Baurecht

Umstufung einer Gemeindestraße

Aktenzeichen  8 B 15.884

Datum:
20.12.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2017, 705
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayStrWG Art. 3 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1, Art. 17 Abs. 1, Art. 46 Abs. 1, Art. 53 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die Grundsätze, nach denen eine straßenrechtliche Einziehung ausnahmsweise von einem Dritten angefochten werden kann (Senatsentscheidung vom 22.10.2015 – 8 ZB 13.647 u.a. – NVwZ-RR 2016, 206 Rn. 13), gelten für die straßenrechtliche Umstufung gleichermaßen.
2. Öffentliche Feld- und Waldwege dienen zwar nicht ausschließlich, aber vornehmlich der Bewirtschaftung der anliegenden Feld- und Waldgrundstücke. Gewerblicher Schwerlastverkehr wird von dieser Zweckbestimmung nicht mehr erfasst mit der Folge, dass solcher Verkehr eine erlaubnispflichtige Sondernutzung darstellt.

Verfahrensgang

6 K 12.914 2013-01-16 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Das Verfahren wird, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit im Hinblick auf die Umstufung eines Teilstücks des H. Wegs zur O.- Straße übereinstimmend für erledigt erklärt haben, eingestellt.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
IV. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1. Das Verfahren ist, soweit die Parteien den Rechtsstreit im Hinblick auf die „Umstufung“ eines Teilstücks des H. Wegs zur Orts Straße (FlNr. … mit dem Anfangspunkt bei Grundstück FlNr. … nordöstlich und dem Endpunkt bei FlNr. … nordwestlich, jeweils Gemarkung H.; vgl. Ziffer 1a der Umstufungsverfügung vom 13.7.2012) übereinstimmend für erledigt erklärt haben, in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
2. Die gegen Ziffer 1b der Verfügung vom 13. Juli 2012 aufrechterhaltene Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Die Umstufung eines Teilstücks des H. Wegs (FlNr. … mit dem Anfangspunkt bei Grundstück FlNr. … nordwestlich und dem Endpunkt bei FlNr. … südwestlich, jeweils Gemarkung H.) zum öffentlichen Feld- und Wald Weg ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht Augsburg hat die Klage daher im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
2.1 Die von der Klägerin erhobene Klage ist, soweit sie gegen die Abstufung zum Feld- und Wald Weg gerichtet ist, entgegen der Rechtsauffassung des Erstgerichts zulässig. Insbesondere fehlt der Klägerin insoweit nicht die erforderliche Klagebefugnis im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO, weil es möglich erscheint, dass diese Umstufung rechtsmissbräuchlich erfolgt ist.
Dem Erstgericht ist im Ausgangspunkt zuzustimmen, dass ein von einer Umstufungsverfügung nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 BayStrWG betroffener Privater regelmäßig keine Rechtsverletzung geltend machen kann, weil diese Bestimmung dem Drittbetroffenen grundsätzlich keine schutzfähige Rechtsposition einräumt (BayVGH, B.v. 22.10.2015 – 8 ZB 13.647 u.a. – NVwZ-RR 2016, 206 Rn. 13 m.w.N.).
Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 BayStrWG bestimmt sich die Rechtmäßigkeit einer Umstufung einer Straße, also deren Auf- bzw. Abstufung in eine andere Straßenklasse im Sinne des Art. 3 Abs. 1 BayStrWG, allein nach deren Verkehrsbedeutung oder beruht auf überwiegenden Gründen des öffentlichen Wohls, mithin öffentlichen Belangen, auf die sich der einzelne Private nicht berufen kann. Diese sind nach Art. 8 Abs. 1 BayStrWG auch Tatbestandsvoraussetzung für die Einziehung einer Straße, die nach gefestigter Rechtsprechung des Senats deshalb ebenfalls von Betroffenen grundsätzlich nicht angefochten werden kann (BayVGH, B.v. 8.8.2011 – 8 CS 11.1177 – juris; B.v. 6.10.2011 – 8 CS 11.1220 – BayVBl 2012, 666; B.v. 8.7.2013 – 8 ZB 13.1119 – juris). Der Senat hat insoweit jedoch klargestellt, dass in besonders gelagerten Fällen der Anlieger oder Nutzer einer Straße ausnahmsweise wegen schwerwiegender Betroffenheit, namentlich in den Fällen des Rechtsmissbrauchs oder der objektiven Willkür, eine Sachprüfung der Tatbestandsmerkmale des Art. 8 BayStrWG erreichen kann, weil er nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und dem ihm innewohnenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur solche Einschränkungen hinnehmen muss, die nach Verfassungs- und/oder Straßenrecht in jeder Hinsicht rechtmäßig sind (BayVGH, B.v. 31.5.2011 – 8 B 10.1653 – FSt Bay 2012, Rn. 58; B.v. 22.10.2015 – 8 ZB 13.647, 8 ZB 15.2320 – NVwZ-RR 2016, 206 Rn. 13). Bei Vorliegen entsprechender Umstände ist ein solches auf den Grundsatz von Treu und Glauben beruhendes Klagerecht ausnahmsweise auch einem durch eine Umstufung Betroffenen zuzusprechen.
Danach ist eine Klagebefugnis der Klägerin hier aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls zu bejahen. Es kann nicht von vorneherein ausgeschlossen werden, dass die im Streit stehende Abstufung eine subjektiven Rechtsposition der Klägerin verletzt, weil diese substanziiert geltend macht, dass die angefochtene Umstufung die Verwirklichung ihres bestandskräftig planfestgestellten Deponievorhabens infrage stellt und aus rechtsmissbräuchlichen Gründen erfolgt ist. Dieses Vorbringen ist wegen der hier vorliegenden besonderen Fallgestaltung nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen.
Wie das Erstgericht zutreffend dargelegt hat, ändert sich durch die von der Beklagten vorgenommene Abstufung des im Streit stehenden Abschnitts des H. Wegs von einer Gemeindeverbindungs Straße zum öffentlichen Feld- und Wald Weg der Umfang des Gemeingebrauchs an diesem Wegstück. Nach Art. 46 Nr. 1 BayStrWG dienen Gemeindeverbindungsstraßen dem nachbarlichen Verkehr der Gemeinden oder der Gemeindeteile untereinander oder deren Verbindung mit anderen Verkehrswegen. Ausgehend von dieser Zweckbestimmung können sie von jedermann regelmäßig mit Kraftfahrzeugen aller Art im Rahmen des Gemeingebrauchs unentgeltlich befahren werden (Art. 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BayStrWG). Demgegenüber dienen öffentliche Feld- und Waldwege gemäß Art. 53 Nr. 1 BayStrWG der Bewirtschaftung von Feld- und Waldgrundstücken. Diese ist zwar nicht mit land- und forstwirtschaftlicher Benutzung gleichzustellen, sondern geht darüber hinaus; so kann auch die Benutzung eines öffentlichen Feld- und Waldwegs zu Freizeit- und Erholungszwecken im geringen Umfang vom Gemeingebrauch an dem Weg umfasst sein (BayVGH, B.v. 27.2.2014 – 8 B 12.2268 – BayVBl 2014, 565 Rn. 41 m.w.N.). Dagegen stellt die Benutzung eines solchen Wegs durch ein gewerbliches Unternehmen, bei dem nicht die Ausnutzung der Bodenertragskraft im Vordergrund steht, eine (erlaubnispflichtige) Sondernutzung dar (BayVGH, B.v. 6.4.2004 – 8 CE 04.464 – BayVBl 2005, 23/24 m.w.N.).
