mit dem Ehepaar S. die Beklagte aufgefordert, in Abnahmeverhandlungen einzutreten, hierauf habe die Beklagte nicht reagiert (Anlagen K 23, 24). Das Angebot zur rechtsgeschäftlichen Abnahmeverhandlung sei von der Beklagten nicht angenommen worden. Die Klägerin begehrt nach wie vor einen Anspruch auf Kostenvorschuss zur Mangelbeseitigung unter Gewährleistungsgesichtspunkten, hilfsweise aus allgemeinem Leistungsstörungsrecht.
Mit Schriftsatz vom 15.12.21 wies die Beklagte darauf hin, dass ihrer Auffassung nach ein Anspruch aus allgemeinem Leistungsstörungsrecht nicht bestünde, da hier keine Abrechnung auf Basis der fiktiven Mangelbeseitigungskosten mangels Schaden möglich sei. Das Schreiben der Klägerin zur Durchführung von Abnahmeverhandlungen begründe gerade keine Abnahme im Sinne von § 640 BGB. Die Beklagte bestritt die Bevollmächtigung des anwaltlichen Vertreters der Klägerin in Bezug auf dessen Berechtigung die Abnahme zu erklären.
Die Klägerin erwiderte mit Schriftsatz vom 24.1.2021, dass eine Rüge nach § 174 BGB nicht erfolgt sei und behauptete eine Bevollmächtigung durch das Ehepaar S. Im übrigen sei das Schreiben zur Aufforderung zu Abnahmeverhandlungen gerade keine Willenserklärung gewesen, sondern Ausdruck der Bereitschaft des Ehepaars S. in Abnahmeverhandlungen, wie vom Gesetz vorgesehen, einzutreten.
Auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren wird Bezug genommen. Der Senat hat mündlich zur Sache verhandelt und dort erneut auf die Voraussetzung einer Abnahme für etwaige Gewährleistungsansprüche hingewiesen.
In der mündlichen Verhandlung erklärte daraufhin der Klägervertreter:
„Namens des Ehepaars S. und hilfsweise auch der Klägerin erkläre ich hiermit die Abnahme hinsichtlich des Werks der werterhaltenden Maßnahmen der Treppenhäuser, insbesondere Treppenpodeste und Treppenabsätze sowie der Treppenstufen, sowie der Treppengeländer und erkläre den Vorbehalt in Bezug auf die streitgegenständlichen Mängel, nämlich die Nichtdurchführung eines mangelfreien Anstrichs der Geländer und die Nichtdurchführung des Schleifens, Ölens und Fehlstellen Beseitigens der Treppen .“
Der Beklagtenvertreter bestritt die Vollmacht des Klägervertreters für eine Abnahmeerklärung. Der Klägervertreter bot sich selbst als Zeugen für seine Bevollmächtigung an. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.03.2022 wird Bezug genommen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die angefochtene Entscheidung des Landgerichts sowie die eingereichten Schriftsätze der Parteien.
II.
Die zulässige Berufung erweist sich als begründet, führt zur Abänderung des landgerichtlichen Urteils und Klageabweisung sowie zur Zurückweisung der Anschlussberufung.
Der Klägerin steht derzeit kein Anspruch auf Kostenvorschuss bzw. Schadensersatz zu.
1. Die Klage ist zulässig.
Die Klägerin als WEG kann Ansprüche, welche sie an sich gezogen hat, nach § 9a WEG (Rechtsstand 1.12.20) weiter verfolgen.
Für die Prozessführung durch Wohnungseigentumsgemeinschaften gilt seit dem 01.12.2020 die Bestimmung des § 9a WEG, der keine Übergangsregelung für bereits begonnene Verfahren enthält. Diese Vorschrift würde damit grundsätzlich auch für Verfahren gelten, die noch nicht abgeschlossen sind (Vgl. BT DS 19/18791 S. 47). Eine gekorene Ausübungskompetenz der WEG ist daher zweifelhaft.
Aus Sicht des Senats wirkt sich § 9a WEG für bereits erhobene Klagen wie die vorliegende jedoch nicht aus. § 9a WEG wirkt ex nunc und lässt damit die Wirksamkeit bereits getroffener Beschlüsse von Wohnungseigentumsgemeinschaften vor dem 01.12.2020 mangels entsprechender gesetzlicher Regelung nicht entfallen, so dass die WEG materiellrechtlich befugt ist, auch die Ansprüche auf Herstellung zu verfolgen.
