Baurecht

Unbegründete Klage auf Erteilung eines Bauvorbescheides wegen fehlender Standort- und Maßangaben

Aktenzeichen  M 9 K 18.3101

Datum:
24.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 16518
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 71
BauGB § 35

 

Leitsatz

Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens kann weder unter Ausklammerung des Standorts noch unter Offenlassen der Ausmaße geprüft werden. Ein insoweit gestellter Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheides ist deshalb unzulässig bzw. nicht bescheidungsfähig und die Klage bereits aus diesem Grund als unbegründet abzuweisen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung des beantragten Vorbescheids, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, Art. 71 Satz 1 BayBO. Dem steht bereits die Unzulässigkeit des Vorbescheidsantrags entgegen (1.). Soweit ein sinnvoller Inhalt ermittelbar war, beeinträchtigt das Vorhaben im Übrigen öffentliche Belange (2.).
1. Der Vorbescheidsantrag ist in vielerlei Hinsicht unzulässig, worauf in der mündlichen Verhandlung auch hingewiesen wurde. Er lässt die abschließende Beurteilung des Bauvorhabens als sonstiges Außenbereichsvorhaben, § 35 Abs. 2 BauGB, nicht zu.
a) Vorliegend handelt es sich um ein sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB. Zugunsten der Klägerseite und nach pflichtgemäßer Auslegung der Bauvorlagen wird angenommen, dass vorliegend der Neubau – d. h. die Errichtung – eines Einfamilienwohnhauses in Rede steht. Die wenig nachvollziehbaren Ausführungen der Bevollmächtigten zu einer „Erweiterung“ bzw. „Erneuerung“ des Bestandsgebäudes würden ansonsten dazu führen, dass nicht einmal feststünde, was für ein Vorhaben geplant ist, § 29 Abs. 1 BauGB (dazu bspw. BayVGH, B.v. 26.2.2008 – 14 ZB 07.149). Das Vorhaben liegt – was zwischen den Beteiligten an sich unstreitig ist – im Außenbereich, was bereits die Luftbilder völlig problemlos ergeben haben. Auch der Augenschein hat dies nochmals bestätigt. Angesichts der Ausführungen der Klägerseite wird dennoch auf Folgendes hingewiesen: Die westliche Ansiedlung ist zu weit entfernt, um in irgendeiner Form einen Bebauungszusammenhang hierzu annehmen zu können. Zudem dürfte sie selbst keinen Ortsteil darstellen. Die gewerblichen Gebäude im Norden und im Osten nehmen eine Solitärstellung ein, ihnen kommt keine maßstabsbildende Kraft in Bezug auf das Vorhabengrundstück zu, auch bilden sie keinen Ortsteil. Eine „Ungleichbehandlung“ ist nicht auszumachen: Ansonsten nicht bestehendes Baurecht wurde im Umfeld teils über eine Außenbereichssatzung, teils über einen Bebauungsplan geschaffen. Das klägerische Grundstück ist jeweils nicht einbezogen worden und damit außen vor.
b) Klägergünstig wird weiter, obwohl keine explizite Vorbescheidsfrage gestellt wurde, angenommen, dass die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt werden soll; dies kann aus dem beigegebenen Anschreiben geschlossen werden (zu dieser Auslegungsmöglichkeit BayVGH, U.v. 2.7.2004 – 1 B 02.1006 – KommJur 2005, 186).
Die Beurteilung, ob das Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig ist, ist vorliegend aber von vorn herein unmöglich. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit kann nämlich weder unter Ausklammerung des Standorts noch unter Offenlassen der Vorhabenausmaße geprüft werden (OVG NW, U.v. 6.2.2003 – 10 A 3464/07 – juris; BayVGH, U.v. 10.12.2007 – 1 BV 04.843 – juris; König, Baurecht Bayern, Stand. 5. Auflage 2015, Rn. 872; Simon/Busse, BayBO, Stand: 132. EL Dezember 2018, Art. 71 Rn. 37). Der Vorbescheidsantrag ist deshalb unzulässig bzw. nicht bescheidungsfähig (statt aller BayVGH, B.v. 2.12.2010 – 15 ZB 08.1428; U.v. 22.5.2006 – 1 B 04.3531), die Klage bereits aus diesem Grund – richtigerweise als unbegründet (vgl. BayVGH, U.v. 22.5.2006, a. a. O.; a. A. SächsOVG, U.v. 3.7.2012 – 4 B 808/06 – juris) – abzuweisen (vgl. generell BayVGH, B.v. 2.12.2010 – 15 ZB 08.1428 – juris; U.v. 10.12.2007 – 1 BV 04.843 – juris, auch OVG NW, B.v. 6.10.2014 – 2 A 434/13 – juris).