Im Planfeststellungsbeschluss vom 17. August 2000 in der Fassung des ergänzenden Planfeststellungsbeschlusses vom 30. September 2003 und der Plangenehmigung vom 1. Oktober 2010 war der zunächst auf der FlNr. … der Gemarkung M. sowie im Weiteren auf der von der angefochtenen Abstufung betroffenen FlNr. … der Gemarkung H. verlaufende H. Weg über den B.weg (FlNr. …, … und … der Gemarkung H.) als einzige Zufahrt für die Deponiegrundstücke der Klägerin vorgesehen. Im ergänzenden Planfeststellungsbeschluss vom 22. Januar 2013 wurden darüber hinaus alternativ sechs weitere Zufahrtsrouten planfestgestellt, wovon fünf (Zufahrtsvarianten 2 bis 6) die Deponie von Norden aus erschließen, während die Zufahrtsvariante 7 aus südöstlicher Richtung von H. kommend über den H. Weg und den B.-weg verläuft. Nachdem die Klägerin zur bestimmungsgemäßen Nutzung ihrer bestandskräftig als Deponie zur Ablagerung von Elektroofenschlacke planfestgestellten Grundstücke eine Zufahrt benötigt, die mit Schwerlastverkehr befahrbar ist, ist sie demnach für die Verwirklichung der planfestgestellten südlichen Zufahrtsvarianten 1 und 7 auf den Abschluss einer Sondernutzungsvereinbarung mit der Beklagten als Straßenbaulastträger angewiesen.
Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts steht der Klägerin deshalb das Recht zu, die von der Beklagten vorgenommene Abstufung gerichtlich überprüfen zu lassen. Wie bereits im Beschluss vom 22. Oktober 2015 (8 ZB 13.647 u.a. – NVwZ-RR 2016, 206) ausgeführt, hat diese ein berechtigtes Interesse auf Umsetzung ihres bestandskräftig planfestgestellten, auch in einem gerichtlichen Verfahren bestätigten Vorhabens. Im Hinblick auf die vorangegangene Verfahrensgeschichte ist es nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass die Beklagte, die alle rechtsstaatlichen Möglichkeiten gegen die Errichtung und den Betrieb der Deponie ausgeschöpft hat, die angefochtene Abstufung aus rechtsmissbräuchlichen Gründen vorgenommen hat. Schon deshalb kann ihr Einwand, die Klägerin sei ohnehin wegen der Nutzung des als öffentlicher Feld- und Wald Weg gewidmeten B.-wegs auf den Abschluss einer Sondernutzungsvereinbarung angewiesen, so dass die Erforderlichkeit einer entsprechenden Erlaubnis für die Benutzung des H. Wegs keine Erschwernis darstelle, nicht durchgreifen.
Die Klagebefugnis der Klägerin ist auch nicht wegen der Möglichkeit, den Abschluss einer erforderlichen Sondernutzungsvereinbarung gerichtlich durchzusetzen, zu verneinen. Das Erstgericht verweist zwar zu Recht darauf, dass infolge der planfestgestellten Deponie ein Kontrahierungszwang für die Beklagte besteht. Der Senat hat bereits im Beschluss vom 22. Oktober 2015 (8 ZB 13.647 u.a. – NVwZ-RR 2016, 206 Rn. 30) dargelegt, dass die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätze zur Verpflichtung einer Gemeinde, ein zumutbares Erschließungsangebot des Bauherren eines privilegierten Außenbereichvorhabens anzunehmen (BVerwG, U.v. 30.8.1985 – 4 C 48.81 – NVwZ 1986, 38; B.v. 18.5.1993 – 4 B 65.93 – NVwZ 1993, 1101; U.v. 20.5.2010 – 4 C 7.09 – BVerwGE 137, 74 m.w.N.; vgl. auch Söfker in Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Stand 1.5.2015, § 35 Rn. 72 m.w.N.), auf den für die Klägerin notwendigen Abschluss einer Sondernutzungsvereinbarung übertragbar sind. Dessen ungeachtet lehnt die Beklagte jedenfalls den Abschluss einer Sondernutzungsvereinbarung zur Realisierung einer Zufahrt aus nördlicher Richtung ab. Die Klägerin hat deshalb bei dem gemäß Art. 56 Abs. 1 BayStrWG zuständigen Landgericht (vgl. BayVGH, B.v. 27.7.2006 – 8 C 06.1617 – BayVBl 2007, 216) Klage eingereicht, über die bislang noch nicht entschieden ist. Nachdem der Ausgang dieses Verfahrens noch völlig offen ist, ist es mit dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (BVerwG, U.v. 14.4.1978 – 4 C 6.76 – BVerwGE 55, 337/339; U.v. 9.8.2016 – 4 C 5/15 – DVBl 2016, 1543 Rn. 17 m.w.N.) nicht vereinbar, wenn die Beklagte geltend macht, die Klägerin sei im hiesigen Verfahren nicht klagebefugt.