Eine Prozessführungsbefugnis ist sowohl für Herstellungsansprüche als auch für Gewährleistungsansprüche zu bejahen. Jedenfalls für bereits erhobene Klagen muss eine einmal begründete Prozessführungsbefugnis aufgrund materiellrechtlicher Ermächtigung bestehen bleiben (vgl. Vogel, BauR 2021, 420; Pause NZBau 2021, 230). Die Gemeinschaft konnte durch Mehrheitsbeschluss die Durchsetzung der auf die Herstellung des Gemeinschaftseigentums gerichteten Rechte der Erwerber von Wohnungseigentums wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum an sich ziehen (vgl. BGH Urteil v. 12.4.2007, VII ZR 236/05). Da insoweit eine materiellrechtliche Befugnis besteht, macht die WEG ein eigenes Recht im eigenen Namen geltend. Die Prozessführungsbefugnis ist daher anzunehmen.
Der im selbständigen Beweisverfahren vorgelegte Beschluss Anlage AST 12, Beschluss vom 22.05.2014, enthält unter TOP 5.2 den Mehrheitsbeschluss, dass Ansprüche wegen Nichteinhaltung der sogenannten werterhaltenden Maßnahmen gem. § 10 Abs. VI WEG an die Wohnungseigentümergemeinschaft gezogen werden.
Die ordnungsgemäße Herstellung gehört im Übrigen zur Erhaltung des Gemeinschaftseigentums, eine Prozessführungsbefugnis der Klägerin ergibt sich somit zudem nach neuem Recht aus § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG (vgl. BGH Urt. V. 12.4.2007, VII ZR 236/05). Der Umstand, dass die Klägerin den Prozess fortsetzt, bringt zum Ausdruck, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft weiterhin eine gemeinschaftliche Rechtsverfolgung wünscht. Für Gewährleistungsansprüche am Gemeinschaftseigentum ist jedenfalls eine Rechtsausübung durch die Gemeinschaft nach § 9a WEG erforderlich. Eine einheitliche Rechtsverfolgung ist geboten, da es um eine mangelfreie Leistung der Beklagten am Gemeinschaftseigentum geht.
2. Die Berufung der Beklagten ist begründet, da derzeit keine Ansprüche der Klägerin auf Kostenvorschuss bestehen.
a) Ein Anspruch auf Kostenvorschuss gem. §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 1, 3 BGB besteht nicht.
1) Zutreffend geht das Landgericht hinsichtlich der in den Kaufverträgen enthaltenen Vereinbarung „Einverständnis zur Vornahme werterhaltender Maßnahmen“ von einer werkvertraglichen Zusatzvereinbarung in den geschlossenen Kaufverträgen aus.
Für diese abgrenzbare Vereinbarung wollten die Parteien Werkvertragsrecht zur Anwendung bringen, denn es ist ein Erfolg im Sinne von § 631 BGB geschuldet.
Zwar legt die Formulierung in den Verträgen an sich zunächst nicht nahe, dass es sich um einen Werkvertrag handelt. Das Landgericht liest aber zutreffend aus den gewählten Formulierungen, dass ein Erfolg geschuldet sein sollte. Sowohl für die Treppenhäuser, als auch für die Hauseingangsbereiche sollte nach dem Konzept der Verkäuferin eine Überarbeitung stattfinden. Insoweit ist von der Klägerin ein Erfolg im Sinne des § 631 BGB geschuldet. Für die Konkretisierung des Leistungserfolgs sahen die Parteien ein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB vor. Für die Wertung, Werkvertragsrecht zur Anwendung zu bringen, spricht zudem die Formulierung in den Verträgen, dass nach der Übersendung des technischen Abnahmeprotokolls eine rechtsgeschäftliche Abnahme der Leistungen erfolgen sollte. Dies lässt erkennen, dass auch die Vertragsparteien insofern von einer werkvertraglichen Regelung ausgingen. Jeder einzelne Käufer hat insoweit aufgrund seines mit der Verkäuferin geschlossenen Vertrags einen Anspruch auf Herstellung dieser Überarbeitung gem. § 631 BGB.
2) Die WEG macht Gewährleistungsansprüche für die einzelnen Erwerber nach § 634 Nr. 2 BGB geltend, indem Vorschuss zur Mängelbeseitigung nach § 637 Abs. 1 und 3 BGB begehrt wird.
Die Voraussetzungen dieses Anspruchs liegen derzeit aber nicht vor. Es fehlt schon an einer Abnahme der Werkleistung als Voraussetzung für den Gewährleistungsanspruch als Nacherfüllungsanspruch, da ein Abrechnungsverhältnis allein aufgrund eines Verlangens des Kostenvorschusses durch die WEG nicht angenommen werden kann.