Dies allein schon deshalb, weil nur durch bzw. mit Festlegung des Standorts und der Vorhabenausmaße eine etwaige Zulässigkeit nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB geprüft werden könnte. Soweit dies dem Klägervortrag zu entnehmen ist, wird letztlich dieser Privilegierungstatbestand ins Feld geführt – was eine Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit darstellt. Weder die Tatbestandsvoraussetzung „gleichartiges Wohngebäude an gleicher Stelle“, § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB, noch bspw. die Möglichkeit, das Privileg einer „geringfügigen Erweiterung“, § 35 Abs. 4 Satz 3 BauGB, für sich in Anspruch nehmen zu können, ist anhand des Vorbescheidsantrags beurteilbar. Sollte der Privilegierungstatbestand nicht eingreifen, wäre zudem bspw. offen, ob eine Splittersiedlung erweitert wird oder wie auf die Immissions- (vor-) belastung durch das angrenzende Gewerbegebiet Rücksicht genommen werden soll (dazu statt aller BayVGH, B.v. 2.12.2010, a. a. O.) – für die Vergabe eines Immissionsortes zählen hierbei auch nur wenige Meter.
Der Vorbescheidsantrag verhält sich vorliegend nicht dazu, wo das Vorhaben verwirklicht werden soll („… ob wir irgendeine Möglichkeit haben, auf diesem Grundstück ein neues Haus zu bauen“), wie das Bestands- (Wohn-?) Gebäude aussieht – selbst die Lagepläne kamen, soweit ersichtlich, vom Landratsamt und wurden von dort an die Gemeinde übersandt – und ob/dass eine gleichartige Ersetzung erfolgt bzw. wie die Ausmaße des Neubaus sind – auf das Produktblatt wird nur „zu 99%“ abgestellt und dort ist auch keine Grundfläche angegeben, zudem erfolgen die Angaben ohne Maßstab -. Auch blieb offen, ob bzw. inwiefern das Bestandsgebäude zulässigerweise errichtet worden war. Auch der angeblich „marode Zustand“ wurde mit nichts belegt – der Ortstermin konnte diesen angeblich maroden Zustand in keiner Weise bestätigen. Sollte das Bestandsgebäude tatsächlich marode sein, ist auch fraglich, wieso die Klägerin es derzeit noch dem Kanutenverein u. a. für Clubhaustreffen zur Verfügung stellt – diese Überlassung wäre dann zu überdenken.
Der aus § 5 BauVorlV folgenden Verpflichtung, diejenigen Bauvorlagen vorzulegen, die zur Beurteilung der durch den Vorbescheid zu entscheidenden Fragen des Bauvorhabens erforderlich sind, wird der Vorbescheidsantrag jedenfalls in keiner Weise gerecht.
Die im Laufe des Gerichtsverfahrens vorgenommenen Konkretisierungsversuche der Klägerbevollmächtigten trugen nicht zur Klärung bei, sondern verschlimmerten die Problematik eher noch. Das folgt schon daraus, dass sie selbst für das Bestandsgebäude einen „Quadratmeteranteil von 85-90 m²“ angab (Bl. 7 d. GA) – damit dürfte wohl die Grundfläche gemeint sein -, wohingegen das Vorhaben ihrer Aussage nach (a. a. O.) eine Grundfläche von ca. 150 m² aufweisen soll. Somit bleibt es von vorn herein wenig nachvollziehbar, wenn die Bevollmächtigte behauptet (Bl. 26 d. GA), das Vorhaben umfasse den Plan, „das alte Gebäude abzureißen, und genau in der Form und Größe erneut wiederum aufzubauen“. Auch bleibt unklar, wie sich die Aussagen mit dem beigegebenen „Produkt- bzw. Werbeblatt“ in Übereinstimmung bringen lassen könnten, das als Wohnfläche im EG ca. 102,40 m² angibt – womit eine Grundfläche von 150 m² wenig realistisch erscheint. Nach alledem kann die Unbestimmtheit auch nicht derart „eingefangen“ werden, dass der Standort ja durch das Bestandsgebäude vorgegeben sei, da bspw. unklar bleibt, in welche Himmelsrichtung der Neubau die jetzige (Bestands-) Ausdehnung überlappen bzw. überschreiten soll.