Die Zulässigkeit der Klage scheitert auch nicht am fehlenden Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin. Die Beklagte hält den ursprünglich erhobenen Einwand, eine Nutzung des H* … Wegs als Deponiezufahrt aus südwestlicher Richtung sei wegen der nicht vorhandenen Ausbaubreiten ohnehin nicht realisierbar, selbst nicht mehr aufrecht. Vielmehr bietet sie der Klägerin mittlerweile zusammen mit der Gemeinde M. den Abschluss einer entsprechenden Sondernutzungsvereinbarung zur Verwirklichung der im Planfeststellungsbeschluss vom 17. August 2000 in der Fassung des ergänzenden Planfeststellungsbeschlusses vom 30. September 2003 und der Plangenehmigung vom 1. Oktober 2010 ursprünglich vorgesehenen Zufahrt über den H. Weg und den B.-weg (Zufahrtsvariante 1 des ergänzenden PFB vom 22.1.2013) an. Unter den Beteiligten ist es jedoch strittig, ob die von der Gemeinde M. bislang für den Ausbau dieses Wegs hinzuerworbenen Flächen ausreichen. Die Parteien konnten sich bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht auf den Abschluss einer Vereinbarung, die die Realisierung einer dem Stand der Technik entsprechenden Zufahrt (vgl. unter A VI 1.3 des ergänzenden PFB vom 22.1.2013) sicherstellt, verständigen. Mithin ist offen, ob die Klägerin darauf verwiesen werden kann, dieses Angebot anzunehmen. Unter diesen Voraussetzungen kann der Klägerin ein Rechtschutzbedürfnis an einer gerichtlichen Entscheidung über die im Streit stehende Abstufung nicht abgesprochen werden.
2.2 Die Berufung ist aber unbegründet, weil die zwischen den Parteien streitige Abstufung des Teilstücks des H. Wegs von einer Gemeindeverbindungs Straße zum öffentlichen Feld- und Wald Weg rechtmäßig ist.
Entsprechend obigen Ausführungen ist eine öffentliche Straße nach Art. 7 Abs. 1 BayStrWG in die entsprechende Straßenklasse gemäß Art. 3 Abs. 1 BayStrWG umzustufen, wenn sich ihre Verkehrsbedeutung geändert hat, sie nicht in die ihrer Verkehrsbedeutung entsprechende Straßenklasse eingeordnet ist oder überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls für die Umstufung vorliegen. Die Regelung setzt damit das Vorhandensein einer öffentlich-rechtlichen Straße voraus, die in eine bestimmte Straßenklasse eingestuft ist.
Vorliegend ist unter den Beteiligten unstreitig, dass das hier streitbefangene Teilstück des H. Wegs zum Zeitpunkt der Umstufung als Gemeindeverbindungs Straße gemäß Art. 46 Nr. 1 BayStrWG gewidmet war. Dies ergibt sich auch aus dem in den Behördenakten befindlichen Auszug aus dem Bestandsverzeichnis der Beklagten (Bl. 571 der Behördenakte II). Danach erweist sich die angefochtene Verfügung als rechtmäßig, weil dem Straßenabschnitt im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. BayVGH, U.v. 14.1.2010 – 8 B 09.2529 – NVwZ-RR 2010, 507), für den ein Unterschied zum Zeitpunkt des gerichtlichen Augenscheins vom 30. November 2016 weder vorgetragen noch ersichtlich ist, nicht die Verkehrsbedeutung einer Gemeindeverbindungs Straße, sondern vielmehr die eines öffentlichen Feld- und Waldwegs zukommt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Klassifizierung des H. Wegs von vornherein fehlerhaft war oder ob sich dessen Verkehrsbedeutung im Nachhinein geändert hat, weil Art. 7 Abs. 1 BayStrWG die Abstufung für beide Fallkonstellationen gleichermaßen vorsieht.