3) Voraussetzung für den Übergang vom Herstellungsanspruch zu Gewährleistungsansprüchen ist die Abnahme der Werkleistung nach § 640 BGB, da nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich keine Gewährleistungsansprüche vor der Abnahme geltend gemacht werden können (vgl. BGH, Urteil vom 19.01.2017 – VII ZR 301/13).
(1) Zwar kann in Ausnahmefällen von einem Abrechnungsverhältnis ausgegangen werden, dieses darf jedoch nicht gleichsam im Wege eines Automatismus’ aufgrund einer Forderung des Bestellers angenommen werden.
(0) Der Besteller kann berechtigt sein, Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 bis 4 BGB ohne Abnahme geltend zu machen, wenn er nicht mehr die (Nach-)Erfüllung des Vertrags verlangen kann und das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist.
Ein solches Abrechnungsverhältnis ist hier zu verneinen. Die Klägerin macht Kostenvorschuss, hilfsweise Schadensersatz nach allgemeinem Leistungsstörungsrecht geltend. Ein Abrechnungsverhältnis, das gesetzlich nicht geregelt ist, kommt in Betracht, wenn der Unternehmer das Werk als fertig gestellt zur Abnahme anbietet, der Besteller nur noch Schadensersatz statt der Leistung geltend macht (vgl. Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 4. Teil, Rn. 489) und der Besteller nicht mehr die Nacherfüllung geltend machen kann.
Für einen geltend gemachten Vorschussanspruch kann dies nicht ohne weiteres angenommen werden. Das alleinige Verlangen eines Vorschusses für die Beseitigung eines Mangels im Wege der Selbstvornahme genügt hierfür nicht (BGH Urt. v. 19.1.2017 – VII ZR 301/13).
Ein Abrechnungsverhältnis kann auch dann entstehen, wenn der Besteller ausdrücklich bzw. konkludent zum Ausdruck gebracht hat, unter keinen Umständen mit dem Unternehmer, der ihm das Werk als fertig gestellt zur Abnahme angeboten hat, zusammenzuarbeiten zu wollen. Auch hieran fehlt es. Der Anspruch auf Herstellung des Gemeinschaftseigentums steht grundsätzlich den Erwerbern zu, weder von diesen noch von der Wohnungseigentumsgemeinschaft wurde dies zum Ausdruck gebracht. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 23.9.2014 und Schreiben vom 24.9.2014 (Anlagen K 12, 13) zur Erfüllung der werterhaltenden Maßnahmen aufgefordert. Es wurde aber nicht vorgetragen, dass kein Interesse mehr an einer Erfüllung bzw. Nacherfüllung mehr besteht.
(3) Hinzu kommt, dass hier die WEG zwar die Herstellungsansprüche der Erwerber an sich ziehen kann, die WEG aber grundsätzlich nicht befugt ist, die Abnahme der Werkleistung zu erklären (vgl. BGH, Urteil vom 12.5.2016 – VII ZR 171/15).
Da die Wohnungseigentümergemeinschaft keine Beschlusskompetenz zur Herbeiführung der Abnahmewirkungen hat, besteht aus Sicht des Senats auch keine Kompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft, durch das Fordern eines Vorschusses die Abnahme entbehrlich zu machen und ein Abrechnungsverhältnis zu begründen. Es ist vielmehr Sache der einzelnen Eigentümer, die Abnahme herbeizuführen und die Voraussetzungen für die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen zu bewirken. Die Abnahme ist in jedem einzelnen Verhältnis zu erklären (OLG München, 26.01.2015, 9 U 1995/14 Bau; Urt. v. 6.12.2016 – 28 U 2388/16). Bestehende Gewährleistungsansprüche kann die Klägerin dann als Wohnungseigentümergemeinschaft wegen des gemeinschaftlichen Interesses und dem Interesse einer einheitlichen Rechtsverfolgung an sich ziehen, § 9a WEG.
(4) Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn ein oder mehrere Erwerber die Abnahme, ggf. unter Vorbehalt der Mängel nach § 640 Abs. 3 BGB erklärt hätten, denn dann könnte die Wohnungseigentümergemeinschaft die Gewährleistungsrechte für das Gemeinschaftseigentum mit Wirkung für alle geltend machen, da die Rechtsverfolgung erneut sinnvollerweise nur gemeinschaftlich im Sinne von § 9a Abs. 2 WEG erfolgen könnte.