Im Laufe des behördlichen bzw. gerichtlichen Verfahrens wurde die Klägerseite mehrfach auf die fehlende Beurteilungsfähigkeit bzw. – hinsichtlich § 35 Abs. 4 BauGB – auf ihre Substantiierungspflicht hingewiesen; nachgekommen ist bzw. abgeholfen hat sie dem nicht. Der Vorbescheidsantrag wurde in keiner Hinsicht „repariert“, weswegen auch irrelevant ist, dass sich die Bauaufsichtsbehörde aus Kulanz sachlich auf den Antrag eingelassen hat (vgl. OVG SH, U.v. 10.9.2003 – 1 LB 269/02 – juris).
2. Unabhängig davon, dass der Vorbescheidsantrag bereits unzulässig ist, beeinträchtigt das Vorhaben im Übrigen – soweit ein sinnvoller Inhalt ermittelbar war – öffentliche Belange.
a) Der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Wohnbauvorhabens – ein sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB – stehen vorliegend jedenfalls § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 7 BauGB entgegen. Der Flächennutzungsplan weist das Vorhabengrundstück als landwirtschaftliche Fläche aus und das Vorhaben würde jedenfalls zur Verfestigung einer Splittersiedlung führen – ob auch die Erweiterung einer Splittersiedlung zu befürchten wäre, kann dagegen nicht seriös beurteilt werden, vgl. Ziff. 1.
b) Um die genannten Belange zu überwinden, müsste die Klägerseite die Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB für sich fruchtbar machen. Soweit sinnvoller Vortrag dazu erfolgt ist und soweit die Bauvorlagen eine Beurteilung erlauben, liegen dessen Voraussetzungen aber nicht vor. Die Klägerin hat das Bestandsgebäude bereits nach eigener Aussage nie selbst genutzt, sie wohnt im Ortskern von K. Das Anwesen steht derzeit dem örtlichen Kanutenverein als Lagerstätte und Clubhaus zur Verfügung. Die Voraussetzung des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c BauGB ist damit nicht erfüllt. Die behaupteten Wohnzeiten des Voreigentümers können von vorn herein nicht angerechnet werden (vgl. Battis u. a., BauGB, Stand: 13. Aufl. 2016, BauGB § 35 Rn. 144).
c) Eine Zulässigkeit nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 BauGB scheidet von vorn herein aus, da – nach klägergünstiger Auslegung – keine Erweiterung in Rede steht. Aufgrund der wiederum undurchsichtigen klägerischen Ausführungen im Übrigen wird diesbezüglich noch auf Folgendes hingewiesen: Eine Erweiterung nur und ausschließlich zu dem Zweck, den erweiterten Bestand sofort zugunsten eines – dann größer dimensionierten – Ersatzbaus abzureißen, würde bereits gesetzessystematisch eine Umgehung der besonderen Voraussetzungen von Ziff. 2 darstellen und müsste ausscheiden. Die Klägerin tut also gut daran, wenn sie davon absieht. Auch eine „Kombination“ verschiedener Privilegierungstatbestände bzw. einzelner Voraussetzungen ist unzulässig, da der Gesetzgeber mit Absatz 4 ein differenziertes System von Einzelregelungen geschaffen hat, das nicht derart beliebig erweiterbar sein soll (BVerwG, U.v. 12.3.1998 – 4 C 10/97 – juris).
Die Kostenentscheidung fußt auf § 154 Abs. 1, Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Der Beigeladene hat sich mangels Antragstellung nicht in ein Kostenrisiko begeben, weswegen es nicht der Billigkeit entspräche, der Klägerin auch seine außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

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