Maßgeblicher Faktor für die Verkehrsbedeutung einer Straße im Sinne von Art. 3 Abs. 1 BayStrWG sind die von ihr vermittelten räumlichen Verkehrsbeziehungen. Diese bemessen sich nach der ständigen Rechtsprechung des Senats danach, welche Funktion eine Straße innerhalb des Gesamtstraßennetzes erfüllt, nämlich zwischen welchen Räumen der Verkehr vermittelt werden soll. Wegen der häufig auftretenden Mischung verschiedener Verkehrsarten kommt es dabei in aller Regel auf ein relatives Überwiegen einer bestimmten Verkehrsbeziehung an (Häußler in Zeitler, BayStrWG, Stand Oktober 2015, Art. 3 Rn.19 f. m.w.N.). Nach den Klassifizierungsmerkmalen des Art. 46 Nr. 1 BayStrWG dienen Gemeindeverbindungsstraßen dem örtlichen Verkehr im Gemeindegebiet oder zwischen Gemeinden, wobei ihnen hauptsächlich Erschließungs- und Zubringerfunktion zukommt (Schmid in Zeitler, BayStrWG, Art. 46 Rn. 4 m.w.N.). Anders als Bundesfern- und Staatsstraßen sowie Kreisstraßen kommt ihnen keine Netzfunktion in Bezug auf das überörtliche Verkehrsnetz zu (BayVGH, U.v. 24.2.1999 – 8 B 98.1627 – BayVBl 2000, 242/243).
Der H. Weg stellt zwar von seiner Lage her eine unmittelbare Verbindung zwischen dem zur Gemeinde M. gehörenden Ortsteil H. und der Beklagten dar. Er erfüllt jedoch nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 46 Nr. 1 BayStrWG; insbesondere dient er nicht zur Vermittlung des nachbarlichen gemeindlichen Verkehrs, weil sich auf ihm weder nach den tatsächlichen Gegebenheiten noch nach seiner Funktion die überwiegenden Verkehrsbeziehungen zwischen diesen benachbarten Gemeinden abspielen. Soweit er auf der Flur der Gemeinde M. verläuft, jedoch auch in seiner östlichen Fortsetzung auf dem Gemeindegebiet der Beklagten bis etwa 200 m vor der Einmündung des B.-wegs weist er lediglich eine wassergebundene Decke auf, die zum Teil mit Fahrspuren ausgefahren ist. Die in der Fahrbahnmitte vorhandene Erhebung ist für die Benutzung mit einem Personenkraftfahrzeug eher ungünstig (vgl. S. 7 f. der Niederschrift über den Augenschein vom 30.11.2016 unter Besichtigungspunkte 7 und 8). In diesem Bereich, aber auch soweit der Weg im weiteren Verlauf in Richtung H. asphaltiert ist, hat er bis zum Ende des von der Abstufung umfassten Teilstücks lediglich eine Ausbaubreite von ca. 3 m, sodass er nur einspurig befahrbar ist. Nachdem der B.-weg, von H. kommend, die erste Ausweichmöglichkeit, darstellt, ist bei einem Begegnungsverkehr das Zurücksetzen eines Fahrzeugs – gegebenenfalls über eine nicht unerhebliche Strecke – erforderlich. Derartige Wegeverbindungen gelten als typische Flurbereinigungswege, die nach heutigen Gepflogenheiten nicht mehr der Verkehrsbedeutung einer Gemeindeverbindungs Straße entsprechen. Daher ist der H. Weg schon aufgrund seines tatsächlichen Ausbauzustands nicht dazu geeignet, einen regelmäßigen und nicht nur unerheblichen örtlichen Verkehr zwischen H. und H. zu vermitteln.