Eine solche Abnahme oder Vortrag zu den Voraussetzungen der Abnahme gem. Vertrag § 12 (hier war eine technische Abnahme vorgesehen, die letztlich die Wirkung einer fiktiven Abnahme erreichen könnte) ist trotz des ausdrücklichen Hinweises des Senats bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht erfolgt.
(5) Die Erklärung einer Abnahme durch das Ehepaar S., welche die Klägerin in der mündlichen Verhandlung versuchte, kann nicht als rechtlich wirksame Abnahmeerklärung im Sinne von § 640 BGB angesehen werden, § 174 BGB.
Die Abnahme ist eine einseitige Willenserklärung oder geschäftsähnliche Handlung, auf die jedenfalls die für Willenserklärungen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden sind (BeckOGK/Kögl, 15.8.2021, BGB § 640 Rn. 14). Der Klägervertreter erklärte die Abnahme unter Vorbehalt in Vertretung des Ehepaars S., um die Abnahmewirkungen zu erzeugen.
Zwar wäre grundsätzlich mit einer wirksamen Abnahmeerklärung eine rechtliche Voraussetzung für einen Gewährleistungsanspruch nach §§ 634 Nr. 2, 637 BGB geschaffen, den dann auch die Klägerin als Gemeinschaft der Wohnungseigentümer an sich ziehen könnte und vor Gericht nach § 9a WEG geltend machen könnte, die Abnahmeerklärung erwies sich jedoch unter zwei Gesichtspunkten nicht als wirksam erklärt.
(a) Zum einen rügte der Beklagtenvertreter gem. § 174 BGB die Bevollmächtigung des Klägervertreters zur Abgabe einer solchen Erklärung.
Nach ganz hM unterfallen auch rechtsgeschäftsähnliche Handlungen der analogen Anwendung des § 174 (BGH Urteil vom 17.10.2000, I ZR 97/99; Soergel/Leptien Rn. 7; Grüneberg-Ellenberger Rn. 2; MüKoBGB/Schubert Rn. 6; BeckOK BGB/Schäfer, 61. Ed. 1.2.2022, BGB § 174 Rn. 2). Eine schriftliche Vollmacht wurde durch den Klägervertreter weder im Schriftverkehr im Vorfeld der mündlichen Verhandlung noch in der mündlichen Verhandlung selbst vorgelegt, obwohl der Beklagtenvertreter in seinem Schriftsatz vom 15.12.21 bereits auf diesen Umstand hingewiesen hatte und auch der Klägervertreter die Anforderungen des § 174 BGB in seinem Schriftsatz vom 24.01.2022 selbst aufgriff. Ein einseitiges Rechtsgeschäft, dass ein Bevollmächtigter gegenüber einem anderen vornimmt, ist aber unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Eine Zurückweisung im Sinne von § 174 BGB ist in der mündlichen Verhandlung ausweislich der Protokollerklärung des Beklagtenvertreters erfolgt. Der Klägervertreter legte eine Bevollmächtigung des Ehepaars Stocker nicht vor. Eine wirksame Abnahme scheitert daher bereits an § 174 BGB.
(b) Zum anderen stellte sich die Abnahme als eine unzulässige Teilabnahme dar.
Ausweislich des Vertrages umfasste die werkvertragliche Zusatzverpflichtung der Klägerin die Überarbeitung der Treppenhäuser und Hauseingangsbereiche, wie in der Anlage II zum Vertrag definiert. In der mündlichen Verhandlung erklärte der Prozessvertreter der Klägerin für das Ehepaar Stocker aber nur die Abnahme hinsichtlich der Treppenhäuser und ging auf die Türeingangsbereiche nicht näher ein. Damit wurde nur eine teilweise Abnahme erklärt. Die Voraussetzungen für eine Teilabnahme gem. § 641 Abs. 1 S. 1 sind nicht gegeben bzw. waren auch nicht vertraglich vorgesehen.
4) Im übrigen fehlt – sofern man eine wirksame Abnahme unterstellen möchte – eine Fristsetzung zur Nacherfüllung gem. §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 1, 3 BGB, um Gewährleistungsrechte auszulösen.
Da erst mit einer wirksamen Abnahme die Möglichkeit einer Nacherfüllung besteht, setzt ein Kostenvorschussanspruch weiterhin das Setzen einer Frist zur Nacherfüllung gem. § 637 Abs. 1 BGB voraus.
b) Ein Anspruch auf Schadensersatz nach allgemeinem Leistungsstörungsrecht gem. §§ 280, 281 Abs. 4, 323 BGB besteht nicht, da ein ersatzfähiger Schaden noch nicht eingetreten ist.