Auch der Umstand, dass sich der hier maßgebliche Abschnitt des H. Wegs ab der Gemarkungsgrenze nach M. als öffentlicher Feld- und Wald Weg fortsetzt, macht deutlich, dass er nicht der Vermittlung des nachbarlichen Verkehrs zwischen diesen Gemeinden dienen soll. Aus gleichem Grund stellt er auch keine Verbindung der beklagten Gemeinde zu anderen Verkehrswegen, konkret zur Staats Straße … dar. Der Einwand der Klägerin, die von der Gemeinde M. vorgenommene Einstufung des auf ihrer Flur verlaufenden Teilstücks des H. Wegs sei fehlerhaft bzw. rechtswidrig gewesen, kann im hiesigen Verfahren keine Berücksichtigung finden, weil diese unstreitig bereits in Bestandskraft erwachsen ist. Im Hinblick auf den oben dargestellten Zustand und die Funktion des Wegs ist diese Klassifizierung keinesfalls offensichtlich fehlerhaft und nichtig, vielmehr sprechen die im Augenschein getroffenen Feststellungen – unabhängig davon, dass dies nicht Gegenstand der gerichtlichen Prüfung im hiesigen Verfahren ist – für die Richtigkeit dieser Einstufung.
Die Klägerin kann auch nicht einwenden, dass das abgestufte Teilstück des H. Wegs die Voraussetzungen einer Gemeindeverbindungs Straße erfüllt, weil es der Vermittlung des örtlichen Verkehrs zwischen den Deponiegrundstücken und dem eigentlichen Ortskern der Beklagten dient. Eine Straße, die ein Einzelanwesen erschließt, stellt in der Regel keine Gemeindeverbindungs Straße dar (Schmid in Zeitler, BayStrWG, Art. 46 Rn. 5). Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin handelt es sich bei dem Deponievorhaben um kein Industriewerk, das als Ortsteil angesehen werden kann und durch den streitbefangenen Abschnitt des H. Wegs mit dem Gemeindegebiet verbunden wird (vgl. Schmid in Zeitler, BayStrWG, Art. 46 Rn. 5). Zum einen fehlt der geplanten Deponie schon das für eine solche Betrachtungsweise erforderliche städtebauliche Gewicht. Zum anderen werden die Deponiegrundstücke nach allen planfestgestellten Zufahrtsvarianten nicht unmittelbar über den H. Weg erschlossen; vielmehr muss hierfür im weiteren Verlauf noch der B.-weg, der bestandskräftig als ein öffentlicher Feld- und Wald Weg gewidmet ist, benutzt werden.
Der von der Abstufung erfasste Teil des H. Wegs erfüllt daher nicht die Voraussetzungen des Art. 46 Nr. 1 BayStrWG. Vielmehr stellt sich der streitbefangene Straßenabschnitt als öffentlicher Feld- und Wald Weg dar, weil nach den vom Senat im Augenschein am 30. November 2016 getroffenen Feststellungen aufgrund seines oben dargestellten Ausbauzustands davon ausgegangen werden kann, dass er überwiegend diejenigen Verkehrsbeziehungen vermittelt, die der Bewirtschaftung der anliegenden Feld- und Waldgrundstücke dienen. Er erfüllt damit die Klassifizierungsmerkmale des Art. 53 Nr. 1 BayStrWG, so dass sich die angefochtene Abstufungsverfügung als rechtmäßig erweist.