1) Die Klägerin stützt ihren Schadensersatzanspruch – auch – auf allgemeines Leistungsstörungsrecht, nämlich Schadensersatz statt der Leistung, §§ 280, 281 BGB.
Geht man von einer unterbliebenen Abnahme aus, so stehen den Erwerbern noch die Herstellungsansprüche aus der zusätzlichen werkvertraglichen Verpflichtung zu. Diese wurden nicht voll umfänglich erfüllt, da die Leistung – möglicherweise – nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Hierfür hatte die Klägerin mit den Schreiben Anlage K 12, K 13 auch die erforderlichen Fristen zur Erfüllung der vertraglichen Pflichten gesetzt.
2) Ein etwaiger Schadensersatzanspruch scheidet jedoch – jedenfalls derzeit – deswegen aus, weil ein Schaden bei der Klägerin noch nicht eingetreten ist.
Derzeit bleibt die vertragliche Leistung der Beklagten hinter dem vertraglich Geschuldeten zurück, es liegt eine Störung des vertraglichen Äquivalenzinteresses vor. Weder bei der Klägerin selbst noch bei den Mitgliedern der Klägerin ist aber ein tatsächlicher Vermögensschaden eingetreten, denn bisher bleibt nur die Ist-Beschaffenheit der vertraglich erbrachten Leistung hinter dem vertraglich geschuldeten Soll zurück. Die mangelhafte Erfüllung allein stellt nicht einen Schaden an sich dar, da ein Mangel noch keinen Schaden begründet (vgl. BGH v. 22.2.2018, VII ZR 46/17).
3) Die Klägerin verlangt hier einen Schadensersatz wegen Nichterfüllung der Leistungspflicht, §§ 280, 281 BGB.
Der Schaden ist konkret zu berechnen. Zwar ist für das Kaufrecht entschieden, dass ein solcher Schaden auch auf Basis der fiktiven Mangelbeseitigungskosten berechnet werden kann (vgl. BGH Urt. 12.3.2021, V ZR 33/19). Dies kann jedoch für das Werkvertragsrecht nicht gelten. Die Nichterfüllung des Nacherfüllungsanspruchs gem. §§ 634 Nr. 1, 635 BGB stellt – ebenso wie die Nichterfüllung des (Erst-)Erfüllungsanspruchs gem. §§ 631 I, 633 I BGB – eine Pflichtverletzung iSd §§ 280, 281 BGB dar.
Das Ergebnis beider Pflichtverletzungen ist, dass dem Besteller anstelle eines mangelfreien Werks ein mangelhaftes Werk zur Verfügung steht. Deshalb ist dieses Ergebnis – jedenfalls im Werkvertragsrecht – im Ausgangspunkt auch der richtige Anknüpfungspunkt für die Bemessung des auf der Pflichtverletzung (Sachmangel) beruhenden Vermögensschadens (BGH Beschluss v. 8.10.2020 VII AR 1/20). Hat der Besteller den Mangel tatsächlich beseitigen lassen, ist der aufgewendete Betrag als entstandener Schaden ersatzfähig (vgl. BGH a.a.O). Auch kann die Klägerin einen Schaden dann nach der Differenzhypothese berechnen. Eine Abrechnung auf Basis der fiktiven Mangelbeseitigungskosten muss allerdings ausscheiden (vgl. BGH a.a.O.).
4) Eine Vorfinanzierung der Mangelbeseitigung sieht das allgemeine Schuldrecht nicht vor, sondern es werden nur tatsächlich eingetretene Schäden vergütet.
Eine andere Betrachtung rechtfertigt sich auch nicht aus der vom Kläger angeführten Kommentierung Grüneberg-Grüneberg § 249 Rn. 14. Zwar wird hier auf eine fiktive Schadensberechnung Bezug genommen. Diese Fundstelle befasst sich aber mit der Regulierung von Substanzschäden beispielsweise im Zusammenhang mit der Beschädigung eines Kraftfahrzeugs und ist eine Folge von § 249 BGB.
Die hier gegebene Störung des Äquivalenzinteresses ist hingegen anders zu beurteilen.
3. Da die Klage nicht begründet ist, war auch die – weitergehende – Anschlussberufung zurückzuweisen.
Das erstinstanzliche Urteil ist daher dahingehend abzuändern, dass die Klage abzuweisen ist.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97, 101 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die von der Klägerin beantragte Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die vorliegende Sache hat keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.


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