Eine andere rechtliche Bewertung ergibt sich auch nicht aus dem in Rechtsprechung und Literatur anerkannten Rechtsinstitut des Anliegergebrauchs. Denn dieses aus dem einfachen Recht herzuleitende Rechtsinstitut entfaltet nur innerhalb geschlossener Ortschaften seine Schutzwirkung (vgl. Art. 19 Abs. 1 BayStrWG; BayVGH, U.v. 15.3.2006 – 8 B 05.1356 – BayVBl 2007, 45 Rn. 35). Nachdem das Deponievorhaben der Klägerin im Außenbereich der beklagten Gemeinde liegt, kann sie schon aus diesem Grund keine Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Umstufungsverfügung aus dem Anliegergebrauch ableiten. Ohnehin vermittelt das Rechtsinstitut keinen absoluten Abwehranspruch gegen die Änderung oder Einziehung einer Straße (vgl. Art. 17 Abs. 1 BayStrWG). Straßenanlieger haben daher eine Umstufung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 BayStrWG grundsätzlich hinzunehmen; der Anliegergebrauch gewährleistet lediglich die Verbindung mit dem öffentlichen Straßennetz überhaupt, nicht dagegen notwendig auch die Erreichbarkeit des Grundstücks mit Kraftfahrzeugen aller Art oder gar jeden Anliegerverkehr (BayVGH, B.v. 20.2.2003 – 8 C 03.126 – juris Rn. 2; B.v. 12.6.2003 – 8 ZB 03.599 – juris Rn. 2).
Nachdem die vorgenommene Umstufung entsprechend vorstehenden Ausführungen den gesetzlichen Vorgaben entspricht, greift auch der Einwand der Klägerin, diese sei wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Beklagten rechtswidrig, nicht durch. Die Abstufung stellt zudem keine Verletzung der bestandskräftigen Festsetzungen im Planfeststellungsbeschluss vom 17. August 2000 in der Fassung des ergänzenden Planfeststellungsbeschlusses vom 30. September 2003 und der Plangenehmigung vom 1. Oktober 2010 dar, weil darin keine Regelung zur Einstufung des H. Wegs getroffen wird. Diese richtet sich nach den gesetzlichen Vorgaben vielmehr ausschließlich nach seiner Verkehrsbedeutung (Art. 3 Abs. 1 BayStrWG). Darüber hinaus wird im ergänzenden Planfeststellungsbeschluss vom 22. Januar 2013 ausdrücklich festgestellt, dass im Falle der Bestandskraft der Abstufung für die Realisierung der Zufahrtsvarianten 1 und 7 der Abschluss einer Sondernutzungsvereinbarung nachzuweisen ist (vgl. unter A VI 1.2.1 und 1.2.2 auf S. 3 f. sowie unter B II 3.2.1 auf S. 21 des ergänzenden PFB vom 22.1.2013). Dementsprechend verstößt die angefochtene Umstufung auch nicht gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayAbfG. Es ist daher nicht erheblich, dass diese auch nicht die vom Vorhaben betroffenen Flächen selbst umfasst und zudem nicht als erhebliche erschwerende Veränderung verstanden werden kann.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 2 und § 154 Abs. 2 VwGO.
Soweit das Verfahren einzustellen war (vgl. oben unter II 1), entspricht es unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands gemäß § 161 Abs. 2 VwGO billigem Ermessen, der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil mit der sogenannten „Umstufung“ eines Teilstücks des H* … Wegs von einer Gemeindeverbindungszur Orts Straße keine Änderung der Straßenklasse erfolgt ist (vgl. Art. 46, Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 BayStrWG). Wie bereits das Verwaltungsgericht Augsburg in seinem Urteil vom 16. Januar 2013 ausgeführt hat, erwächst der Klägerin hieraus weder ein rechtlicher noch ein sonstiger Nachteil (BayVGH, B.v. 14.11.2000 – 8 ZB 00.2948 – juris). Eine Kostenteilung im Hinblick auf die möglicherweise missverständliche Formulierung in Ziffer 1a der Verfügung vom 13. Juli 2012 war insoweit nicht veranlasst, weil hier allenfalls ein geringes Teilunterliegen der Beklagten angenommen werden könnte (vgl. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO).
Im Hinblick auf die zurückgewiesene Berufung (vgl. oben unter II 2) trägt die Klägerin als unterlegene Partei die Kosten des Berufungsverfahrens (§ 154 Abs. 2 VwGO).
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Absatz 1 Satz 1 VwGO i.V.m. 708 Nr. 10 ZPO.
5. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.


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